Schön dargestellt. Wobei die politischen Ziele der Grünen mit "links" nur noch teilweise zu tun haben. Die Versorgung der Bobos paßt noch ins Schema, aber die Wohlfühlthemen fürs finanziell gut versorgte Bürgertum waren früher eine Spezialität des konservativen (und religiös geprägten) Milieus.
In der Tat ein schöner Spaziergang, lieber Noricus. Mir fehlt aber ein anderer Aspekt recht schmerzlich, der auch stark an dem letzten Absatz, den Du schreibst, zusammenhängt.
Politik ist ja nicht unbedingt ein reines Spiel von Angebot und Nachfrage ("Die Feministen sind eine relevante Wählergruppe. Also machen wir jetzt Feminismus.") sondern eben auch ein Teil der Sozialisierung und Wertevorstellungen der Parteimitglieder und auch Führer. Die SPD konnte früher den Anwalt des "kleinen Mannes" oder auch des Arbeiters geben, weil sie sich durchaus auch aus solchen Gruppen rekrutierte. Wenn auch die Parteivorsitzenden selber keine Arbeiter waren, so stammten viele Führungsmitglieder durchaus aus Arbeiterhaushalten und wussten durchaus auch noch was das bedeutet. Heute dagegen besteht die SPD (übrigens genauso wie die Grünen) in der Führung fast ausschließlich aus Bobos. Wie sollen die denn glaubhaft die Facharbeiter repräsentieren können? Die SPD präsentiert Bobo-Politik, weil sie fast nur noch aus Bobos besteht, oder zumindest von Bobos angeführt wird. Der Vertretung der Arbeiterschaft ist inzwischen nur noch Folklore.
Und ich glaube auch nicht, dass sich das so schnell ändern lässt. Selbst wenn die SPD morgen wieder auf die Idee kommen würde, Politik für den deutschen(?) Facharbeiter zu machen, so hat der schon auch ein Gedächtnis. Und er glaubt den Bobos nicht unbedingt, dass die nur sein bestes wollen.
Zitat von Llarian im Beitrag #3Die SPD konnte früher den Anwalt des "kleinen Mannes" oder auch des Arbeiters geben, weil sie sich durchaus auch aus solchen Gruppen rekrutierte.
Was übrigens eine historische Besonderheit ist. Es ist ja normal, daß es in der politischen Auseinandersetzung Gruppen gibt, die jeder die unteren Schichten vertreten und solche, die für die Oberschicht stehen. Das gab es schon am Anfang der Demokratie in Athen, das gab es mit den Popularen und Optimaten in Rom, das gab es bei den Auseinandersetzungen in den mittelalterlichen Städten und in allen Parlament seit der französischen Revolution. Und es waren auf beiden Seiten Angehörige der gebildeten und reichen Oberschicht, die Protagonisten waren und um die Macht kämpften. Die politischen Vertreter der unteren Schichten rekrutierten sich fast nie aus diesen, sondern kamen selber "von oben".
Der Knackpunkt war aber: Das war ihnen bewußt, und deswegen haben sie Kontakte gepflegt und sich informiert, was "unten" gefragt war. Und genau das machen die SPD-Bobos nicht. Sie halten sich für authentisch Vertreter der Unterschicht, weil sie selber keine Millionen geerbt haben und sich durchaus Gedanken machen müssen, wo ihr Gehalt herkommt. Aber dieses Gehalt haben sie immer aus öffentichen Kassen und über ihre politische Arbeit bekommen. Auch wenn sie nicht unbedingt mehr verdienen als die normalen Arbeitnehmer, haben sie damit eine ganz andere Lebensrealität - ohne sich dessen bewußt zu sein.
Zitat von R.A. im Beitrag #4Was übrigens eine historische Besonderheit ist. [...]Die politischen Vertreter der unteren Schichten rekrutierten sich fast nie aus diesen, sondern kamen selber "von oben".
Der Knackpunkt war aber: Das war ihnen bewußt, und deswegen haben sie Kontakte gepflegt und sich informiert, was "unten" gefragt war. Und genau das machen die SPD-Bobos nicht.
Und was ist in der SPD passiert, daß sie nunmehr von Bobos gestaltet wird und nicht mehr vom "kleinen Mann"? Wann ist die historische Besonderheit verlorengegangen?
Zitat von Emulgator im Beitrag #5Und was ist in der SPD passiert, daß sie nunmehr von Bobos gestaltet wird und nicht mehr vom "kleinen Mann"? Wann ist die historische Besonderheit verlorengegangen?
Meine Vermutung ist: Das liegt an der Bildungswelle der 60er und 70er Jahre. Früher gab es halt im Arbeitertum genug Talente, die IQ und Begabung hatten - aber wegen der sozialen Schranken nicht aufs Gymnasium oder gar die Uni gehen konnten und daher als Facharbeiter in der Welt ihrer Eltern blieben. Und diese Leute stellten das Führungspersonal von Gewerkschaften und SPD. Seit Kinder mit entsprechender Begabung (und einige mehr ...) ganz normale Abitur und Studium machen, haben sich die Kinder aus SPD-Elternhäusern zu Bobos entwwickelt.
Zitat von Emulgator im Beitrag #5Und was ist in der SPD passiert, daß sie nunmehr von Bobos gestaltet wird und nicht mehr vom "kleinen Mann"? Wann ist die historische Besonderheit verlorengegangen?
Meine Vermutung ist: Das liegt an der Bildungswelle der 60er und 70er Jahre. Früher gab es halt im Arbeitertum genug Talente, die IQ und Begabung hatten - aber wegen der sozialen Schranken nicht aufs Gymnasium oder gar die Uni gehen konnten und daher als Facharbeiter in der Welt ihrer Eltern blieben. Und diese Leute stellten das Führungspersonal von Gewerkschaften und SPD. Seit Kinder mit entsprechender Begabung (und einige mehr ...) ganz normale Abitur und Studium machen, haben sich die Kinder aus SPD-Elternhäusern zu Bobos entwwickelt.
Oder es ist noch viel einfacher: Welches gut ausgebildete, fachkundige und fleißige Arbeiterkind tut sich die Ochsentour des Polit- und Funktionärsbetriebs denn freiwillig an? Wer verzichtet gern auf eine sichere Karriere in der Wirtschaft im Tausch gegen ökonomisch prekäre Einstiegspositionen, die allein perspektivisch und mit Glück überhaupt zu einer Vollversorgung führen?
Zitat von dari im Beitrag #7 Oder es ist noch viel einfacher: Welches gut ausgebildete, fachkundige und fleißige Arbeiterkind tut sich die Ochsentour des Polit- und Funktionärsbetriebs denn freiwillig an? Wer verzichtet gern auf eine sichere Karriere in der Wirtschaft im Tausch gegen ökonomisch prekäre Einstiegspositionen, die allein perspektivisch und mit Glück überhaupt zu einer Vollversorgung führen?
In der Tat. Das ist die andere Seite der Medaille. Die Professionalisierung des Politbetriebes, angefangen bei den Jugendorganisationen, unterstuetzt die Negativauswahl. Vor allem solcher Leute, die nie mit der Realitaet Kontakt hatten und fuer die Politik nur Netzwerken fuer die eigene Karriere ist.
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