Ich finde es interessant, dass keine politische Analyse dieser Tage ohne Zuschreibung von Motiven an die Wähler auskommt oder mindestens ohne Zuschreibung von wertenden Adjektiven an die Eigenschaften der gewählten Volksvertreter. Entweder fordert man sie ein oder lehnt sie entschieden ab. Ich glaube man gewinnt dadurch keine Erkenntnis. Aber das mag ein Irrglaube sein.
Mir persönlich erscheint einzig eines evident: Jeder Wähler der AfD muß in seinem eigenen, individuellen Wertesystem die Entscheidung begründet sehen, dass diese Wahl besser ist als jede andere, inklusive der Nichtwahl. Nun kann man auf die Suche nach den Punkten gehen, worin sich die AfD unterscheidet vom Rest des Angebots und mindestes einer dieser Unterschiede muß im individuellen Wertesystem eines jeden Wählers wichtiger sein als alles andere. Damit weiß man über den einzelnen Wähler nicht viel. Wenn man aber die Unterschiede vollständig zusammenträgt, kann man immerhin wissen, dass die Summe dieser Unterschiede in der individuellen Bewertung genügend Menschen bewegt die AfD zu wählen.
Kommen wir einmal kurz zu Volksparteien und was sie notwendig ausmacht. In meinen Augen ein wesentlicher Faktor: Sie sind fähig zu innerparteilichem Diskurs, dazu, Interessenausgleich zwischen verschiedenen Milieus zu schaffen und dabei sogar politische Ränder über solchen Diskurs der gesellschaftlichen Mitte zuzuführen. Merkels Sündfall ist in diesem Sinne, dass sie den innerparteilichen Diskurs in einen Monolog verwandelt hat. Die CDU hat damit ihren Charakter als Volkspartei verloren. Sie verkommt immer mehr zu einer Milieupartei. Die aktuellen Versuche der CDU den innerparteilichen Diskurs wieder zurückzugewinnen und wie diese Versuche vonstatten gehen, sind meines Ermessens Indiz dafür, wie weit der Zerfall der (innerparteilichen) Diskursfähigeit (bei der CDU) bereits fortgeschritten ist. Außer "ad hominem Gezetere" kommt da kaum etwas heraus. Das ist der Weg, welchen die SPD leider schon zu Ende gegangen ist.
Um in diesem Zusammenhang auf des Werwohlfs Zitat "it's the despair stupid" zurückzukommen: Was wählt man in Deutschland derzeit, wenn man bestimmte Meinungen hat, welche einem so wichtig sind, dass man sie im politischen Diskurs vertreten sehen möchte und die außer bei der AfD nirgends prononciert vertreten wären, als da zum Beispiel wären: - Restriktive Migrationspolitik - (deutliche) Kritik an überbordender Umweltpolitik - (deutliche) Kritik am "Kreuzzug" gegen den Individualvrekehr - (deutliche) Kritik an der EU - (deutliche) Kritik an der Euro Politik - (deutliche) Kritik an dem überbordenden Klimarettungsgetöse - (deutliche) Kritik an der Energiewende
und mir fielen noch ein paar Beispiele mehr ein.
Ich würde sehr stark vermuten, dass in einer "Helmut Kohl CDU" für solche Positionen Platz für Einfluß gewesen wäre. Nicht so in einer monologisierenden "Merkel CDU" - die natürlich mittlerweile weit mehr prominente Vertreter hat, als Merkel alleine . Ob man deswegen nun die AfD wählt und welche Kröten man dazu zu schlucken bereit ist, ist eine individuelle Entscheidung. Den Unterschied zwischen Ost und West würde ich dabei übrigens ganz profan vor allem in der unterschiedlichen Bindung an die alte Parteienlandschaft sehen. Die Hemmschwelle im individuellen Wertesystem die AfD zu wählen ist einfach niedriger. Rumoren bei den oben gennanten Punkten scheint mir evident auch im Westen vorhanden.
Meine These wäre: Wenn solche Themen auch in anderen Parteien Widerhall fänden - und prädestiniert dazu wären Volksparteien wie es die CDU oder SPD einmal waren - wäre die AfD kein Thema. Mittlerweile aber ist der Vertrauensverlust in die beiden alten Volksparteien, wie auch deren Zerfall von Volksparteien in Milieuparteien bereits so weit vorangeschritten, dass man möglichweise einen Kipppunkt überschritten hat, hinter dem man nicht mehr zurück kann. Die Zahnpasta mag aus der Tube sein. Ob Merz oder Koch vielleicht dennoch die Richtigen sind, der CDU den Weg zurück zu einer Volksparteien zu weisen, kann ich nicht beurteilen. Sie vertreten aber dezidiert den Teil des Meinungsspektrums, welches einer CDU (zur Volkspartei) derzeit fehlt - Die Lücke, die sie droht zur Milieupartei verfallen zu lassen.
Man kann sich die AfD weg wünschen. Man kann sie verteufeln. Man kann so ziemlich alles. Mann kann sogar extremistische, Wählermehrheiten ausrufen. Das ändert nur die Realität nicht. Man wird ungeliebte Wünsche übernehmen und man wird ihnen Gewicht in der realen Politik geben müssen - auch wenn diese Wünsche bisher vielleicht von der AfD vertreten werden. Und man wird sich dem moralischen Trommelfeuer - das mit Sicherheit folgen wird - aufrecht stellen müssen. All diesen Quatsch, das einzig Richtige nur immer noch besser zu erklären, wird nichts ändern. Die Alternativlosigkeitstyrannis ist kein zukunftsfähiges Politikmodell.
Die CDU kann diesen Weg zurück zur Volkspartei eventuell noch gehen. Wer dazu die richtigen Leute sind, wage ich nicht zu beurteilen und wie schwer der Weg werden wird, zeigt die Qualität der Konfliktbewältigung derzeit in der Öffentlichkeit. Recht sicher fühle ich mich allerdings bei der Vorhersage, dass das Hinterherlaufen bei grünen Themen diesen Weg nicht bestreiten wird.
Ich habe oft genug den Eindruck, dieser ganze Bohei um Zuschreibungen, was bürgerlich, demokratisch und vertretbar ist, dient nur dazu, den weisen Elephanten nicht benennen zu müssen: Dass diejenige Politik, welche die kulturelle, gesellschaftliche Elite und mit ihr der öffentliche Diskurs unter starkem Mitwirken des ÖRR derzeit als alternativlos erachtet, von vielen Menschen in wesentlichen Punkten nicht geteilt wird. Der politische Diskurs in Deutschland braucht dazu eine Alternative. Dass es keine bessere gibt als die AfD kann man nicht alleine der AfD anlasten. Wenn einem die Einwertung der vorhandenen Alternativen in den individuellen Wertesystem der Menschen und das daraus resultierende Wahlergebenis - aus welchen Gründen auch immer - nicht behagt, sollte man andere Alternativen anbieten. Mich wundert ehrlich gesagt, dass das kaum prononciert geschieht. Die starke Nachfrage nach einer Alternative (und diese Nachfrage scheint mir durch die aktuellen Wahlausgänge empirisch ausreichend belegt), kann man nicht mir dem Angebot der Alternativlosigkeit befriedigen. - Ganz gleich, ob man sich in demokratietheoretische, juristische, semantische oder moralische Argumentationsstränge flüchtet.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Letztlich handelt es sich hier um eine Entscheidung, die die CDU treffen muss. Über die letzten Jahrzehnte gab es dabei folgendes Bild:
- Die Union weigerte sich beständig, mit Kräften rechts von ihr zu koalieren. Ganz egal ob Republikaner, NPD oder AfD: das war immer tabu. - Die SPD war hingegen für den kurzfristigen Machtgewinn immer bereit zu solchen Bündnissen. Erst mit den Grünen, später mit der PDS bzw. Linkspartei.
Ergebnis: Die Union ist bis heute die klare Führungskraft im konservativen Parteienspektrum. Die SPD wurde mittlerweile durch die Geister, die sie rief, stark beschädigt.
Ich glaube es besteht kein Zweifel, dass die Unions-Strategie langfristig die klügere und erfolgreichere war. Und ich glaube, an dieser Grund-Tatsache hat sich bis heute nichts geändert.
Zugegeben: Das Wahlergebnis in Thüringen ist krass. Aber wenn die Union ihre jahrzehntelange Doktrin auch hier beibehält, dann hat sie zumindest die Chance, die AfD wieder klein zu bekommen. Weil sie dadurch allen Wählern des konservativen Spektrums signalisiert, dass eine Stimme für die AfD immer eine verlorene Stimme sein wird. Solange sie das durchhält, wird sie die AfD im Bund immer bei sehr deutlich unter 20% halten können - und damit im für die Union (noch) nicht existenzbedrohenden Bereich. Insbesondere hat die Union dann weiterhin sehr gute Chancen, stärkste Partei zu sein. Eine Koalition mit der AfD wäre hingegen ein Dammbruch, der gerade in den heutigen polarisierten Zeiten die Union aufreiben würde: Für die AfD wäre das ein Ritterschlag, der sie für viele staatstragende Konservative (und das sind im konservativen Spektrum immer noch die Mehrheit) erstmals wählbar machen würde. Und viele "mittige" bisherige Unions-Wähler (also alle links von sagen wir mal Roland Koch) würden dann mit dem Gedanken spielen, gleich das grüne oder rote Original zu wählen.
Hinzu kommt natürlich, dass die AfD bei der Landtagswahl in Thüringen stärker als die CDU war. Nach ständiger Übung dürfte sie in einer Koalition also den Ministerpräsidenten stellen (und weil die CDU ja im Bund meist stärkste Partei ist, hätte sie auch überhaupt keinen Anreiz, einen von der ständigen Übung abweichenden Präzedenz-Fall zu schaffen!). Und wie wir in den letzten Jahren verstärkt sehen können: Es gibt einen gewaltigen Amtsbonus für den Ministerpräsidenten. Bei allen 3 Wahlen im Osten dieses Jahr hat jeweils die MP-Partei gewonnen. Die Linkspartei war in Brandenburg und Sachsen SEHR schwach. Und in Thüringen - wo sie den MP stellt, dann sehr stark. Die SPD war in Sachsen und Thüringen schwach - und in Brandenburg wo sie den MP stellt, sehr stark. usw. Vor diesem Hintergrund wäre es für die CDU doppelt fatal, wenn sie der AfD ein MP-Amt überlassen würde. Und umgekehrt wäre die AfD strunzdoof als stärkste Partei in eine Koalition zu gehen (in der sie entzaubert werden könnte), ohne sich den MP-Posten zu sichern.
Fazit: Nein, zu einer CDU-(FDP)-AfD-Koalition wird es in Thüringen ganz sicher nicht kommen, weil das den Interessen der CDU komplett zuwiderlaufen würde.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #26Man kann sich die AfD weg wünschen. Man kann sie verteufeln. Man kann so ziemlich alles. Mann kann sogar extremistische, Wählermehrheiten ausrufen. Das ändert nur die Realität nicht. Man wird ungeliebte Wünsche übernehmen und man wird ihnen Gewicht in der realen Politik geben müssen - auch wenn diese Wünsche bisher vielleicht von der AfD vertreten werden. Und man wird sich dem moralischen Trommelfeuer - das mit Sicherheit folgen wird - aufrecht stellen müssen. All diesen Quatsch, das einzig Richtige nur immer noch besser zu erklären, wird nichts ändern. Die Alternativlosigkeitstyrannis ist kein zukunftsfähiges Politikmodell.
Manche Leute scheinen ja den seriöser erscheinenden dem unseriöser wirkenden Taxifahrer zu bevorzugen, selbst wenn nur der letztere in die richtige Richtung fährt.
Das Kalkül, die AfD zu wählen, um die CDU/CSU wieder zu ihren Wurzeln zu schieben, geht bisher nicht auf - im Gegenteil, ihre Jünger verschanzen sich um so überzeugter um Merkel. Da bleibt als einzige Lösung eine weitere Stärkung der AfD. Da mag sich der eine oder andere smart und mit intellektuellem Anstrich distanzieren, die Smarten haben aber noch selten konstruktive Beiträge geleistet. Der wahre Notfall in Deutschland ist die aktuelle Politik. Die AfD ist die Notfallmaßnahme.
Lieber Llarian, lieber Meister Petz, zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Ihr Euch für die sehr schöne und von mir äußerst geschätzte Idee eines Pro-und-Contra zusammengefunden habt.
In der Sache selbst bin ich eher bei Petz. Mir ist zwar völlig wurscht, ob man eine blau-schwarz-gelbe Koalition als "bürgerlich" bezeichnet oder nicht, weil mich derlei Etiketten ja nur mäßig und nur dann interessieren, wenn sie ihrem Zweck gerecht werden (nämlich eine Kurzwahltaste für eine Bedeutung darzustellen, was ich bei "links" und "rechts" trotz aller Bauchschmerzen noch irgendwie gegeben sehe, bei "bürgerlich" hingegen gar nicht).
Aber ich fände es falsch, wenn die CDU den Tabubruch einer Koalition mit der AfD ausgerechnet in Thüringen wagte. Ich gebe Petz Recht, dass es ein fatales Signal wäre, wenn man die Blockadehaltung gerade gegenüber demjenigen AfD-Landesverband aufgäbe, dem Höcke vorsteht. Dies wäre tatsächlich zumindest ein Schulterklopfen, wenn nicht ein Ritterschlag für denjenigen, der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt.
Und es würde die ohnehin arg bedrängten Liberalen und Konservativen in der AfD oder - sagen wir mal - für Liberale und Konservative noch anschlussfähigen Exponenten der AfD wohl noch schneller ins Hintertreffen geraten lassen, als dies ohnehin schon der Fall ist. Ich kann in diesem Zusammenhang nur die Lektüre des Artikels empfehlen, den der Werwohlf nach dem Essener Parteitag verfasst hat. Natürlich ist dieser Beitrag cum ira et studio geschrieben, aber er gewährt doch einen (erschreckenden) Einblick in die tatsächliche Gärigkeit des gärigen Haufens. Ich selbst habe in einem vor fast drei Jahren erschienenen Text meine Vermutung formuliert, wohin die Reise geht, und ich kann zu meinem Leidwesen heute nicht sagen, dass ich mich damals getäuscht hätte. Und es würde mich ganz und gar nicht wundern, wenn in Braunschweig noch einige weitere liberal-konservative Residuen der AfD entsorgt würden.
Zitat von fedchan im Beitrag #18Mir geht es darum, dass es aus meiner Sicht unklug ist, politische Fragen als juristische Fragen zu behandeln. Meine Einschätzung bestimmter Entscheidungen der Bundeskanzlerin in der Vergangenheit sind nicht oder kaum davon beeinflusst, ob sie rechtmäßig oder rechtswidrig waren. Viele katastrophale Entscheidungen sind oder wären legal, viele einleuchtende Politiken sind illegal. Ich will damit nicht sagen, dass es mir egal wäre, ob eine Regierung rechtmäßig handelt, oder nicht. Ich will damit sagen, dass sofern eine Entscheidung, die ich für katastrophal halte, zufällig auch rechtswidrig ist, mich eher der katastrophale Charakter stört, weniger die mögliche Rechtswidrigkeit.
Lieber fedchan, zunächst mal freue ich mich, mal wieder von Ihnen zu lesen. Ich meine mich zu erinnern, dass ich den feinsten argumentativem Schlagabtausch in meiner gesamten ZR-Karriere mit Ihnen hatte .
Es ist natürlich ein ganz schwieriges und hochphilosophisches Fass (gibts nicht nur bei Diogenes), das Sie da angestochen haben - das Verhältnis zwischen Recht, Politik und Moral. Eine moderne Staatsauffassung verlangt aus meiner Sicht eine Trennung dieser Sphären, eine Übernahme von Recht durch Politik führt zwangsläufig zu autoritären Strukturen (theoretisch fundiert bei Carl Schmitt im "Begriff des Politischen"), und wenn auch noch die Moral die Politik diktiert, kann das diese Strukturen zementieren. Außerdem kann man moralisch meist auch gegensätzliche Positionen begründen.
Zitat von fedchan im Beitrag #18Vielleicht wird mein Punkt deutlich, wenn man sich jemanden vorstellt, der mit Entsetzen davon spricht: „Er hat ihn rechtswidrig ermordet.“ Dieser Satz kommt uns spontan merkwürdig vor, weil das Entsetzen doch wohl in erster Linie Reaktion auf die Tötung als solche ist, weniger auf die Rechtswidrigkeit derselben.
Schönes Beispiel, weil wir hier im kleinen Zimmer häufig die Diskussion haben, warum nicht jede Tötung ein Mord ist. In diesen Begriffen treten die unterschiedlichen Sphären zu Tage.
Zitat Ich bin gern bereit, von unterlassener Grenzschließung zu sprechen. Ich sehe allerdings nicht, wie das die Bewertung der entsprechenden Entscheidungen der Bundesregierung im Jahr 2015 entscheidend verändert.
Ich denke, dass es für den genuin konservativen Wähler schon einen Unterschied bedeutet, ob seine Regierung sich an Recht und Gesetz hält. Und mit dem "millionenfacher-Rechtsbruch"-Argument wäre der AfD zumindest bei den "Halben" ein wahlentscheidendes Propagandamittel genommen. Insofern ist es schade, dass Seehofer seine Klage beim BVerfG nicht durchgezogen hat, dann hätten wir an der Stelle Klarheit.
Zitat von nsnIch würde sehr stark vermuten, dass in einer "Helmut Kohl CDU" für solche Positionen Platz für Einfluß gewesen wäre.
Wo war denn in der Kohl-CDU die Debatte zur Euro-Einführung? Wo war die Debatte um die Unterzeichnung der Abkommen von Schengen und Dublin? Alles Politik der Kohl-CDU.
Zitat von Lalelu im Beitrag #20Denn bis zur Grenzöffnung 2015 war das Framing in der medialen Berichterstattung über Jahre das von der angeblichen "Festung Europa", von geschlossenen undurchlässigen Grenzen und von der nahezuen Unmöglichkeit für Flüchtlinge, Europa über Land zu erreichen. Oft kombiniert mit der Forderung, die Festung Europa endlich zu öffnen. Als dann ab Herbst 2015 plötzlich Hunderttausende einfach über diese angeblichen Festungsgrenzen hereinspazierten und die Bilder davon jedes Wohnzimmer erreichten, blieb als logische Erklärung ja nur die Grenzöffnung oder das Eingeständnis bislang Fake-News verbreitet zu haben.
Interessanter Punkt. Dass die Außengrenzen gemäß Dublin schon viel früher ein Pulverfass waren, war jedem Beobachter klar, der sich mal auf Lampedusa umgeschaut hat, oder spätestens während der Griechenland-Krise, als die Griechische Regierung damit gedroht hat, alle Flüchtlinge aus den Lagern dort mit Schengen-Visa auszustatten. Aber so lange der Ernstfall nicht eintritt, kann man ja leicht daherreden.
Ich denke, dass wahrscheinlich mit Silvester in Köln auch da die Stimmung gekippt ist. Aber das ändert nichts daran, dass das Framing bei der AfD nach 2015 das gleiche ist, nur mit entgegengesetzem Spin.
Zitat von NoricusDies wäre tatsächlich zumindest ein Schulterklopfen, wenn nicht ein Ritterschlag für denjenigen, der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt.
Definiere Enfant terrible. Ich schlage mal eine Arbeitsdefinition vor: Wenn beide Bundesvorsitzenden einer Partei in den Hallen der Bundespressekonferenz verlautbaren, dass eine Person "mitten in der Partei steht", ist die Bezeichnung "enfant terrible" angemessen. Einverstanden?
Zitat von NoricusDies wäre tatsächlich zumindest ein Schulterklopfen, wenn nicht ein Ritterschlag für denjenigen, der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt.
Definiere Enfant terrible. Ich schlage mal eine Arbeitsdefinition vor: Wenn beide Bundesvorsitzenden einer Partei in den Hallen der Bundespressekonferenz verlautbaren, dass eine Person "mitten in der Partei steht", ist die Bezeichnung "enfant terrible" angemessen. Einverstanden?
Vielleicht willst Du ja mal darüber nachdenken, ob es zwischen "der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt" (was ich geschrieben habe) und "der ja nicht ganz zu Unrecht in seiner Partei als Enfant terrible gilt" (was offenbar Du verstanden hast) einen semantischen Unterschied geben könnte.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #32Wo war denn in der Kohl-CDU die Debatte zur Euro-Einführung? Wo war die Debatte um die Unterzeichnung der Abkommen von Schengen und Dublin? Alles Politik der Kohl-CDU.
Ich entschuldige mich dafür, dass es mir nicht möglich zu sein scheint, selbst einfache Gedanken ohne Potenzial für Mißverständnisse auszuführen.
Die 1980er Jahre hatten andere gesellschaftliche Debatten als die 2010er, was Themen und Gewichtungen betrifft. Nicht nur Themen wechseln, auch deren Gewichtung aufgrund von Ereignissen. Auch mag man einen Unterschied darin erkennen können, ob eine Partei lediglich Milieupartei ist oder unterschiedliche Milieus befrieden kann und dabei dennoch einzelne Themen debattenarm entscheidet. Das ist dann Verhandlungsmasse.
Kohls CDU spannte einen Raum von Dregger bis Blüm auf und da waren noch andere polarisierende Köpfe dazwischen. Das macht die Merkel CDU nicht mehr. Sie hält Monologe, denen man zustimmen oder die man ablehnen kann. Der Kern einer Milieupartei. Eine Erika Steinbach hatte zum Beispiel Platz unter Kohl, unter Merkel hätte man sie letzlich am liebsten hinausgeworfen. Von der innerparteilichen (Außenseiter)Stellung eines Bosbach in Merkels CDU, der wie kaum ein anderer die bürgerliche Mitte symbolisierte, will ich gar nicht erst sprechen. Die CDU befriedete unter Kohl Milieus und bearbeitet eine große Bandbreite des relevanten Meinungsspektrums. Sie integrierte die Ränder. Unter Merkel hat sie das vollkommen aufgegeben und das ist in meinen Augen "Merkels Sündenfall".
Meine These ist: Kohl wäre das in der Form niemals passiert. Auch glaube ich, dass Merz das vollkommen begriffen hat und diesen Fehler korrigieren möchte. Was er übrigens auch mit AKK an der Spitze wohl nicht für grundsätzlich unmöglich - vielleicht sogar besser möglich als mit ihm selbst an der Sitze - hält.
Die These muß du nicht teilen, du tust es wohl nicht, aber ein bisschen wohlwollender meine Texte zu lesen, würde ich dir zumindet nicht übel nehmen.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von NoricusDies wäre tatsächlich zumindest ein Schulterklopfen, wenn nicht ein Ritterschlag für denjenigen, der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt.
Definiere Enfant terrible. Ich schlage mal eine Arbeitsdefinition vor: Wenn beide Bundesvorsitzenden einer Partei in den Hallen der Bundespressekonferenz verlautbaren, dass eine Person "mitten in der Partei steht", ist die Bezeichnung "enfant terrible" angemessen. Einverstanden?
Vielleicht willst Du ja mal darüber nachdenken, ob es zwischen "der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt" (was ich geschrieben habe) und "der ja nicht ganz zu Unrecht in seiner Partei als Enfant terrible gilt" (was offenbar Du verstanden hast) einen semantischen Unterschied geben könnte.
Ja, semantischer Unterschied. Aber ohne Entsprechung in der Realität. Denn wenn er die akzeptierte Mitte der Partei darstellt, dann ist doch die Auffassung falsch, dass er nur ein enfant terrible (oder wie in anderem Zusammenhang gerne genannt, ein "Einzelfall") ist. Entweder er ist terrible, dann ist die ganze Partei terrible (sehe ich auch so). Oder er ist es nicht, dann braucht man auch nicht zwischen terribles und modérés enfants zu unterscheiden.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #33Ich denke, dass wahrscheinlich mit Silvester in Köln auch da die Stimmung gekippt ist. Aber das ändert nichts daran, dass das Framing bei der AfD nach 2015 das gleiche ist, nur mit entgegengesetzem Spin.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #17Genau darauf wollte ich in meinem Beitrag hinaus - allein schon der Begriff der "Grenzöffnung" ist vor dem Hintergrund des Schengenabkommens Framing reinster Sorte. Trotzdem wird es brav nachgebetet, von denselben Leuten, die, wenn es von der anderen Seite kommt, geradezu bis ins Uferlose über die korrekte Anwendung des Begriffs "Hetzjagd" auf ein Hasenvideo streiten können.
Die Rede von Merkels Grenzöffnung hat schon ihre Berechtigung.
Schengen hat die festen innereuropäischen Grenzkontrollen abgeschafft, an den EU-Außengrenzen gibt es sie natürlich trotzdem noch. Ein illegaler Grenzübertritt an der EU-Außengrenze berechtigt auch nicht zum Aufenthalt oder zur freien Reise durch Europa. Die Flüchtlinge sind im September 2015 überwiegend über Ungarn in die EU eingereist und wurden dort von der ungarischen Polizei registriert und festgehalten. Ungarn hatte gemäß den EU-Regeln dafür gesorgt, dass die Flüchtlinge nicht einfach illegal in andere EU-Länder weiter reisen können.
Merkel hat dann in der Nacht zum 5. September 2015 entschieden und öffentlich erklärt, jedem Flüchtling aus Ungarn, ob registriert oder nicht, werde die Einreise nach Deutschland erlaubt. Daraufhin hat Ungarn die Flüchtlinge in Busse nach Deutschland gesetzt. Das ist mit Merkels Grenzöffnung gemeint. Aber das war nur Merkels erster Streich.
Und der zweite folgt sogleich: Eine Woche später, am 12. September, mittlerweile waren tausende Flüchtlinge über Ungarn nach Deutschland geströmt. Die Bundespolizei hatte alles vorbereitet, um direkt die deutsche Grenze zu schließen und Flüchtlinge dort abzuweisen. Merkel war zuerst für diese Grenzschließung - die Grenzöffnung eine Woche zuvor hatte sie als Ausnahme angesichts der vielen Flüchtlinge in Ungarn verkauft. Insofern hätte sie diese Änderung ihrer Politik ohne Gesichtsverlust vertreten können. Im letzten Moment bekam Merkel aber Angst vor unschönen Bildern. Was wenn die Flüchtlinge sich dem Einreiseverbot widersetzen und an der deutschen Grenze Wasserwerfer eingesetzt werden müssten? Solche Bilder, die um die Welt gingen könnten, waren ihr ein zu hohes Risiko und sie stoppte die Grenzschließung in letzter Sekunde.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #37Denn wenn er die akzeptierte Mitte der Partei darstellt, dann ist doch die Auffassung falsch, dass er nur ein enfant terrible (oder wie in anderem Zusammenhang gerne genannt, ein "Einzelfall") ist.
Wenn man den Standpunkt des objektiven Beobachters versucht einzunehmen - was ich Noricus unterstelle - , ist allerdings die Frage erlaubt, ob man die Einschätzung wichtiger Funktionsträger der Partei zu Höcke am Wahlabend als intersubjektiv überprüfbare Tatsache versteht oder als politische Aussage.
Ich würde fast eine kleine Wette eingehen, dass wir - abseits von Fällen in die wir selbst emotional involviert sind - recht schnell darüber einig würden, dass man innerhalb politischer Prozesse und Organisationen getroffene Aussagen nicht notwendig gleich als "ontologisch wahr" begreifen muß.
Herzlich
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"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von NoricusDies wäre tatsächlich zumindest ein Schulterklopfen, wenn nicht ein Ritterschlag für denjenigen, der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt.
Definiere Enfant terrible. Ich schlage mal eine Arbeitsdefinition vor: Wenn beide Bundesvorsitzenden einer Partei in den Hallen der Bundespressekonferenz verlautbaren, dass eine Person "mitten in der Partei steht", ist die Bezeichnung "enfant terrible" angemessen. Einverstanden?
Vielleicht willst Du ja mal darüber nachdenken, ob es zwischen "der ja nicht ganz zu Unrecht als Enfant terrible seiner Partei gilt" (was ich geschrieben habe) und "der ja nicht ganz zu Unrecht in seiner Partei als Enfant terrible gilt" (was offenbar Du verstanden hast) einen semantischen Unterschied geben könnte.
Ja, semantischer Unterschied. Aber ohne Entsprechung in der Realität. Denn wenn er die akzeptierte Mitte der Partei darstellt, dann ist doch die Auffassung falsch, dass er nur ein enfant terrible (oder wie in anderem Zusammenhang gerne genannt, ein "Einzelfall") ist. Entweder er ist terrible, dann ist die ganze Partei terrible (sehe ich auch so). Oder er ist es nicht, dann braucht man auch nicht zwischen terribles und modérés enfants zu unterscheiden.
Wenn die - um dieses schöne Wort zu benützen - durch und durch bürgerlichen Eltern über ihren missratenen Sohn sagen: "Er ist doch ein guter Junge, der nicht anders ist als der Rest der Familie", hat dann der externe Beobachter, der den missratenen Sohn als "Enfant terrible" bezeichnet, Unrecht, weil der Herr Filius in seiner Familie doch die akzeptierte Mitte darstellt?
Natürlich ist Höcke kein Einzelfall, zumal er in der AfD mit seinen Ansichten ja beileibe nicht allein ist. Doch gibt es in der AfD immer noch einen liberal-konservativen Flügel, der seit Essen leider zunehmend an Einfluss verliert, und eben den Flügel um Höcke mit seinem nationalen - oder weniger polemisch formuliert - völkischen Sozialismus. Soweit ich das mitbekommen habe, ist Höcke für diesen letzteren Teil der AfD die unumstrittene Identifikationsfigur und für den externen Beobachter, der diese Ideologie nicht teilt, eben die Personifikation dieser Gedankenrichtung, eben das Enfant terrible.
Der Werwohlf hat in seinem Kommentar völlig zutreffend angedeutet, warum sich die Gemäßigten in der AfD den Radikalen anbiedern (etwa durch die "Mitte-der-Partei"-Äußerung): Es ist die nackte Angst, ansonsten das Schicksal Luckes oder Petrys zu erleiden.
Zitat von Florian im Beitrag #27Die Union weigerte sich beständig, mit Kräften rechts von ihr zu koalieren. Ganz egal ob Republikaner, NPD oder AfD: das war immer tabu.
Mit einer Ausnahme: Die Koalition mit Schill in Hamburg.
Zitat von Florian im Beitrag #27Die Union ist bis heute die klare Führungskraft im konservativen Parteienspektrum.
Würden Sie die heutige CDU ernsthaft als eine konservative Partei bezeichnen? Die Union hat ja nicht einmal mehr einen sichtbaren konservativen Flügel.
Zitat von Florian im Beitrag #27Aber wenn die Union ihre jahrzehntelange Doktrin auch hier beibehält, dann hat sie zumindest die Chance, die AfD wieder klein zu bekommen. Weil sie dadurch allen Wählern des konservativen Spektrums signalisiert, dass eine Stimme für die AfD immer eine verlorene Stimme sein wird.
Diese Chance hätte die CDU aber auch nur, wenn sie sich wieder als klassische Mitte/Rechts-Partei positioniert. Und dafür stehen die Chancen nicht gut.
Zitat von Florian im Beitrag #27Ich glaube es besteht kein Zweifel, dass die Unions-Strategie langfristig die klügere und erfolgreichere war. Und ich glaube, an dieser Grund-Tatsache hat sich bis heute nichts geändert.
Diese Überlegung leidet aber unter einem Fehler: Die Union hat diese Strategie nur deshalb erfolgreich fahren können, weil sie selber eine konservative und auch rechte Partei gewesen ist. Wie der seelige FJS es ausgedrückt hat: Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Das bedeutet aber auch, dass man selber gar nicht erst solche Mengen an unzufriedenen Wählern produzieren darf.
Zitat Aber wenn die Union ihre jahrzehntelange Doktrin auch hier beibehält, dann hat sie zumindest die Chance, die AfD wieder klein zu bekommen. Weil sie dadurch allen Wählern des konservativen Spektrums signalisiert, dass eine Stimme für die AfD immer eine verlorene Stimme sein wird.
Auch diese Überlegung hat zwei m.E. nach zwei Fehler: Erstens, die Wähler der AfD kommen so nicht zurück, denn die haben ja schon in den sauren Apfel gebissen und durchaus gewusst, dass ihre Stimme heute(!) nicht gewertet werden wird, wenn sie die AfD wählen. Kaum ein AfD Wähler wird (auch und gerade in Thüringen) ernsthaft damit gerechnet haben, dass die AfD mitregieren wird. Zum zweiten: Die Union muss besser aufpassen, dass sie durch diese Verweigerungsstrategie nicht eher den Weg der SPD geht und am Ende nur noch als der Abklatsch wahrgenommen wird. Thüringen ist zweifelsfgrei ein extremes Beispiel, aber die AfD ist VOR der Union gelandet. Genauso wie in zunehmend vielen Städten (und vereinzelten Ländern) die Grünen inzwischen die SPD überflügelt haben. Klar sind 25% keine Mehrheit. Aber es ist alles andere als eine Splitterbewegung, die ein paar Stimmen vom Rand abfischt.
Letzte Überlegung: Das sind alles schöne Gedanken zu Machtkonstellationen. Dennoch gehe ich mal davon aus, dass bei den meisten Parteimitgliedern (nicht unbedingt bei Berufspolitikern) die Idee noch vor der Macht kommt. Was nützt die Macht, wenn ich diese nur nutzen kann, um Positionen durchzusetzen, die ich gar nicht will? Für Menschen wie Merkel ist das egal, weil Macht das einzige Prinzip ist, wer aber konservative Dinge vertreten will, hat nichts von einer CDU, die nichts weiter als linke bis extrem linke Ideen durchsetzt.
Zitat von Werwohlf im Beitrag #2Beim letzten AfD-Parteitag, den ich (diesmal im TV) verfolgen durfte, hatte dieser Pöbeltrupp in Ermangelung eines Endgegners keine Funktion mehr, aber die Kohorten der extremen Rechten funktionierten noch hinreichend, um beinahe eine bis dato ebenso unbekannte wie ominöse Adelige zur Ko-Vorsitzenden zu wählen. Die Dame entpuppte sich im Nachhinein als Freundin reichlich unappetitlicher Organisationen, behielt aber aufgrund des unergründlichen Ratschlusses des schleswig-holsteinischen Parteigerichts ebenso ihre Mitgliedschaft wie jetzt der notorische Antisemit Gedeon aus Baden-Württemberg.
Will sagen: Gegen die - sagen wir mal: - einer sehr unheiligen Tradition verhafteten Kräfte in der AfD geht in dieser Partei gar nichts mehr. Von willigen Wahlkämpfern sind sie längst in eine bestimmende Rolle gewechselt, wovon nicht nur Gaulands Ausspruch kündet, Goebbels-Darsteller Höcke stehe "in der Mitte der Partei", sondern auch die Canossa-Gänge der angeblich "liberalen" Führungskräfte um Meuthen und Weidel.
Das wirkt aber auch nur so überzeugend, wenn man eine m.E. doch wichtige Information weglässt:
Der Parteivorstand hat das Verfahren vor dem Bundesschiedsgericht erfolgreich weiterbetrieben, die „ominöse Adelige“ wurde Ende August aus der Partei ausgeschlossen. Mit André Poggenburg ist man zuvor schon eine weitere zentrale Figur der Parteirechten losgeworden, der nach diversen Parteistrafen selber ausgetreten ist und eine Rechtsabspaltung gegründet hatte. Gab es vergleichbares zu Lucke- oder Petry-Zeiten?
Zitat von Noricus im Beitrag #40Der Werwohlf hat in seinem Kommentar völlig zutreffend angedeutet, warum sich die Gemäßigten in der AfD den Radikalen anbiedern (etwa durch die "Mitte-der-Partei"-Äußerung): Es ist die nackte Angst, ansonsten das Schicksal Luckes oder Petrys zu erleiden.
Nackte Angst als zentrales Handlungsmotiv kann ich mir beim 78jährigen Gauland nicht wirklich vorstellen, und bei Alice Weidel noch weniger. Aber das mag man anders sehen. Was ist denn das Schicksal Petrys? Wenn sie nicht am Tag nach der Wahl ausgetreten wäre, könnte sie heute noch immer Ko-Parteivorsitzende sein und würde jetzt als strahlende Siegerin von Sachsen mit einem vielleicht noch etwas besseren Ergebnis Höcke in den Schatten stellen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #32Wo war denn in der Kohl-CDU die Debatte zur Euro-Einführung? Wo war die Debatte um die Unterzeichnung der Abkommen von Schengen und Dublin? Alles Politik der Kohl-CDU.
Unter Kohl - also in den 80er Jahren - galt noch das Diktum, ein vereintes Deutschland nur in einem vereinten Europa. Es war der Deal mit den Siegermächten, der mit Adenauers Westbidnung begonnen hatte. Dass Deutschland Europa-Land Nummer eins war, war auch dem Umstand geschuldet, dass mindestens dre der vier im späteren 2+4-Vertrag das so wollten.
Vereinfacht gesagt: Die Nationalkonservativen in der CDU wussten, dass sie europafreundlich sein mussten, da das Ziel der nationalen Einheit anders nicht zu kriegen war. Das ist jetzt anders.
Deswegen sind die zwei Beispiele auch so gut gewählt. Die Anti-Europa-Partei AfD hätte in der Kohl-Union keinen Platz gehabt. Erst mit der Einheit war dafür Raum, deswegen ist schon hier der Vergleich der AfD mit Kohls Zeiten unpassend.
"Vereintes Europa" lässt viel Raum für Interpretation. Ich glaube nicht, dass einer Kohl-CDU eine Schuldenunion, eine No Border-Politik oder die Armutseinwanderung über die Sozialgesetzgebung vermittelbar gewesen wäre.
"Vereintes Europa" bezog sich damals auf wirtschaftliche & militärische Zusammenarbeit, grenzübergreifende Polizeiarbeit und Schüleraustausch. Ach ja, und das durchfüttern von verklappten Bürokraten in Brüssel mit obszön überhöhten Diäten.
Es grenzt schon an Geschichtsklitterung - Neudeutsch nennt man das Fake News- den heutigen Meinungsterror mit der Zeit der 80er gleichzusetzen. Selbstverständlich durfte man auch gegen einen Bundesstaat Europa auf Kosten der Nationalstaaten sein. ("Europa der Vaterländer"). Man durfte gegen den Doppelbeschluss sein und vieles mehr.
In der Außendarstellung der CDU gab es dann immer die "monolithische Einheitsmeinung", aber man durfte andere Meinungen haben. Und das galt auch für die Wertung in der ÖR Medien.
Das man sozial geächtet und medial geschlachtet wird, weil man eine "falsche Meinung " hat, ist ein Phänomen seit der Jahrtausendwende.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #44Die Anti-Europa-Partei AfD hätte in der Kohl-Union keinen Platz gehabt.
Wenn ich Beiträge von Ihnen richtig erinnere, kritisieren Sie hier im kleinen Zimmer - nicht immer zu Unrecht - gerne Narrative denen man mitunter unkritsch folgt,. Hier sitzen Sie diesem Fehler nach meiner Einschätzung selbst auf.
Die AfD war in ihrer Gründung weder antieuropäisch noch war sie eine Anti Europa Partei, auch wenn das in den Medien gerne ausgerufen wurde. Lucke war und ist bis heute überzeugter Europäer und Befürworter der europäischen Einigung. Seine Kritik war eine ökonomische / juristische an der Einheitswährung EUR und an der Rolle der EZB. Gleich ob man seine Kritik teilt oder nicht, war sie mindestens legitim.
Hätte seine Kritik auch nur ansatzweise Platz in der CDU gehabt, deren Mitglied Lucke 33 Jahre lang war, wäre es wohl niemals zur Gründung der AfD gekommen. Auf Profallas Ausfälligkeiten gegen Wolfgang Bosbach, der eine in Teilen ähnliche Positon wie Lucke im Hinblick auf die EURO Politik vertrat, sei auch noch einmal hingewiesen.
Ob Kritik wie die von Lucke in der CDU alten Schlages Raum gefunden hätte, werden wir zwei nicht mehr verbindlich herausfinden. Es gibt aber so viele renommierte Ökonomen, wie zum Beispiel Sinn und auch schlaue, seriöse Köpfe vom Fach, die ich persönlich kenne, die die Kritik von Lucke in Abschnitten teilen, dass mir die Annahme, die Kritik hätte Platz in einer echten Volkspartei, mehr als Wahrscheinlich scheint. Was aber ganz gewiss nicht stimmt ist die Behauptung, die Anti Europäische Stoßrichtung der AfD hätte ihre ursprüngliche Kritik in der CDU nicht satisfaktionsfähig gemacht. Die AfD war eine pro Europäische Partei, die lediglich ein anderes (ökomisches) Bild von der Europäischen Einigung hatte. Die (Gründungs)AfD als "Rechtradikale Antieuropäer" ist ein linksliberales Narrativ, das man sich gerne heute noch erzählt, das aber dadurch trotzdem nicht wahr wird.
Dass die AfD heute eine andere ist als damals - bei der Gründung -, dass sie mittlerweile auch wesentliche, echte antieuropäische Tendenzen in sich trägt (neben vielen anderen unerquicklichen), und dass sie trotzdem so starken Zuspruch bei den Wählern hat wie aktuell, ist in meinen Augen eine Folge der innerparteilichen Diskursverweigerung bei der CDU, nicht deren Begründung. Diese Diskursverweigerung erstreckt sich mittlerweile natürlich auf sehr viel mehr Themen als nur den EURO und die EZB Politik und der Katalysator war (und ist) natürlich die Diskursverweigerung bei den Ereignissen um 2015ff.
Ich weiß, dass man dies in linken und linksliberalen Kreisen nicht gerne hört, aber es gibt viel Platz für legitime Kritik auf dem Boden der Verfassung zwischen aktueller AfD und dem "rechten Rand der Restparteien", den die CDU verkörpert. Die CDU lässt aber innerparteilich kaum eine davon zu. Das Ergebnis "bewundern" wir aktuell in der AfD.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von KohlIn einem Fall war ich wie ein Diktator, siehe Euro. (...) Das politische Leben läuft so: Demokratie hin, Demokratie her, Wahlen hin und her, repräsentative Demokratie kann nur erfolgreich sein, wenn irgendeiner sich hinstellt und sagt: So ist das.
Nun war mW keiner hier von uns in den 80ern und 90er in einer führenden Position in der CDU, wir können also nicht aus erster Hand sagen, wie es um die innerparteiliche Meinungsfreiheit damals bestellt war (3 Gegenstimmen und 5 Enthaltungen in der Unionsfraktion bei der Abstimmung zum Euro sprechen allerdings auch Bände). Aber dass Kohl als Lehrmeister Merkels gilt, auch und gerade was den Umgang mit innerparteilichen Gegnern angeht, scheint mir nicht aus der Luft gegriffen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #47Aber dass Kohl als Lehrmeister Merkels gilt, auch und gerade was den Umgang mit innerparteilichen Gegnern angeht, scheint mir nicht aus der Luft gegriffen.
Dass Kohl kein Machtmensch gewesen wäre, ist allerdings nicht meine Behauptung und das was du hier sagst ist nicht mein Streitpunkt. Kohl war ein Machtmensch. Das hat er mit Merkel gemeinsam. Kohl ließ in der Partei Flügel zu. Das unterscheidet ihn von Merkel.
Politik ist - und da werden wir uns sicher einig - nicht nur das was ist, sondern - oft genug zu meinem persönlichen Leidwesen, selbst wenn es wohl garnicht anders geht - auch die Simulation dessen was ist. Wie er in einzelnen Fragen entschied, mag nicht so wesentlich gewesen sein, wie der Umstand welche Einflußmöglichkeiten die Mitglieder zu haben glaubten. Diesen Unterschied hat Kohl im Gegensazt zu Merkel begriffen. Mit geht es nicht (primär) darum, dass es unter Kohl andere Politik gegeben hätte (was sicherlich an einigen Stellen auch der Fall gewesen wäre), sondern darum, dass er niemals zugelassen hätte, dass ihm die Mitglieder und Wähler davongelaufen wären. Er hätte ihnen mindestens das reale Gefühl gegeben, Einfluß zu haben. Eine entkernte CDU ohne prononcierte Positionen der Flügel gab es unter Kohl nicht. Unter Merkel wurde sie Realität. Siehe auch das Schicksal von Koch, Merz, Steinbach, Bosbach......
Um das nochmal klar zu machen: Mir geht es nicht darum, dass Kohl heute die Politik der AfD machen würde, sondern darum dass es die AfD niemals in der Form geben würde. Neben dem beschriebenen Grund ist ein weiterer wesentlicher, dass es unter Kohl 2015ff in dieser extremen Form niemals gegeben hätte. Das ist wohl auch unstrittig. Die allermeisten Leute, die sich heute bei der AfD sehen, wären wohl weiterhin bei der CDU. Das widerspricht vor allem der These, dass neuerdings Nationalisten und Rassisten und Radikale aus allen Löchern kriechen und unterschreibt die These, dass die wichtigste Funktion von Volksparteien, die Befriedung von Milieus ist. Kohl hat das - da bin ich recht sicher, auch wenn wir zwei es wohl nicht final rausfinden können - im Gegensatz zu Merkeln begriffen. Ein wesentlicher Faktor mag da Sozialisation und Bildung der beiden gewesen sein. Ein in Westdeutschland solzialisierter Historiker und eine in der DDR (im System) sozialisierte Naturwissenschaftlerin.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zum Machtmenschen Kohl bzw. Merkel: Die nehmen sich da wenig. Kohl hat seine innerparteilichen Kritiker oder auch Feinde reihenweise rasiert,will da nur beispielhaft Späth und Koch nennen. Merkel macht dies auch. Sehe oder glaube dabei nur einen wesentlichen Unterschied zu sehen (möglicherweise erhellen mich die Kollegen hier): Zu Zeiten Kohls gab es "kanzlerfähige" innerparteiliche Gegner, genau die sehe ich so gut wie gar nicht bei Merkel. Als Beispiel für diese These dient mir der von ausserhalb rückkehrende Merz. Wo sind in der Union wirklich fähige Leute zu sehen, denen ich zutrauen könnte, den verfahrenen Karren Merkelscher Alternativlosigkeit in halbwegs ordentliches politisches Fahrwasser zu bringen? Auch durch ihr politisch klares Auftreten?
Laschet? AKK?
Da sehe ich nur politische Leichtgewichte ohne Konturen,ängstlich bedacht, möglichst nicht anzuecken. Mit einer gewaltigen Angst vor medialem "shitstorm".Dies gilt für die SPD noch mehr.Deren gegenwärtige Meinungsführerschaft haben so Schwergewichte wie Kevin Kühnert........
Zum Thema: In Thüringen sehe ich von Ramelow oder Höcke abgesehen ebenfalls keinen Politiker, dem ich als Aussenstehender ernsthaft wirklich Format bescheinigen würde.Tiefensee ist eine Karrikatur eines einstmals kraftvoll erscheinenden Politikers geworden. Mohring erscheint nur postengeil. Da ist naheliegend, daß Ramelow MP bleibt und sei es in einer Minderheitsregierung. Auf dem Gebiet traue ich der AfD sogar zu, in deren Augen vernünftige Entscheidungen zu unterstützen,wenn sie vom politischen Gegner kommen- für CDU/SPD/Grüne unvorstellbar.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #46Dass die AfD heute eine andere ist als damals - bei der Gründung
Dann sind wir uns ja vielleicht einig, dass die AfD eine andere Partei *ist* und zwar eine Anti-Europäische. Das wäre in der CDU nicht möglich.
Dass die "Euro-Kritik" von Herrn Lucke für die aktuelle AfD eine Rolle spielte, halte ich auch für ein überdehntes Argument. Lucke und die Gründungsriege der damaligen Proffessorenpartei ist weg. Selbst Petry, die neben Lucke noch als "nationalkonservativ" galt, ist nicht mehr mehrheitsfähig in der Partei. Der kommende Parteitag wird zeigen, wie viel Flügel und wie viel Vogel diese Partei noch ist.
Und: Wir reden hier über einen Zeitraum von einigen Monaten, bis die schon präsenten Rechten in der AfD von Gleichgesinnten verstärkt wurden. Poggenburg, Höcke, Gauland wurden schon 2014 zu Landesvorsitzenden gewählt. Wie lange also war die AfD eine europafreundliche, Eurokritische Partei?
Dass Luckes-D-Mark-Patriotismus nur funktionierte, weil er nach rechts offen war, war 2013 Beobachtern schon klar. Luckes Fehler war zu glauben, dass er die Rechten an die Wahlurnen holen und von der Macht fernhalten könnte. Das klappt halt nicht.
Deswegen wandern auch nicht 20 Prozent der AfD zu den Liberalkonservativen Reformern ab. Die neue Lucke-Partei dümpelt in der Bedeutungslosigkeit herum. Während die AfD inzwischen Koalitionsangebote der CDU entgegennimmt ...
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