Zitat von NoricusDenn während letzteres Symbol nichts über die weltanschaulichen Überzeugungen des in seinem Schatten tätigen Beamten aussagt, ist der Hidjab eine klare Kundgebung ganz bestimmter ideologischer Einstellungen.
Und dazu noch eine, die demonstrativ eine Missachtung grundgesetzlicher Werte kommuniziert. Das Kopftuch ist nicht nur ein Symbol für die Minderwertigkeit der Frau, sondern auch eins zur Unterscheidung von Recht- und Ungläubigen. Wie man seinen Trägerinnen im Alltag begegnet, bleibt jedem selbst überlassen, aber bei allen Formen staatlicher Tätigkeit hat es nichts zu suchen. Um nur mal eine politische Meinung der fachmännisch juristischen hinzuzufügen.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Der Staat ist zwar neutral, aber seine Agenten (Richter, Beamte) sind es nie. Alle folgen ihrer eigenen subjektiven Wertordnung. Das ist die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Als Jurist lernt man aber, Entscheidungen zunächst am Gesetzestext zu fällen, nicht (nur) nach dem eigenen Billigkeitsempfinden. Es kommt durchaus vor, daß Richter sagen, gerne anders entschieden zu haben, wenn es denn der Gesetzestext hergegeben hätte. Das ist sogar expliziter als ein Kopftuch zu tragen und trotzdem kein Problem.
So lange man die Welt verkindlicht, in dem man alles nur als eine Menge unzusammenhängender Einzelfälle interpretiert, ist nie irgendwas ein Problem.
Manche Menschen speziell in Deutschland schaffen es bis zum Schluss sich einzureden, dass es nie so etwas wie Systematik, eine statische Häufung oder eine kulturelle Prägung gibt, geschweige denn so etwas wie ein Gruppenhandeln. (Mit Ausnahme der Menschen, die als "rechts" abgestempelt werden. Das sind natürlich keine Individuen mehr, eigentlich auch keine Menschen mehr, sondern gewissenlose Kollektivwesen, die von Hitler aus dem Grab gesteuert werden)
Das Kopftuch ist keine individuelle Entscheidung. Das ist eine Uniform, den Mädchen von Kindesbeinen an anerzogen als "Pflicht", sonst wären sie halt Huren, Schlampen und Sünderinnen.
Wieso tragen die islamischen Männer eigentlich nicht Kopftuch oder Nikab, wenn das so Gott gefällig ist? Oder ist der islamische Gott etwa ein sexistischer Frauenfeind?
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von Werwohlf im Beitrag #2Um nur mal eine politische Meinung der fachmännisch juristischen hinzuzufügen.
Der Werwohlf hat doch schon völlig richtig angedeutet, wo das Problem liegt: Der Hang hierzulande, politische Fragen juristisch klären zu lassen. Woher immer dieser Hang kommt. Man hat vielleicht heute keinen Kaiser mehr der entscheidet, da werden Ersatzkaiser gekrönt.
Es gibt in diesem Land politische Symbole, welche verboten sind. Ob das sinnvoll ist, ist eine Kontroverse, bei der ich beide Seiten der Argumentation gut nachvollziehen kann und unschlüssig über die richtige Antwort bin.
Das Kopftuch als politisches Symbol zu deuten ist durchaus begründbar. Ob man es verbieten möchte oder nicht ist nun eine politische Frage. Politische Fragen aber scheinen in Deutschland nur bedingt zulässig. Hier besteht der Hang, alles auf „das Grundsätzliche“ zurückzuführen. Wohl um die ungeliebte, weil böse, Eigenverantwortung zu umgehen.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Werwohlf im Beitrag #2Das Kopftuch ist nicht nur ein Symbol für die Minderwertigkeit der Frau, sondern auch eins zur Unterscheidung von Recht- und Ungläubigen.
Die Wirksamkeit dieser Symbolik beruht allerdings zu einem Teil darauf, daß man den Muslimen heute ein Kopftuchmonopol überläßt. Dabei ist das Kopftuch, in der Regel freilich ohne Gesichtsabdeckung, durchaus ein traditionelles Kleidungsstück in Europa, insbesondere den südlicheren Gefilden; in meiner Jugend (Bayern der 60er-80er Jahre) waren Kopftücher sehr häufig zu sehen, analog Herrenhüte ebenfalls. Es wäre also im Grunde nur eine Frage der Mode, diesen Stil wiederzubeleben und so dem problematischen Alleinstellungsmerkmal den Zahn zu ziehen.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #5Der Werwohlf hat doch schon völlig richtig angedeutet, wo das Problem liegt: Der Hang hierzulande, politische Fragen juristisch klären zu lassen. Woher immer dieser Hang kommt. Man hat vielleicht heute keinen Kaiser mehr der entscheidet, da werden Ersatzkaiser gekrönt.
Ja, den Hang gibt es und hilfreich ist er nicht. Meine These, woher er kommt: Es lag auch am BVerfG, das im Lüth-Urteil die "objektive Wertordnung" (das ist so etwas wie das "allgemeine Geschmacksempfinden", warum Helles besser schmeckt als Pils ) erfunden hat. Seither muß man sich in der Gesetzgebung an dieser "objektiven Wertordnung" orientieren. Zugleich schützen die Grundrechte seither nicht mehr so effektiv gegen einen übergriffigen Staat, wenn der Gesetzgeber seine Argumentation dem BVerfG unterjubeln kann, warum ein Gesetz im Dienste der "objektiven Wertordnung" Menschenrechte einschränken darf.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #5Es gibt in diesem Land politische Symbole, welche verboten sind. Ob das sinnvoll ist, ist eine Kontroverse,
wenn man an diese "objektive Wertordnung" glaubt, in der bestimmte (!) und wechselnde politische Symbole Pfui sind.
Zitat von Fluminist im Beitrag #6Die Wirksamkeit dieser Symbolik beruht allerdings zu einem Teil darauf, daß man den Muslimen heute ein Kopftuchmonopol überläßt. Dabei ist das Kopftuch, in der Regel freilich ohne Gesichtsabdeckung, durchaus ein traditionelles Kleidungsstück in Europa, insbesondere den südlicheren Gefilden; in meiner Jugend (Bayern der 60er-80er Jahre) waren Kopftücher sehr häufig zu sehen, analog Herrenhüte ebenfalls. Es wäre also im Grunde nur eine Frage der Mode, diesen Stil wiederzubeleben und so dem problematischen Alleinstellungsmerkmal den Zahn zu ziehen.
Stimmt. Kennedy hat angefangen, barhäuptig im Freien aufzutreten, damit man seine Lockenpracht im Wahlkampf besser bewundern kann. Ebenso ist der wöchentliche Friseurbesuch der langhaarig dauergewellten Damen ein Statussymbol gegenüber Damenhut oder Kopftuch und natürlich seit jahrzehnten viel moderner als Tracht.
Zitat von Fluminist im Beitrag #6Es wäre also im Grunde nur eine Frage der Mode, diesen Stil wiederzubeleben und so dem problematischen Alleinstellungsmerkmal den Zahn zu ziehen.
Dazu müßte man allerdings nicht nur die alte Mode reanimieren, sondern auch modifizieren: Ein Kopftuch in Innenräumen zu tragen, galt immer als Fauxpas.
So lustig, wie die Ideen vielleicht sind, lösen sie das Problem nicht. Wenn ein Teil der Frauen (und wieder keine Männer?) anfangen, ein Kopftuch freiwillig zu tragen, dann erlöst das mohamedanische Frauen nicht vom dem ZWANG, solche als Uniform und Symbol der "gottgefälligen Reinheit" und der "Abgrenzung vom Mann" (um das böööse Wort von der Unterordnung zu vermeiden) zu tragen.
Niemand stört sich an einem Kopftuch; das ist eine der üblichen üblen Unterstellungen der linken Traumtänzer, die mal wieder die Realität nicht akzeptieren wollen.
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Zitat von Frank2000 im Beitrag #9So lustig, wie die Ideen vielleicht sind, lösen sie das Problem nicht. Wenn ein Teil der Frauen (und wieder keine Männer?) anfangen, ein Kopftuch freiwillig zu tragen, dann erlöst das mohamedanische Frauen nicht vom dem ZWANG, solche als Uniform und Symbol der "gottgefälligen Reinheit" und der "Abgrenzung vom Mann" (um das böööse Wort von der Unterordnung zu vermeiden) zu tragen.
Stimmt, aber ein Kampf gegen ein Symbol ist auch nur ein symbolischer Kampf. Durch ein Kopftuchverbot erreicht man weder eine Befreiung der Frauen noch ein Ende bestimmter mohammedanischer Ideologeme. Das sieht man seit einigen Jahren an der Türkei sehr gut, wie wenig dauerhafte Auswirkung das kemalistische Kopftuchverbot hatte.
Und Hand aufs Herz: Wir wissen sehr genau, daß nicht wenige Menschen gerne sich unterordnen, wenn es "um das große Ganze geht". Das erspart das Nachdenken und andere Mühsal. Wir hatten hier im Forum ein Habeck-Zitat, in dem er genau diese Haltung bei seinen eigenen Wählern beschrieben hat.
Zitat von Emulgator im Beitrag #3Der Staat ist zwar neutral, aber seine Agenten (Richter, Beamte) sind es nie. Alle folgen ihrer eigenen subjektiven Wertordnung. Das ist die Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Die aber in Konflikt mit der Neutralität des Staates tritt. Deshalb sind Staatsdiener ja aufgefordert, ihre eigenen Überzeugungen hintanzustellen, wenn sie als Amtsträger handeln. Totale Objektivität ist natürlich eine Fiktion. Sie nicht einmal anzustreben, weil sie in praxi nicht erreichbar ist, wäre aber falsch.
Zitat von Emulgator im Beitrag #3Als Jurist lernt man aber, Entscheidungen zunächst am Gesetzestext zu fällen, nicht (nur) nach dem eigenen Billigkeitsempfinden.
Ich hoffe inständig, dass Juristen immer noch lernen, dass Billigkeitsentscheidungen nur dort zulässig sind, wo sie das Gesetz gestattet.
Sie übersehen, dass Richter (zumindest die Tatrichter) ja nicht nur subsumieren, sondern auch Sachverhalte feststellen und dabei Beweise würdigen. Bei der Beweiswürdigung kommt dem Richter ein weiter Spielraum zu, der natürlich dazu genutzt werden kann, das subjektiv gewünschte Ergebnis zu erlangen (die rechtliche Beurteilung ist ja bekanntlich vom Sachverhalt abhängig).
Außerdem lassen sich auch nicht alle Entscheidungen bei unstrittigem Sachverhalt völlig unangreifbar aus dem Gesetztestext (oder der dazu ergangenen Rechtsprechung) ableiten. Ob "islamistische Sprechpuppe" eine Beleidigung oder eine zulässige Meinungsäußerung ist; ob eine Vertragsklausel sittenwidrig ist; ob der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht genügt hat: In solchen Fällen kann man in die eine oder die andere Richtung argumentieren, ohne unvertretbar falsch zu liegen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #3Es kommt durchaus vor, daß Richter sagen, gerne anders entschieden zu haben, wenn es denn der Gesetzestext hergegeben hätte. Das ist sogar expliziter als ein Kopftuch zu tragen und trotzdem kein Problem.
Ich bin überrascht, welche Richter Sie kennen. Die meisten Richter, denen ich in der Realität begegne, stellen ihre eigenen Entscheidungen als das in jeglicher Hinsicht einzige Denkbare und Gerechtfertigte dar. Denn natürlich ist es ein Problem, wenn ein Richter sagt, er hätte lieber anders entschieden. Dies kann beim Adressaten nämlich so ankommen, dass sich der Richter diesmal nicht getraut hat, weil die Pflichtwidrigkeit seines Handelns offenkundig gewesen wäre, dass er aber dort, wo er hofft, mit seiner subjektiv orientierten Verfahrensführung durchzukommen, dies auch in die Tat umsetzt.
Zitat von Noricus im Beitrag #11Deshalb sind Staatsdiener ja aufgefordert, ihre eigenen Überzeugungen hintanzustellen, wenn sie als Amtsträger handeln. Totale Objektivität ist natürlich eine Fiktion. Sie nicht einmal anzustreben, weil sie in praxi nicht erreichbar ist, wäre aber falsch.
Richter sind ja keine Staatsdiener. Ja, sie bekleiden ein Amt, für das sie vom Fiskus bezahlt werden. Aber Richter haben für ihre Rolle in der Gewaltenteilung vor allem unabhängig zu sein, und zwar möglichst unabhängig von den anderen beiden Gewalten, nicht so sehr unabhängig von ihrer persönlichen Geschichte. Wenn nämlich das Richterkollegium heterogen genug zusammengesetzt ist, wo also ausgleichend auch andere Personentypen vorkommen, reguliert sich in den vor- und nachgelagerten Instanzen und in den mehrköpfigen höheren Instanzen diese Sache schon genug von selbst.
Zitat von Noricus im Beitrag #11Außerdem lassen sich auch nicht alle Entscheidungen bei unstrittigem Sachverhalt völlig unangreifbar aus dem Gesetztestext (oder der dazu ergangenen Rechtsprechung) ableiten.
Ja, und ebenso bei der Subsumption. Dann kann man sie aber im nächsten Instanzenzug angreifen oder sich eine lebhafte Diskussion bei der Urteilsfindung vorstellen, denn die anderen Richterkollegen sind ja nicht nur zur Deko da.
Zitat von Noricus im Beitrag #11Ich bin überrascht, welche Richter Sie kennen. Die meisten Richter, denen ich in der Realität begegne, stellen ihre eigenen Entscheidungen als das in jeglicher Hinsicht einzige Denkbare und Gerechtfertigte dar. Denn natürlich ist es ein Problem, wenn ein Richter sagt, er hätte lieber anders entschieden.
Nein, umgekehrt, wenn ein Richter nie dies sagen kann, zeugt das von einer mangelnden Kritikbereitschaft gegenüber den Werken des Gesetzgebers und somit von mangelnder Unabhängigkeit. Oder von Rechtspositivismus, der seit 1945/1990 hier ausgestorben sein sollte. Woher haben wir denn die Meinung, daß der Gesetzgeber immer absolut gerechte Gesetze macht? Zeitlos gerechte Gesetze müssen ja nicht so oft geändert werden.
Zitat von Noricus im Beitrag #11Dies kann beim Adressaten nämlich so ankommen, dass sich der Richter diesmal nicht getraut hat, weil die Pflichtwidrigkeit seines Handelns offenkundig gewesen wäre, dass er aber dort, wo er hofft, mit seiner subjektiv orientierten Verfahrensführung durchzukommen, dies auch in die Tat umsetzt.
Und nochmal das Argument mit den Richterkollegen...
Zitat von Emulgator im Beitrag #12Aber Richter haben für ihre Rolle in der Gewaltenteilung vor allem unabhängig zu sein, und zwar möglichst unabhängig von den anderen beiden Gewalten, nicht so sehr unabhängig von ihrer persönlichen Geschichte.
In ihrer Rolle gegenüber dem Rechtsunterworfenen haben Richter sehr wohl auch neutral/objektiv im Sinne einer Zurückdrängung biographischer Prägungen zu sein. Sonst hätten Bevölkerungsschichten, die im Richterkollegium unterrepräsentiert sind, kaum Chancen auf ein nur sachlichen Gesichtspunkten folgendes Urteil.
Zitat von Emulgator im Beitrag #12Wenn nämlich das Richterkollegium heterogen genug zusammengesetzt ist, wo also ausgleichend auch andere Personentypen vorkommen, reguliert sich in den vor- und nachgelagerten Instanzen und in den mehrköpfigen höheren Instanzen diese Sache schon genug von selbst.
Sie verkennen die Bedeutung der Sachverhaltsfeststellung in erster Instanz. Wenn die Tatsachenebene dort nicht völlig gegen Denkgesetze oder gegen eine klare Beweislage erarbeitet wurde, bleibt es bei den erstinstanzlichen Feststellungen, aus denen sich dann ja die rechtliche Beurteilung ergibt.
Zitat von Emulgator im Beitrag #12Dann kann man sie aber im nächsten Instanzenzug angreifen oder sich eine lebhafte Diskussion bei der Urteilsfindung vorstellen, denn die anderen Richterkollegen sind ja nicht nur zur Deko da.
In durchschnittlichen Mehrpersonenspruchkörpern wird zumeist recht leidenschaftslos das beschlossen, was der Berichterstatter entworfen hat. Lebhafte Diskussionen gibt es da nur in sehr seltenen Fällen.
Zitat von Noricus im Beitrag #11Ich bin überrascht, welche Richter Sie kennen. Die meisten Richter, denen ich in der Realität begegne, stellen ihre eigenen Entscheidungen als das in jeglicher Hinsicht einzige Denkbare und Gerechtfertigte dar. Denn natürlich ist es ein Problem, wenn ein Richter sagt, er hätte lieber anders entschieden.
Nein, umgekehrt, wenn ein Richter nie dies sagen kann, zeugt das von einer mangelnden Kritikbereitschaft gegenüber den Werken des Gesetzgebers und somit von mangelnder Unabhängigkeit.
Natürlich dürfen und müssen Richter gegenüber der Gesetzesmaterie kritisch eingestellt sein, um zum Beispiel auch mögliche Verfassungswidrigkeiten von Gesetzen zu entdecken (und überprüfen zu lassen). Dies ist aber etwas anderes, als sein Bedauern darüber auszudrücken, dass man eine konkrete Rechtssache nicht anders entscheiden konnte.
Zitat von Noricus im Beitrag #13In ihrer Rolle gegenüber dem Rechtsunterworfenen haben Richter sehr wohl auch neutral/objektiv im Sinne einer Zurückdrängung biographischer Prägungen zu sein.
Gegenüber dem konkreten Fall ist das ja wieder etwas anderes. Da kommt man ja auch in Bereiche, die mit der Befangenheitsfrage sowieso abgedeckt sind. Aber sie vertreten ja die These, daß eine Person, die ihre biographische Prägung mit ihrer individuellen Kopfbedeckungswahl zum Ausdruck bringt, auch allgemein weniger zum Richteramt (oder als Rechtsreferendar) geeignet sei als jemand, der seine biographische Prägung mit der Wahl der modisch überwiegenden Kopfbedeckung zum Ausdruck bringt. Und das ist mir einfach nicht zwingend.
Natürlich, wenn jemand ein grundsätzliches anderes Rechtssystem installieren will und zu dem Zweck auch sein Richteramt mißbrauchen will, dann ist der nicht geeignet. Umstürzler wählen aber gewöhnlich andere Mittel für ihren Zweck.
Zitat von Noricus im Beitrag #13Sie verkennen die Bedeutung der Sachverhaltsfeststellung in erster Instanz.
Wenn die Kopfbedeckung die Sinneswahrnehmung nicht beeinträchtigt, ist die korrekte Würdigung von Augenscheinsbeweisen, Parteivernehmungen und Zeugenbeweisen doch kein Problem.
Zitat von Noricus im Beitrag #13In durchschnittlichen Mehrpersonenspruchkörpern wird zumeist recht leidenschaftslos das beschlossen, was der Berichterstatter entworfen hat. Lebhafte Diskussionen gibt es da nur in sehr seltenen Fällen.
Tja. Also entweder kann der Berichterstatter sowieso nicht viel falsch machen --was soll da ein Kopftuch schaden-- oder die Herrschaften haben sowieso nicht ganz verstanden, warum sie zu mehreren sind, so daß der ganze Betrieb sowieso nicht funktionieren kann.
Seit ich gelernt habe, daß im Ortsrat meines ehemaligen Heimatdorfes alle Beschlüsse grundsätzlich einstimmig gefaßt wurden --trotz drei vertretener Parteien--, bin ich jedenfalls dort nicht mehr zur Kommunalwahl gegangen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #14Aber sie vertreten ja die These, daß eine Person, die ihre biographische Prägung mit ihrer individuellen Kopfbedeckungswahl zum Ausdruck bringt, auch allgemein weniger zum Richteramt (oder als Rechtsreferendar) geeignet sei als jemand, der seine biographische Prägung mit der Wahl der modisch überwiegenden Kopfbedeckung zum Ausdruck bringt.
Nein. Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist das übrigens auch vom BVerfG in der besprochenen Entscheidung zitierte Diktum des EGMR, wonach "justice must not only be done, it must also be seen to be done". Zahlreiche Verfahrensgrundsätze tragen zur Sichtbarmachung eines fairen Verfahrens bei: etwa die Prinzipien der Öffentlichkeit und Mündlichkeit, die Begründungspflicht für Entscheidungen, die Einräumung rechtlichen Gehörs zugunsten aller Beteiligten etc.
Es reicht nicht, wenn ein Verfahren mängelfrei durchgeführt wird, der Rechtsunterworfene muss auch den Eindruck gewinnen, fair behandelt worden zu sein. Sie werden eine Partei nicht davon überzeugen können, dass der Richter die Beweise vertretbar gewürdigt, die Prozessordnung eingehalten und den festgestellten Sachverhalt richtig subsumiert hat, wenn der Richter von Anfang an klargemacht hat, dass er das, was die Partei getan hat (oder ihr vorgeworfen wird), für eine riesige Sauerei hält.
Da man nicht in die Köpfe der Menschen hineinschauen kann und es Richter geben mag, die sehr geschickt darin sind, aus ihren Herzen eine Mördergrube zu machen, kann man bezüglich der geforderten Neutralität und Objektivität nur an äußerlich wahrnehmbare Zeichen - wie etwa Äußerungen oder nonverbale Kommunikation - anknüpfen. Und es gibt sehr wohl markierte und nicht markierte Verhaltensweisen, wobei wir es nicht mit einer Dichotomie, sondern einem Kontinuum zu tun haben, und das islamische Kopftuch steht auf dieser Skala ziemlich nahe an dem Pol "stark markiert", während ein unbedecktes Haupt in Europa unmarkiert ist und nicht als besonderes Statement gelesen wird.
Zitat von Noricus im Beitrag #13Sie verkennen die Bedeutung der Sachverhaltsfeststellung in erster Instanz.
Wenn die Kopfbedeckung die Sinneswahrnehmung nicht beeinträchtigt, ist die korrekte Würdigung von Augenscheinsbeweisen, Parteivernehmungen und Zeugenbeweisen doch kein Problem.
Doch. Denn die korrekte Würdigung eines Beweises, insbesondere eines Personalbeweises, gibt es nämlich nicht. Nehmen Sie z.B. den Zeugen, der in freier Erzählung eine stimmige, detailreiche Geschichte zum Besten gibt, aber bei Nachfragen des Richters Lücken offenbart. Ist der Aussage dieses Zeugen Glauben zu schenken, weil sie die wesentlichen Punkte schlüssig und möglicherweise im Einklang mit einem anderen Beweismittel wiedergibt? Oder ist es vielmehr unglaubwürdig, dass sich ein nicht in die Sache involvierter Zeuge ein Jahr später noch so detailreich erinnert, und er bei Fragen, auf die er sich nicht vorbereiten konnte, unsicher wird? Hier kann man meistens in beide Richtungen argumentieren.
Zitat von Emulgator im Beitrag #14Also entweder kann der Berichterstatter sowieso nicht viel falsch machen --was soll da ein Kopftuch schaden-- oder die Herrschaften haben sowieso nicht ganz verstanden, warum sie zu mehreren sind, so daß der ganze Betrieb sowieso nicht funktionieren kann.
Was die ersten Instanzen betrifft, so geht der legislative Trend in Richtung Einzelrichter. Der Grund dafür dürfte wirklich sein, dass ein Mehrpersonenspruchkörper nur in Ausnahmefällen seinen Vorteil (das Mehr-als-zwei-Augen-Prinzip) gegenüber dem Einzelrichter ausspielt.
Zitat von Noricus im Beitrag #15Da man nicht in die Köpfe der Menschen hineinschauen kann und es Richter geben mag, die sehr geschickt darin sind, aus ihren Herzen eine Mördergrube zu machen, kann man bezüglich der geforderten Neutralität und Objektivität nur an äußerlich wahrnehmbare Zeichen - wie etwa Äußerungen oder nonverbale Kommunikation - anknüpfen. Und es gibt sehr wohl markierte und nicht markierte Verhaltensweisen, wobei wir es nicht mit einer Dichotomie, sondern einem Kontinuum zu tun haben, und das islamische Kopftuch steht auf dieser Skala ziemlich nahe an dem Pol "stark markiert", während ein unbedecktes Haupt in Europa unmarkiert ist und nicht als besonderes Statement gelesen wird.
Gut. Das ist im Endeffekt wie die Argumentation, daß im besonderen Teil des StGB zwar Tatbestände stehen, man aber eigentlich nur dafür verurteilt wird, erwischt worden zu sein.
Zitat von Noricus im Beitrag #15Doch. Denn die korrekte Würdigung eines Beweises, insbesondere eines Personalbeweises, gibt es nämlich nicht.
Merken Sie, daß Sie mit dieser Aussage die Sache mit der Nachvollziehbarkeit, von der Sie zuvor geschrieben haben, wieder relativieren?
Zitat von Noricus im Beitrag #15Nehmen Sie z.B. den Zeugen, der in freier Erzählung eine stimmige, detailreiche Geschichte zum Besten gibt, aber bei Nachfragen des Richters Lücken offenbart. Ist der Aussage dieses Zeugen Glauben zu schenken, weil sie die wesentlichen Punkte schlüssig und möglicherweise im Einklang mit einem anderen Beweismittel wiedergibt? Oder ist es vielmehr unglaubwürdig, dass sich ein nicht in die Sache involvierter Zeuge ein Jahr später noch so detailreich erinnert, und er bei Fragen, auf die er sich nicht vorbereiten konnte, unsicher wird? Hier kann man meistens in beide Richtungen argumentieren.
Soweit ich weiß, gibt es psychologische Studien, was Kriterien für glaubwürdige Zeugenaussagen sind.
Zitat von Noricus im Beitrag #15Da man nicht in die Köpfe der Menschen hineinschauen kann und es Richter geben mag, die sehr geschickt darin sind, aus ihren Herzen eine Mördergrube zu machen, kann man bezüglich der geforderten Neutralität und Objektivität nur an äußerlich wahrnehmbare Zeichen - wie etwa Äußerungen oder nonverbale Kommunikation - anknüpfen. Und es gibt sehr wohl markierte und nicht markierte Verhaltensweisen, wobei wir es nicht mit einer Dichotomie, sondern einem Kontinuum zu tun haben, und das islamische Kopftuch steht auf dieser Skala ziemlich nahe an dem Pol "stark markiert", während ein unbedecktes Haupt in Europa unmarkiert ist und nicht als besonderes Statement gelesen wird.
Gut. Das ist im Endeffekt wie die Argumentation, daß im besonderen Teil des StGB zwar Tatbestände stehen, man aber eigentlich nur dafür verurteilt wird, erwischt worden zu sein.
Nicht ganz. Man wird nicht dafür verurteilt, erwischt worden zu sein, sondern man wird nur dann für sein Fehlverhalten verurteilt, wenn man erwischt wird. Wie oft, glauben Sie, wird tagtäglich ein vom StGB verpönter Tatbestand rechtswidrig und schuldhaft erfüllt, ohne dass dies auch nur die geringsten Konsequenzen hätte? Der Grundsatz "Bestrafe einen, erziehe hunderte" mag zynisch klingen, ist aber auch und gerade im Rechtsstaat, der kriminelles Verhalten ja gerade nicht um jeden Preis einer Aufklärung zuführt, unter dem Namen "Generalprävention" ein anerkannter Strafzweck.
Zitat von Noricus im Beitrag #15Doch. Denn die korrekte Würdigung eines Beweises, insbesondere eines Personalbeweises, gibt es nämlich nicht.
Merken Sie, daß Sie mit dieser Aussage die Sache mit der Nachvollziehbarkeit, von der Sie zuvor geschrieben haben, wieder relativieren?
Nein. Ich merke es nicht, weil es nicht so ist. Beispiel: Die Nervosität eines Zeugen ist nicht unbedingt ein Zeichen für seine Unglaubwürdigkeit. Besonders eher einfach gestrickte Menschen stellen sich die gerichtliche Vernehmungssituation häufig wie eine Prüfung vor, bei der man lieber irgendetwas sagt, als sein Unwissen zuzugeben. Diese Zeugen sind oft ungeheuer aufgeregt, weil ihre Erinnerung nach ein, zwei Jahren selbstverständlich verblasst ist und sie meinen, etwas falsch zu machen, wenn sie einräumen, dass sie die betreffende Frage nicht (mehr) beantworten können, weil sie nicht (mehr) wissen, ob sie zu dem Beweisthema Wahrnehmungen gemacht haben.
Umgekehrt gibt es professionelle Lügner, die mit kühlem Kopf wunderbar stimmige Geschichten erzählen können, die völlig glaubwürdig klingen und - wenn der Zeuge entsprechend geimpft wurde - auch nicht im Widerspruch zu anderen (vorab bekannten) Beweismitteln stehen. Es ist eine der prägendsten Erfahrungen des praktischen Juristendaseins, wenn man erlebt hat, wie eine solchermaßen kohärente Zeugenaussage unter den Ausführungen eines Sachverständigengutachtens zerrinnt.
Zitat von Noricus im Beitrag #17Nicht ganz. Man wird nicht dafür verurteilt, erwischt worden zu sein, sondern man wird nur dann für sein Fehlverhalten verurteilt, wenn man erwischt wird.
Ja, man darf sich eben nicht erwischen lassen. "Darf" hat hier zwei denkbare Bedeutungen.
Zitat von Noricus im Beitrag #17Nein. Ich merke es nicht, weil es nicht so ist. Beispiel: Die Nervosität eines Zeugen ist nicht unbedingt ein Zeichen für seine Unglaubwürdigkeit. Besonders eher einfach gestrickte Menschen stellen sich die gerichtliche Vernehmungssituation häufig wie eine Prüfung vor, bei der man lieber irgendetwas sagt, als sein Unwissen zuzugeben. Diese Zeugen sind oft ungeheuer aufgeregt, weil ihre Erinnerung nach ein, zwei Jahren selbstverständlich verblasst ist und sie meinen, etwas falsch zu machen, wenn sie einräumen, dass sie die betreffende Frage nicht (mehr) beantworten können, weil sie nicht (mehr) wissen, ob sie zu dem Beweisthema Wahrnehmungen gemacht haben.
Umgekehrt gibt es professionelle Lügner, die mit kühlem Kopf wunderbar stimmige Geschichten erzählen können, die völlig glaubwürdig klingen und - wenn der Zeuge entsprechend geimpft wurde - auch nicht im Widerspruch zu anderen (vorab bekannten) Beweismitteln stehen. Es ist eine der prägendsten Erfahrungen des praktischen Juristendaseins, wenn man erlebt hat, wie eine solchermaßen kohärente Zeugenaussage unter den Ausführungen eines Sachverständigengutachtens zerrinnt.
Und das erlebt man also anders, wenn man ein Kopftuch auf hat!?
Zitat von Emulgator im Beitrag #18Und das erlebt man also anders, wenn man ein Kopftuch auf hat!?
Unsere Diskussion, werter Emulgator, tritt meines Erachtens auf der Stelle.
Der Knackpunkt ist ja nicht das - für andere Menschen letztlich nicht zu Eruierende -, was in der kopftuchtragenden Richterin tatsächlich vorgeht, sondern das, wovon der Rechtsunterworfene denkt oder denken könnte, dass in ihr vorgeht.
Ich will das aber mal auf eine breitere Basis stellen: Besonders in Strafverfahren, die von jungen Richtern jedweden Geschlechts geführt werden, bemerkt man häufig eine gewisse Voreingenommenheit gegenüber dem Angeklagten. Der soll am besten vollumfänglich gestehen und der Verteidiger soll möglichst keine Entlastungsbeweisanträge stellen, weil sich der Richter seinen Verhandlungsfahrplan auf Basis der Anklage zusammengestellt hat und er sich nicht durch Umstände, die ihn an der Schuld des Angeklagten zweifeln lassen könnten bzw. müssten, destabilisieren lassen will. (So viel zum Thema Kuscheljustiz.)
Ich kann nicht verhehlen, dass ich in Strafsachen argwöhnisch werde, wenn das Entscheidungsorgan ein faltenfreies Gesicht hat.
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