Tut mir ja schon sehr leid: Aber Deutsche und Eigenverantrwortung sind keine Geschwister. Ebensowenig, wie Deutsche und Freiheit nicht aus der gleichen Familie stammen. Deutschen zugeordnet sind ehér die engsten Verwandten mit Namen Neid und Gerechtigkeit. Was immer auch Gerechtigkeit bedeuten mag. Solange sie nur irgendwie als "sozial(istisch)" bemäntelt werden kann. Und bei diesen Geschwistern tut's dann auch schon mal ein "starker Mann". Auch wenn er Erich heißen könnte.....
Zitat von verquerTut mir ja schon sehr leid: Aber Deutsche und Eigenverantwortung sind keine Geschwister. Ebensowenig, wie Deutsche und Freiheit nicht aus der gleichen Familie stammen.
Hm, lieber verquer, ich bin da nicht so sicher.
Sagen wir, ich bin so unsicher wie immer bei Klischees. Sie können ja stimmen. Oft auch nicht, und sehr oft reduzieren sie wohl etwas auf einen einzigen seiner Aspekte.
Einig sind wir uns sicher darin, daß in Deutschland zwei Diktaturen nach Kräften versucht haben, den Deutschen in ihrem Machtbereich Eigenverantwortung und das Streben nach Freiheit auszutreiben. Und das hatte natürlich eine massive Wirkung auf das, was "die Deutschen" heute sind.
Wer beispielsweise 1920 in Chemnitz geboren wurde, der lebte von der Pubertät an unter Diktaturen, bis er fast siebzig Jahre alt war. Volle drei Generationen lebten in Mitteldeutschland unter Regimes, die Eigenverantwortung und Freiheit unterdrückt haben.
Nur ist das ja nicht "den Deutschen" anzulasten, sondern dem Totalitarismus des 20. Jahrhunderts.
Von Vietnam über Polen bis nach Cuba haben die Menschen unter diesem Totalitarismus gelitten oder leider noch darunter. Alle leben unter Bedingungen ohne Eigenverantwortung, ohne Freiheit.
Ja, aber gibt es nicht in Deutschland diese spezielle Tradition? Den "Untertanen", das fehlende demokratische Denken?
Ich kann das überhaupt nicht sehen, lieber verquer. Ich halte es für Propaganda.
In Preußen ging es im 18. Jahrhundert nicht unfreier zu als in den anderen Staaten Europas. Es ging dort eher rechtsstaatlicher zu als weniger rechtsstaatlich.
Das Preußen Friedrich Wilhelms II war gewiß nicht weniger freiheitlich als das Europa Bonapartes. Die 48er Bewegung war in Deutschland nicht schwächer als in den anderen Staaten Europas. Ob im Kaiserreich zwischen 1871 und 1918 in Deutschland weniger Freiheit herrschte als in den meisten anderen Staaten Europas, bezweifle ich ebenfalls. Man müßte dazu im einzelnen das Wahlrecht, die Zensurbestimmungen usw. ansehen.
In der Weimarer Republik waren die Deutschen gewiß ebenso auf Freiheit und Eigenverantwortung bedacht wie irgendwer sonst in Europa. Und seit Gründung der Bundesrepublik kann ich auch wieder keinen Mangel an Freiheitsbewußtsein und Streben nach Eigenverantwortung entdecken.
Nicht bis 1989, lieber verquer. Mit der Wiedervereinigung sind uns halt 16 Millionen Bürger zugewachsen, die in drei Generationen keine Freiheit gekannt haben. Seither ist Deutschland in der Tat weit zurückgefallen, was Freiheitsdenken, was Eigenverantwortung angeht.
Daß sich ihre Mentalität, daß sich sogar die kommunistische Partei im wiedervereinigten Deutschland so halten würden, wie das der Fall ist - das war und ist für mich die größte Überraschung und eine der großen Enttäuschungen der deutschen Geschichte.
Ohne diese vom Totalitarismus Geschädigten hätte es keine rotgrüne Regierung gegeben, ohne sie hätten wir jetzt eine rechtsliberale Regierung. Es ginge Deutschland ungleich besser. Alle die Rückschritte, die Rotgrün anzulasten sind, wären uns ohne die Wiedervereinigung erspart geblieben. Ohne die Wähler aus den Neuen Ländern hätten wir jetzt eine Kanzlerin, die mit der FDP die Politik machen könnte, die sie wirklich will, statt sich mit der SPD dahinzuquälen.
So ist es nun mal. Aber sie haben sich ja die Diktaturen nicht ausgesucht, die Deutschen jenseits der Elbe. Sie haben einfach nur Pech gehabt, und wir im Westen hatten ein unverdientes Glück.
Wenn allerdings eine Mehrheit von Deutschen 2009 eine Volksfront-Regierung an die Macht wählen würde - dann hätten wir Deutsche uns in der Tat selbst die Unfreiheit ausgesucht.
Ohne die Wähler aus dem Osten hätte Kohl die Wahl 1990 verloren; es waren Einheit und seine Steuerlüge, die ihn damals retteten.
Und ohne Kohl kein Rotgrün. Hätte er 1998 für einen anderen Kandidaten Platz gemacht, wer weiß, wie die Wahl dann ausgegangen wäre. Aber nach 16 Jahren war das Volk seiner überdrüssig.
"Daß sich ihre Mentalität, daß sich sogar die kommunistische Partei im wiedervereinigten Deutschland so halten würden, wie das der Fall ist - das war und ist für mich die größte Überraschung und eine der großen Enttäuschungen der deutschen Geschichte."
Daß SED und Stasi, samt potentieller Nachfolgeorganisationen nicht verboten wurden - schließlich hätten sich da genug Beweise hinsichtlich Verfassungsfeindlichkeit und Verbrechertum trotz massiver Benutzung des Reißwolfs anno 89 finden lassen können - sind für mich das größte Versäumnis der deutschen Nachkriegsgeschichte. Daß die SPD sich freiwillig den Kommunisten an den Hals wirft, ist für mich der größte politische Skandal der deutschen Nachkriegsgeschichte.
In Antwort auf:Ob im Kaiserreich zwischen 1871 und 1918 in Deutschland weniger Freiheit herrschte als in den meisten anderen Staaten Europas, bezweifle ich ebenfalls.
Aus Mises "Omnipotent Government": No German has contributed anything to the elaboration of the great system of liberal thought, which has transformed the structure of society and replaced the rule of kings and royal mistresses by the government of the people. The philosophers, economists, and sociologists who developed it thought and wrote English or French. In the eighteenth century the Germans did not even succeed in achieving readable translations of these English, Scotch, and French authors. What German idealistic philosophy produced in this field is poor indeed when compared with contemporary English and French thought.
But German intellectuals welcomed Western ideas of freedom and the rights of man with enthusiasm.
It was the fate of Germany that before this triumph of liberalism could be achieved liberalism and liberal ideas were overthrown—not only in Germany but everywhere—by other ideas, which again penetrated into Germany from the West. German liberalism had not yet fulfilled its task when it was defeated by etatism, nationalism, and socialism.
No German has contributed anything to the elaboration of the great system of liberal thought, which has transformed the structure of society and replaced the rule of kings and royal mistresses by the government of the people.
Seltsam, daß Mises bei dieser Behauptung Kant übersieht!
Die Crux ist vielleicht, daß Kant bei denen, die ihn nicht oder wenig kennen, nur als Erkenntnistheoretiker und Ethiker gesehen wird. Er war aber auch einer der großen Gesellschaftsphilosophen des 18. Jahrhunderts, ein liberalkonservativer. Ich empfehle sehr sein "Zum Ewigen Frieden", wo es nicht nur um Frieden geht, sondern auch um eine gerechte, freie Gesellschaft, die überhaupt Frieden erst denkbar macht.
It was the fate of Germany that before this triumph of liberalism could be achieved liberalism and liberal ideas were overthrown — not only in Germany but everywhere — by other ideas, which again penetrated into Germany from the West. German liberalism had not yet fulfilled its task when it was defeated by etatism, nationalism, and socialism.
"Not only in Germany, but everywhere" - das ist der Knackpunkt. Es stimmt weitgehend. Es stimmt nicht für die USA, teils für GB.
Das, worauf es mir ankam, bezieht sich aber weniger auf die politische Theorie als auf das, was man gern den "Nationalcharakter" nennt.
Daß "die Deutschen" in besonderem Maß zum Untertanengeist, zur Buckelei neigten, daß in unserem Land gar die "autoritäre Persönlichkeit" besonders verbreitet war oder noch sei - dafür sehe ich keinen Beleg.
Natürlich gab es im Kaiserreich viele buckelnde Untertanen.
Aber gab es die im k.u.k Reich denn nicht? Nicht im Frankreich der Dreyfus-Affäre? Nicht im viktorianischen England, das Oscar Wilde hinter Gitter brachte?
In ganz Europa hat sich die Offene Gesellschaft erst im Zwanzigsten Jahrhundert durchgesetzt. Kritische Liberale sahen und sehen die Defizite natürlich immer besonders im eigenen Land; das ist auch gut so. Also Zola in Frankreich, Karl Kraus in Österreich, Kurt Tucholksy in Deutschland, beispielsweise.
Lieber Feynman, ich möchte Ihnen zum Jahreswechsel für Ihre Beiträge danken, die meist von lakonischer Kürze, aber immer durchdacht und to the point sind. Ich freue mich auf die "Ernte 2008".
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