Für meinen Geschmack hatte Bradbury immer zu wenig Science in der Fiction. Aber gelesen habe ich ihn natürlich auch. Denn damals, 70er, 80er, 90er, war es absolut Standard in der (so würde man es heute nennen) "SF Community", sehr BREIT zu lesen, also Themen und Autoren nicht von vorn herein auszuschließen.
Ach ja, gute, alte Zeit.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Bradbury hat sich selbst - "wenn denn schon Kategorisierungen sein müßten" - stets als "writer of fantasy" bezeichnet (ich setze das auf Englisch her, weil "fantasy" dort ja die ganze Spielwiese des Phantastischen abdeckt und wesentlich weiter gefaßt ist als im Deutschen, wo das Lehnwort das zumeist das meint, was im Englischen wiederum zum einen "high fantasy" genannt wird - Tolkien & Cr., zu dem sich seit, na, etwa den spätern Achtzigern die "low fantasy" gesellt, die sich zwar aus demselben Fundus bedient, das aber nicht hehr-heroisch, sondern als Parodie, Slapstick, Komödie, Monty-Pythonesk oder Commedia dell'arte inszeniert).
Es war sowohl im Englischen als auch im Deutschen bis etwa Anfang der Achtziger durchaus möglich, selbst als nicht besonders eifriger Leser auf der gesamten Breite der drei Teilbereiche des Phantastischen - also SF (was bei uns mal "utopisch-technisch" hieß; Goldmann hat in den 60ern damit seine entsprechende Reihe etwas respektabler bezeichnet -, Fantasy im genannten Sinn (da wären bei uns dann auch etwa Herbert Rosendorfer oder Leo Perutz mitgemeint), und der literarische Schrecken, der Horror. Das heißt nicht, daß man alles gelesen hat; schon weil ein Großteil der Bücher entweder nicht interessierte oder subliterarisch daherkam. Aber man konnte recht gut einen Überblick über das gesamte Feld behalten. Aber ein gewisses Interesse, über den ganzen Bereich war bei den meisten, die sich intensiver damit befaßten, gang & gäbe. Wer weder Lovecraft noch Stephen King zum Gruseln vertrug, hat sich an Shirley Jackson gehalten.
Spätestens um 1985 herum hat das auch bei Gutwilligen nachgelassen; ich habe das Gefühl, daß die zeitweise inflationäre Auusrufung neuer Subgenres (Cyberpunk, Biopunk, Steampunk, Dieselpunk...) das reflektiert. Da haben sich dann unterschiedlich, nicht Leser- aber Fan-Milieus ausgebildet, die sich nur noch für ihr verselbständigtes Teilgebiet erwärmten (Star Wars, Star Trek e tutti quanti als Vorläufer). Die nun werden von den "eigentlichen" Lesern des Genres völlig außen vor gelassen. Man konnte in den letzten 35 Jahren, ich wills mal "lesersoziologisch" nennen, gut beobachten, wie Autoren, die mal zum Kernbereich der führenden Autoren gerechnet wurden, nach und nach mit ihrer Leserschaft sich abgenabelt haben und nur noch von dieser rezipiert wurden. Das war bei Anne McCaffrey so, bei Marion Zimmer Bradley, bei Orson Scott Card; letztlich wohl auch bei Tolkien, den Herrn der Ringe mit dem Hobbit als hors d'oeuvre mal ausgenommen; das Silmarillion ist zwar noch gekauft worden, weil es "unvederöffentlichter = 'neuer' JRRT war, aber es dürfte nicht einer unter 100 Käufern gelesen haben: die "Lost Tales" waren dann nur noch etwas für Hardcore-Tolkienisten. Das Interessante ist, daß diese insularen Werkgruppen auch kritisch nicht mehr rezipiert werden; vor allem nicht in den Rezensionen der Genremedien, ob nun noch in der Gutenberg-Galaxis oder im virtuellen Cyberraum.
Das Ganze hat auch zur Folge, daß es nicht erst seit heute viele Leser gibt, die das gesamte Corpus des Genres nur noch höchst selektiv kennen. Margaret Atwood hat ja vor ein paar Jahren ihre essayistischen Einlassungen auf diesem Gebiet gebündelt: da zeigte sich, daß sie genau drei Teilbereiche als Leserin rezipiert hatte: die Bücher, die ihr als Schülerin in Kanada in den späten 50ern in der Schulbibliothek in die Hände gefallen waren; die Werke von Ursula K. Le Guin, und die Bücher, für die sie um Vorworte oder Rezensionen gebeten worden war.
Selbst bei "Professionellen" zeigt sich das seit Jahrzehnten. "Andromeda Bookshop" war, als er noch bestand, der größte Versandhandel für solche Titel in England. Man sollte meinen, daß hier schon aus Berufsgründen Interesse vorherrschen sollte ("welchen Titel können Sie mir empfehlen?"). 1985 hat David Pringle mal eine annotierte Empfehlungsliste in Buchform der "100 besten SF-Romane" seit 1949 (beginnend mit Nineteen Eighty-Four) zusammengestellt, nach dem Vorbild von Anthony Burgess' Besten 100 Romane seit "Finnegans Wake": lauter ziemlich gelobte, preisgekrönte Titel, von denen die allermeisten Fans des Genres zumindest "ein Begriff" waren. Rog Peyton, der Inhaber, hat seine Leute dann ankreuzen lassen, welche von diesen Büchern sie denn auch tatsächlich gelesen hätten: bei den frühen waren das fast flächendeckend alle: Asimov, Clarke, Heinlein kannte vor 35 Jahren noch jeder. Ab Anfang der 70er begann das merklich auszulichten, und für Titel der 80er hatte kaum jemand Interesse entwickelt. Ob das jetzt mit der Lesebiographie zusammenhängt, weil man auf diesem Gebiet einfach vor 20 am intensivsten liest, oder ob die späte Produktion schlich & einfach nicht mehr inmacht.spirierend & anregend ist, laß ich mal unabgemacht.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat Por su carácter de anticipación de un porvenir posible o probable, el Somnium Astronomicum prefigura, si no me equivoco, el nuevo género narrativo que los americanos del Norte denominan science-fiction o scientifiction y del que son admirable ejemplo estas Crónicas.
Su tema es la conquista y colonización del planeta. Esta ardua empresa de los hombres futuros parece destinada a la época, pero Ray Bradbury ha preferido (sin proponérselo, tal vez, y por secreta inspiración de su genio) un tono elegíaco. Los marcianos, que al principio del libro son espantosos, merecen su piedad cuando la aniquilación los alcanza. Vencen los hombres y el autor no se alegra de su victoria. Anuncia con tristeza y con desengaño la futura expansión del linaje humano sobre el planeta rojo -que su profecía nos revela como un desierto de vaga arena azul, con ruinas de ciudades ajedrezadas y ocasos amarillos y antiguos barcos para andar por la arena-.
Otros autores estampan una fecha venidera y no les creemos, porque sabemos que se trata de una convención literaria; Bradbury escribe 2004 y sentimos la gravitación, la fatiga, la vasta y vaga acumulación del pasado -el dark backward and abysm of Time del verso de Shakespeare-. Ya el Renacimiento observó, por boca de Giordano Bruno y de Bacon, que los verdaderos antiguos somos nosotros y no los hombres del Génesis o de Homero.
¿Qué ha hecho este hombre de Illinois me pregunto, al cerrar las páginas de su libro, para que episodios de la conquista de otro planeta me pueblen de terror y de soledad?
¿Cómo pueden tocarme estas fantasías, y de una manera tan íntima? Toda literatura (me atrevo a contestar) es simbólica; hay unas pocas experiencias fundamentales y es indiferente que un escritor, para transmitirlas, recurra a lo "fantástico" o a lo "real", a Macbeth o a RaskoInikov, a la invasión de Bélgica en agosto de 1914 o a una invasión de Marte. ¿Qué importa la novela, o novelería, de la science fiction? En este libro de apariencia fantasmagórica, Bradbury ha puesto sus largos domingos vacíos, su tedio americano, su soledad, como los puso Sinclair Lewis en Main Street. ... Hacia 1909 leí, con fascinada angustia, en el crepúsculo de una casa grande que ya no existe, Los primeros hombres en la Luna, de Wells. Por virtud de estas Crónicas de concepción y ejecución muy diversa, me ha sido dado revivir, en los últimos días del otoño de 1954, aquellos deleitables terrores.
- Jorge Luis Borges, Crónicas marcianas, Buenos Aires: Ediciones Minotauro, 1955, "Prologo"
In seiner Eigenart, eine mögliche oder wahrscheinliche Zukunft zu antizipieren, nimmt der "Somnium Astronomicum", wenn ich mich nicht täusche, das neue Erzählgenre vorweg, das die Nordamerikaner "Science-Fiction" oder "Sciencefiction" nennen, für die diese "Chroniken" ein ausgezeichnetes Beispiel sind.
Ihr Thema sind die Eroberung und Besiedlung des Planeten. Diese mühevolle Aufgabe der Menschen der Zukunft scheint die Aufgabe ihrer Zeit zu sein, aber Ray Bradbury hat sich entschieden (ohne es vielleicht zu wollen, und im Geheimen durch seine Begabung dazu verleitet), einen elegischen Ton zu wählen. Die Marsianer, die zu Anfang des Buches erschreckend wirken, erwecken durch ihr Aussterben unser Mitleid. Die Menschen siegen, und der Autor feiert ihren Triumph nicht. Er berichtet voller Trauer und Enttäuschung von der Ausbreitung des menschlichen Geschlechts auf dem roten Planeten - den uns seine Prophetie als eine blaue Sandwüste zeigt, mit Ruinen von Städten mit schachbrettförmig angelegten Straßen, gelben Sonnenuntergängen und alten Booten, um den Sand zu überqueren...
Andere Autoren nennen Jahreszahlen und wir glauben ihnen nicht, denn wir wissen, daß sie sich nur einer literarische Konvention bedienen. Bradbury schreibt "2004", und wir empfinden die Schwere, die Erschöpfung, das lastende Ausmaß der Vergangenheit - jenes "dark backward and abysm of Time" aus dem Vers Shakespeares. Wie schon die Renaissance erkannte und uns durch Giordano Bruno und Bacon wissen ließ, sind wir in Wirklichkeit die Menschen der fernen Vergangenheit, nicht die Gestalten der Genesis oder Homers.
Ich schließe die Seiten seines Buches und frage mich: was hat der Mann aus Illinois geschaffen, daß diese Episoden von der Eroberung eines anderen Planeten in mir solches Entsetzen und Einsamkeit hervorrufen?
Warum bewegen mich diese Fantasien so, und auf solch intensive Weise? Alle Literatur (so möchte ich behaupten) ist symbolisch. Es gibt nur wenige grundlegende Erfahrungen, und es macht keinen Unterschied, ob ein Autor sich des "Realen" oder des "Fantastischen" bedient, um sie weiterzugeben: ob es sich um Macbeth handelt oder Raskolnikov, um die Invasion Belgiens im August 1914 oder die Invasion des Mars. Was macht es, daß es sich um einen Roman, oder ein Romänchen, der Science Fiction handelt? In diesem phantastisch anmutenden Buch hat Bradbury die gleichen langen öden Sonntage, die amerikanische Langeweile, die Einsamkeit geschildert von Sinclair Lewis in "Main Street". ... Um 1909 herum las ich, im Halbdunkel eines großes Hauses, das nicht mehr existiert, erschreckt und fasziniert "Die ersten Menschen auf dem Mond" von Wells. Dank dieser "Chroniken", die so ganz anders angelegt und ausgeführt sind, ist es mir vergönnt, diese wohligen Schauer in den letzten Tagen des Herbstes des Jahres 1954 noch einmal zu durchleben.
Daß ich mal zum Erstübersetzer von Borges werden würde, hat mir auch keiner prophezeit...
PS. Die spanische Übersetzung stammt von Francisco Porrúa und Francisco Abelenda.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
"weil man auf diesem Gebiet einfach vor 20 am intensivsten liest..."
Ein gutes Argument. Lesen insgesamt ist ja auf dem Rückzug und nimmt bei der Jugend bei weitem nicht mehr die Stellung ein wie in den 70ern, 80ern.
Ich persönlich glaube auch, dass speziell bei SF die Qualität nachgelassen hat; das wirtschaftliche Risiko für einen Autor ist doch recht hoch, sich teilweise mehrere Jahre mit einem Werk zu beschäftigen, wenn nicht klar ist, ob es dafür einen Markt gibt. Da wählen die guten Autoren eher andere Themen oder Vertriebsformen.
Die aktuellen Hefte von Perry Rhodan zB sind handwerklich erstaunlich gut gemacht. Aber die ganze Serie ist halt extrem ausgelutscht und dient allerhöchstens als Zeitvertreib und keineswegs mehr taugt sie zum Träumen oder Grübeln. Quasi Dosen-Ravioli in Textform.
Das Genre der Zombie-Romane hat die Nachfolge des fantastischen Horrors angetreten; warum nicht, ein paar davon waren sogar ganz gut.
Fantasy ist fast noch unverändert; zwar insgesamt weniger, aber was veröffentlicht wird, hält sich weitgehend an die Bilder und Geschichten, die auch in den 70ern genutzt wurden.
In meinem Leseverhalten bemerke ich einen deutlichen Effekt durch den Wechsel von Papier zu digitalen Texten. Das ist schon heftig. Früher war gerade in SF und Fantasy das Vertriebskonzept der SERIE absolut dominant. Einzelveröffentlichungen haben weniger als 10% ausgemacht und nur Neulinge oder bereits extrem erfolgreich Autoren haben sich da rangetraut. "Serie" bedeutet dabei aber nicht "gleiche Geschichte in Bände aufgeteilt", sondern "extrem unterschiedliche Autoren und Geschichten unter einem Dach". Die Serie war ein Label, ein Markenname. Dadurch, dass Fans Serien sehr oft komplett gelesen haben, kamen die Leser dann "zwangsweise " mit einer sehr großen Breite an Themen und Autoren in Berührung.
Mit dem Wechsel zu eBooks kam das Vertriebskonzept der "Serie" komplett unter die Räder, will mir scheinen. Eine "Serie" war ja ein Erlebnis für alle Sinne, die Bücher hatten die gleiche Größe, Form, Farbkonzept, ähnliche Titelbilder, Logos, Schriften. Ein Buch war absolut unverwechselbar als Teil einer Serie zu erkennen. Das klappt so bei eBooks nicht.
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