Zitat von Frank2000 im Beitrag #3
Jetzt vergehen 30 Jahre und es ist, als ob zwischen jeder Generation eine Gehirnwäsche stattfindet.
Das mit der "dramatischen Klammer" stimmt. Am prägnantesten hat das übrigens Enzensberger vor 20, 25 Jahren formuliert. Das fehlt dann ein gemeinsames Fundament, das als Orientierung dienen kann, das alle Teilnehmer an einer Kultur - oder auch nur eines Subsets, einer Nischenkultur - prägt und allgemeiner Fundus ist. Das kann auch in der Form sein, daß eine neue Generation, oder zumindest die "Jeunesse dorée", die den Ton angibt sich ganz ostentativ dagegen wendet, das als knastrig, altbacken, furchtbar abtut. Das ist zwischen 1900 und 1930 dem gesamten 19. Jht. passiert, der Gründerzeit, die als unerträglich empfunden wurde. Das geht dann bis in die 60er/70er, wo "Gelsenkirchener Barock" & Nierentischchen dran waren. (*)
Auf der anderen Seite steht, daß im Fall von "Genre" (egal ob Film oder Buch) immer 90% alles Hervorgebrachten der Nachwelt lähmend erscheint, gerade wenn es sich um "richtiges" Genre handelt: um den Western, auch um SF, um Krimis. Das geht am exemplarischsten mit den gotischen Schauerromanen um 1800 los, nicht nur in England, von denen es ja aberhunderte gab, nicht die paar Klassiker, die zumeist auch nicht mehr gelesen werden ("Frankenstein" ist DIE große Ausnahme), sondern auch bei uns wie etwa Christian Heinrich Spieß oder Carl Grosse.
* So etwas ist übrigens kulturübergreifend & mitnichten auf den Bereich "tote weiße Männer" beschränkt, die von Jungspunden & Rebellen abgeräumt werden, die ihrerseits sehrsehr schnell uralt aussehen. Im chinesischen Bereich etwa gab es das, exemplarisch, am Beispiel des Hongloumeng, dem "Traum der Roten Kammer", der im Lauf der 19. Jhdt.s seinen Ruf als größter Klassiker der chinesischen Romankunst erlangt hat. Im Umfeld der Wortführer der "Neuen Kulturbewegung" so rund um die 4.-Mai-Bewegung, kam dann die rigorose Forderung, das alles abzuräumen und durch Europäisches zu ersetzen, hier ganz vorne Ibsen und Strindberg, weil die so "modern" waren und rein nichts mit all der Tradition am Hut hatten, die man restlos loswerden wollte. Ibsens "Nora" ist in dem zwanziger Jahren zum innig beschworenen Symbol für diese Haltung geworden. Am radikalsten wollte Hu Shi das entsorgen, als er Herausgeber der Zeitschrift 新靑年/Neue Jugend geworden war. UNS hingegen erscheint eher Ibsen als Krampf & gezwungen. Und Strindberg erst...
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PS. Apropos
新靑年/Neue Jugend. Ich faß' es nicht. Ich schaue gerade in mein Email-Fach, und bekomme just diese Werbung als Spam:
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Ich finde es ja sehr schön, daß man mir einen kostenlosen Test als App zum Herunterladen anbietet, um zu überprüfen, wie gut die Chinesisch-Kenntnisse meiner Kinder sind. Der kleine Schönheitsfehler ist nur, daß ich gar keine Kinder habe, & schon gar keine, die des Mandarin mächtig wären.