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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
und wurde 487 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.540

16.05.2021 23:20
H. G. Wells, "Der Mensch im Jahr eine Million" (1893) Antworten



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

17.05.2021 10:49
#2 RE: H. G. Wells, "Der Mensch im Jahr eine Million" (1893) Antworten

Interessant.

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
“Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt”, Georg Cristof Lichtenberg

Johanes Offline




Beiträge: 2.637

17.05.2021 23:15
#3 RE: H. G. Wells, "Der Mensch im Jahr eine Million" (1893) Antworten

Seltsam, wie ähnlich die Phantasieprodukte von Wells den Greys aus der UFO-Szene und manche Scifi-Geschichten sind.
Angeblich sollen diese Figuren mit den großen Augen und Köpfen auf eine Designerin aus Kanada (?) zurückgehen, vielleicht wurde sie ja von Wells inspiriert?

Den Zusammenhang zu den Aliens aus "Krieg der Welten" habe ich ebenfalls sofort gesehen. Die waren, soweit ich mich erinnere, tintenfischartig mit großen Köpfen. Das fällt dann unter "Mars als alte Welt", was UE ja schon hinreichend beschrieben hat.

Wells hat wirklich ein Gedicht dazu geschrieben?

Auch interessant ist die Rahmenhandlung. Bedeutet das die Einordnung als Novelle? Und das sieht wirklich nach einen Vorläufer der "fiktiven Bücher" aus, wie sie u.a. Lem später nutzte.

Dass Schriftsteller die Beschreibung fiktiver Bücher zum Anlass nehmen, eigene Theorien usw. auszurollen, überrascht nicht. Die hier vorgestellte Idee macht mich aber aus einem anderen Grund stutzig.

Wells Beschreibt etwas, dass entfernt an Lamarck erinnert (häufiger gebrauch des Hirns macht es größer) und beruft sich dabei auf Selektionseffekte.
Nun hat Darwin nach seinem Buch über die Entstehung der Arten auch ein Buch über die Entstehung des Menschen geschrieben. Im ersteren ging es um negative oder natürliche Selektion, im zweiten um positive oder sexuelle Selektion und dort unterstellte er den Weibchen (analog menschlichen Frauen) einen "Schönheitstrieb".

Wie passt das zusammen?
Klar, ein Poet und geistreicher Denker hat ebenfalls seinen Reiz, aber müsste Wells nicht analog zu Darwins zweiten Werk annehmen, dass der Schönheitstrieb die Entstehung von menschlichen Kaulquappen verhindert?

Okay, ich overthink das jetzt. Wissenstand des 19. Jahrhunderts, Wissensstand Wells und diese Kurzgeschichte... Das muss nicht zusammenpassen.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.540

18.05.2021 00:07
#4 RE: H. G. Wells, "Der Mensch im Jahr eine Million" (1893) Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #3

Wells hat wirklich ein Gedicht dazu geschrieben?



Nein, die Verse stammen von einem der anonymen Wasserträger des "Punch, or The London Charivari." Die ganze Nummer gibt es hier nachzulesen:

https://ia803105.us.archive.org/34/items...4-h/39504-h.htm

Da sehen Sie dann, daß zu dem Zeitpunkt noch sämtliche Beiträge ungezeichnet waren (in diesem Fall der Beitrag auf S. 250 unten; die Seitenzahlen finden sich am linken Rand.) Das war nicht so ungewöhnlich - das Times Literary Supplement erschien bis in die sechziger Jahre auch komplett incognito; das hatte nicht zuletzt den Vorteil, daß es von den Karikierten bzw. Rezensierten wenig Ranküne zu befürchten gab; in der Praxis hat das natürlich nicht immer funktioniert; Flurfunk und Kiebigkeiten, die ja im Literaturbetrieb üppig gedeihen, spielen da keine kleine Rolle. (Übrigens ist das auch der Grund, warum beim Prozess der Peer Review für akademische Journale die Namen der Gutachter streng geheim sind: um nicht für unnötig böses Blut zu sorgen; auch das funktioniert mitunter nur ungenügend). Das TLS hat ich meine Anfang der 90er Jahre die Namen der Rezensenten für alle zurückliegenden Jahrgänge freigegeben, lange nachdem die Kritiken alle gekennzeichnet waren. "Punch" ist ebenfalls von der Praxis abgekommen; in den 20er Jahren steht der Name oder bei den redaktionellen Beiträgen ein Kürzel darunter. Der "Spiegel" hat das ja bei uns über Jahrzehnte so gehalten. Es gab von Anfang an stets Gastbeiträge mit Autor+Bild, aber der Rest war "Spiegel-Redaktion."

Wells ist einer der ganz wenigen Autoren der Jahrhundertwende, der anscheinend nie den Trieb verspürt hat, sich in Versen auszutoben; er wußte wohl, daß er dafür keinerlei Talent besaß. Dafür hat er sein Leben lang immer gern gekritzelt, allerdings auf einem blamablen Niveau. Die beiden Bände des "Experiments in Autobiography" von 1934 haben alle paar Seiten solche "Picshuas," die unter "eher nicht" fallen. Das hier soll einen seiner Marsbewohner darstellen.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.540

18.05.2021 00:41
#5 RE: H. G. Wells, "Der Mensch im Jahr eine Million" (1893) Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #3

Wells Beschreibt etwas, dass entfernt an Lamarck erinnert (häufiger gebrauch des Hirns macht es größer) und beruft sich dabei auf Selektionseffekte.
Nun hat Darwin nach seinem Buch über die Entstehung der Arten auch ein Buch über die Entstehung des Menschen geschrieben. Im ersteren ging es um negative oder natürliche Selektion, im zweiten um positive oder sexuelle Selektion und dort unterstellte er den Weibchen (analog menschlichen Frauen) einen "Schönheitstrieb".

Wie passt das zusammen?


Wie Lamarck eigentlich nicht. Da geht es ja um die Weitergabe erworbener Eigenschaften. Wells steht hier durchaus in der Linie von Darwin - oder in seinem Fall Th.H.Huxley, von dem er ja seine ganze Sicht der Evolution hat. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Es ist kein Zufall, daß "The Science of Life," zwischen 1929 und 1931 in Zusammenarbeit mit Julian Huxley entstanden, der erste Vorschein der "neuen Synthese" ist, die dann im Lauf der dreißiger Jahre von J.B.S.Haldane und G.P.Waddington und ein paar anderen (etwa Ernst Mayr)ausformuliert worden ist, die wir heute meinen, wenn wir von "Darwninismus" reden. Darum braucht Wells auch die äonenlangem Zeiträume, bis signifikante Veränderungen zum Tragen kommen. Zu Darwins Zeiten - und auch zu denen von Wells - hatte niemand eine Ahnung, WAS Träger der Erbinformation war und wie das aufgebaut war; es war nur klar, DASS sie weitergegeben wurden und bei bestimmten Merkmalen einzelen dieser Etwasse, behelfsmäßig "Gene" genannt, bestimmend waren; Mendel läßt grüßen (Hans Castorp im "Zauberberg" noch: "das waren die Genen"). Darwins "The Descent of Man" hatte 1871 nicht annähernd den Knalleffekt der "Entstehung der Arten" von 1859 - nicht zuletzt deswegen, weil die fossile Geschichte der Frühmenschen zu der Zeit ja noch äußerst lückenhaft - und heftig umstritten war (selbst der Neandert(h)aler war ja noch längst nicht anerkannt) und Darwins vermutete wirkmächtige Formprinzipien schienen den Zeitgenossen - und den Zunftgenossen wie Huxley, Spencer und Haeckel eher luftige Spekulationen. Und Wells hatte unbestritten ein Fiable für biologische Albträume, Chesterton hatte das richtig erkannt. Seine beiden fiktiven Ausmalungen der menschlichen Frühzeit ("A Story of the Stone Age", 1897 und "The Grisly Folk", 1921) lassen da eher wenig Platz für ästhetische Verfeinerung.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Johanes Offline




Beiträge: 2.637

18.05.2021 19:17
#6 RE: H. G. Wells, "Der Mensch im Jahr eine Million" (1893) Antworten

@Ulrich Elkmann

Zitat
Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Es ist kein Zufall, daß "The Science of Life," zwischen 1929 und 1931 in Zusammenarbeit mit Julian Huxley entstanden, der erste Vorschein der "neuen Synthese" ist, die dann im Lauf der dreißiger Jahre von J.B.S.Haldane und G.P.Waddington und ein paar anderen (etwa Ernst Mayr)ausformuliert worden ist, die wir heute meinen, wenn wir von "Darwninismus" reden.



Das hatte ich bisher als Querverweis kein Stück auf den Schirm, ehrlich gesagt. Ich kenne aber auch das Buch "The Science of Life" nicht.

Dass es allerdings bis in die 1920er oder 1930er Jahre eine Auseinandersetzung zwischen (Neo-)Lamarckisten und Darwinisten gab, war mir bekannt. Überraschenderweise waren dabei die Lamarck-Fans sogar eher Links angesiedelt (siehe Paul Kammerer, später Lyssenkoismus), Darwinismus galt als bürgerlich. (Der Leser mag sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die Sowjetunion auch sehr Stolz auf die Ergebnisse von Pawlow war.)

Die Auseinandersetzung war aber im Wesentliche nicht politisch, sondern faktenbasiert-sachlich und wurde meines Wissens durch die Entdeckung der DNA (vorläufig) entschieden.

Nun wird die Weitergabe erworbener Eigenschaften populärwissenschaftlich durch die Epigenetik wieder rehabilitiert.

Zitat
Zu Darwins Zeiten - und auch zu denen von Wells - hatte niemand eine Ahnung, WAS Träger der Erbinformation war und wie das aufgebaut wa



Sir Galton vermutete meines Wissens wirklich das Blut.

Zitat
Darwins "The Descent of Man" hatte 1871 nicht annähernd den Knalleffekt der "Entstehung der Arten" von 1859



Darwin selbst soll ja gesagt haben, er hätte das Buch gar nicht geschrieben, wenn er das ähnliche Werk von Haeckel schon gekannt hätte.

Zitat
eine beiden fiktiven Ausmalungen der menschlichen Frühzeit ("A Story of the Stone Age", 1897 und "The Grisly Folk", 1921) lassen da eher wenig Platz für ästhetische Verfeinerung



Darwin geht ja davon aus, dass die Frauen sich bewusst schöne Männer aussuchen.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.540

10.07.2023 18:55
#7 RE: H. G. Wells, "Der Mensch im Jahr eine Million" (1893) Antworten

Zitat von ZR, 16. Mai 2021
Und dann stößt man in Wells‘ kleinem Essay „Another Basis for Life,“ der in der Saturday Review am 22. Dezember 1894 erschien, auf diese Passage:

Vor mehr als einem Jahr wies Professor Emerson Reynolds darauf hin, daß bei sehr viel höheren Temperaturen die Starre von Siliziumverbindungen möglicherweise entfällt, daß bei Temperaturen über dem Zerfallspunkt der meisten Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen eine Reihe von Silizium-Aluminium-Verbindungen vielleicht Kreisläufe komplizierter Synthesen, Zerfallsreaktionen und Oxydationen ermöglicht, die weitgehend denen entsprechen, die unseren Lebensvorgängen entsprechen. Er betonte im Folgenden die zahlriechen Ähnlichkeiten, die zwischen Kohlenstoff und Silizium bestehen und die sie von den anderen Elementen unterscheiden, die außergewöhnliche Stellung ihrer Atomgewichte in Mendeljeffs System, die Ähnlichkeit der von ihnen gebildeten Verbindungen - normale Silikate und Karbonate, Kieselsäure und Kohlendioxid, Chloroform und Trichlorsilan - und so weiter. Zumindest schien es theoretisch möglich. Und wenn wir davon ausgehen, daß die chemischen Grundlagen des Lebens schon früher und bei weit höheren Temperaturen gebildet worden sein könnten, durch Elemente, die heute nicht mehr reaktiv sind, ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Annahme, daß der Entwicklung von Leben und sogar Bewußtsein auch unter diesen Bedingungen erfolgt sein könnten.

Die Phantasie wird bei solchen Überlegungen zu phantastischen Vorstellungen angeregt: Lebewesen aus Silizium-Aluminium-Verbindungen - warum nicht auch Silizium-Aluminium-Menschen? - die sich in einer Atmosphäre aus gasförmigen Schwefel bewegen, vielleicht am Ufer eines Sees aus geschmolzenem Eisen spazieren, tausend Grad heißer als das Innere eines Hochofens. Aber das ist natürlich nichts als ein Traum. Aber die Möglichkeit, daß es in der Vergangenheit auf unserem Planeten zur Entwicklung von Leben auf der Basis von Silizium und Aluminium gekommen sein könnte, ist mehr als nur ein bloßer Traum.



Zitat von Ars Technica, 10. Juli 2023
Astronomers solve mystery of how a mirror-like planet formed so close to its star - The atmosphere is super-saturated with silicate and metal vapors.
Eric Berger - 7/10/2023, 5:44 PM

On Monday, in the journal Astronomy & Astrophysics, European scientists describe one of these worlds that has an extremely high albedo, planet LTT9779 b. An albedo is simply the amount of light reflected by a planet back into space. Earth reflects about 30 percent of the Sun's light into space, whereas Venus, with its thick clouds, reflects 75 percent of its light.

The planet LTT9779 b, which is located around a Sun-sized star about 260 light-years from Earth, has a higher albedo than that of Venus, about 80 percent. One big question for scientists is how the planet could reflect so much light, as it's hot enough that it should not have any clouds. This is because it is located extremely close to its star, orbiting once every 19 hours.

This is a pretty hellish planet with a radius slightly larger than that of Neptune (and 4.7 times that of Earth) and a surface temperature on the order of about 2,000° Celsius. Based upon their observations of other exoplanets, astronomers were surprised to find a Neptune-sized world so close to its star. Before, only large worlds (similarly sized to Jupiter) or much smaller worlds have been found so close to stars. Accordingly, the environment near stars has been characterized as a "hot Neptune desert."
...
These were the kinds of mysteries that missions such as Cheops were designed to solve with their ability not to survey the entire night sky but to focus in on a single world for an extended period of time.

In this case, Cheops observed the planet as it transited behind its star on 10 different occasions. During these transits, the telescope measured the combined light coming from both the star and planet to observe the difference and infer the intrinsic brightness of LTT9779 b.
...
No clouds should be able to exist at the surface temperatures on a world like this, estimated at about 2,000° Celsius—even those made of metal and glass.

"It was really a puzzle until we realized we should think about this cloud formation in the same way as condensation forming in a bathroom after a hot shower," said Vivien Parmentier, a researcher at the Observatory of Côte d’Azur (France) and co-author of the study. "To steam up a bathroom, you can either cool the air until water vapor condenses, or you can keep the hot water running until clouds form because the air is so saturated with vapor that it simply can’t hold any more."

In the case of LTT9779 b, he said, the planet can form metallic clouds because the atmosphere is super-saturated with silicate and metal vapors. This means that, quite literally, it rains titanium on this weird world.



https://arstechnica.com/space/2023/07/as...se-to-its-star/



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