Unsettled: What Climate Science Tells Us, What It Doesn’t, and Why It Matters, von Steve Koonin
Der Titel bezieht sich auf den berühmten, auf Al Gore zurückgehenden Ausspruch "The science is settled" und macht sofort klar, worum es in diesem Buch geht.
Der Autor, Steve Koonin, stellt im Wesentlichen zwei Thesen auf und unterlegt sie mit Argumenten und Beispielen:
1.) Das Bild, das die Leitmedien und auch die Mehrheit der Wissenschaftler über den "Klimawandel" (oder die "Klimakrise") verbreiten, ist eine extreme Verzerrung des tatsächlichen Standes der Wissenschaft.
Koonin bezieht sich hier vor allem auf die Berichte des Weltklimarates ICCP und zum Teil auch auf die (ähnlich gelagerten) Berichte der US-Regierung (NCA: National Climate Assesment). Er zeigt an vielen konkreten Beispielen auf, dass die Studien, die in diesen Berichten zitiert werden, das in den Zusammenfassungen und den darauf basierenden Medienberichten dargestellte dramatische Gesamtbild gar nicht belegen. Diese Verzwerrung findet in mehreren Stufen statt, ähnlich wie beim Spiel "stille Post". Der Autor sieht hier neben politischen Druck auch eine grobe Vernachlässigung der wissenschaftlichen Integrität am Werk, zugunsten einer vermeintlich guten Sache.
2.) Die von Medien, Politik und den "aktivistischen Wissenschaftlern" geforderte Strategie der "Vermeidung des Klimawandels" (mitigation), u.A. durch eine drastische Reduktion des globalen CO_2-Ausstosses, ist ineffektiv und völlig zum Scheitern verurteilt. Der Autor plädiert dagegen für eine auf die lokalen Gegebenheiten zugeschnittenen Anpassung (adaption) und, als Plan B im Falle einer wirklichen sich anbahnenden Katastrophe, zumindest die *Erforschung* von geeigneten aktiven Gegenmassnahmen (geoengineering).
Bei mir und wahrscheinlich auch bei der Mehrheit der Autoren und Leser dieses Forums rennt der Autor mit diesen Thesen offene Türen ein. Trotzdem halte ich das Buch für besonders wertvoll. Das liegt an der nach meinem Urteil sauberen und gründlichen Argumentation, aber vor allem am Autor selber. Steve Koonin ist ein sehr etablierter und anerkannter Wissenschaftler (theoretischer Physiker, mit einem Schwerpunkt auf numerische Simulation in der Kernphysik) und blickt zugleich zurück auf eine lange Karriere im Bereich der wissenschaftlichen Beratung von Wirtschaft und Politik. von 2004 bis 2009 war er Chefwissenschaftler von BP und befasste sich dort mit der "post-oil"-Strategie. Innerhalb der Obama-Administration war er in verschiedenen Beratungsgremien über Energie-Fragen in führender Position tätig. Man kann also sagen, dass er sowohl ein Fachmann als auch in Insider ist. Er lässt sich nur schwer als Aluhut-Träger diffamieren.
Das Buch sollte für jeden Leser mit einer gewissen Affinität zu Technik und Wissenschaft leicht zu lesen sein. Da es erst vor kurzem erschienen ist, gibt es wohl noch keine deutsche Übersetzung.
Jonathan Tennenbaum, Wissenschaftsjournalist mit Mathematik- und Physikhintergrund mit Sitz in Berlin, hat in den letzten Tagen für die "Asia Times" eine Rezension und eine mehrteilige Interviewserie mit dem Autor geführt:
Das Besondere dabei ist, daß Koonin sich hier streng an den Angaben und Berechnungen des IPCC (des Intergovernmental Panel on Climate Change) und des US National Assessment orientiert - also nicht an "klimaleugnerisch" verdächtigen Organisationen. Und da stellt sich heraus, daß der Alarmismus, den die Medien und die Politik wie eine Monstranz vor sich hertragen, um Weltwirtschaft, Marktwirtschaft und westliche Lebensweise an den Pranger zu stellen, auch in den offiziellen Projektionen schlicht nicht vorhanden sind. Irgendein "Weltuntergang" ist weder in den Modellen noch in den bisher vorliegenden Meßreihen nicht einmal ansatzweise auszumachen. Statt dessen gibt es riesige Unsicherheitsfaktoren, die Modelle sind unvollständig, und selbst im Fall des Eintreffens der negativsten Entwicklung handelt es sich um Größenordnungen, mit denen die Menscheit im Lauf ihrer Geschichte fertiggeworden ist, ohne in den Katastrophenmodus zu verfallen.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Danke für den Hinweis, ich habe das Buch mal vorgemerkt. Aber mit dem hier bin ich nicht einig:
Zitat von Evarist im Beitrag #1Unsettled: What Climate Science Tells Us, What It Doesn’t, and Why It Matters, von Steve Koonin
2.) Die von Medien, Politik und den "aktivistischen Wissenschaftlern" geforderte Strategie der "Vermeidung des Klimawandels" (mitigation), u.A. durch eine drastische Reduktion des globalen CO_2-Ausstosses, ist ineffektiv und völlig zum Scheitern verurteilt.
Eine drastische Reduktion des CO2-Ausstoßes ist recht einfach und - wenn man es richtig macht - vermutlich kostenneutral erreichbar durch massiven Einsatz von Kernenergie.
Damit kann man Prozesswärme, Strom und Kraftstoff preiswert bereitstellen, für einen nach menschlichem Ermessen sehr sehr langen Zeitraum (größer 1000 Jahre).
Die Franzosen haben es in den 80ern vorgemacht, wie einfach das geht. Ich weigere mich zu glauben, dass wir das heutzutage nicht weltweit auch durchziehen könnten, wenn man die katastrophale Überregulierung vielerorts mal etwas zurückfährt. Inzwischen sind derart viele deutlich modernere Designs in quasi jeder Größenklasse marktreif.
Wer Kernenergie als Lösung nicht will, sagt gleichzeitig eigentlich "der Klimawandel ist kein wirkliches Problem".
Zitat Eine drastische Reduktion des CO2-Ausstoßes ist recht einfach und - wenn man es richtig macht - vermutlich kostenneutral erreichbar durch massiven Einsatz von Kernenergie.
Das Buch ist recht kurz und geht nicht sehr ins Detail, welche technischen Möglichkeiten es gäbe. Koonin meint das eher aus Sicht eines "Insiders", der die politischen Prozesse gut kennt: es wird aus verschiedenen (wirtschaftlichen und politischen) Gründen nicht passieren.
Etwas verkürzt: die reichen Industrieländer könnten vermutlich den CO2-Ausstoss drastisch reduzieren, ohne sich zu ruinieren -- wenn man bereit wäre u.A. auf die Kernenergie zu setzen (großes WENN!). Aber die sich noch entwickelnden Länder (und nur auf die wird es global gesehen ankommen) könnten das nicht so einfach, und sie haben auch schlicht keinen Anreiz, dies zu tun. Für die ist die "Klimakrise" einfach zu unwichtig.
Zitat von Evarist im Beitrag #5 Etwas verkürzt: die reichen Industrieländer könnten vermutlich den CO2-Ausstoss drastisch reduzieren, ohne sich zu ruinieren -- wenn man bereit wäre u.A. auf die Kernenergie zu setzen (großes WENN!).
Selbst ohne Kernenergie ist es nur teuer, aber nicht notwendigerweise ruinös. Die Reduzierung des CO2-Footprints in den USA hat live gezeigt, dass bei stabilen Endkundenpreisen alleine schon das "natürliche Ersetzen" von Kohle durch Erdgas substanzielle Reduzierung bringen kann. Diverse Industriestaaten hätten riesige Erdgas-Vorräte erschließbar durch Fracking (Deutschland beispielsweise), tun es aber aus Pseudo-Öko-Gründen im Moment nicht. Auf Sicht von sagen wir 20 Jahren kann jeder Industriestaat seinen CO2-Ausstoß halbieren, indem er Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke ersetzt, KWK forciert, für Raumwärme auf Wärmepumpen umstellt (oder bei Ölfeuerung auf Gasfeuerung oder Holzfeuerung), die mobilen Anwendungen auf Gas, Elektro, Wasserstoff, Synfuels migriert.
Man muss es über einen langen Zeitraum strecken, und man wird nie komplett CO2-neutral werden, sondern nur deutlich CO2-ärmer. Dann ist das locker verkraftbar - wir verkraften an anderen Ecken unseres Dreiviertelsozialismus ja noch ganz andere Geldsenken. Teuer, wohlstandsmindernd, aber nicht ruinös.
Die Pläne zur kompletten CO2-Neutralität in der EU und anderswo hingegen, das wäre ohne Kernenergienutzung nach derzeitigem Stand der Dinge in der Tat mindestens in der Nähe von ruinös. Wenn WKAs und PV deutlich preiswerter werden und man ebenso preiswerte Speichermöglichkeiten verfügbar hätte - dann kann man nochmal nachrechnen, ob es vielleicht nur "sehr teuer, sehr dumm, aber nur kurz vor ruinös" wird.
Zitat Aber die sich noch entwickelnden Länder (und nur auf die wird es global gesehen ankommen) könnten das nicht so einfach, und sie haben auch schlicht keinen Anreiz, dies zu tun. Für die ist die "Klimakrise" einfach zu unwichtig.
Es gibt keinen Grund, warum die sich entwickelnden Länder nicht auch auf Kernenergie setzen sollten. China macht das, Brasilien versucht das, Indien steht in den Startlöchern. Ein beispielhaftes Projekt sind die 4 großen DWR-Blöcke in Abu Dhabi von KEPCO - die Arabischen Emirate sind nun nicht gerade bekannt für ihren großen Erfahrungsschatz in der Kernenergie, d.h. auch bei einem Kernkraftwerk ist es möglich, einfach einen Auftrag an einen kompetenten Lieferanten zu geben und der baut dann schlüsselfertig inklusive Schulung der Betriebsmannschaft. Die Probleme derzeit: fehlende Anbietervielfalt, zu hohe Preise (hauptsächlich durch Überregulierung), zu lange Bauzeiten. Das ist aber alles lösbar, wenn beispielsweise die kleinen modularen Reaktoren endlich mal zur Marktreife kommen. Oder von den großen Reaktoren mal wieder mehr als "einer alle 10 Jahre" gebaut wird.
Ist ja nicht so, dass die aufstrebenden Länder z.B. in ihren großen Profuktionsstätten nur heimisch gebaute Maschinen betreiben, es ist das Gegenteil. Wenn Kernkraftwerke ähnlich behandelt werden wie gewöhnliche Fabriken oder andere Kraftwerke (und tatsächlich ist das Gefährdungspotenzial bei den modernen Reaktoren ja auch eher niedriger, und wer ernsthaft Schiss vor Proliferation hat, verkauft halt CANDU-Reaktoren), können auch die aufstrebenden Länder große Teile ihres Energiebedarfs durch Kernenergie decken. Wenn Kernkraftwerke preiswerter zu betreiben sind als Kohlekraftwerke, warum sollte jemand Kohle verfeuern wollen? Warum sollte jemand Kohle, Öl oder Gas importieren wollen, wenn er zuhause zu ähnlichen Kosten Synfuels oder Wasserstoff oder Strom für die diversen Anwendungen produzieren kann?
Um jetzt mal ganz tief in die Glaskugel zu schauen: gesetzt den Fall, ein paar unideologische Länder die derzeit vom Ölexport leben setzen massiv auf Kernenergie, um den Rest der Welt mit Synfuels zu beliefern - wer außer Deutschland würde den Import verweigern?
Neben solchen rein wirtschaftlichen Anreizen und Dingen wie Verringerung der Abhängigkeit von Importen sage ich ebenfalls voraus, dass auf Sicht die Industrienationen die aufstrebenden Nationen für CO2-Einsparungen bezahlen werden, über welchen Mechanismus auch immer. Das ist Motivation genug, um das durchzuziehen. Natürlich werden unsere Politiker wieder den teuersten und am wenigsten effizienten Weg einschlagen, aber ich würde hohe Summen drauf wetten, dass das passiert.
Dass noch allgemein die Einsicht einkehrt, dass der Klimawandel bei weitem nicht das dramatische Problem ist, als das er uns üblicherweise verkauft wird, das halte ich inzwischen für ausgeschlossen. Es sei denn, die nächste Eiszeit kommt schneller als erwartet - wenn die Gletscher über die norddeutsche Tiefebene schrubbeln, würde vermutlich sogar den Grünen ein Licht aufgehen.
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