Als ich im Frühjahr 2007 zur Zeit der Passation des Pouvoirs, der Amtsübergabe an Sarkozy, in Paris war, wollte ich dabeisein, wenn der neue Präsident am Grab des Unbekannten Soldaten unter dem Arc de Triomphe einen Kranz niederlegte. So etwas wird ja in Frankreich immer sehr hübsch inszeniert.
Ich war nicht so früh da, wie ich vorgehabt hatte, weil es in der Métro unterwegs einen kleinen Alarm gegeben hatte. Aber pünktlich war ich immer noch.
Nur nicht Sarkozy. Der war schon wieder weg. Er war schon vor dem vorgesehenen Termin angebraust gekommen, hatte im Eiltempo die Zeremonie absolviert, sich sofort in seine Limousine geworfen und war samt Motos weitergeeilt, zum nächsten Termin.
Da begann der Mann mir unheimlich zu werden.
Von seiner Amtsführung war ich dann zunächst beeindruckt; allmählich weniger.
In Antwort auf:Aber daß der Präsident nun mehr wegen einer Liebesaffäre in den internationalen Schlagzeilen ist als wegen seiner Amtsführung - das hatten sie sich nicht vorgestellt
Das dürfte wohl eher an der Regenbogenpresse - und an der Sensationsgier derer Leser - als an Sarkozy liegen. Sein Leben ist sicher interessanter als die Beziehung zwischen Chirac und seiner blechmünzensammelnden Bernadette. Im einen wie im anderen Fall sagt das jedoch nichts über die Politik aus, die der Präsident führt.
Zitat von vivendiSein Leben ist sicher interessanter als die Beziehung zwischen Chirac und seiner blechmünzensammelnden Bernadette. Im einen wie im anderen Fall sagt das jedoch nichts über die Politik aus, die der Präsident führt.
Stimmt, lieber vivendi.
Nur könnte es etwas über seine Persönlichkeit aussagen. Jedenfalls meinen das offenbar immer mehr Franzosen, die ihm zunächst gewogen waren. Selten sind die Umfragewerte eines neugewählten Präsidenten innerhalb eins dreiviertel Jahres so drastisch gefallen wie die Sarkozys.
Immerhin hat er, wenn das Gerücht stimmt, im Elysée geheiratet - und nicht in Nevada oder Gretna Green.
Noch bis vor ca. 20 Jahren gab es ein ungeschriebenes Gesetz bei den Journalisten. Das Privatleben der Politiker war tabu. Aber in einer Zeit in der es nicht mehr um Inhalte sondern nur noch um Äusserlichkeiten geht, wird darauf keine Rücksicht mehr genommen.
Nur ein Beispiel: Was hätte man nicht alles über das Liebesleben von Willy Brandt bzw. Mitterand schreiben können, die wie man jetzt weiss, keine Frauenverächter waren. Aber damals gab es bei den Redakteuren noch eine gewisse Ethik. Aber Ethik ist ja jetzt dermassen "uncool".
Was jetzt Sarkozy angeht, ist es alleine seine Angelegenheit mit wem er sein Bett teilt, ausser es handelt sich um eine Agentin einer fremden Macht. Aber da die linke Presse ihn nicht mit Sachargumenten beschädigen kann, versucht man es halt über sein Privatleben. In meinen Augen ein äusserst infames Unternehmen, was meinen ohnehin angeschlagenen Respekt vor der Presse noch einen weiteren Schlag versetzt.
Zitat von FrankfurterWas jetzt Sarkozy angeht, ist es alleine seine Angelegenheit mit wem er sein Bett teilt, ausser es handelt sich um eine Agentin einer fremden Macht. Aber da die linke Presse ihn nicht mit Sachargumenten beschädigen kann, versucht man es halt über sein Privatleben.
Es ist nicht die linke Presse, lieber Frankfurter. Die Gerüchte wurden von den durchaus bürgerlichen Zeitungen France Dimanche und L'Est Républicain in die Welt gesetzt.
Tabu war das Privatleben von Politikern vor allem in Deutschland und Frankreich; in GB und den USA nie.
Daß Sarkozys Beliebtheit so drastisch sackt, liegt nur sehr bedingt an seinem Liebesleben. Es ist sein ganzer Stil, von dem diese Hektik, mit der er nach der Scheidung sofort die nächste Affäre beginnt, nur ein Aspekt ist.
Da ist die Großkotzigkeit, mit der er immer den feinsten und teuersten Urlaub macht. Da ist die Art, wie er sein Kabinett so behandelt, wie ein Feldwebel seine Kompanie. Da ist die Hast, mit der er von einem Thema zum nächsten eilt. Da ist auch sein "Eilen" ganz im Wortsinn - diese gespenstische Reise in den Tschad war ja nur ein Beispiel.
Es ist die Ein-Mann-Show eines Egomanen, der nicht selten auch bizarre Persönlichkeitszüge erkennen läßt. Julliard hat das meines Erachtens trefflich gekennzeichnet.
Wäre er wie Mitterand oder wie Chirac, dann würde auch von seinem Liebesleben kein Aufhebens gemacht werden. Aber es paßt halt zum Gesamtbild.
was die französische Innenpolitik angeht, kann ich aufgrund meiner bescheidenen - trotz 6 Jahren Sprachunterricht am Gymnasium- Französischkentnissen nicht wirklich mitreden. Wenn ich lange genug über eine französische Zeitung brüte, erahne ich in etwa um was es geht. Bei Fernsehnachrichten verstehe nur Namen und Schlagwörter. Die deutschen Medien berichten leider sehr wenig über Frankreich, obwohl es nicht nur ein Nachbarland ist, sondern auch einer unser wichtigsten Partner. Ich glaube die einzigen halbwegs kompetenten Informationen erhält man in der FAZ.
Aber auch in den USA gab es noch bis vor wenigen Jahrzehnten den Usus das Privatleben von Politikern aussen vor zu lassen: Beispiel John F. Kennedy. Auch er war im Rückblick ein "Womanizer". Darüber wurde zu seinen Lebzeiten - wie ich denke zu Recht- nichts berichtet.
Grundsätzlich bin ich trotz allen der Ansicht, dass es heute den Medien egal wo, garnicht mehr darum geht die Leute zu informieren, sondern nur noch darum möglichst viel Umsatz zu machen. Bitte versteht mich nicht falsch. Ich bin ein überzeugter Anhänger der Marktwirtschaft, und hatte selbst jahrzehntelang eine eigene Firma. Es ist mir klar, dass auch eine Zeitung Geld verdienen muss, um ihre Kosten zu decken und eine Rendite für ihre Eigentümer zu erwirtschaften. Aber es geht um die Methoden, wie dies geschieht. Auch ein Rauschgifthändler will letztlich nur Geld verdienen. Und ich denke eine Zeitung bzw. TV-Sender hat da eine andere Verantwortung als ein Betreiber einer Pizzaria.
Zitat von FrankfurterDie deutschen Medien berichten leider sehr wenig über Frankreich, obwohl es nicht nur ein Nachbarland ist, sondern auch einer unser wichtigsten Partner. Ich glaube die einzigen halbwegs kompetenten Informationen erhält man in der FAZ.
Das ist auch mein Eindruck, lieber Frankfurter. Umgekehrt ist übrigens das Interesse ungleich größer. Etwas übertrieben könnte man sagen: Frankreich interessiert sich so für Deutschland, wie man sich früher in der DDR für die Bundesrepublik interessiert hat. Und umgekehrt stimmt die Parallele auch.
Zitat von FrankfurterAber auch in den USA gab es noch bis vor wenigen Jahrzehnten den Usus das Privatleben von Politikern aussen vor zu lassen: Beispiel John F. Kennedy.
Über Kennedys außereheliches Liebesleben wußte man wohl wirklich in der Presse wenig. Wo man in den USA was weiß, ist man nicht besonders rücksichtsvoll.
Es gab zum Beispiel die Affäre Chappadiquick (ich habe die Rechtschreibung jetzt nicht überprüft ). Da hatte Ted Kennedy, wenn ich mich recht erinnere, mit Frauen in einem Landhaus gefeiert, und am nächsten Morgen war eine tot; mit dem Auto ins Wasser gestürzt. Das beschäftigte lange die Medien, und als Konsequenz daraus hat Ted nie versucht, Präsident zu werden.
Aber zugegeben, so doll wie die Tommies treiben es die Amis nicht; in GB ist man ja richtig scharf auf den Blick ins Schlafzimmer.
Zitat von FrankfurterGrundsätzlich bin ich trotz allen der Ansicht, dass es heute den Medien egal wo, garnicht mehr darum geht die Leute zu informieren, sondern nur noch darum möglichst viel Umsatz zu machen.
Das war, denke ich, nie anders. Mit ganz wenigen Ausnahmen. Bucerius hat zB das Defizit der "Zeit" akzeptiert und durch den Gewinn aus dem "Stern" ausgeglichen, weil er stolz darauf war, ein solches Intelligenzblatt herauszugeben. Springer hat aus einem ähnlichen Grund die defizitäre "Welt" erhalten.
Aber das sind eben wirklich seltene Fälle.
Es ist meines Erachtens nicht die Aufgabe von Journalisten, ihre Produkte besser zu machen, als sie sich verkaufen lassen. Sondern es liegt in unserem Interesse als Konsumenten, mit unserem Kaufverhalten dafür zu sorgen, daß Qualität profitabel ist.
Kritisch wird es meines Erachtens erst, wenn die Konkurrenz fehlt. Es war nicht gut, daß der "Spiegel" so lang als Nachrichtenmagazin ein Monopol hatte, so wie die FAZ immer noch die einzige deutsche Qualitäts-Tageszeitung ist. (Deutschsprachige nicht, da gibt es ja noch die NZZ).
die Frauengeschichten von Sarkozy machen mir keine Sorgen. Auch wenn ich manchmal ein winzig kleines Neidgefühl nicht ganz unterdrücken kann. Aber was mir Sorgen macht, ist die Auswahl seiner Berater:
"...He picked for his ministries and his commissions names known to all for their irresponsibility, lack of good judgment and indifference to French traditional values. One of these was Jacques Attali, former economic adviser to Mitterand, and known as “the man who is never right...."
"The Chappaquiddick Incident" ist immer noch ein beliebter Topos in den Kolumnen rechter amerikanischer Kolumnisten. Ich glaube, ich habe noch keine Glosse über Ted Kennedy gelesen, wo das nicht vorkam, gerne auch in Form eines Witzes, so à la "Heute sind im Irak weniger Menschen gestorben als damals auf dem Rücksitz von Ted Kennedys Wagen".
Was JFK angeht, so gebe ich Ihnen Recht. Die Papparazzi-Techniken waren damals noch nicht so ausgefeilt.
Im übrigen gehört für mich "Treue" zu den wesentlichen Charaktereigenschaften eines Politikers - und Untreue der Ehefrau gegenüber kann schnell Grund für Erpressbarkeit werden. Deshalb ist für mich die Information "der Politiker X hat eine Freundin" sehr wohl eine Information, die ich mir (und der restlichen Öffentlichkeit) ungern vorenthalten sehe. Deshalb finde ich es absolut richtig, dass in den USA so ein Bohei darum gemacht wird. Dasselbe gilt übrigens für den Gesundheitszustand von Politikern.
Und zu Sarkozy: Da kann man wohl ausnahmsweise mal nicht der Presse den Schwarzen Peter zuschieben. In Frankreich wird doch nichts über Sarko gedruckt, von dem er nicht will, dass es gedruckt wird. Wenn es doch gedruckt wird, dann sind die Verantwortlichen am nächsten Tag ihren Job los.
Zitat von vivendiSein Leben ist sicher interessanter als die Beziehung zwischen Chirac und seiner blechmünzensammelnden Bernadette. Im einen wie im anderen Fall sagt das jedoch nichts über die Politik aus, die der Präsident führt.
Auch mit dieser Politik, lieber vivendi, scheinen die Franzosen immer weniger zufrieden zu sein. Mehrere Umfragen haben ergeben, daß seine Popularität in den vergangenen zwei Monaten um rund zehn Prozentpunkte abgestürzt ist.
Die Januar-Umfragen zeigen zum Teil schon mehr mit ihm Unzufriedene als Zufriedene.
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