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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 11 Antworten
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 Pro und Contra
Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

16.01.2008 00:07
Sapienzia - Ignoranzia Antworten
Schon häufig habe ich hier gute Diskussionen zum Thema Glaube und Vernunft bzw. Religion und Wissenschaft verfolgt, und deshalb möchte ich mal auf die aktuelle Diskussion um den verhinderten Papstauftritt an der Sapienzia aufmerksam machen:

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...nicht_passiert/

auch hier: http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/73/152685/


Meiner Ansicht nach disqualifiziert sich damit die italienische akademische Elite selbst für jegliche Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs. Eine spätdadaistische (oder wenn man weniger wohlwollend ist, infantile) Happeningkultur (entweihen der Kapelle) ist anscheinend alles, was diese Blüten der Gelehrsamkeit dazu beizutragen haben. Darauf kann man gerne verzichten.

Ein Schlag ins Gesicht jedes redlichen Atheisten, der der Überzeugung war, dass die Wissenschaft der Schlüssel zur humanistischen Gesellschaft, zur Toleranz usw. ist.

Sehr passend finde ich Benny Peisers Bonmot: "Achmadinedjad wäre das nicht passiert". Was wäre denn, wenn die italienischen Kollegen mal in Teheran ein Khomeini-Bild als Transvestit verkleiden würden? Man würde ihnen ihre akademischen Eier abschneiden. Aber mit dem Papst kann mans ja machen.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.01.2008 18:26
#2 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

Lieber Meister Petz,

danke für den Hinweis! Ich habe begonnen, mich mit dem Casus zu befassen und werde wohl in ZR etwas dazu schreiben.

Der Text der geplanten Rede ist ja jetzt zugänglich. Er bestätigt mich in meiner wachsenden Skepsis gegenüber Ratzingers Bemühen, Vernunft und Glauben zusammenzuführen. Ich habe immer mehr den Verdacht, daß bei diesem Zusammenführen doch ziemlich klar sein soll, wer der Herr und wer der Knecht ist.

Das ist die inhaltliche Ebene. Die politische ist, daß sich da offenbar Kommunisten und sonstige Linke mal wieder benehmen, als lebten wir noch am Ende der sechziger Jahre. Ich bin noch dabei, dazu ein wenig herumzusuchen - bevorzugt in englischsprachigen Texten, weil mein Italienisch leider nicht das Beste ist.

Herzlich, Zettel

PS: Ich habe mich über ihren Avatar gefreut.

Erstens, weil er hübsch aussieht. Zweitens und vor allem aber, weil er mir darauf hinzudeuten scheint, daß der Bär vorhat, immer mal wieder den Weg in die hiesige Höhle zu finden.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

16.01.2008 21:35
#3 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

Nun ja, aber das ist seine Aufgabe als Theologe. Insofern weiß ich nicht, ob das Bild vom Herrn und vom Knecht so glücklich ist, bzw. ob ihn dieser Vorwurf wirklich treffen kann. Nehmen wir doch das umgekehrte Beispiel, die sogenannten "Religionswissenschaften", die mit soziologischen und psychologischen Methoden Religion "erklären" wollen und dabei hald gezwungenermaßen theologische Inhalte wegerklären. Ist es da nicht genauso? Noch viel schlimmer, die Glaubensinhalte werden funktionalisiert oder gar als Individual- oder Massenpsychose "wegerklärt". Muss sich deshalb ein Wissenschaftler den Vorwurf gefallen lassen, die Theologie zu knechten? Aber ganz im Gegenteil, ihm werden im akademischen Dunstkreis wesentlich höhrere Respektsbezeugungen zuteil als einem Theologen, der sich dazu bekennt, an so etwas "irrationales" wie einen dreieinigen Gott zu glauben.

Da ist die Frage, wie man Vernunft definiert. Unser gängiges Wissenschaftsmodell setzt Vernunft weitgehend mit empirischer Zugänglichkeit (und dem Ziehen von Schlüssen aus diesen Beobachtungen) gleich. Diese Gleichsetzung kann ich in ihrer Absolutheit und Wertung als Christ nicht halten, sondern kann sie lediglich als gültige wissenschaftliche Methodik halten, wo sie ja ihre volle Berechtigung hat (was Ratzinger nie bestreiten würde). Aber gerade als Christ und Philosoph kann ich nicht anders (jetzt fließt schon mir Erzkatholiken ein Lutherwort aus der Tatze) als anzunehmen, dass Gottesglaube in der Tat vernünftig ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.01.2008 01:49
#4 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

Lieber Meister Petz,

Zitat von Meister Petz
Nun ja, aber das ist seine Aufgabe als Theologe. Insofern weiß ich nicht, ob das Bild vom Herrn und vom Knecht so glücklich ist, bzw. ob ihn dieser Vorwurf wirklich treffen kann. Nehmen wir doch das umgekehrte Beispiel, die sogenannten "Religionswissenschaften", die mit soziologischen und psychologischen Methoden Religion "erklären" wollen und dabei hald gezwungenermaßen theologische Inhalte wegerklären. Ist es da nicht genauso?

Ja, ist es. Die Religion ist legitimer Gegenstand vieler Wissenschaften - Geschichtswissenschaft, Sozialwissenschaften, Psychologie, Philologie, Ethnologie und anderer, bis hin zur Kunstwissenschaft. Ich bin nicht sicher, ob man eigentlich eine eigene "Religionswissenschaft" braucht; wenn ja, dann als die interdisziplinäre Zusammenarbeit dieser Wissenschaften.

Ich weiß nicht, ob man von "wegerklären" sprechen sollte. Jede dieser Disziplinen, die sich mit dem Gegenstand "Religion" befassen, hat ihre eigene Sichtweise, ihre eigenen Methoden und damit auch ihre eigenen Beschränkungen. Allerdings können sie meist interdiziplinär zusammenarbeiten, auch wenn das - ich kenne es a bisserl aus einem ganz anderen Bereich - oft nicht einfach ist.

Schwieriger scheint mir die Zusammenarbeit zu sein, wenn es um die Zusammenarbeit dieser Disziplinen mit der Theologie im engeren Sinn - der Dogmatik zum Beispiel - geht. Die Schwierigkeit scheint mir, soweit ich das beurteilen kann, darin zu bestehen, daß alle diese Disziplinen sich in ihrem Wahrheitsbegriff einig sind: Wahr ist, was hinreichend empirisch belegt ist. Und der Wahrheitsbegriff der Theologie ist eben ein ganz anderer.
Zitat von Meister Petz
Noch viel schlimmer, die Glaubensinhalte werden funktionalisiert oder gar als Individual- oder Massenpsychose "wegerklärt".

Ja, das wird versucht. Ich halte es für so falsch, als würde man die Mathematik auf Gehirnprozesse zurückführen wollen. Es ist schlechter Reduktionismus.
Zitat von Meister Petz
Da ist die Frage, wie man Vernunft definiert.

Als Kantianer bin ich jetzt in Versuchung, zu einem längeren Kolleg loszulegen, aber ich beherrsche mich.
Wenn Ratzinger - oder Benedikt; ich kann mich da schwer entscheiden - von "Vernunft" spricht, dann scheint er mir aber nicht einen bestimmten philosophischen Begriff von Vernunft zu meinen, sondern so etwas wie die Gesamtheit aller Versuche, die Welt ohne den Rekurs auf Offenbarung zu verstehen.

Herzlich, Zettel

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.01.2008 00:47
#5 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten
Zitat von Zettel

Schwieriger scheint mir die Zusammenarbeit zu sein, wenn es um die Zusammenarbeit dieser Disziplinen mit der Theologie im engeren Sinn - der Dogmatik zum Beispiel - geht. Die Schwierigkeit scheint mir, soweit ich das beurteilen kann, darin zu bestehen, daß alle diese Disziplinen sich in ihrem Wahrheitsbegriff einig sind: Wahr ist, was hinreichend empirisch belegt ist. Und der Wahrheitsbegriff der Theologie ist eben ein ganz anderer.


Oder etwas polemischer formuliert, dass die Theologie die Frechheit besitzt, überhaupt einen Wahrheitsbegriff zu vertreten! Wenn man nämlich die wissenschaftstheoretische Grundlegung der Sozialwissenschaften anschaut, so ist diese meistens irgendwie konstruktivistisch oder was auch immer. Ich denke aber nicht, dass der Wahrheitsbegriff das entscheidende Problem darstellt. Ich denke, das entscheidende Problem ist die Legitimität, religiöse Erfahrung in die Beobachtung mit einzubeziehen. Die "empirische Religionsforschung" ist gezwungen, religiöse Erfahrung als Wahnvorstellung abzutun. Und dieser Graben kann nicht überbrückt werden.

Zitat von Zettel
Als Kantianer bin ich jetzt in Versuchung, zu einem längeren Kolleg loszulegen, aber ich beherrsche mich.


Also lassen wir den großen Chinesen aus Königsberg in Frieden. Aber ich glaube, dass Ratzinger in seiner Philosophie in mancher Hinsicht nicht so weit von ihm entfernt ist. Auch wenn ihm - der sehr stark von religiöser Erfahrung ausgeht - ein Gott als Postulat sehr fremd und unfassbar vorkommen muss.

Zitat von Zettel
Wenn Ratzinger - oder Benedikt; ich kann mich da schwer entscheiden - von "Vernunft" spricht, dann scheint er mir aber nicht einen bestimmten philosophischen Begriff von Vernunft zu meinen, sondern so etwas wie die Gesamtheit aller Versuche, die Welt ohne den Rekurs auf Offenbarung zu verstehen.


Nein, da tun Sie ihm wohl Unrecht. Ratzinger ist kein Vernunftverächter, ich denke, dass er diese Auffassung eher als in der Wissenschaft vorherrschende kritisiert. In seiner Zeit als Präfekt ist die Enzyklika Fides et Ratio entstanden, die die Vernunft als Weg zur Erkenntnis Gottes beschreibt (gar nicht soooo unkantianisch, oder?). Ich würde seine Position in dieser Ecke vermuten.

Hier eine Rede von ihm, die Fides et Ratio kommentiert:
http://www.mscperu.org/deutsch/vernunft_...o_kommentar.htm

Gruß Petz
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.01.2008 06:20
#6 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

Lieber Meister Petz,

Ihre Kritik vieler empirischer Wissenschaftler, was die Befassung mit Religion angeht, ist sicherlich berechtigt. Meine eigene Auffassung triftt sie, glaube ich, aber nicht. Das will ich kurz erläutern:

Zitat von Meister Petz
Zitat von Zettel
Die Schwierigkeit scheint mir, soweit ich das beurteilen kann, darin zu bestehen, daß alle diese Disziplinen sich in ihrem Wahrheitsbegriff einig sind: Wahr ist, was hinreichend empirisch belegt ist. Und der Wahrheitsbegriff der Theologie ist eben ein ganz anderer.

Oder etwas polemischer formuliert, dass die Theologie die Frechheit besitzt, überhaupt einen Wahrheitsbegriff zu vertreten! Wenn man nämlich die wissenschaftstheoretische Grundlegung der Sozialwissenschaften anschaut, so ist diese meistens irgendwie konstruktivistisch oder was auch immer.

Der Sozialkonstruktivismus ist eine Mode, die auf die ernsthafte empirische Sozialforschung, soweit ich sehe, kaum Einfluß hatte. Jedenfalls nicht international. Die ernsthafte Sozialforschung hat denselben Wahrheitsbegriff wie alle anderen empirischen Wissenschaften auch; wie schon erwähnt.

Aber wenn jemand, der mit einem solchen Wahrheitsbegriff - hinreichende empirische Stützung einer Aussage - arbeitet, wenn der behauptet, das sei der einzige überhaupt akzeptable Wahrheitsbegriff, dann ist das ein Dummkopf. Mathematische und logische Aussagen sind bekanntlich nicht deshalb wahr, weil sie jemand empirisch überprüft hätte ;-)
Zitat von Meister Petz
Die "empirische Religionsforschung" ist gezwungen, religiöse Erfahrung als Wahnvorstellung abzutun. Und dieser Graben kann nicht überbrückt werden.

Das sehe ich anders, lieber Meister Petz. Wenn man als Anthropologe, als Philologe, als Historiker, als Psychologe usw. religiöse Sachverhalte erforscht, dann kann man sich zum Wahrheitsgehalt religiöser Glaubensinhalte vollkommen neutral verhalten.

Das ist offensichtlich, wenn man, sagen wir, die Naturreligion von Aborigines erforscht, die Religion, die in der Edda zum Ausdruck kommt, oder auch auch den Buddhismus. Es gilt aber genauso für das Judentum, das Christentum, den Islam. Juden und Christen können gemeinsam Bibelforschung betreiben und tun das ja auch, gemeinsam mit Atheisten. Dann gehen die einen nach Hause und halten den Sabbath, die anderen gehen am Sonntag in die Kirche und die dritten lesen am Feiertag Kant und Schopenhauer. ;-)
Zitat von Meister Petz
Zitat von Zettel
Als Kantianer bin ich jetzt in Versuchung, zu einem längeren Kolleg loszulegen, aber ich beherrsche mich.

Also lassen wir den großen Chinesen aus Königsberg in Frieden.

Chinesen? Wollten Sie schreiben "Weisen"?
Zitat von Meister Petz

Ratzinger ist kein Vernunftverächter, ich denke, dass er diese Auffassung eher als in der Wissenschaft vorherrschende kritisiert.

Das meinte ich auch nicht, daß er ein Vernunftverächter wäre. Ich vermute allerdings - kenne ihn aber nicht hinreichend, um da sicher zu sein - , daß sein Lebensthema eine bestimmte Konzeption der "Versöhnung" von Vernunft und Glaube ist.

Wovon er träumt - will mir scheinen -, das ist ein wissenschaftliches Weltbild, das sich irgendwie in den Glauben hinein fortsetzt, wobei die Richtung diesr Fortsetzung ein "nach oben" ist.

Oder anders gesagt, er will den Glauben gegenüber den Wissenschaften legitimieren, ihnen den Glauben aber zugleich als ihren Rahmen, als ihre höhere Rechtfertigung, als ihre notwendige Ergänzung anbieten.

Aber vielleicht irre ich mich. Dann werden Sie mir das ja vielleicht klarmachen.

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

20.01.2008 15:28
#7 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

Ich kann Petzel hier zum ersten nur zustimmen:

Das Bild von Herr und Knecht ist unbrauchbar und baut einen Konflikt auf, den es in Wahrheit nicht geben muß, vielleicht auch nicht geben kann.

Die Vernunft allein erreicht nämlich einerseits irgendwo Grenzen, wo Vernunftgründe keine Antworten mehr geben, andererseits kann die Vernunft nur aufgrund von Axiomen operieren, die sie aber selbst nicht begründen kann.

Der Glaube ist grob gesprochen genau dann möglich. Alle wissenschaftlichen Axiome sind Glaubensaussagen. Man kann sie natürlich hinterfragen, aber das geht mit dem christlichen Glauben ja auch (es muß ja keiner Christ sein).

Auch Nichtchristen, sogenannte "Nichtreligiöse", auch Atheisten haben ihre Glaubensüberzeugungen, mit denen sie ihre Erkenntnisse zu einem Gesamtbild vereinen.

Zwei Punkten muß ich jedoch widersprechen:

Die Trinität ist keineswegs etwas "irrationales" (als gegen die Vernunft) sondern etwas das eben nicht auf reine Vernunft (soweit das überhaupt geht) reduzierbar.

In Antwort auf:
Unser gängiges Wissenschaftsmodell setzt Vernunft weitgehend mit empirischer Zugänglichkeit (und dem Ziehen von Schlüssen aus diesen Beobachtungen) gleich. Diese Gleichsetzung kann ich in ihrer Absolutheit und Wertung als Christ nicht halten, sondern kann sie lediglich als gültige wissenschaftliche Methodik halten, wo sie ja ihre volle Berechtigung hat (was Ratzinger nie bestreiten würde).


Ich sehe den Widerspruch nicht, wenn man Empirie denn nicht mit wiederholbaren Experimenten gleichsetzen will. Aber

1. ist das auch in den Naturwissenschaften schon nicht völlig gegeben (z.B. theoretische Physik, Evolutionstheorie)

2. ist die Naturwissenschaft nicht die Wissenschaft, die bisweilen andere Methoden verwenden, z. B. logisches Schlußfolgern, oder die Beobachtung von Einzelerfahrungen,

3. ist gerade der christliche Glaube (nicht allein aber auch) auf Empirie, auf Erfahrung gegründet. Sicher, keine wissenschaftlich verwertbare Erfahrung aber dennoch Erfahrung.

In Antwort auf:
Aber gerade als Christ und Philosoph kann ich nicht anders (jetzt fließt schon mir Erzkatholiken ein Lutherwort aus der Tatze) als anzunehmen, dass Gottesglaube in der Tat vernünftig ist.


Hier sind wieder voll beieinander.




str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

20.01.2008 15:37
#8 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

In Antwort auf:
Schwieriger scheint mir die Zusammenarbeit zu sein, wenn es um die Zusammenarbeit dieser Disziplinen mit der Theologie im engeren Sinn - der Dogmatik zum Beispiel - geht. Die Schwierigkeit scheint mir, soweit ich das beurteilen kann, darin zu bestehen, daß alle diese Disziplinen sich in ihrem Wahrheitsbegriff einig sind: Wahr ist, was hinreichend empirisch belegt ist. Und der Wahrheitsbegriff der Theologie ist eben ein ganz anderer.


Die Dogmatik als die eigentliche Theologie benutzt die philosophische Methode, wendet sie aber auf eine gegebene Glaubensquelle (Offenbarung) an, zieht ihre Schlußfolgerungen etc. Da sehe ich nicht einen "anderen Wahrheitsbegriff".

Sicher, eine Zusammenarbeit wäre insofern schwer, weil die Fragen ja ganz andere sind. Außerdem arbeitet die Dogmatik eben auf dem Boden eines Bekenntnisses, die Religionswissenchaft sollte das nicht tun (wenn sie auch oft auf einen dogmatischen Relativismus versteift).

In Antwort auf:
von "Vernunft" spricht, dann scheint er mir aber nicht einen bestimmten philosophischen Begriff von Vernunft zu meinen, sondern so etwas wie die Gesamtheit aller Versuche, die Welt ohne den Rekurs auf Offenbarung zu verstehen.


Warum sollte Vernunft ohne Rekurs auf Offenbarung sein? Jeder Diskurs muß von Axiomen ausgehen.


str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

20.01.2008 15:41
#9 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

In Antwort auf:
Die "empirische Religionsforschung" ist gezwungen, religiöse Erfahrung als Wahnvorstellung abzutun.


Nein, das ist sie nicht. Sie ist gezwungen sie als gegeben hinzunehmen und, will sie sich nicht an eine Religion binden, nicht weiter zu hinterfragen nach metaphysischer Herkunft oder nach gut/böse bzw. wahr falsch.

Trifft sie bzw. ein Religionswissenschaftler - die Wissenschaft selber kann das ja nicht - das Urteil "Wahnvorstellung", dann ist eben auch schon ein Urteil gefällt aufgrund eines materialistischen Glaubens.

Leider geschieht das oft ... oder es erscheint uns nur so - aber korrekt ist es dennoch nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.01.2008 18:47
#10 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

Zitat von str1977
Die Dogmatik als die eigentliche Theologie benutzt die philosophische Methode, wendet sie aber auf eine gegebene Glaubensquelle (Offenbarung) an, zieht ihre Schlußfolgerungen etc. Da sehe ich nicht einen "anderen Wahrheitsbegriff".

Lassen Sie uns, lieber str1977, unterscheiden zwischen der Defintion von "Wahrheit" und ihrer Operationalisierung, dh der Methodik, die als geeignet gilt, zu ermitteln, ob eine Aussage wahr ist.

Was die Definition angeht, gebe ich Ihnen Recht: Wahrheit ist die, in der Formulierung von Thomas von Aquin und vieler anderer, adequatio intellectus et rei, die Übereinstimmung des Ausgedrückten, des Gemeinten, des Geistes mit der Sache, dem Sachverhalt. Die moderne Logik sagt "Aussage" statt "intellectus". Nennen wir eine Aussag "p", dann gilt: "'p' ist genau dann wahr, wenn p".

Aber wie ermittelt man, ob p? Da gibt es in den Wissenschaften nur zwei Wege: Den der Empirie und den formalen der Logik und Mathematik.

Ja, richtig, diese basieren auf Axiomen. Aber von diesen Axiomen gibt es nur ganz wenige, die so unmittelbar einsichtig sind, daß z.B. Kant ihre Geltung als Bedingungen der Möglichkeit von Denken überhaupt aufgefaßt hat. Ein gängiges Beispiel ist der Satz vom Widerspruch: Etwas kann nicht zugleich wahr und nicht wahr sein.

Die "Axiome" der Dogmatik sind aber von ganz anderer Art. Es sind inhaltliche Aussagen, etwa die unbefleckte Empfängnis betreffend.

Das sind Aussagen, die grundsätzlich empirisch verifizierbar wären. Sie gehören insofern, in Leibniz' Unterscheidung, zu den verités de fai, nicht den vérités de raison; den Tatsachen- und nicht den Vernunftwahrheiten.

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

26.02.2008 12:01
#11 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

In Antwort auf:
Lassen Sie uns, lieber str1977, unterscheiden zwischen der Defintion von "Wahrheit" und ihrer Operationalisierung, dh der Methodik, die als geeignet gilt, zu ermitteln, ob eine Aussage wahr ist.

Was die Definition angeht, gebe ich Ihnen Recht: Wahrheit ist die, in der Formulierung von Thomas von Aquin und vieler anderer, adequatio intellectus et rei, die Übereinstimmung des Ausgedrückten, des Gemeinten, des Geistes mit der Sache, dem Sachverhalt. ...

Aber wie ermittelt man, ob p? Da gibt es in den Wissenschaften nur zwei Wege: Den der Empirie und den formalen der Logik und Mathematik.

Ja, richtig, diese basieren auf Axiomen. ...

Die "Axiome" der Dogmatik sind aber von ganz anderer Art. Es sind inhaltliche Aussagen ...

Das sind Aussagen, die grundsätzlich empirisch verifizierbar wären. Sie gehören insofern, in Leibniz' Unterscheidung, zu den verités de fai, nicht den vérités de raison; den Tatsachen- und nicht den Vernunftwahrheiten.


Da sind wir doch gar nicht so weit auseinander.

Jede Dogmatik, wie schon gesagt, setzt als Axiom voraus: dies und jenes ist göttliche Offenbarung bzw. gesetzte Glaubensquelle. Das ist ein Axiom. Und dann geht sie daran, diese Grundlage philosophisch zu beackern.

Der Unterschied zwischen den verschiedenen Religionen bzw. (soweit sie diese betreiben) Dogmatiken ist eben der Unterschied zwischen den Glaubensquellen. Da Unterscheiden sich Judentum, Christentum, Islam, Buddhismus etc. je nach Konfession unterteilt natürlich, weil z.B. nicht alle Juden heutzutage den Talmud anerkennen, nicht alle Muslime die Sunna, nicht alle Christen die gleichen biblischen Bücher oder darüber hinaus Tradition.

In Antwort auf:
Das sind Aussagen, die grundsätzlich empirisch verifizierbar wären.


Falls sie hier nicht ein "nicht" vergessen haben, stimmen wir da überein. Diese Aussagen wären empirische zu überprüfenden bzw. - da wir selbst nicht dabei waren - hängen daran, ob wir dem darüber Auskunft gebenden Zeugnis Glauben schenken oder nicht.

Die "unbefleckte Empfängnis" gehört übrigens nicht dazu, sondern ist schon das Ergebnis dogmatisch-philosopher Reflexion. Daher ist dieses Dogma ja auch eher jüngeren Datums: erstmals in dieser Form bezeugt im Hochmittelter, erster Versuch einer dogmatischen Definition um 1430 (Konzil von Basel), gültige Definition 1854. Oder meinten Sie doch eher die Jungfrauengeburt? Ich frage, weil es eine der häufigsten Verwechslungen ist. Aber es war ohnehin nur ein Beispiel.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.02.2008 22:24
#12 RE: Sapienzia - Ignoranzia Antworten

Zitat von str1977
Die "unbefleckte Empfängnis" gehört übrigens nicht dazu, sondern ist schon das Ergebnis dogmatisch-philosopher Reflexion. Daher ist dieses Dogma ja auch eher jüngeren Datums: erstmals in dieser Form bezeugt im Hochmittelter, erster Versuch einer dogmatischen Definition um 1430 (Konzil von Basel), gültige Definition 1854. Oder meinten Sie doch eher die Jungfrauengeburt? Ich frage, weil es eine der häufigsten Verwechslungen ist. Aber es war ohnehin nur ein Beispiel.

Ja, in der Tat, lieber str1977 - in meiner Ignoranzia halte ich unbefleckte Empfängnis und Jungfrauengeburt für zwei Seiten derselben Sache; nur sozusagen durch neun Monate getrennt.

Erklären Sie mir bitte den Unterschied?

Ansonsten stimme ich Ihnen zu.

Herzlich, Zettel

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