Ich habe es als Erstkläßler noch erlebt, daß die Klassenlehrerin einen Stock besaß, mit dem sie Schüler, die "geschwätzt" hatten, auf die ihr hinzuhaltenden Hände schlug; die Delinquenten wurden dazu nach vorn zu ihr gerufen und saßen anschließend, vor Schmerzen weinend, in der Klasse, so daß als Hintergrund des Unterrichts eigentlich immer ein Schluchzen irgendwo zu hören war.
Wer solche Erinnerungen hat, der wird unbedingt dafür sein, Lehrern kein Recht auf "körperliche Züchtigung" zu gewähren. In Frankreich gibt es dieses Recht ebensowenig noch wie in Deutschland. Dort trug sich der Fall zu, über den die Marginalie berichtet.
Ob allerdings ein Lehrer, dem gegenüber einem unverschämten Schüler doch einmal die Hand ausrutscht, gleich erst einmal zwei Tage eingesperrt und jetzt wegen "schwerer Mißhandlung" angeklagt werden sollte, das scheint mir nun doch fraglich zu sein.
So sieht das erfreulicherweise auch der französische Premierminister Fillon.
Polizeigewahrsam ist eine Verkehrung der Situation und führt zu einem Rückzug der Verantwortlichen aus der Verantwortung. Lehrer werden sich zweimal überlegen ob sie eingreifen oder nicht, wenn es um die Erziehung der ihnen Anvertrauten geht. Sie riskieren nicht unbedingt den Knast, wenn sie angemessenere Mittel als die Ohrfeige wählen. Allerdings ist es fraglich, ob sie das durchsetzen können, was sie jeweilige Situation verlangt. Ein befreundeter Lehrer erzählte mir, dass Schüler zuweilen Lehrer in Konflikten verbal herausfordern sie "anzufassen", weil sie die Konsequenzen für den Lehrer kennen. Der Mangel an passender und angemessener "executiver" Massnahmen gegen Regelverstösse macht Erziehung zu einem schweren Geschäft. Vor allem, wenn maan nicht mit der Unterstützung der Elternhäuser rechenen kann.
Der Minister hat im Übrigen recht! Ohrfeigen sind keine Mittel (dennoch: Meine italienisch geprägte Variante für den französischen Fall: Eine Entschuldigung des Lehrers einfordern, den Lümmel seine Entschuldigung vortragen lassen und anschliessend dem Jungen zwei elterliche Ohrfeigen verpassen!)
Es war sicher notwendig, auch in diesem Bereich das, was als autoritäres Erbe aus der Kaiser- und der Hitlerzeit geblieben war, zu beseitigen.
Aber man schüttet leicht das Kind mit dem Bad aus. In Frankreich ebenso wie in Deutschland.
Ich habe Berichte von französischen Lehrern gelesen, die es praktisch aufgegeben haben, noch einen normalen Unterricht zu halten, weil sie die Disziplin nicht in den Griff bekommen.
Wie Sie sagen, ist dabei das Elternhaus entscheidend. Im jetzigen Fall war es der Vater, der gegen den Lehrer Anzeige erstattet hat. Er ist übrigens Gendarm.
Lieber Zettel, sicher ist das Elternhaus mitentscheidend, Sie sollten aber die Vorschul- und Kindergartenprägung nicht vergessen, vom Einfluss der Medien ganz zu schweigen. Erziehung lässt sich überdies nicht auf juristische Definitionen reduzieren. Sie hat auch etwas mit Moral, Ethik und Liebe zu tun. Heute entscheiden allerdings nur juristische Kriterien, wenn Probleme auftauchen, z.B. bei der nachträglichen Überprüfung von mit leichter Nadel gestrickten Gesetzen oder bei Erziehungsfragen. Wieviel Dirigismus kann oder muss man einer Gesellschaft zumuten? Ab wann mündet die Toleranz in Hilflosigkeit? Gibt es einen Unterschied zwischen "Prügel" und "Klaps"? Irgend etwas scheint doch "schief gelaufen" zu sein, wenn immer mehr aufsässigen und respektlosen Jugendlichen hilflose Eltern und Pädagogen gegenüberstehen. Bei der Erziehung ist das Strafen situationsabhängig und kann nicht "nach Vorschrift" reglementiert werden. Besserwisserei im nachhinein wird der Situation meist nicht gerecht. Herzlich, Enha
Zitat von EnhaWieviel Dirigismus kann oder muss man einer Gesellschaft zumuten? Ab wann mündet die Toleranz in Hilflosigkeit?
Das scheint mir, lieber Enha, in der Tat eine zentrale Frage zu sein.
Die pädagogische Revolution in den siebziger Jahren - ich denke, man kann das schon so nennen - basierte auf der naiven Idee, die ja die Anfänge der Jugendbewegung der späten sechziger Jahre geprägt hat, daß das Haupthindernis für eine glückliche Gesellschaft "autoritäre Strukturen" seien.
Man hatte Adorno gelesen, man hatte Freud, Reich, Marcuse gelesen und sich daraus diese kindliche Weltanschauung gebastelt. (Wobei man jedenfalls Freud gründlich mißverstanden hatte, nebenbei gesagt).
Und das wurde nun in die Tat umgesetzt, als erst diese Ideen und dann auch ihre Träger in die Kultusministerien, in die Pädagogischen Fakultäten vordrangen.
Das Ergebnis ist jetzt zu besichtigen: Nach allem, was ich über den schulischen Alltag mitbekomme, ist ein zentrales Problem für viele Lehrer, überhaupt erst einmal die Bedingungen für einen erfolgreichen Unterricht zu schaffen - Ruhe im Klassenzimmer, die Bereitschaft, sich für den Lehrstoff zu interessieren, die Motivation, gute Leistungen zu erbringen.
Zitat von EnhaBei der Erziehung ist das Strafen situationsabhängig und kann nicht "nach Vorschrift" reglementiert werden. Besserwisserei im nachhinein wird der Situation meist nicht gerecht.
Das sehe ich auch so.
Übrigens kenne ich Berichte von Lehrern, zu deren Hauptproblemen gehört, daß dann, wenn sie einen türkischen Schüler bestrafen, schon einmal der Vater und/oder die Brüder erscheinen und sehr handgreiflich zum Schulalltag beitragen.
In Antwort auf:Wer solche Erinnerungen hat, der wird unbedingt dafür sein, Lehrern kein Recht auf "körperliche Züchtigung" zu gewähren.
Ja - so wie es ist, rechtlich, in Deutschland und in Frankreich, ist es gut. Der Staat schützt die Bürger vor Willkür der Staatsbediensteten.
Wir können rechtlich nicht regeln, in welchen Einzelfällen einem Lehrer die Hand ausrutschen darf. Obwohl wir alle (Ich hoffe, daß wir alle) finden, daß der Lehrer in diesem Fall, "verständlich" handelte, sehe ich dennoch keine Möglichkeit gesetzlich eine Grenze festzulegen. Das ist halt Risiko.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.