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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.03.2008 17:59
#26 Austausch zwischen Kulturen. Weltkultur Antworten

Zitat von Meister Petz
Zitat von Zettel
Daß der "Austausch" einseitig wurde, lag, scheint mir, schlicht daran, daß die abendländische Kultur seit der Renaissance den anderen immer mehr davoneilte.

Das erklärt aber immer noch nicht, warum der Austausch nicht mehr umgekehrt gelaufen ist. Normalerweise ist es doch so, dass rückständige sich von entwickelteren Kulturen inspirieren lassen und "kopieren" (siehe Römer-Griechen). Innerhalb des Abendlandes hat das ja dann auch funktioniert, aber wieso nicht bei den Osmanen? Die hätten doch die besten Voraussetzungen gehabt!

Dieses "Kopieren", lieber Meister Petz, geschieht selten freiwillig. Meist ist es das Ergebnis einer Eroberung. Ein klassischer Fall ist die Art, wie im 19. und 20. Jahrhundert die Oberschicht in den britischen und französischen Kolonien die europäische Kultur übernommen hat. Indien ist ein Musterbeispiel.

Im Fall Rom-Griechenland nun ist etwas Interessantes passiert: Die Eroberer haben in Vielem die Kultur der Eroberten übernommen. Auch das kommt aber immer wieder vor. Die siegreichen Franken haben beispielsweise weitgehend die römische Kultur übernommen; so wurde Frankreich ein "romanisches" Land.

Das Musterbeispiel für diesen Vorgang habe ich schon erwähnt: Die siegreichen Araber übernahmen die Kultur des Oströmischen Reichs und wurden so binnen zwei Jahrhunderten von einem rückständigen Beduinen- und Händlervolk zu einer der großen Kulturnationen.

Aber wie gesagt - das setzt Eroberung voraus. Das Osmanische Reich war im 19. Jahrhundert rückständig und fiel immer weiter zurück; aber es war immer noch stark genug, um sein Staatsgebiet weitgehend zu verteidigen, und mit wenigen Ausnahmen (die Franzosen in Nordafrika, die Briten in Ägypten und dem Sudan) wollten ihnen die europäischen Mächte ja auch gar nicht ihr Weltreich streitig machen. (Die Russen könnte man auch noch nennen).
Zitat von Meister Petz
Zitat von Zettel
Warum Rom das nicht schaffte, ist eine interessante Frage.

Naja, damals wurde die Schuld der Christianisierung gegeben, damit hatte sich der alte Augustinus rumzuschlagen und der hat als brillante Antwort darauf im Gottesstaat gleich mal die Trennung von Staat und Kirche erfunden.

Der Erfolg des Christentums scheint mir eher die Folge als die Ursache des Niedergangs der römischen Kultur zu sein. Wie oft in Zeiten der Krise - siehe jetzt den Erfolg des Islam im Nahen Osten - sucht man Halt und Sinn in der Religion.
Zitat von Meister Petz
Die gängigste These ist, dass die Römer satt und dekadent geworden sind, und deshalb den hungrigen Germanen nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Diese These wird ja heute in vielerlei Hinsicht auf den Westen und die USA angewendet, und an die Stelle der Germanen tritt wahlweise der Islam oder die Chinesen.

Ja, Oswald Spengler hat das ja geradezu liebevoll ausgemalt - diese Parallelen zwischen der spätantiken und der heutigen "Zivilisation"; worunter er die Spätphase einer "Kultur" verstand, ihr Abgleiten in Beliebigkeit und Dekadenz.

Aber Spengler hat zugleich auch den Unterschied gesehen. Er war der vielleicht erste Globalisierungs- Theoretiker. Er sah ein "Zeitalter der Cäsaren" heraufziehen, ähnlich wie in der Spätantike. Aber er erwartete auch das Entstehen einer Weltkultur, so daß es nach dem Niedergang der "faustischen" abendländischen Kultur keine neuen Kulturen in der Art der bisherigen mehr geben würde.
Zitat von Meister Petz
Ob diese These zutrifft, hängt meiner Meinung nach davon ab, wo man den kulturellen Zenit einer Zivilisation ansetzt. Wann haben die Römer ihren überschritten? => Hat der aktuelle Westen seinen schon überschritten? Bzw. Gibt es überhaupt lineare kulturelle Entwicklungen?


Die Analyse Spenglers, wonach jede Kultur dieselben Stufen durchläuft - eine Frühzeit, ein feudales Mittelalter (das er in der Antike zum Beispiel in der Zeit des Trojanischen Kriegs sah), eine Zeit der bürgerlichen Aufklärung (in der Antike ab der Blütezeit Athens), eine imperialistische Phase, eine Zeit des Niedergangs in der Zivilisation - , diese Analyse hat schon etwas Bestechendes; in aller ihrer Vereinfachung. (Jedenfalls ist sie sicher ungleich besser begründet als das marxistische Schema von Urgesellschaft - Sklavengesellschaft - Feudalismus - Kapitalismus).



Gibt es einen "Zenith"? Schwer zu sagen. Meist sieht man ihn in der "Klassik" einer Kultur. Das perikleische Zeitalter, in Europa die Zeit zwischen, sagen wir, Shakespeare und Goethe.

Aber liegt nicht der "Zenith" unserer Kultur vielleicht in der Gegenwart mit ihren ungeheuren wissenschaftlichen und technischen Fortschritten? Und wenn wir - wovon ich allerdings überzeugt bin - einer Weltkultur zustreben (mit freilich ihren jeweiligen lokalen Besonderheiten), dann wird doch diese Weltkultur von der unseren stärker geprägt sein als von irgendeiner sonst.

Herzlich, Zettel



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