Auch in den US-Leitmedien ist es still geworden um den Irak-Krieg, seit dort Erfolge zu verzeichnen sind. Das könnte sich bald ändern. Denn es spricht vieles dafür, daß es die Strategie der Demokraten im Wahlkampf sein wird, diese Erfolge zu leugnen.
Ich glaube nicht, daß das funktionieren wird. Viele US-Bürger wollten raus aus dem Irak, weil es den Amerikanern traditionell zuwider ist, lange Kriege mit ungewissem Ausgang zu führen. Jetzt, wo der Erfolg greifbar vor Augen liegt, werden sie sich meines Erachtens nicht davon überzeugen lassen, daß ein Mißerfolg unausweichlich sei.
Telepolis ist aber immer noch der Meinung, daß der Krieg kein Erfolg war.
Und hier habe ich was gefunden, vielleicht interessiert das den einen oder anderen: Measuring Stability and Security in Iraq (ist ein pdf von 69 Seiten, 570KB) ein Bericht für den Kongress vom März 2008.
Edit: Eine Stunde später hinzugefügt. Der dritte Teil eines wunderschönen Films über irakisch Kurdistan Mit den Peshmerger durchs wilde Kurdistan - da kann man einen Ausschnitt aus dem Interview mit einem gefangenen kurdischen Gotteskrieger sehen. Den Film finde ich schön, weil die Landschaft so schön ist. Die gefilmten Kurden sehen aus wie "normale" Leute, die ihr Leben leben wollen und anderen nicht die Wahrheit aufdrängen.
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Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)
Zitat von KaaTelepolis ist aber immer noch der Meinung, daß der Krieg kein Erfolg war.
Was bei Telepolis steht, liebe Kaa, glaube ich grundsätzlich erst dann, wenn ich es nachgeprüft habe.
Die sind ja noch viel schlimmer als "Spiegel Online". Scheinbar wird eine Fülle an Informationen geliefert - aber die sind derart einseitig ausgewählt und werden derart voreingenommen interpretiert, daß man immer schon weiß, "was hinten rauskommt", um mal dieses schöne Wort von Kohl zu verwenden.
Nur ein Beispiel aus dem verlinkten Beitrag eines gewissen Thomas Pany. Darin heißt es "Gemäß einer kürzlich veröffentlichten Pew-Umfrage ist eine leichte Mehrheit der US-Bürger noch immer von einem Erfolg im Irak ("Will succeed") überzeugt".
Noch immer? Wenn man sich die Umfrage ansieht, dann findet man, daß die Zahl derer, die das glauben, seit Februar vergangenen Jahres zugenommen hat, und zwar von 47 auf 53 Prozent.
Ich habe auf diese Umfrage ja in dem Artikel hingewiesen, über den wir jetzt diskutieren. Die Zahl derer, die glauben, der Krieg liefe sehr gut oder recht gut, ist binnen eines Jahres von 30 auf 47 Prozent gestiegen. Vor einem Jahr wollten 53 Prozent einen Truppenabzug, und nur 42 Prozent wollten, daß die Truppen im Irak bleiben. Jetzt ist das Verhältnis ausgeglichen (47 Prozent für Bleiben, 49 Prozent für Abziehen).
Man vergleiche das mit dem zitierten Satz von Pany, und man hat eine Vorstellung davon, wie hier nicht informiert, sondern desinformiert wird.
Zitat von KaaUnd hier habe ich was gefunden, vielleicht interessiert das den einen oder anderen: Measuring Stability and Security in Iraq (ist ein pdf von 69 Seiten, 570KB) ein Bericht für den Kongress vom März 2008.
Danke, liebe Kaa!
Das ist das Informativste, was ich in langer Zeit über die Lage im Irak gelesen habe. Stoff für viele Artikel (aber mein Referrer sagt mir, daß inzwischen dieses Thema zu den am wenigsten gelesenen gehört).
Sehr interessant ist zum Beispiel die immer größere Rolle, die die "Sons of Iraq" spielen, eine regierungstreue Miliz, die von den USA mit aufgebaut und unterstützt wird, sowie das "Awakening Movement", eine Selbstorganisation der Beduinenstämme gegen die El Kaida. Dazu heißt es:
Zitat von Report to CongressAwakening movement among the tribes of western, central and northern Iraq continues to grow. Many Sunni Arab and a growing number of Shi'a sheikhs are working with the Coalition, and their tribal members and other local citizens are fighting AQI through participation in Sons of Iraq groups. Overall, Sons of Iraq in north and central Iraq continue to complement Iraqi Army, Iraqi Police and Coalition forces and now number approximately 91,000 volunteers (71,500 Sunni, 19,500 Shi'a). To date, close to 20,000 have already transitioned to the ISF or civil employment.
AQI ist die El Kaida. - Der Erfolg dieser Strategie, eine regierungstreue Miliz aufzubauen könnte, liebe Kaa, gut etwas mit dem zu tun haben, was wir kürzlich im Zusammenhang mit Heinsohn diskutiert haben: Da sind "überzählige Söhne", die keine Beschäftigung finden. Für sie waren bisher die regierungsfeindlichen Milizen attraktiv. Jetzt wird ihnen eine Alternative geboten.
Zitat von KaaDer dritte Teil eines wunderschönen Films über irakisch Kurdistan Mit den Peshmerger durchs wilde Kurdistan - da kann man einen Ausschnitt aus dem Interview mit einem gefangenen kurdischen Gotteskrieger sehen. Den Film finde ich schön, weil die Landschaft so schön ist. Die gefilmten Kurden sehen aus wie "normale" Leute, die ihr Leben leben wollen und anderen nicht die Wahrheit aufdrängen.
Das wollen doch, liebe Kaa, die meisten Menschen weltweit. Das ist ja eines der Themen, mit denen ich immer wieder komme und vielleicht manche damit nerve: Auch Moslems sind doch nicht primär fromme Leute oder gar religiöse Fanatiker; sondern sie sind Menschen, die Freiheit und Wohlstand wollen, ein besseres Leben.
Die wenigen Prozent Fundamentalisten, gar die gewaltbereiten - die bestimmen nur allzu leicht unser Bild, weil sie sich sozusagen ständig ins Bild drängen. Dann entstehen solche irrigen Auffassungen wie zB die, daß im Irak die El Kaida oder sonst Gewalttäter die Unterstützung "der Bevölkerung" hätten. Sie haben sie nicht.
So wenig, wie in Vietnam jemals der Vietcong diese Unterstützung hatte. Man fällt da halt leider allzuleicht auf Propaganda herein.
Umso wichtiger, daß jemand wie du sich die Mühe macht, genau zu recherchieren und gründlich zu lesen. Und unvoreingenommen herauszufinden versucht, wie es nun wirklich ist. Das schätze ich sehr an dir, wenn ich das mal sagen darf. (Ja, klar darf ich ).
Jetzt hat sogar auch SPON zähneknirschend und ganz versteckt, man muss fast schon zwischen den Zeilen lesen, eingeräumt, dass sich die Situation im Irak verbessert hat:
Aber unterstellt, dass in absehbarer Zeit die Situation vollständig unter Kontrolle ist, von ein paar versprengten Terroristen abgesehen, was wird dann passieren?
Dann wird mit Sicherheit die schiitische Regierung in Bagdad, die dann ja fest im Sattel sitzt, den Abzug der amerikanischen Truppen verlangen. Die USA haben dann wohl keine andere Wahl, als dieser Aufforderung Folge zu leisten. Das muss man sich mal überlegen, tausende von gefallenen amerikanischen Soldaten und gigantische Ausgaben, nur um eine radikal sunnitische Regierung durch eine veraussichtlich radikal schiitische Regierung zu ersetzten. Die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch kein Freund des Westens sein wird.
Im Gegenteil, die Regierung in Bagdad wird sich an den grossen Bruder in Teheran anlehnen, wo wohl jetzt schon die Fäden gezogen werden. Schauen wir uns die Nachbarländer an. Syrien wird von der kleinen Minderheit der Aleviten regiert, die mit brutaler Gewalt sich gegen die überwältigende Mehrheit der Sunniten behaupten muss. Irgendwie scheinen auch die syrischen Aleviten eine Variante der Schia zu sein. Nach der islamischen Revolution im Iran, waren vom ersten Tag an die Beziehungen blendend, und das gilt bis heute. Ausserdem ist den Aleviten im Syrien klar, dass ohne einen starken Freund ihre Existenz nicht nur politisch sondern auch physisch bedroht ist. Dann gibt noch den Libanon mit einer starken schiitischen Minderheit, die bestimmt zwischenzeitlich die grösste Volksgruppe überhaupt sein dürfte. Sie haben auch einen bewaffneten Arm, nämlich die Hizbollah. Es wäre sicherlich nicht verwegen zu behaupten, dass es denkbar ist, dass in absehbarer Zeit die Schiiten im Libanon mit Unterstützung Syriens die Macht übernehmen.
Das Ergebnis wäre dann ein schiitisches Grossreich von Afghanistan bis zum Mittelmeer, das in in absehbarer Zeit auch über Atomwaffen verfügen wird. Nur zu Zeiten Darius war das persische Reich grösser. Dann geht es weiter. Den meisten dürfte nicht bekannt sein, dass am persischen Golf z.B. in Bahrein die Mehrheit der Bevölkerung auch Schiiten sind. Nur der Emir und sein Clan sind Sunniten. In Saudiarabien, an der Golfküste, dort wo das meiste Erdöl gefördert wird, ist die Mehrheit der autochonen Bevölkerung auch schiitisch. Sie wird von den Wahabiten stark unterdrückt. Wäre es wirklich so abwegig anzunehmen, dass nachdem in der unmittelbaren Nachbarschaft die Glaubensbrüder an der Macht sind, nicht auch dort Widerstand gegen die sunnitischen und wahabitischen Unterdrücker aufkommt? Das unter Umständen dazu führt, dass auch dort dann die Schiiten das Sagen haben?
Das wäre ja eine der grössten Grotesken der Menschheitsgeschichte, dass ausgerechnet die USA, der grosse Satan, wie der Iran sagt, die Schia zur grössten Macht in der islamischen Welt befördert hat. Von der ewig unterdrückten Minderheit zur Weltmacht.
Das haben sich Bush und seine Berater bestimmt alles ganz anders vorgestellt.
es kann so kommen, wie Sie es in Ihrem Horror-Szenario entwerfen. Aber ich halte es für eher unwahrscheinlich, und zwar aus drei Gründen:
1. Der Irak ist jetzt auf dem Weg zu einem Staat, in dem alle Gruppen - Schiiten, Kurden, arabische Sunniten - ihren Platz haben. Es wäre geradezu selbstmörderisch von "den" Schiiten (die ja unter sich sehr gespalten sind), das zu opfern und die ganze Macht an sich reißen zu wollen. Sie hätten dann tatsächlich den Bürgerkrieg, der von der antiamerikanischen Propaganda seit Jahren behauptet wird.
2. Schiit zu sein, ist ein Identitätsmerkmal, aber auch im Nahen Osten nicht das einzige. Daß Araber sich freiwillig persischer Vorherrschaft unterwerfen, ist - soweit ich das erkennen kann, vielleicht können Fachleute mich korrigieren - sehr unwahrscheinlich.
3. Das iranische Modell ist ja im ganzen nahen Osten abschreckend. Auch dort wollen die Menschen in ihrer Mehrheit doch nicht von eifernden Islamisten kujoniert werden.
Also, ich halte es, lieber Frankfurter, für wahrscheinlicher, daß das irakische Modell eines Ausgleichs zwischen den Gruppen und eines (leidlich) demokratischen Rechtsstaats auf andere Länder ausstrahlt, vor allem Syrien.
Mag sein, daß ich zu optimistisch bin. Aber als ich vor mehr als einem Jahr mit Berichten über die positive militärische und politische Entwicklung im Irak begonnen habe, hat das ja auch kaum jemand so sehen wollen.
Zitat von FrankfurterSyrien wird von der kleinen Minderheit der Aleviten regiert
Es handelt sich in Syrien nicht um Aleviten, sondern um Alawiten oder auch Nusairier. Ansonsten ist auch hier das "wer mit wem" und vor allem "warum" äußerst komplex und würde einige dutzend Seiten füllen.
Zitat von FrankfurterDas haben sich Bush und seine Berater bestimmt alles ganz anders vorgestellt.
Ja, ich mir allerdings auch und ich bin da keinesfalls optimistisch und sehe auch nicht die geringste Veranlassung dazu.
Zitat von FrankfurterSyrien wird von der kleinen Minderheit der Aleviten regiert
Es handelt sich in Syrien nicht um Aleviten, sondern um Alawiten oder auch Nusairier.
Danke für die Aufklärung, dear C.
Ich hatte das - ich verstehe halt nix vom Islam - auch bisher für zwei verschiedene Schreibweisen gehalten und jetzt erst dazu nachgelesen.
Shame on me. Das zu verwechseln ist ja wirklich ungefähr so, als würde man Slowaken mit Slowenen verwechseln.
Aber dann hat es mich doch gereizt, mal zu googeln. Und siehe, selbst in der "Zeit" findet man Assad als Aleviten; in einem Artikel von Werner Bloch, der gerade mal wieder über den Irak berichtet hat.
Ja, das nennt sich dann auch noch Qualitätspresse und schaut voller Verachtung auf Blogs und Foren, dabei werden noch nicht einmal die Grundlagen für den Artikel recherchiert. Es ist zum Haare ausraufen. Man braucht dazu auch nichts vom Islam zu verstehen, da diejenigen, die tatsächlich einen Glauben verstehen, mindestens vierzig Jahre ohne Wasser und Brot meditierend in der Wüste verbracht haben. Die Veranstaltung wird ja aus dem gutem Grund "Glaube" genannt, weil sie sich damit erfolgreich dem Verstehen entziehen darf, was wiederum die Inflation von Experten erklärt, die das Unerklärbare dem staunenden Publikum für eine schmale Gage nahebringen.
Der von Dir genannte Herr Lüders hat es wenigstens zu der außerordentliche Ehre gebracht von Herrn Broder ausgezeichnet zu werden:
Zitat von BroderDenn Lüders - früher bei der "Zeit", heute bei der Friedrich Ebert Stiftung - ist politisch so korrekt wie ein Falafelbällchen rund ist. Dass er in den Ruf kommen konnte, ein "Experte" für den Islam, für den Nahen und Mittleren Osten und für die arabische Mentalität zu sein, gehört zu den Langzeitschäden, die Karl May zu verantworten hat
Zitat von ZettelDas ist das Informativste, was ich in langer Zeit über die Lage im Irak gelesen habe.
Freut mich. Ich hatte mir gedacht, daß es dir gefällt. Ich konnte mir aber auch vorstellen, daß du es schon gefunden hattest. Andererseits, mit Landstraßendsl kommt man nicht so schnell überall hin.
Liebe Grüße
Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)
die syrischen "Aleviten" heissen tatsächlich Alaviten. Ich hätte geschworen, dass meine Schreibweise die Richtige ist. Nun wieder etwas dazugelernt. Übrigens im Westen weiss man sehr wenig über diese Sekte.
Mir war natürlich klar, dass sie mit türkischen Aleviten nichts zu tun haben. Die haben eine ganz andere Religion.
Lieber Zettel, es mir schon öfters aufgefallen, dass Sie eine eher optimitische Sicht der Dinge haben. Nun ich will hoffen, dass Sie im Falle des Iraks Recht behalten. Denn wenn mein Szenario Wirklichkeit würde, wäre dies das Ende Israels.
Zitat von Frankfurterdie syrischen "Aleviten" heissen tatsächlich Alaviten. Ich hätte geschworen, dass meine Schreibweise die Richtige ist. Nun wieder etwas dazugelernt. Übrigens im Westen weiss man sehr wenig über diese Sekte.
Nicht nur im Westen, lieber Frankfurter. Der sehr gründliche Artikel in der Wikipedia beschreibt die Alawiten als eine Geheimsekte, die selbst vor ihren Mitgliedern gewisse Glaubensinhalte geheim hält: "Alawites do not accept converts or openly publish their texts, which are passed down from scholar to scholar. The vast majority of Alawites (the "Ammah") know little about the contents of their sacred texts or theology, which are guarded by a small class of male initiates (the "Khassah")."
Wie auch immer - mit den liberalen, weltoffenen Aleviten haben die Alawiten offenbar nicht mehr gemeinsam, als daß auch sie sich auf Ali berufen und deshalb beide eben diese ähnlich klingenden Namen haben.
Und sie scheinen beide eklektisch oder synkretistisch zu sein; also Elemente aus anderen Religionen als dem Islam einzubeziehen.
Soweit, lieber Frankfurter, meine Weisheiten aus der Wikipedia. Vielleicht kann ja C. mit weit gründlicherer Kenntnis noch etwas zu diesen Alawiten beisteuern.
Herzlich, Zettel
PS: Mir fällt immer wieder auf, wie sozusagen religiös kreativ der Nahe Osten ist. Irgendwie scheinen das - von Ägypten bis Persien, von der Türkei bis zur arabischen Wüste - Menschen zu sein, die eine besondere Neigung zur Offenbarung, zur Gesetzesreligion, zur Geheimreligion haben.
Ganz anders als die Antike, als die keltische und germanische Kultur, für die die Götter ein bunter Haufen interessanter Leute waren, über die man sich tolle Geschichten erzählte. Und ganz anders als die Religionen Ostasiens, die ja mehr Lebensphilosophien und Traditionsrituale sind.
In Antwort auf:wie sozusagen religiös kreativ der Nahe Osten ist
Es ist nicht nur der Nahe Osten, sondern auch Indien: Hinduismus, Bhuddismus, Jainismus usw. Es ist in der Tat so, dass aus diesen zwei Regionen nahezu alle Religionen stammen, die heute noch ausgeübt werden.
Ich könnte mir vorstellen, dass es für einen Religionswissenschaftler eine Herausforderung wäre, ein Buch zu schreiben, in dem versucht wird, dies zu begründen.
Zitat von Frankfurter Es ist in der Tat so, dass aus diesen zwei Regionen nahezu alle Religionen stammen, die heute noch ausgeübt werden.
Wobei das Christentum eher so etwas wie eine jüdisch-griechisch-römische Gemeinschaftsproduktion ist. Und das nicht nur in Bezug auf die wichtigsten Religionsbegründer (Der Evangelist Lukas war Grieche, der Apostel Paulus ein Kosmopolit jüdischer Abstammung mit römischem Pass), sondern vor allem auch auf die Inhalte, es enthält neben der Kontinuität der jüdischen Prophetie auch eine Menge Platonismus.
Zitat von ZettelVielleicht kann ja C. mit weit gründlicherer Kenntnis noch etwas zu diesen Alawiten beisteuern
Es gibt von Daniel Pipes eine ausführlichere Abhandlung, vor allem im Hinblick auf den Machtwechsel von Sunniten zu Alawiten in Syrien, allerdings kommt auch der historische Hintergrund der Alawiten nicht zu kurz. Zumindest ist es spannende Osterlektüre.
Zitat von Zettelwie sozusagen religiös kreativ der Nahe Osten ist
Es ist nicht nur der Nahe Osten, sondern auch Indien: Hinduismus, Bhuddismus, Jainismus usw. Es ist in der Tat so, dass aus diesen zwei Regionen nahezu alle Religionen stammen, die heute noch ausgeübt werden.
Man kann natürlich argumentieren, daß dieser Teil der Welt halt auch die Gegend ist, in der die alten Hochkulturen entstanden (nämlich am Nil, an Euphrat und Tigris, am Indus, in China).
Aber es gibt diesen Unterschied im, sagen wir, Stil der Religiosität. Als später die griechisch-römische Hochkultur hinzutrat, brachte sie nicht derartige Religionen hervor, die das ganze Leben bestimmen wollen, sondern die schon erwähnte unterhaltsame Götterwelt.
Und dann gibt es - das möchte ich, lieber Frankfurter, noch einmal betonen - diesen interessanten Unterschied zwischen den Religionen aus dem ägyptisch-jüdisch-arabisch-persischen Kulturkreis auf der einen Seite und Buddhismus, Taoismus, die vedische Religion, der Shintoismus auf der anderen. (Der Hinduismus ist ja auch eine Volksreligion ähnlich der germanischen, griechischen, römischen).
Diese großen ostasiatischen Religionen sind sozusagen die Weiterentwicklung der Volksreligon in Richtung auf Weisheitslehre, Lebensphilosophie, auch Metaphysik.
Die Religionen aus dem nahöstlichen Kulturkreis sind fordernder, man könnte fast sagen totalitärer. Sie verlangen das Glauben an bestimmte Inhalte, die Unterwerfung. Sie scheiden meist streng zwischen Gläubigen und Ungläubigen und versprechen den einen buchstäblich das Blaue vom Himmel, während die anderen oft als Menschen minderen Wertes, wenn nicht gar minderer Rechte angesehen werden.
Alles das war nicht nur den heidnischen Religionen der Antike völlig fremd, sondern es es ist es auch den großen ostasiatischen Religionen.
Zitat von Meister PetzWobei das Christentum eher so etwas wie eine jüdisch-griechisch-römische Gemeinschaftsproduktion ist. Und das nicht nur in Bezug auf die wichtigsten Religionsbegründer (Der Evangelist Lukas war Grieche, der Apostel Paulus ein Kosmopolit jüdischer Abstammung mit römischem Pass), sondern vor allem auch auf die Inhalte, es enthält neben der Kontinuität der jüdischen Prophetie auch eine Menge Platonismus.
Platon wiederum war von der ägyptischen Jenseits-Relgion beeinflußt; ob er nun wirklich nach Ägypten gereist war oder das nur eine Legende ist. Und die jüdische Religion war von der ägyptischen, der sumerischen usw. beeinflußt.
Dieser ganze Kulturraum ist halt - nicht nur durch die geographische Nähe und den Handel, sondern auch durch die ständigen Wanderungen und Kriege und die entstehenden und vergehenden Großreiche - so etwas wie ein geistiger melting pot gewesen. Ja auch noch nach der Antike; die arabische Hochkultur verdankt fast alles der oströmischen, die ihrerseits neben der römischen die hellenistische fortgeführt hat.
Da war immer Multikulti. Wie überhaupt die Vorstellung, daß Kulturen sozusagen am besten gedeihen, wenn man jede in ihr eigenes Gewächshaus setzt (Oswald Spengler hat dazu geneigt), nicht der Realität entspricht.
Zitat von Zettel Ja auch noch nach der Antike; die arabische Hochkultur verdankt fast alles der oströmischen, die ihrerseits neben der römischen die hellenistische fortgeführt hat.
Die arabische Hochkultur hat uns Barbaren wiederum den Aristoteles zurückgegeben, ohne den Thomas von Aquin den Katholizismus nicht zu dem hätte machen können, was er ist.
Nun aber die Frage: Wann hat dieser Austausch aufgehört und warum?
Zitat von Meister PetzDie arabische Hochkultur hat uns Barbaren wiederum den Aristoteles zurückgegeben, ohne den Thomas von Aquin den Katholizismus nicht zu dem hätte machen können, was er ist.
So ist es; und der war eben über Ostrom in die Zentren der arabischen Gelehrsamkeit gelangt.
Übrigens hat auch die Renaissance noch sehr von dieser "arabischen Schiene" profitiert. Nicht nur, was die Schriften aus der Antike angeht, sondern auch durch die Schriften der großem arabischen Gelehrten wie Alhazen, den Optiker - einer der ganz großen Naturwissenschaftler des Mittelalters.
Zitat von Meister PetzNun aber die Frage: Wann hat dieser Austausch aufgehört und warum?
In gewisser Weise ging er ja weiter, nur einseitig: Die abendländische Kultur hat sich das angeeignet, was die anderen (noch) anzubieten hatten. Nur wurde das immer mehr das Historische; Beispiel die Ägypten-Manie in Europa nach Bonapartes Ägypten-Feldzug.
Daß der "Austausch" einseitig wurde, lag, scheint mir, schlicht daran, daß die abendländische Kultur seit der Renaissance den anderen immer mehr davoneilte.
In einem Entwicklungsprozeß, wie ihn bis dahin keine der Hochkulturen erlebt hatte. Die römische war ihm am nächsten gekommen. Vielleicht hätte es ja dort diese Explosion des Wissens und Könnens schon gegeben, die mit der Renaissance begann und dann in der Aufklärung noch einmal einen gewaltigen Schub erhielt.
Warum Rom das nicht schaffte, ist eine interessante Frage. Vielleicht lag es daran, daß zur griechischen Wissenschaft und zur römischen Technologie noch die Denkschulung in der Scholastik kommen mußte, diese sehr große Disziplinierung des Denkens.
Vielleicht hatte es auch den trivialen Grund, daß das Reich zu früh zerbrach; jedenfalls das im Westen. Und Ostrom wurde zu "orientalisch", um noch diese griechische Wahrheitssuche mit den Methoden des Verstandes, auch diese römische Neigung zur Technologie weiterführen zu können.
Vielleicht; aber da kann man wohl nur spekulieren.
Zitat von C.Es gibt von Daniel Pipes eine ausführlichere Abhandlung, vor allem im Hinblick auf den Machtwechsel von Sunniten zu Alawiten in Syrien, allerdings kommt auch der historische Hintergrund der Alawiten nicht zu kurz. Zumindest ist es spannende Osterlektüre.
Danke! Habe es "angelesen", ja und es klingt spannend.
Zitat von ZettelIn gewisser Weise ging er ja weiter, nur einseitig: Die abendländische Kultur hat sich das angeeignet, was die anderen (noch) anzubieten hatten. Nur wurde das immer mehr das Historische; Beispiel die Ägypten-Manie in Europa nach Bonapartes Ägypten-Feldzug.
Stimmt. Noch interessanter ist in diesem Zusammenhang der Philhellenismus Ludwigs I., der uns ja nicht nur den wunderbaren Königsplatz in München beschert hat, sondern auch handfeste politische Konsequenzen hatte (kurzzeitige Königsherrschaft der Wittelsbacher in Griechenland).
Zitat von ZettelDaß der "Austausch" einseitig wurde, lag, scheint mir, schlicht daran, daß die abendländische Kultur seit der Renaissance den anderen immer mehr davoneilte.
Das erklärt aber immer noch nicht, warum der Austausch nicht mehr umgekehrt gelaufen ist. Normalerweise ist es doch so, dass rückständige sich von entwickelteren Kulturen inspirieren lassen und "kopieren" (siehe Römer-Griechen). Innerhalb des Abendlandes hat das ja dann auch funktioniert, aber wieso nicht bei den Osmanen? Die hätten doch die besten Voraussetzungen gehabt!
Zitat von ZettelWarum Rom das nicht schaffte, ist eine interessante Frage. Vielleicht lag es daran, daß zur griechischen Wissenschaft und zur römischen Technologie noch die Denkschulung in der Scholastik kommen mußte, diese sehr große Disziplinierung des Denkens. Vielleicht hatte es auch den trivialen Grund, daß das Reich zu früh zerbrach; jedenfalls das im Westen. Und Ostrom wurde zu "orientalisch", um noch diese griechische Wahrheitssuche mit den Methoden des Verstandes, auch diese römische Neigung zur Technologie weiterführen zu können. Vielleicht; aber da kann man wohl nur spekulieren.
Naja, damals wurde die Schuld der Christianisierung gegeben, damit hatte sich der alte Augustinus rumzuschlagen und der hat als brillante Antwort darauf im Gottesstaat gleich mal die Trennung von Staat und Kirche erfunden.
Die gängigste These ist, dass die Römer satt und dekadent geworden sind, und deshalb den hungrigen Germanen nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Diese These wird ja heute in vielerlei Hinsicht auf den Westen und die USA angewendet, und an die Stelle der Germanen tritt wahlweise der Islam oder die Chinesen. Ob diese These zutrifft, hängt meiner Meinung nach davon ab, wo man den kulturellen Zenit einer Zivilisation ansetzt. Wann haben die Römer ihren überschritten? => Hat der aktuelle Westen seinen schon überschritten? Bzw. Gibt es überhaupt lineare kulturelle Entwicklungen?
In Antwort auf:Innerhalb des Abendlandes hat das ja dann auch funktioniert, aber wieso nicht bei den Osmanen?
Zu diesem Thema hat der bekannte Orientalist Bernard Lewis ein sehr lesenswertes Buch geschrieben: "What went wrong". Ich weiss nicht, ob davon auch eine deutsche Übersetzung gibt.
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