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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 56 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2008 16:45
Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten
Hitler hat, wenn ich mich recht erinnre, in "Mein Kampf" geschrieben, das Geheimnis jeder Propaganda sei die Wiederholung.

Es gibt Propagandabehauptungen, die so hartnäckig wiederholt werden, daß schließlich fast jeder glaubt, sie seien wahr.

Dazu gehört die Behauptung, Bush habe in Bezug auf WMDs im Irak gelogen.
Rayson Offline




Beiträge: 2.367

16.06.2008 17:06
#2 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Lieber Zettel, ich fürchte, das Märchen der Massenvernichtungsmittel soll jetzt durch ein anderes ersetzt werden, nämlich das der Täuschung Bushs & Co. durch die Geheimdienste.

Zitat von Zettel
Es gab und gibt für diese Behauptung nicht den Schatten eines Belegs. Sie wurde aus der Partei der Demokraten in den USA heraus in die Welt gesetzt


Mir scheint eher das Gegenteil wahr zu sein: Die Behauptung vom ahnungslosen und naiven Bush (das Oxymoron "naiver Cheney" will mir nur schwer in die Tastatur), den die wahlweise finsteren oder unfähigen Geheimdienste getäuscht haben, wird von den Republikanern als letzte Verteidigung in die Welt gesetzt. Es gibt mittlerweile schon mindestens zwei ehemalige Berater der US-Regierung, die übereinstimmend davon berichten, dass der 11. September für die Regierung Bush ein willkommener Vorwand war, den Irak anzugreifen, und dass kritische Stimmen dazu rigoros ausgeblendet wurden. Nur so ist zu erklären, dass eine so anerkannt wacklige Quelle wie der Informant "Curveball" zur Basis eines Vortrags Powells vor den UN werden konnte.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

FTT Offline



Beiträge: 30

16.06.2008 19:33
#3 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten
In der NZZ war schon einmal vor etwa zwei, drei Jahren ein etwas größerer Artikel über die westlichen Geheimdienste im Vorfeld des Irakkrieges. Der Tenor war, dass jene westlichen Geheimdienste in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung waren, aber alle (auch der französische und der BND) gemeinsam überzeugt waren, dass der Irak entweder im Besitz von Massenvernichtungswaffen war oder zumindest aktiv an entsprechenden Programmen arbeiten würde.
Eloman Offline



Beiträge: 239

16.06.2008 20:53
#4 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Wieso waren wohl sonst die UN-Inspektoren da?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2008 21:47
#5 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von FTT
In der NZZ war schon einmal vor etwa zwei, drei Jahren ein etwas größerer Artikel über die westlichen Geheimdienste im Vorfeld des Irakkrieges. Der Tenor war, dass jene westlichen Geheimdienste in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung waren, aber alle (auch der französische und der BND) gemeinsam überzeugt waren, dass der Irak entweder im Besitz von Massenvernichtungswaffen war oder zumindest aktiv an entsprechenden Programmen arbeiten würde.

So ist es, lieber FTT. Daß "Curveball" eine Quelle des BND und nicht des CIA war, ist ja allgemein bekannt. Der BND hat dem CIA, der Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Quelle hatte, verweigert, "Curveball" selbst zu befragen. Aber es gab Nachfragen, und der BND hat bestätigt, daß er glaubwürdig sei.

Daß auch der französische Geheimdienst von der Existenz der MWDs überzeugt war, geht daraus hervor, daß Chirac in just der Rede, in der er das französische Veto im Sicherheitsrat ankündigte, von diesen MWDs sprach. Er sagte lediglich, zu ihrer Beseitigung gebe es andere Möglichkeiten als einen Krieg.

Und selbst Offiziere von Saddam wußten nicht, ob man die WMDs eigentlich hatte. Das hat ihre Vernehmung nach dem Krieg ergeben; ich gehe darauf demnächst in einem Artikel in ZR ein.

Es gab in allen Diensten die üblichen intern geäußerten Zweifel, die üblichen Machtkämpfe. Aber daß die USA gewußt hätten, daß es gar keine WMDs gab und Bush über ihre Existenz gelogen habe, stimmt einfach nicht.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 00:24
#6 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten
Zitat von Rayson
Zitat von Zettel
Es gab und gibt für diese Behauptung nicht den Schatten eines Belegs. Sie wurde aus der Partei der Demokraten in den USA heraus in die Welt gesetzt

Mir scheint eher das Gegenteil wahr zu sein: Die Behauptung vom ahnungslosen und naiven Bush (das Oxymoron "naiver Cheney" will mir nur schwer in die Tastatur), den die wahlweise finsteren oder unfähigen Geheimdienste getäuscht haben, wird von den Republikanern als letzte Verteidigung in die Welt gesetzt.

Ist das so, lieber Rayson? Dieses Märchen habe ich eigentlich noch nicht gelesen.

Sondern was geschrieben wird, und was in dem Artikel, dessen Überschrift ich als Zitat verwendet habe, steht, ist etwas ganz Anderes: Es war nach den Erkenntnissen, die man hatte, wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher, daß Saddam MWDs hatte. Das hat der CIA dem Präsidenten mitgeteilt, und darauf hat er seine Entscheidung für den Krieg gestützt.



Man darf nicht vergessen, daß im Sommer 2002, als die Entscheidung für den Krieg fiel, ja 9/11 gerade mal ein halbes Jahr zurücklag. Niemand hätte es damals für möglich gehalten, daß´der El Kaida kein Anschlag von diesem Kaliber mehr gelingen würde.

Alle rechnten mit dem Schlimmsten. (Ich habe das schon mal geschrieben, wie ich dienstlich verpflichtet war, meine Mitarbeiter über Verhalten bei einem Anthrax-Anschlag aufzuklären; nur als Beispiel für die damalige Stimmung).

In dieser Lage bestand eine reale Gefahr, daß Saddam sich mit der El Kaida verbünden würde.

Die Oberschlauen haben immer wieder das "Argument" vorgetragen, Saddam sei doch kein Islamist gewesen und hätte die El Kaida nicht im Land haben wollen.

Das stimmt natürlich, nur ist es kein Argument. Daß der USA-Hasser Saddam sich mit den USA-Hassern der El Kaida in der Weise zusammentun würde, daß er ihnen die Waffen (nukleare oder, wahrscheinlicher, chemische) für einen vernichtenden Anschlag in den USA lieferte, war damals eine reale Möglichkeit. Es wäre zum Nutzen beider gewesen.

Das haben damals die Geheimndienste richtig bewertet. Sicher konnte keiner von ihnen sein, daß Saddam MWDs hatte, aber es gab genügend Indizien. Daß der CIA den Präsidenten getäuscht hätte, ist ebenso falsch, wie daß dieser die Öffentlichkeit getäuscht hätte.

Der CIA hat zum Teil schlecht gearbeitet, das hat ja der Untersuchungsausschuß aufgeklärt. Man war, wie das oft in Gruppenprozessen der Fall ist, zu wenig hellhörig für abweichende Meinungen, für alternative Möglichkeiten. Aber niemand hat bisher irgendwelche Belege dafür geliefert, daß bewußt getäuscht worden wäre.



Natürlich gibt es nie nur einen Kriegsgrund. Es gab etliche weitere Gründe, Saddams Regime den Garaus zu machen, nicht zuletzt, daß nur ohne ihn überhaupt an einen erfolgreichen Friedensprozeß im Nahen Osten zu denken war.

Ich habe diese Meinung vor fünf Jahren, noch vor Kriegsbeginn, vertreten, und bis auf Details halte ich auch heute noch die damalige Analyse für richtig.

Und als ich, lieber Rayson, eben diesen Beitrag herausgesucht habe, bin ich auf diesen gestoßen, der ein wenig die wahre Vorgeschichte des Irak-Kriegs erhellt.

Hoffe ich jedenfalls.

Herzlich, Zettel
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 00:59
#7 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Eloman
Wieso waren wohl sonst die UN-Inspektoren da?

Und diese Inspektoren, lieber Eloman, wurden ja immer wieder von Saddams Leuten an der Nase herumgeführt.

Warum, wenn er doch gar keine MWDs hatte? Warum hat er nicht unbehindert inspizieren lassen, so daß die Welt wußte, daß er sie nicht mehr hatte?

Er hätte damit den Krieg leicht abwenden können. Ein Bericht von Hans Blix des Inhalts, daß Saddam vollständig kooperiert hätte und daß man nach gründlicher Inspektion nun sicher sei, daß er keine MWDs hätte, wäre ausreichend gewesen, um Saddam an der Macht zu halten.

Warum hat Saddam es verhindert, daß ein solcher Bericht erstattet werden konnte?

Und warum ist er nicht, wie ihm angeboten worden war, unmittelbar vor dem Krieg ins Exil gegangen, wo doch nach menschlichem Ermessen die totale Niederlage seines Regimes anders nicht mehr aufzuhalten war?

Das, so scheint mir, sind die eigentlich spannenden Fragen zur Vorgeschichte des Irakkriegs.

Herzlich, Zettel

Kane Offline




Beiträge: 133

17.06.2008 06:51
#8 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Warum hat Saddam es verhindert, daß ein solcher Bericht erstattet werden konnte?

Und warum ist er nicht, wie ihm angeboten worden war, unmittelbar vor dem Krieg ins Exil gegangen, wo doch nach menschlichem Ermessen die totale Niederlage seines Regimes anders nicht mehr aufzuhalten war?


Ich glaube wir hatten schon mal dieses Fragen in dieser oder ähnlicher Form hier behandeltFinde den entsprechenden Thread nicht mehr.

Es kam dabei die Sprache auf die Interviews mit Saddam und andere Quellen, in denen behauptet wurde, dass dieser durch die Spaltung des Westens nicht daran glaubte, dass die USA ernst machen würden.IMHO bin ich mir ziemlich sicher, dass das Verhalten Frankreichs und Deutschlands einen wesentlichen Teil zum Ausbruch des Krieges beitrug.

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

17.06.2008 08:44
#9 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Lieber Zettel

Bei der Diskussion wird eine weitere Möglichkeit außer Acht gelassen.

Saddam hatte beispielsweise im Irakkrieg, im ersten - glaube ich auch schon, als sich die Niederlage ankündigte, massenweise hochwertiges Kriegsgerät, besonders Flugzeuge in den Iran bringen lassen, um es vor der Vernichtung durch die amerikanischen Truppen zu schützen.

Wer will sagen, ob er nicht auch solche Massenvernichtungswaffen in dieser Art in Sicherheit gebracht hat.
Der Iran wird es mit Sicherheit nicht verraten.

Herzlich
M. Schneider

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 08:51
#10 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Kane
Ich glaube wir hatten schon mal dieses Fragen in dieser oder ähnlicher Form hier behandelt

Daran, lieber Kane, habe ich mich anläßlich der jetzigen Diskussion auch erinnert.

Ich habe damals den von C. K. (der auf Sie geantwortet hatte) verlinkten Artikel gelesen, der sehr informativ ist, und wollte eigentlich in ZR darüber schreiben. Aber wie es so geht, es wurde von aktuellen Themen überrollt.

Jetzt habe ich das Thema wieder oben auf meine Themenliste gesetzt. Heute ist aber erst mal der 17. Juni dran; das Thema kann ich ja nicht gut verschieben.

Herzlich, Zettel

ex-blond Offline




Beiträge: 155

17.06.2008 10:40
#11 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten
(bin gleich ins Forum, ohne den Artikel von Zettel vorher gelesen zu haben ... daher meinen Text, der ebenfalls auf den LAT Artikel verwies gelöscht)
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 10:57
#12 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von M.Schneider
Saddam hatte beispielsweise im Irakkrieg, im ersten - glaube ich auch schon, als sich die Niederlage ankündigte, massenweise hochwertiges Kriegsgerät, besonders Flugzeuge in den Iran bringen lassen, um es vor der Vernichtung durch die amerikanischen Truppen zu schützen. Wer will sagen, ob er nicht auch solche Massenvernichtungswaffen in dieser Art in Sicherheit gebracht hat.

Ja, das stimmt, lieber M. Schneider. Er hatte ja beim jetzigen Krieg faktisch keine Luftwaffe mehr.

Es gab Gerüchte, daß die WMDs nicht in den Iran, aber nach Syrien verbracht worden seien; das wurde vor allem aus israelischen Sicherheitskreisen berichtet. Es wurde sogar ein Ort genannt, das Bekaa-Tal, wenn ich mich recht erinnere.

Bestätigt wurde das allerdings nie. Und da die US-Regierung ja das größte Interesse daran hatte und hat, so etwas aufzudecken, halte ich es für wahrscheinlicher, daß Saddam diese Programme wirklich unterbrochen (nicht abgebrochen!) hatte, weil ihm während der Sanktionen die Mittel zu ihrer Fortsetzung fehlten.

Aber er wollte nach außen den Eindruck aufrechterhalten, er hätte sie, weil er sich davon ein großeres Gewicht im Nahen Osten versprach. Das ist jedenfalls die aus meiner Sicht wahrscheinlichste Interpretation seines seltsamen Verhaltens. Dazu, wie angekündigt, demnächst mehr in ZR.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.06.2008 11:34
#13 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

So weit ich mich erinnere, gehörte es zu den Waffenstillstandsbedingungen des zweiten Golfkriegs (1991), daß Saddam seine Massenvernichtungswaffen der UN meldet.
Was er auch getan hat - und diese irakische Liste ist letztlich juristische Grundlage für die weiteren UN-Sanktionen und Inspektionen.

Leider habe ich diese Liste bisher nicht im Web finden können, die würde in dieser Diskussion entscheidend nützlich sein.

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

17.06.2008 11:44
#14 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Zettel
Daß der USA-Hasser Saddam sich mit den USA-Hassern der El Kaida in der Weise zusammentun würde, daß er ihnen die Waffen (nukleare oder, wahrscheinlicher, chemische) für einen vernichtenden Anschlag in den USA lieferte, war damals eine reale Möglichkeit. Es wäre zum Nutzen beider gewesen.

Gemeinsamer Nutzen? Saddam hätte sich ausrechnen können, daß es ihm wie den mit El Kaida verbündeten Taliban ergehen würde.

Gruß,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 12:15
#15 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Kallias
Zitat von Zettel
Daß der USA-Hasser Saddam sich mit den USA-Hassern der El Kaida in der Weise zusammentun würde, daß er ihnen die Waffen (nukleare oder, wahrscheinlicher, chemische) für einen vernichtenden Anschlag in den USA lieferte, war damals eine reale Möglichkeit. Es wäre zum Nutzen beider gewesen.

Gemeinsamer Nutzen? Saddam hätte sich ausrechnen können, daß es ihm wie den mit El Kaida verbündeten Taliban ergehen würde.

Falls er die El Kaida ins Land gelassen hätte, um dort einen Staat im Staat zu errichten wie bei den Taliban.

Aber das war ja nicht die Sorge. Die Sorge war, daß Saddam (der immer schon eine zentrale Rolle bei der Unterstützung des Terrorismus gegen den Westen gespielt hatte; selbst RAF-Leute waren ja in Damaskus gewesen) der El Kaida heimlich und ohne offizielle Beziehungen diese Waffen liefern würde.

Herzlich, Zettel

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

17.06.2008 12:31
#16 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von Kallias
Zitat von Zettel
Daß der USA-Hasser Saddam sich mit den USA-Hassern der El Kaida in der Weise zusammentun würde, daß er ihnen die Waffen (nukleare oder, wahrscheinlicher, chemische) für einen vernichtenden Anschlag in den USA lieferte, war damals eine reale Möglichkeit. Es wäre zum Nutzen beider gewesen.

Gemeinsamer Nutzen? Saddam hätte sich ausrechnen können, daß es ihm wie den mit El Kaida verbündeten Taliban ergehen würde.

Falls er die El Kaida ins Land gelassen hätte, um dort einen Staat im Staat zu errichten wie bei den Taliban.
Aber das war ja nicht die Sorge. Die Sorge war, daß Saddam (der immer schon eine zentrale Rolle bei der Unterstützung des Terrorismus gegen den Westen gespielt hatte; selbst RAF-Leute waren ja in Damaskus gewesen) der El Kaida heimlich und ohne offizielle Beziehungen diese Waffen liefern würde.
Herzlich, Zettel

Selbst unter der Voraussetzung, die RAF-Leute seien sogar in Bagdad gewesen, leuchtet mir Ihr Argument nicht ein, lieber Zettel. Sie meinen, nach einem vernichtenden Anschlag El Kaidas in den USA, zu dem Saddam die Waffen geliefert hätte, wäre dieser von den USA in Ruhe gelassen worden?

Gruß,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 12:59
#17 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Kallias
Selbst unter der Voraussetzung, die RAF-Leute seien sogar in Bagdad gewesen,

...ähäm ..., ja, auch in Bagdad ...
Zitat von Kallias
leuchtet mir Ihr Argument nicht ein, lieber Zettel. Sie meinen, nach einem vernichtenden Anschlag El Kaidas in den USA, zu dem Saddam die Waffen geliefert hätte, wäre dieser von den USA in Ruhe gelassen worden?

Er hätte ja vermutlich keinen Absender auf die Bombe geschrieben, lieber Kallias.

Schauen Sie mal, welchen weltweiten antiamerikanischen Aufruhr die USA mit einem Krieg ausgelöst haben, der von der UNO angedroht worden war, an dem eine breite Koalition teilnahm, der darauf basierte, daß Saddam eindeutig nicht mit Hans Blix und seinen Inspektoren kooperiert hatte.

Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, in Los Angeles hätte es einen Anschlag mit Giftgas gegeben. Die USA hätten Saddam beschuldigt, und Schröder, Chirac und Co hätten erklärt, daß überhaupt nicht bewiesen sei, wo das Giftgas herkam.

Die Wahrscheinlichkeit, daß die USA dann den Irak angegriffen hätten, war jedenfalls nicht größer als die für den Krieg, den sie tatsächlich geführt haben.

Jedenfalls in den Augen von Saddam. Die groteske, auf ihre Art faszinierende Weltsicht Saddams, die kranke Struktur seines Regimes, in dem nicht einmal die höchsten Offiziere ihm die Wahrheit sagen konnten, ohne ihre umgehende Hinrichtung zu befürchten (es ist unklar, ob überhaupt Saddam selbst wußte, welche Waffen der Irak hatte; niemand sagte ihm ja die Wahrheit) - darüber werde ich, wie gesagt, demnächst etwas schreiben.

Kleines Beispiel vorneweg: Im irakisch-iranischen Krieg hat Saddam, als es sehr schlecht für den Irak stand, in einer Kabinettssitzung alle Minister gebeten, frei zu sagen, welchen Ausweg sie vorschlagen würden. Der Gesundheitsminister sagte, da die Person Saddam ein Hindernis für Verhandlungen mit dem Iran sei, überlege er, ob Saddam sich nicht für einige Zeit zurückziehen und dann wieder die Geschäfte übernehmen solle.

Am nächsten Tag wurde die zerstückelte Leiche dieses Ministers seiner Frau frei Haus geliefert.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

17.06.2008 13:25
#18 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

In einmem Brief vom 20. Dezember 2002 teilte der BND-Präsident dem CIA-Chef u.a. mit, dass kein Dritter ähnliche Angaben wie "Curveball" gemacht habe und dass diese Quelle als ungesichert gelte.

Die Legende, dass der BND auf Nachfragen die Glaubwürdigkeit des Zeugen versichert habe, ist schon lange (spätestens seit dem Artikel von Drogin und Goetz in der "Los Angeles Times" im Herbst 2005) nicht mehr haltbar. Demnach bestätigen auch ranghohe CIA-Mitarbeiter, dass ihre deutschen Kollegen unmissverständlich ihre Zweifel übermittelt hätten.

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

17.06.2008 13:29
#19 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Lieber Zettel, der Wunsch, den Irak zu überfallen, ist nach Aussage eines der ehemaligen Mitarbeiter bereits unmittelbar nach dem Anschlag des 11. September geäußert worden, und zwar ungefähr mit dem Tenor "Können wir das nicht irgendwie mit dem Irak verbinden?".

Für diesen Krieg gibt es zu viele andere, aus Sicht der Akteure plausiblere Gründe, als dass ich den offiziellen Verlautbarungen glauben könnte.

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 14:08
#20 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten
Zitat von Rayson
Die Legende, dass der BND auf Nachfragen die Glaubwürdigkeit des Zeugen versichert habe, ist schon lange (spätestens seit dem Artikel von Drogin und Goetz in der "Los Angeles Times" im Herbst 2005) nicht mehr haltbar. Demnach bestätigen auch ranghohe CIA-Mitarbeiter, dass ihre deutschen Kollegen unmissverständlich ihre Zweifel übermittelt hätten.


Lieber Rayson,

kaum etwas ist schwerer, als sich ein klares und zutreffendes Bild von Vorgängen im Milieu der Schlapphüte zu machen; zumal, wenn diese Gegenstand einer politischen Auseinandersetzung in den USA waren und sind.

Der Artikel in der LAT von vor fast drei Jahren ist gewiß nicht der latzte Stand der Dinge. "Spiegel Online" hat das damals natürlich in Deutschland verbreitet, aber die Kollegen vom gedruckten Spiegel haben inzwischen ja selbst recherchiert und auch "Curveball" ausfindig gemacht, und es gab dazu kürzlich eine Story im "Spiegel". (Vielleicht finde ich den Artikel noch, er ist erst ein paar Wochen alt)

Aus ihr geht hervor, daß man beim BND "Curveball" Glauben schenkte. Hätte man ihm nicht geglaubt, dann hätte man doch auch gar nicht die betreffenden Informationen weitergegeben.

Aber laß es mich, lieber Rayson, noch einmal etwas allgemeiner diskutieren: Selbst wenn irgendwann jemand vom BND den CIA darauf aufmerksam gemacht hat, daß die Quelle möglicherweise nicht sicher sei, dann ist das doch für einen Geheimdienst nur ein Stück in einem Puzzle. Man sammelt, analysiert, bewertet und kommt dann halt zu einer Einschätzung.

Natürlich kann sie falsch sein, wie alles im Leben und sogar sehr vieles in der Welt der Geheimdienste. Die damalige des CIA, des BND, der Sûreté usw. war falsch. Sie war es vermutlich deshalb, weil der Irak bewußt den Eindruck erweckte, er hätte WMDs (ich komme darauf in dem angekündigten Artikel, kann aber a bisserl dauern).

So what? Wenn ein Geheimdienst sich irrt, dann gibt es, wenn es etwas so Wichtiges ist, einen Untersuchungsausschuß. Dieser hat lange untersucht und dann zahlreiche Mängel aufgedeckt. Aber niemand im CIA hat gelogen oder Daten manipuliert oder gefälscht. Das jedenfalls sagt dieser Bericht.

Die "Lügen"-Kampagne gegen Präsident Bush, gemeinsam von den Demokraten in den USA und der ihnen zuneigenden Presse auf der einen und der Internationale des Antiamerikanismus auf der anderen Seite veranstaltet, gehört zum Unangenehmsten, was in den letzten Jahrzehnten in der Politik passiert ist. Ich habe das schon einmal so beschrieben, als wir im vergangenen März hier darüber diskutiert haben.

Mich ärgert das sehr. Mich ärgert es, wie erfolgreich eine solche Manipulation sein kann.

Die US-Demokraten wollten sich auf den Zug der wachsenden Kriegsmüdigkeit der Amerikaner schwingen. Sie wollten nicht mehr wahrhaben, daß sie fast alle für diesen Krieg votiert hatten. Dazu erfanden sie die Story von der Riesen-Lüge, die sie angeblich alle in die Irre geführt hatte. Ein durchsichtiges, ein schäbiges Manöver.

Herzlich, Zettel
Martin Offline



Beiträge: 4.129

17.06.2008 15:12
#21 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

"Lügen" werden - außer Mr. Clinton - einem amerikanischen Präsidenten wohl selten nachgewiesen werden. Was auch immer man unter Bushs 'Lügen' verstehen will, dürfte bei wohlwollender Betrachtung eher das Ergebnis von selektiver Wahrnehmung gewesen sein. Weniger wohlwollend betrachtet, kann man die Zusammenwirkung Bush - CIA auch als good guy - bad guy Komödie interpretieren.

Ich bin seinerzeit auch lange Zeit der Argumentation der Bush-Regierung gefolgt, und habe, deren Kernaussage als richtig vorausgesetzt, den Angriff auf den Iraq als systematikbedingt (der Schutzmechanismus hat seine eigene Systematik) zwingend als Folge von 9/11 angesehen. Es blieben mir aber im Gedächtnis einige Ungereimtheiten haften, die einem weniger selektiv eingestimmten Präsidenten irgendwie auch auffallen müssen hätten:
1. Blix hatte seine persönliche Reputation ins Spiel gebracht, und es gab keine objektive Gründe, ihn als naiv oder parteiisch abzustempeln.
2. Powells Präsentation vor den UN, deren Inhalt innerhalb kurzer Zeit von der internationalen Internet-Community als stümperhaft aus alten Quellen zusammengestückelt zerrissen wurde.
3. Auf das Lockangebot an irakische Wissenschaftler mit irgendwelchen Kenntnissen über Massenvernichtungswaffen, mitsamt Clan auswandern zu können (der Irak hatte dem zugestimmt) gab es keine Resonanz.

Man musste schon etwas blind und taub sein, um solche Faktoren gänzlich zu ignorieren.

Martin

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

17.06.2008 16:50
#22 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Zettel
Schauen Sie mal, welchen weltweiten antiamerikanischen Aufruhr die USA mit einem Krieg ausgelöst haben, der von der UNO angedroht worden war, an dem eine breite Koalition teilnahm, der darauf basierte, daß Saddam eindeutig nicht mit Hans Blix und seinen Inspektoren kooperiert hatte.
Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, in Los Angeles hätte es einen Anschlag mit Giftgas gegeben. Die USA hätten Saddam beschuldigt, und Schröder, Chirac und Co hätten erklärt, daß überhaupt nicht bewiesen sei, wo das Giftgas herkam.

Glaube ich nicht. Solange die USA auf einen Angriff reagiert haben, hatten sie die "uneingeschränkte Solidarität" Schröders und des größten Teiles der Welt; erst nachdem sie ihre Vorbeugekrieg-Doktrin aufgestellt haben, gab es den weltweiten antiamerikanischen Aufruhr, wenn ich mich da richtig entsinne.
Zitat von Zettel
Die Wahrscheinlichkeit, daß die USA dann den Irak angegriffen hätten, war jedenfalls nicht größer als die für den Krieg, den sie tatsächlich geführt haben.
Jedenfalls in den Augen von Saddam.

Damit stellen Sie die Verhältnisse aber auf den Kopf, lieber Zettel. Unter der Voraussetzung, daß die USA mit der gleichen Wahrscheinlichkeit angreifen, ob Saddam mit El Kaida kooperiert oder nicht, hätte eine Kooperation mit El Kaida für ihn natürlich einen Sinn ergeben. Doch lag es ja an den USA, diesen Eindruck der Gleichwahrscheinlichkeit zu beseitigen. Hätten sie erklärt, sie seien nur hinter El Kaida her, wäre das einleuchtend genug gewesen, und Saddam hätte sich in Sicherheit wiegen können, solange er El Kaida nicht unterstützt hätte.

Gruß,
Kallias

Omni Offline



Beiträge: 255

17.06.2008 18:42
#23 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Die Argumentation, wonach Bush das Opfer einer Medienkampagne wäre mit dem Ziel, ihn als Lügner darzustellen, ist in gewisser Weise inkonsistent.
Natürlich berufen alle damaligen Kriegsbefürworter sich jetzt darauf, dass sie von Bush hinters Licht geführt wurden. Und es ist unfraglich, dass das so Unsinn ist. Ich würde darauf tippen, dass die damalige hurrapatriotische Kriegsbegeisterung und erfolgreich von der Bush-Administration inszenierte Gefahrenlage die meisten Befürworter überzeugt hat. Jetzt will natürlich niemand zugeben, dass er dafür stimme um nicht als "unamerikanisch" bezeichnet zu werden, dass er sich von der Hysterie vor irakischen WMD hat anstecken lassen.
Aber die Argumentation wird eben dann inkonsistent, wenn einfach spiegelbildlich die Rolle der Bushregierung so dargestellt wird, als ob sie ungewollt falschen Geheimdienstinformationen aufgesessen hätten. Man kann nicht die Unschuld der Demokraten vehement bestreiten und gleichzeitig Bush als unschuldigen Verantwortlichen darstellen, der nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe.
Man musste 2003 doch wirklich Tomaten auf den Augen zu haben um nicht zu sehen, wie die Amerikaner die Propagandamaschinerie anwarfen und alles erdenkliche taten, um diesen Krieg zu forcieren. Die Unterscheidung zwischen erlogenen Geheimdiensterkenntnissen und "ungenügend abgesichterten Geheimdiensterkenntnissen" ist eine Haarspalterei, die vielleicht der Bush-Administration als Ausrede nutzt, die aber für die Realität keine Rolle spielt. Ein Geheimdienst kann, wenn er will, so ziemlich jeden denkbaren Vorwurf durch Indizien bekräftigen. Die entscheidende Frage ist ob es sich um einen erhärtbaren Verdacht handelt. Aber um solche ging es Bush 2003 ja nicht. Es sollte mit allen Mitteln der Krieg gegen den Irak vorangetrieben werden.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2008 19:33
#24 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Omni
Aber die Argumentation wird eben dann inkonsistent, wenn einfach spiegelbildlich die Rolle der Bushregierung so dargestellt wird, als ob sie ungewollt falschen Geheimdienstinformationen aufgesessen hätten.

Ein Inkonsistenz kann ich, lieber Omni, nicht sehen. Wenn X sich schlecht benommen hat, ist es ja nicht inkonsistent, anzunehmen, daß Y sich gut benommen hat.
Zitat von Omni
Man kann nicht die Unschuld der Demokraten vehement bestreiten und gleichzeitig Bush als unschuldigen Verantwortlichen darstellen, der nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe.

Doch, das kann man. Man muß halt in jedem der beiden Fälle die Fakten zur Kenntnis nehmen.
Zitat von Omni
Man musste 2003 doch wirklich Tomaten auf den Augen zu haben um nicht zu sehen, wie die Amerikaner die Propagandamaschinerie anwarfen und alles erdenkliche taten, um diesen Krieg zu forcieren.

Natürlich taten sie das. Jede Nation, die zu einem Krieg entschlossen ist, tut das. Daraus folgt ja aber nicht, daß man in Bezug auf die WMDs log.
Zitat von Omni
Die Unterscheidung zwischen erlogenen Geheimdiensterkenntnissen und "ungenügend abgesichterten Geheimdiensterkenntnissen" ist eine Haarspalterei, die vielleicht der Bush-Administration als Ausrede nutzt, die aber für die Realität keine Rolle spielt.

Nein, das ist keine Haarspalterei, sondern es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man sich irrt oder ob man bewußt lügt.
Zitat von Omni
Ein Geheimdienst kann, wenn er will, so ziemlich jeden denkbaren Vorwurf durch Indizien bekräftigen.

Das mag sein; ich kann das nicht beurteilen. Nur beweist das ja jedenfalls nicht, daß der CIA es in diesem Fall tat. Ein Schüler kann bei einer Klausur mogeln. Aber das ist kein Argument für einen Lehrer, den Schüler X des Mogelns zu beschuldigen. Dafür muß es schon massive Indizien geben.
Zitat von Omni
Die entscheidende Frage ist ob es sich um einen erhärtbaren Verdacht handelt.

Die entscheidende Frage, lieber Omni, ist, ob der CIA - so wie die anderen Geheimnienste - sich geirrt hat oder ob er beußt falsche Berichte an den Präsidenten geliefert hat.

Das hat ein Kongreßausschuß in monatelangen Verhandlungen untersucht. Das Ergebnis steht in dem Artikel, den ich in ZR verlinkt habe:

Zitat von Los Angeles Times
In 2004, the Senate Intelligence Committee unanimously approved a report acknowledging that it "did not find any evidence that administration officials attempted to coerce, influence or pressure analysts to change their judgments." The following year, the bipartisan Robb-Silberman report similarly found "no indication that the intelligence community distorted the evidence regarding Iraq's weapons of mass destruction."


Ich kann nachvollziehen, lieber Omni, daß sie davon überzeugt sind, daß das alles ganz anders war.

Ich würde Sie nur um eines bitten: Vorurteilsfrei zu prüfen, aufgrund welcher Quellen Sie das zu wissen glauben. Sind das glaubwürdige Quellen? Ist es eine Kommission, von mehreren Parteien besetzt oder unabhängig?



Mir ist klar, lieber Omni, daß über die angebliche "Lüge" von Bush derart viel und derart einseitig in den deutschen Medien berichtet wurde und wird - nämlich fast ausschließliuch auf der Linie der US-Demokraten, so wie jetzt ja fast durchweg Obama gegenüber McCain favorisiert wird -, daß es nicht leicht ist, sich ein objektives Bild zu machen. Aber gerade deswegen erscheint es mir erforderlich, auch die andere Meinung zu Wort kommen zu lassen und zu diskutieren.

Herzlich, Zettel

PS: Willkommen im "kleinen Zimmer"

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.06.2008 01:33
#25 RE: Zitat des Tages: "Bush hat nicht gelogen" Antworten

Zitat von Zettel
Der Artikel in der LAT von vor fast drei Jahren ist gewiß nicht der latzte Stand der Dinge. "Spiegel Online" hat das damals natürlich in Deutschland verbreitet, aber die Kollegen vom gedruckten Spiegel haben inzwischen ja selbst recherchiert und auch "Curveball" ausfindig gemacht, und es gab dazu kürzlich eine Story im "Spiegel". (Vielleicht finde ich den Artikel noch, er ist erst ein paar Wochen alt).

Ich habe jetzt, lieber Rayson, diesen Artikel gefunden. Auszüge:
Zitat von Der Spiegel
Ein Jahr bevor "Curveball" auftaucht, hat der Alleinherrscher die Inspektoren aus dem Land geworfen. Doch hat er wirklich alle seine Waffen vernichtet? Das jedenfalls hatte schon 1995 der nach Jordanien desertierte Schwiegersohn Saddams behauptet, Hussein Kamil Hassan. Auch dem BND berichtete Kamil, da sei "nichts, aber auch gar nichts" mehr. In Pullach glauben sie kein Wort. Besonders der "Doktor" nicht, dem der Ruf vorauseilt, felsenfest davon überzeugt zu sein, dass Saddam noch immer an dem Teufelszeug arbeitet.

Zitat von Der Spiegel
Dass Saddam seine Massenvernichtungswaffen mobil gemacht hat, gilt bei Nachrichtendiensten und bei vielen Uno-Inspektoren schon lange als mögliche Erklärung dafür, dass nichts mehr zu finden ist. Einmal hieß es, der Höllenstoff sei in Lastwagen einer Eiscremefirma versteckt. Ein andermal flogen amerikanische U2-Spionageflugzeuge Sondereinsätze auf der Suche nach den Laboren - ohne Ergebnis. Die Uno-Truppe war so vernarrt in die Idee, dass sie zeitweise daran dachte, in James-Bond-Manier mittels Helikoptern einen Spezialschaum auf den Straßen zu versprühen, um auf diese Weise verdächtige Trucks zum Anhalten zu zwingen.

Doch nach der anfänglichen Begeisterung über "Curveball" tauchen schon bald erste Zweifel auf. Der amerikanische Geheimdienst richtet eigens einen Satelliten auf eine der Abfüllstationen aus, die Rafed detailliert beschrieben hat. Auf den gestochen scharfen Fotos ist deutlich eine massive Mauer zu erkennen, wo nach den Erzählungen des Überläufers eigentlich Lastwagen ein- und ausfahren müssten. Aber Amerikaner wie Deutsche wollen Rafed glauben und schieben die Zweifel beiseite: Die Mauer sei sicher nur eine Attrappe.

Zitat von Der Spiegel
Den ersten Entwurf der Powell-Rede liefert das Weiße Haus, er stammt von den Neokonservativen aus Cheneys Büro - 48 Seiten allein zum Thema Massenvernichtungswaffen, eng beschrieben, voller massiver Anschuldigungen. Powells engste Berater, darunter sein Stabschef Lawrence Wilkerson, ziehen für einige Tage ins CIA-Hauptquartier nach Langley um. Sie werfen Cheneys Entwurf, von dem sie nichts halten, schon bald in den Papierkorb.

Eine offizielle Geheimdiensteinschätzung vom Oktober 2002 soll Grundlage der Rede werden. Damals hatten die US-Dienste auf Order aus dem Weißen Haus hektisch alle Vorwürfe gegen das Saddam-Regime zusammengekratzt. Übrig blieb, neben einer windigen Geschichte über angebliche Atomwaffenforschung und vermeintliche Verbindungen des Regimes zu al-Qaida, das Material aus Deutschland.

Und so kommt es, dass "Curveball" plötzlich ganz neues Gewicht gewinnt - mehr als ein Jahr nachdem ihn der BND als Quelle abgeschaltet hatte.

Zitat von Der Spiegel
Es ist der 13. November 2002, der Auswärtige Ausschuss tagt im zweiten Stock des Paul-Löbe-Hauses in Saal 2.800. (...) Zuerst spricht der BND-Präsident. (...) Dann übergibt er an seinen Fachmann, Hans Dieter H.

H. ist ein kleiner, untersetzter Mann mit welligem grauem Haar. Er genießt in Fachkreisen hohes Ansehen, weil er ein kühler und kluger Analytiker ist. "Der Irak soll sieben der mobilen B-Waffenanlagen produziert haben", sagt H. Er hat eine Folie mitgebracht, es ist eine schlichte Zeichnung der angeblichen mobilen Laster - eine Vorstufe dessen, was Powell später in New York präsentieren wird. Die Erkenntnisse, sagt der BND-Mann, stützten sich auf eine "geheime Quelle", allerdings eine, deren Aussagen nicht verifiziert seien.

Damit kennt auch der Auswärtige Ausschuss "Curveballs" Schilderungen, aber H. ist einerseits deutlich, andererseits vorsichtig: "Über die Produktion in diesen Anlagen ist nichts bekannt."

Der Experte berichtet den Abgeordneten auch vom Atomwaffenprogramm und von Scud-Raketen. Das Referat mündet in einem denkwürdigen Satz: "Wir sind in der Lage, dies alles zu belegen."

Zitat von Der Spiegel
Hanning und sein Fachmann sind offenbar selbst von der Gefahr überzeugt: Schon im Herbst 2001 hat die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam Pockenimpfstoff im Wert von 60 Millionen Euro beschafft - eine der Reaktionen auf "Curveballs" Befragungen.

Bis heute hält die Bundesregierung geheim, was an diesem Tag in Saal 2.800 gesprochen wurde, es gibt nicht einmal ein offizielles Protokoll. Allerdings hat der BND später anhand von Tonbandaufzeichnungen rekonstruiert, was Hanning und H. vorgetragen haben, um mögliche Vorwürfe parieren zu können.

Zitat von Der Spiegel
In Sachen "Curveball" wollen Schröder und seine wichtigsten Minister deshalb die Erlaubnis geben, Rafeds Erzählungen zu verwenden, gleichzeitig aber ein paar einschränkende Hinweise formulieren. "Wir haben den Amerikanern nicht getraut", sagt einer der damaligen Akteure, "aber wir wollten ihnen auch keine Informationen vorenthalten."

An Hanning ergeht der Auftrag, den Kompromiss in ein Antwortschreiben zu gießen. Der Geheimdienstchef formuliert in seinem Schreiben vom 20. Dezember 2002 denn auch jedes Wort mit Bedacht.

Der BND habe sich mit der CIA, den Israelis und den Briten zusammengesetzt, "um die Hinweise unserer Quelle auf mobile Kampfstoffanlagen zu überprüfen". Die Erkenntnisse, so Hanning, "wurden im Kern als plausibel und glaubhaft beurteilt, können jedoch nicht bestätigt werden". Der BND wolle deshalb noch einmal auf die Uno-Inspektoren zugehen, um eine "umgehende Klärung vor Ort zu ermöglichen". Sollte Tenet "dennoch der Meinung sein, die Berichte und die gemeinsamen Bewertungsergebnisse über mobile biologische Kampfstoffanlagen in Irak öffentlich zu verwenden, stelle ich dir dieses Vorgehen in Erwartung der Sicherstellung des für unsere Arbeit unabdingbaren Quellenschutzes frei". In der Sprache der Nachrichtendienste heißt das: Macht in Gottes Namen, was ihr wollt, aber übernehmt dafür auch die Verantwortung.


Ich würde mich freuen, lieber Rayson, wenn du den gesamten Artikel lesen würdest. Daß der CIA hätte zu dem Schluß kommen müssen, daß "Curveball" die Unwahrheit sagte oder daß gar Präsident Bush das hätte beurteilen können müssen und daß er folglich selbst gelogen hat, wird man diesem sehr gründlich recherchierten Artikel gewiß nicht entnehmen können.

Herzlich, Zettel



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