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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 61 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.11.2008 10:10
#26 Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Lieber R.A.,

das sind alles sehr interessante Themen, die mich schon lange beschäftigen. Ich bin gespannt, was ich von Ihnen dazu lernen kann. Ich zerlege meine Antworten mal a bisserl.

Zitat von R.A.
Man übersieht leicht, daß es zwischen dem chaotischen Anfang und dem schmählichen Ende des demokratischen Deutschlands eine Phase der erfolgreichen Konsolidierung gab, in der es möglich schien, die Schatten der Vergangenheit zu überwinden und die Republik nach innen und außen solide zu verankern. Ohne die Weltwirtschaftskrise wäre das m. E. gelungen. (...)

Immerhin waren die Alliierten bereit, die schlimmsten Fehler von Versailles gütlich auszugleichen. Hätten sie dies schon gegenüber der demokratischen Regierung gemacht, wäre ein friedliches Europa möglich gewesen.

Was hätte alles gut gehen müssen, damit dieser Fall eingetreten wäre?

Beginnen wir mit Deutschland. Ich geben Ihnen recht, daß es heute die Goldenen Zwanziger zwischen dem Fast-Bürgerkrieg und der Inflation am Anfang und der Weltwirtschaftskrise und dem Aufstieg der Nazis am Ende oft übersehen werden. Aber es war ja noch nicht einmal ein Jahrzehnt - im Grunde nur die sechs Jahre zwischen der Einführung der Rentenmark Ende 1924 und dem Schwarzen Freitag im Oktober 1929.

Entstand da das Potential zu einer stabilen Demokratie, hätte es entstehen können? Vielleicht wenn die großen Liberalen nicht ausgefallen wären, Walther Rathenau am schon vor dem Anfang der Goldenen Jahre, Stresemann kurz vor deren Ende. Aber wer stand hinter Stresemann, wer hätte hinter einem erfolgreichen Walter Rathenau gestanden? Allenfalls die DVP und die DDP, zusammen kaum stärker als heute die FDP (wenn ich mich recht erinnere).

Es waren ja nicht nur die Kommunisten und die Nazis, die diese Republik bekämpften; es war das ganze konservative Bürgertum. Nicht nur das Großbürgertum, wie es in Heinrich Manns "Untertan" vorgeführt wird, sondern auch weite Teile des Mittelstands und des Kleinbürgertums. Ich habe als Kind einen Urgroßvater noch gekannt, der ein kleiner Eisenbahnbeamter war - und kaisertreu über die Weimarer Zeit, über die Nazizeit hinweg, bis in die Nachkriegszeit.

Mir ist, lieber R.A., erst vor ein paar Tagen beim Ansehen der Sendung von Spiegel-TV über den Zweiten Weltkrieg (mit vielen Filmaufnahmen, die ich nicht gekannt hatte) aufgegangen, was eigentlich die Logik der Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation war: Churchill wollte das Entstehen einer neuen Dolchstoßlegende verhindern. (Und er wollte natürlich einer erneuten Revanche vorbeugen).

Also, die Kommunisten, die Nazis, dieses monarchistisch gesonnene Bürgertum lehnten ihren Staat ab. Und die SPD? War sie wirklich so glücklich mit dieser Republik, wie es heute oft gesehen wird? Viele sahen diesen kapitalistischen Staat ja nur als einen Übergang in den Sozialismus. Ich habe kürzlich für die Diskussion mit str1977 das Erfurter Programm nachgelesen; da wird sinngemäß gesagt, wir brauchen die Demokratie als Voraussetzung für den Sozialismus.

Wir sehen heute an den Neuen Ländern, wie elend lang es braucht, bis man sich an einen neuen Staat, eine neue Gesellschaftsordnung gewöhnt hätte. Wenn die Goldenen Jahre sich fortgesetzt hätten, dann hätte das wahrscheinlich bis in die fünfziger Jahre gedauert; die dreißig Jahre, gut eine Generation, die es jetzt auch dauert, bis in der DDR der Kommunismus wirklich überwunden ist.



Und das Ausland? Die Franzosen lebten in der ständigen Angst vor der Revanche; ja nicht unbegründet. Auf der anderen Seite wartete Stalin nur darauf, sich den Rest des Zarenreichs zurückzuholen, das im Frieden von Brest-Litowsk hatte aufgegeben werden müssen.

Die militärische Führung der Reichswehr hat das ja wohl immer so gesehen, daß die hunderttausend Mann nur die Kadertruppe für die unausweichliche Wiederaufrüstung waren.

Hinzu kamen die Widersprüche der Nachkriegsordnung. Es ist ja bezeichnend, daß die USA am Ende dem von Wilson wesentlich initiierten Völkerbund überhaupt nicht angehörten.

Das Nationalstaatsprinzip war vielleicht zeitgemäß; aber dann hätte man auch den Deutschösterreichern (die einfach Deutsche hießen, das waren sie ja auch) erlauben müssen, sich so dem Reich anzuschließen, wie die Italiener aus der Habsburger Republik sich Italien, die Polen sich dem polnischen Staat anschließen durften. Dann hätte man den Sudetendeutschen, den Danzigern usw. erlauben müssen, sich Deutschland anzuschließen.

Man wollte aber das Nationalstaatsprinzip nicht auf das besiegte Deutschland anwenden; vor allem die Franzosen wollten es nicht, weil ihnen Deutschland ohnehin zu groß war, um niedergehalten werden zu können.

Das war Sprengstoff; mindestens ebenso wie die wirtschaftlichen Bestimmungen des Versailler Vertrags.

Es gibt ja Historiker, die gar nicht von zwei Weltkriegen sprechen, sondern von einem einzigen Krieg, der nur durch eine zwanzigjährige Pause unterbrochen wurde. Ich denke, das hat viel für sich.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.11.2008 14:33
#27 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Zitat von Zettel
Ich bin gespannt, was ich von Ihnen dazu lernen kann.

Lieber Zettel, Sie überschätzen mich. Meine Schwerpunkte sind Mittelalter und frühe Neuzeit, über die Weimarer Republik weiß ich gar nicht so viel.
Ich spekuliere hier nur ein bißchen ;-)

In Antwort auf:
Was hätte alles gut gehen müssen, damit dieser Fall eingetreten wäre?

Eine normale, halbwegs stabile Wirtschaftsentwicklung und die Bereitschaft der Alliierten, auch einer demokratischen deutschen Regierung eine Teilrevision des Versailler Vertrags zuzugestehen.

Dazu zähle ich ein Ende der Militärbeschränkungen (vielleicht im Gegenzug mit Einbeziehung in Bündnisstrukturen und Abrüstungsvereinbarungen), die Gestattung der Vereinigung mit Österreich und eine vernünftige Regelung für Danzig und das Sudetenland (hätte nicht Anschluß bedeuten müssen).

Im Prinzip wurde Hitler das alles ja zugestanden bzw. die Alliierten haben es akzeptiert, daß er die Vertragsbestimmungen ignorierte.

In Antwort auf:
Aber es war ja noch nicht einmal ein Jahrzehnt - im Grunde nur die sechs Jahre zwischen der Einführung der Rentenmark Ende 1924 und dem Schwarzen Freitag im Oktober 1929.

Richtig. Aber es gab keinen strukturellen Grund, daß das nicht hätte weiterlaufen können (wenn es eben nicht den Crash in den USA gegeben hätte).

In Antwort auf:
Entstand da das Potential zu einer stabilen Demokratie, hätte es entstehen können?

Das Potential wohl schon - eine echte Verankerung, da gebe ich Ihnen völlig recht, braucht mindestens eine Generation.

In Antwort auf:
Allenfalls die DVP und die DDP, zusammen kaum stärker als heute die FDP

Bis zur Weltwirtschaftskrise zusammen bei 14-22%, bei sehr starker Verankerung in einigen Milieus.
Dazu noch das Zentrum mit 12%.
Und die 25-30% der SPD waren eben auch immer engagiert für die Demokratie.
Im wesentlichen diese vier Parteien waren es ja auch, die die Republik im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gemeinsam verteidigten.

In Antwort auf:
Es waren ja nicht nur die Kommunisten und die Nazis, die diese Republik bekämpften; es war das ganze konservative Bürgertum.

Das würde ich so nicht sagen.
Kommunisten und Nazis haben die Republik bekämpft - Bürgertum und Mittelstand/Kleinbürger waren Kaiser-nostalgisch und oft Demokratie-skeptisch, haben aber überwiegend zusammen mit dem sozialdemokratischen Teil der Arbeiter die Republik getragen.
Die Republikfeinde von rechts hatten ihren Höhepunkt 1924 wg. der Inflation (25%), nach der Konsolidierung lagen sie nur noch bei 15%.

Diese Entwicklung hätte gut weitergehen können.

In Antwort auf:
Und die SPD? War sie wirklich so glücklich mit dieser Republik, wie es heute oft gesehen wird?

Für politische Glücksgefühle war damals natürlich selten Anlaß.
Aber die SPD-Führung und die breite Mitgliedermehrheit stand eindeutig hinter diesem Staat, hat ihn entscheidend mitgetragen und gestaltet. Und sie konnten Ende der 20er Jahre auch recht zufrieden sein mit ihren Erfolgen.
Sie haben noch vom Sozialismus geträumt wie viele Bürgerliche von ihrem Kaiser (und manche SPDler haben wohl von beidem geträumt ;-).
Aber realpolitisch war die Weimarer Republik ihre Sache, ihr Erfolg, und sie wußten sehr gut, warum sie dies gegen die Kommunisten verteidigten.

Wie schon gesagt - meine Kenntnisse über diese Zeit sind sehr lückenhaft.
Aber wenn ich SPD-Zeugnisse von damals lese, das waren weitgehend Leute, die heute zu den "Kanalarbeitern" oder "Netzwerkern" gehören würden.
Die linken "Intellektuellen" des heutigen linken SPD-Flügels waren damals alle bei den Kommunisten.
Letztlich darf man ja auch nicht vergessen: Die Kommunisten der Weimarer Zeit sind ja nicht vom Erdboden verschwunden. Die waren teilweise einige Zeit bei den Nazis, aber nach 1945 bzw. nach dem KPD-Verbot sind sie letztlich bei der SPD gelandet - eine Art westliche Variante der östlichen Zwangsvereinigung.
Und mit "gelandet" meine ich nicht die ehemaligen Funktionäre (obwohl, es gab da nicht nur Wehner), sondern ganz allgemein den Teil der Bevölkerung, der für linkes Gedankengut empfänglich ist.

Diese 10-15% der Bevölkerung war vor dem Krieg bei der KPD, nach dem Krieg bei der SPD, und heute erleben wir vielleicht, daß diese sich wieder den Kommunisten anschließen und die SPD wie vor dem Krieg vielleicht wieder auf einen "rechten Flügel" beschränkt sein wird.

In Antwort auf:
Und das Ausland? Die Franzosen lebten in der ständigen Angst vor der Revanche

Nu und? Ganz brutal gesagt: Frankreich war nur begrenzt wichtig. Es war nur noch formal Großmacht, der erste Weltkrieg hatte es gebrochen, ohne die Rückendeckung Englands war es nur noch begrenzt aktionsfähig.
Und als die Engländer beschlossen, wieder mit Deutschland ins Gespräch zu kommen, ihm Zugeständnisse zu machen um es einzubinden - da haben französische Vorbehalte nicht interessiert.

Um mal eine Lanze für den armen Chamberlain zu brechen: Seine Außenpolitik war m. E. grundsätzlich richtig. Aber sie kam zu spät, und er hatte nicht erkannt, daß er mit Hitler keinen dafür geeigneten Gegenüber mehr hatte.

Aber mit einer demokratischen Regierung hätte diese deutsch-englische Annäherung gut funktionieren können - und eine deutsche Regierung mit solchen außenpolitischen Erfolgen hätte die Republik enorm stabilisiert.

In Antwort auf:
Auf der anderen Seite wartete Stalin ...

Auch da: Nu und?
Wenn sich die Westeuropäer friedlich sortiert hätten, wäre Stalin ein bedeutungsloser Paria geblieben.
Er hat sich ja schon in Finnland überhoben - und wäre komplett gescheitert, wenn irgenein Land des Westens sich da eingemischt hätte.

In Antwort auf:
Es gibt ja Historiker, die gar nicht von zwei Weltkriegen sprechen, sondern von einem einzigen Krieg, der nur durch eine zwanzigjährige Pause unterbrochen wurde.

So wie es am Ende gelaufen ist, hat diese Betrachtung viel für sich.
Aber es war trotzdem keine zwangsläufige Entwicklung.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

18.11.2008 14:53
#28 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten
In Antwort auf:
In Antwort auf:Was hätte alles gut gehen müssen, damit dieser Fall eingetreten wäre?


Eine normale, halbwegs stabile Wirtschaftsentwicklung und die Bereitschaft der Alliierten, auch einer demokratischen deutschen Regierung eine Teilrevision des Versailler Vertrags zuzugestehen.

Dazu zähle ich ein Ende der Militärbeschränkungen (vielleicht im Gegenzug mit Einbeziehung in Bündnisstrukturen und Abrüstungsvereinbarungen), die Gestattung der Vereinigung mit Österreich und eine vernünftige Regelung für Danzig und das Sudetenland (hätte nicht Anschluß bedeuten müssen).



Den Siegermaechten von 1918 stand nicht nach Abruestung. Das kann man am Flottenbau festmachen. Das Flottenabkommen (von Washington), welches nach dem Krieg die Tonnage der Schlachtflotten GBs:USA:Japan:Fra:It im Verhaeltnis 5:5:3:1.75:1.75 beschraenkte und Neubauten auf 10 (?) Jahre verbot, war schon der Minimalkonsens. (Der durch Ausbau der Kreuzer und Flugzeugtraegerflotten loechrig war) Bereits 1920 wollte Japan Superschlachtschiffe aehnlich der spaeteren Yamato-Klasse bauen, im UK gab es zumindest aehnliche Plaene.

Ich vermute, dass sich damals einfach ein kriegerischer Zeitgeist vorherrschte.
Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

18.11.2008 15:04
#29 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Flugzeugträger wurden auch durch das Flottenabkommen von Washington beschränkt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.11.2008 15:15
#30 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Zitat von Dagny
Ich vermute, dass sich damals einfach ein kriegerischer Zeitgeist vorherrschte.

Es war, liebe Dagny, jedenfalls eine Zeit einer ungeheuren Dynamik und damit der beständigen Gefahr, daß diese sich in kriegerischen Konflikten entladen würde. Und wenn man das befürchtet, dann rüstet man, und je mehr man rüstet, umso gefährlicher wird diese Dynamik.

Man kann, denke ich, schon sagen, daß in den beiden Jahrzehnt zwischen 1915 und 1935 unsere moderne Zeit geboren wurde.

Man braucht sich nur ansehen, wie Männer und Frauen um 1910 gekleidet waren und wie um 1930. Welchen Aufschwung die Industrie nahm, die Naturwissenschaften (nicht zufällig schrieb in dieser Zeit Ernst Jünger sein Buch über den Arbeiter, entstanden Filme wie Metropolis, hatte Hans Dominik ungeheuren Erfolg mit seinen utopischen Romanen). Die Motorisierung setzte ein, das Radio breitete sich rasend aus. Die Kommunikationsgesellschaft begann damals.

Es war alles in Bewegung, aufgewühlt durch den ersten Weltkrieg. Und eben auch die internationalen Machtverhältnisse.

Ein Völkerbund, der alles friedlich regeln sollte, paßte überhaupt nicht in diese Zeit, in der überall Staaten mehr wollten, als sie hatten:

Japan wollte Land auf dem Festland, sei es Korea oder die Mandschurei. Rußland wollte zur Großmacht werden (naja, Stalin wollte es) und wieder die Ausdehnung des alten Zarenreichs erreichen, dazu natürlich als Fernziel die Weltrevolution. Deutschland wollte wieder wer sein und wollte, daß ihm nicht länger die Anwendung des Nationalstaatsprinzips verwehrt wurde. In Italien saß ein Diktator, der von der Wiederherstellung des Römischen Reichs träumte und der dazu schnell noch ein paar Kolonien ergattern wollte.

Dazu die innenpolitischen Konflikte - in Deutschland existierten vier Bevölkerungsgruppen, die vier radikal verschiedene Vorstellungen von Staat und Gesellschaft hatten (demokratischer Rechtsstaat, Obrigkeitsstaat, sozialistische Dikatur, völkische Diktatur).

R.A. mag recht haben, daß das Ganze doch in eine friedliche Welt hätte münden können. Aber wahrscheinlich war das, glaube ich, nicht. Und die Flottenrüstung, die Sie ansprechen, war Ausdruck dieser unfriedlichen Welt. Flottenrüstung bedeutet immer Expansionsdrang; wenn auch nicht jeder Expansionsdrang auf Flottenrüstung setzen muß.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.11.2008 16:10
#31 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Zitat von Zettel
Es war, liebe Dagny, jedenfalls eine Zeit einer ungeheuren Dynamik und damit der beständigen Gefahr, daß diese sich in kriegerischen Konflikten entladen würde.

Wie eigentlich seit Beginn der industriellen Revolution bis heute ...

Die Dynamik war dauernd da, damit auch Veränderung und Konflikte.
Aber es hängt dann von anderen Umständen ab, ob diese Konflikte in größere Kriege umschlagen.

Die entscheidenden Akteure dieser Epoche waren m. E. England und Deutschland.
Frankreich war entmutigt, Rußland in desolatem zustand, Italien schwach.

England und Deutschland waren stark genug zu agieren, es gab eine grundsätzliche Bejahung militärischer Stärke - aber trotzdem steckten beiden Ländern noch die Schrecken des ersten Weltkriegs in den Knochen.
Gerade Deutschland wäre m. E. mit einer Revision des Versailler Vertrags und der Rückerkennung seiner internationalen Stellung zufrieden gewesen, einen neuen großen Krieg wollten nur wenige.

Und ähnlich war das ja auch in England: Man versuchte einen Krieg zu vermeiden, aber nicht um jeden Preis.

Eine Kombination Chamberlain mit einem demokratischen deutschen Kanzler hätte gut funktionieren können.
Oder aber ein Churchill, der Hitler glaubhaft macht, wo die Grenzen sind.

Die Kombination Chamberlain/Hitler war dagegen fatal.

In Antwort auf:
Japan wollte Land auf dem Festland, sei es Korea oder die Mandschurei.

Japan war in der Tat ein Problem. Es hatte den ersten Weltkrieg ja nur pro Forma mitgemacht und setzte noch voll auf Expansion.
Vielleicht war ein Pazifikkrieg unvermeidbar - aber der europäische Krieg war es.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

18.11.2008 16:23
#32 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Wie wird denn der Aspekt des Handels und des Zugangs zu Rohstoffen bewertet? Als Kriegsgruende wird fuer Japan (auch fuer Hitler-D) das 'Volk ohne Raum' angegeben. Zugang zu Rohstoffen, Oel und Kautschuk in Hollaendisch Ostindien, Eisenerz in Australien. Von freien Maerkten offenbar keine Rede, der Handelskrieg wurde heiss.

Oder ging es NUR um die Hegemonie und das Primat des Militaers bei den Kriegsgruenden?

Zu Russland: Stalin und seine Kommunisten wollten die Weltrevolution. Davon haben sie sich erst im Kalten Krieg vom Wettruesten bzw. der Abscheckung durch die Amerikaner abhalten lassen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.11.2008 16:41
#33 Die Dynamik der Zeit zwischen 1915 und 1935 Antworten

Zitat von R.A.
Zitat von Zettel
Es war, liebe Dagny, jedenfalls eine Zeit einer ungeheuren Dynamik und damit der beständigen Gefahr, daß diese sich in kriegerischen Konflikten entladen würde.

Wie eigentlich seit Beginn der industriellen Revolution bis heute ...

Zugegeben. Aber eine solche Änderung innerhalb von zwei Jahrzehnten hat es, glaube ich, zuvor und danach nicht mehr gegeben.

Dreißiger Jahre und heute - das ist doch in vielem sehr ähnlich. Man fährt Auto, telefoniert, hört Radio, geht ins Kino. Die Frauen dringen in alle Berufe vor. Die Grundlagen aller Naturwissenschaften sind gelegt; sie liefern ein Weltbild, das noch heute gültig ist. Romane wie "Berlin Alexanderplatz" beschreiben ein Leben, das von unserem heutigen nicht sehr verschieden ist.

Und nun wandern wir einmal, lieber R.A., in der Zeit aus den dreißiger Jahren um dieselbe Spanne zurück, also siebzig Jahre. Dann sind wir in den 1860er Jahren. Damals lebte man noch wie zur Zeit Lessings; jedenfalls was Verkehr und Kommunikation, was Kultur und Unterhaltung angeht.

Herzlich, Zettel

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

18.11.2008 17:01
#34 RE: Die Dynamik der Zeit zwischen 1915 und 1935 Antworten

Zitat von Zettel

Und nun wandern wir einmal, lieber R.A., in der Zeit aus den dreißiger Jahren um dieselbe Spanne zurück, also siebzig Jahre. Dann sind wir in den 1860er Jahren. Damals lebte man noch wie zur Zeit Lessings; jedenfalls was Verkehr und Kommunikation, was Kultur und Unterhaltung angeht.

Herzlich, Zettel


Und noch jedesmal wurde das Ende der Geschichte proklamiert. Nach 1815, nach 1870, nach 1918, waehrend der 12 Hitler-Jahre (1000-jaehriges Reich), in der Stunde null, 1989/90....

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.11.2008 02:01
#35 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Lieber R.A. hier der noch ausstehende zweite Teil meiner Antwort (aus Zeitgründen habe ich auf das Nachprüfen von Fakten verzichtet; ich hoffe, es stimmt alles so halbwegs):

Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Im Grunde hat erst Maggie Thatcher die Wende geschafft, indem sie den Engländern auf die harte Art beibrachte, daß sie, wenn sie Wohlstand haben wollten, so arbeiten mußten wie die anderen auch.

Damit hat sie die materielle Grundlage für den Großmacht-Status wiederhergestellt. Aber der war eben noch vorhanden, insbesondere die Fähigkeit und Bereitschaft der Engländer, für ihre Interessen auch Militär einzusetzen.

Ich glaube, wir haben doch ein unterschiedliches Konzept von Großmacht, oder vom Falkland-Krieg.

Das UK hat gegen ein Land fast noch der Dritten Welt gekämpft, dazu eine marode Militärdiktatur, die ja auch bald danach verschwand. Die britischen Profi-Soldaten hatten es mit bibbernden, kaum ausgebildeten Wehrpflichtigen zu tun. Eine Luftwaffe, eine Marine hatten die Argentinier praktisch nicht. Sie hatten das "Glück", mit einer Exocet-Rakete ein britisches Schiff zu versenken. Nach meiner Erinnerung ist das eine Rakete, die ihr Ziel automatisch findet; da brauchte man also noch nicht mal gut zielen.

Das eigentliche Problem der Engländer war die Logistik. Daß sie so weit weg von GB operieren konnten, ja das war eine Leistung. Eben die einer Berufsarmee.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Putin hat gar nicht die Substanz, um wieder Großmacht zu spielen.

Da wäre ich vorsichtig. Das russische Bruttosozialprodukt ist zwar nicht erstklassig - aber er kann einen viel größeren Teil davon für Machtpolitik verwenden als andere Staaten.

Vielleicht. Aber bei aller Entwicklung hin zum autoritären Staat hat er nicht mehr die Machtmittel, die man zu Sowjetzeiten hatte.

Die Russen sind im Augenblick zufrieden und verehren ihn geradezu, weil er ihnen erstens die nationale Würde (dh die Einbildung, sie seien wieder eine Großmacht) zurückgegeben hat, und weil es zweitens dank des gestiegenen Ölpreises wirtschaftlich aufwärts gegangen ist.

Aber das ist ja alles nix Substantielles. Ohne eigene konkurrenzfähige Industrie wird Rußland irgendwann auch nach außen hin das Entwicklungsland sein, das es in Wahrheit ist. Da hilft dann auch keine schimmernde Wehr.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Zu wenig Zeit zum Üben.

Na ja, einige Jahrhundert schon ...

Aber wie schrieb Johannes von Salisbury über die Zeit der deutschen Vormacht: "Wer hat denn die Deutschen zu Richtern über die Völker bestellt? Wer hat den plumpen und ungebärdigen Menschen diesen Einfluß gegeben, daß sie nach Gutdünken den Führer über die Häupter der Menschensöhne bestimmen?"

Wobei es natürlich meistens so war, daß die jeweilige Vormacht den restlichen Europäern nur mäßig sympathisch war.

Aber man kann schon feststellen, daß die Deutschen selten geschickt mit ihrer außenpolitischen Bedeutung umgegangen sind.

"Zeit der deutschen Vormacht" - meinen Sie damit das Heilige Römische Reich Deutscher Nation? So weit habe ich allerdings nicht zurück gedacht. Eine Verbindung zur heutigen Zeit sehe ich eigentlich erst ab 1648.

Herzlich, Zettel

Pentas ( gelöscht )
Beiträge:

19.11.2008 11:32
#36 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten
Lieber Zettel, das schreit nach einer Antwort:

In Antwort auf:

Eine Luftwaffe, eine Marine hatten die Argentinier praktisch nicht.
Ein Großteil der Verluste wurde den Briten von der argentinischen Luftwaffe (und den Marinefliegern) beigefügt. Ein kleiner Vergleich die argentinische Lufwaffe ging mit 109 Kampfjets in den Konflikt, wovon sie 35 verloren, die Briten haten nur 38 Harriers, wovon 10 verloren gingen.
Die argentinische Marine wurde mit Atomubooten auf Abstand gehalten. Nachdem ein argentinsicher Kreuzer versenkt wurde, was über 300 Menschenleben forderte, nahmen die restlichen Schiffe Kurs auf den Heimathafen.

In Antwort auf:
Sie hatten das "Glück", mit einer Exocet-Rakete ein britisches Schiff zu versenken.
2 versenkt, ein drittes schwer beschägigt.
http://en.wikipedia.org/wiki/Exocet#Falklands_Conflict
Die Argentinier hatten das Glück mit 2 in GB gebauten Type 42 Zerstörern der argentinischen Marine üben zu können.
In Antwort auf:

Nach meiner Erinnerung ist das eine Rakete, die ihr Ziel automatisch findet; da brauchte man also noch nicht mal gut zielen.
Ein wenig komplexer ist das Abfeuern einer Exocet schon. Zuerst einmal muss die ungefähre Position des Ziels bekannt sein, was ein Aufklärungsflugzeug der Marine erledigte, 2 Jagdbomber fliegen im extremen Tiefflug blind zu dieser Position, steigen kurz höher und aktivieren kurz ihr Radar, wenn eine Ziel erfasst wird, starten sie ihre Raketen, zuerst fliegen die Raketen im Blindflug den Großteil der Distanz, erst wenige Kilometer vor dem Ziel wird der aktive Radarsuchkopf aktiviert und erst dann das Ziel tatsächlich von der Rakete erfasst. Ungefär so wurde die Exocet von den argentinischen Marinefliegern eingesetzt.

Herzlich, Pentas
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.11.2008 11:57
#37 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Zettel
Ich glaube, wir haben doch ein unterschiedliches Konzept von Großmacht, oder vom Falkland-Krieg.

Ach, das kriegen wir schon zur Deckung ;-)

In Antwort auf:
Das UK hat gegen ein Land fast noch der Dritten Welt gekämpft ...

Nicht wirklich.
Argentinien war etwas heruntergewirtschaftet, aber immerhin ein Land von 40 Millionen, meist europäische Einwanderer, von Bildungslevel und Industrialisierung auf dem Stand schlechterer europäischer Länder.
Insgesamt etwa vergleichbar mit dem damaligen Spanien.

In Antwort auf:
dazu eine marode Militärdiktatur

Moralisch marode - aber eben wegen der Militärdiktatur finanziell gepäppelt.

In Antwort auf:
Eine Luftwaffe, eine Marine hatten die Argentinier praktisch nicht.

Ich mußte mich jetzt auch bei Wikipedia rückversichern - aber das war nicht so.
Argentinien hatte eine moderne Luftwaffe und eine ordentliche Marine, mit immerhin einer Flugzeugträgerkampfgruppe und modernen französischen Waffen.

Insgesamt also ein ernst zu nehmender Gegner.
Von einem Format, den (abgesehen von Nachbarschaftskriegen) nur eine Großmacht in die Knie zwingen konnte.

Denn ich frage jetzt mal umgekehrt: Wer außer den Briten hätte denn diesen Krieg überhaupt führen und gewinnen können?
Natürlich die damaligen Weltmächte USA und SU.
Aber dann?
Vielleicht noch Frankreich.

Aber sonst m. E. niemand. Deutschland bestimmt nicht, China nicht, Japan nicht - von allen übrigen Ländern zu schweigen.

Zu Rußland:
In Antwort auf:
Aber bei aller Entwicklung hin zum autoritären Staat hat er nicht mehr die Machtmittel, die man zu Sowjetzeiten hatte.

Ganz sicher. Deswegen ist Rußland ja auch keine Weltmacht mehr. Aber es ist rein machtpolitisch ein großer Vorteil, wenn man sich nur mäßig um die Bedürfnisse der Bevölkerung kümmern muß.
Das Bruttosozialprodukt Rußlands ist nur auf dem Niveau einer Mittelmacht - aber Putin kann einen zwei- bis dreimal größeren Prozentsatz davon für Militär etc. verwenden als vergleichbare Staaten im Westen. Das macht schon einen wesentlichen Unterschied.

In Antwort auf:
Ohne eigene konkurrenzfähige Industrie wird Rußland irgendwann auch nach außen hin das Entwicklungsland sein, das es in Wahrheit ist.

Das klingt plausibel und mir fällt kein direktes Gegenargument ein.
Außer schlicht der historischen Erfahrung, daß Rußland dieses Spiel eigentlich schon seit Jahrhunderten so spielt. Es hatte noch nie eine wirtschaftliche Basis, die konkurrenzfähig war - und agiert trotzdem seit mindestens drei Jahrhunderten als Großmacht.

In Antwort auf:
"Zeit der deutschen Vormacht" - meinen Sie damit das Heilige Römische Reich Deutscher Nation?

Noch früher - wie schon gesagt, mein Schwerpunkt ist das Mittelalter ...
Zwischen Otto dem Großen und dem Interregnum war Deutschland die eindeutige Vormacht in Europa. Danach (die eigentliche mit HRR bezeichnete Epoche) nur noch bedingt: Immer noch groß, aber nicht wirklich außenpolitisch aktionsfähig.

In Antwort auf:
Eine Verbindung zur heutigen Zeit sehe ich eigentlich erst ab 1648.

In manchen institutionellen Aspekten ist das richtig.
Aber die Deutschen sind im Kern immer noch dieselben wie ihre Vorfahren zur Stauferzeit.
Sie begegnen der Welt mit ähnlichen Ansichten und sie werden von ihren Nachbarn ähnlich gesehen.
Manchmal sind die Ähnlichkeiten fast karikaturhaft ...

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

19.11.2008 22:29
#38 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten
Die Fähigkeit, militärisch außerhalb des unmittelbar angrenzenden Gebiets eingreifen zu können ("projection of force"), ist meines Erachtens zwar keine hinreichende, aber doch eine notwendige Bedingung für den Status als "Großmacht".

Zitat von R.A.
Indien und Brasilien sehe ich durchaus auch. Jedenfalls vom Potential her - noch sind sie außerhalb ihrer Region wenig aktiv.


Ich habe gerade hierzu einen ganz interessanten Artikel verlinkt: Indien hat ein Piratenschiff am Golf von Aden vernichtet. Das ist jetzt nicht unbedingt vergleichbar mit dem Falklandskrieg, aber die Europäer trauen sich so etwas ja schon gar nicht...
http://83273.homepagemodules.de/t1680f27...tte-scharf.html

Megan McArdle kommentiert:
Zitat von Megan McArdle
For India this isn't just an economic fight; it's a chance to flex their macho muscle on the world stage--much like the time a little former colonial power took on the Barbary Pirates, a feat still memorialized in the Marine Hymn.

http://meganmcardle.theatlantic.com/arch.../11/pirates.php
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.11.2008 06:14
#39 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Pentas
Lieber Zettel, das schreit nach einer Antwort

Und die ist, lieber Pentas, wie immer kompetent und umfassend ausgefallen. Vielen Dank! Da habe ich wieder eine falsche Erinnerung korrigieren können.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.11.2008 06:52
#40 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von R.A.
Zitat von Zettel
Ich glaube, wir haben doch ein unterschiedliches Konzept von Großmacht, oder vom Falkland-Krieg.

Ach, das kriegen wir schon zur Deckung ;-)

Ja, das geht ja meist so aus, daß ich wieder was gelernt habe.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Das UK hat gegen ein Land fast noch der Dritten Welt gekämpft ...

Nicht wirklich.

Ich habe mal gelesen, lieber R.A., daß die meisten Pilzvergiftungen bei "Pilzkennern" vorkommen. Weil die nicht in den Pilzbüchern nachgucken; sie sind ja Kenner.

Ich glaube, mit "Zeitzeugen" ist das ähnlich. Ich habe damals den Falkland-Krieg ziemlich genau verfolgt und mir also jetzt zugetraut, dazu etwas zu schreiben, nur gestützt auf meine Erinnerung. In der solche Einzelheiten kleben wie die Exocet-Rakete und die kaum ausgebildeten Wehrpflichtigen, die von den britischen Berufssoldaten dezimiert wurden. Aber über die Bewaffnung der Argentinier hatte ich offenbar eine falsche Vorstellung.
Zitat von R.A.
Argentinien war etwas heruntergewirtschaftet, aber immerhin ein Land von 40 Millionen, meist europäische Einwanderer, von Bildungslevel und Industrialisierung auf dem Stand schlechterer europäischer Länder. Insgesamt etwa vergleichbar mit dem damaligen Spanien.

Das damals, ein paar Jahre nach Franco, freilich seinerseits in Europa weit zurücklag; aber das sagen Sie ja auch.

Argentinien muß ja mal - zur Zeit des Tango, sagen wir - als ein Auswanderungsland mit ähnlichen Versprechen wie die USA gegolten haben. Es paßte ja auch alles - Bevölkerung überwiegend europäischer Herkunft, gemäßigte Klimazone. Zur Zeit Peróns war es ständig in den Schlagzeilen. Aber irgend etwas muß wohl schief gelaufen sein. War Perón die Ursache oder schon ein Symptom?
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Aber bei aller Entwicklung hin zum autoritären Staat hat er nicht mehr die Machtmittel, die man zu Sowjetzeiten hatte.

Ganz sicher. Deswegen ist Rußland ja auch keine Weltmacht mehr. Aber es ist rein machtpolitisch ein großer Vorteil, wenn man sich nur mäßig um die Bedürfnisse der Bevölkerung kümmern muß. Das Bruttosozialprodukt Rußlands ist nur auf dem Niveau einer Mittelmacht - aber Putin kann einen zwei- bis dreimal größeren Prozentsatz davon für Militär etc. verwenden als vergleichbare Staaten im Westen. Das macht schon einen wesentlichen Unterschied.

Nur frage ich mich, wie lange. Solche halbdikatorischen Gebilde sind ja nicht sehr stabil. Wenn es zu einer Krise kommt, kippen sie entweder in die Diktatur, oder es gibt einen Weg in die Demokratie.

Beispiel de Gaulle, der ungefähr so autoritär regierte wie heute Putin. Er hätte im Mai 1968 vermutlich, wenn er es gewollt hätte, eine diktatorische Ordnung einführen können. Er war Demokrat genug, das nicht zu versuchen, und danach liberalisierte sich Frankreich immer mehr.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Ohne eigene konkurrenzfähige Industrie wird Rußland irgendwann auch nach außen hin das Entwicklungsland sein, das es in Wahrheit ist.

Das klingt plausibel und mir fällt kein direktes Gegenargument ein.
Außer schlicht der historischen Erfahrung, daß Rußland dieses Spiel eigentlich schon seit Jahrhunderten so spielt. Es hatte noch nie eine wirtschaftliche Basis, die konkurrenzfähig war - und agiert trotzdem seit mindestens drei Jahrhunderten als Großmacht.

Das stimmt; allerdings konnte man damals wohl fehlende Industrialisierung noch besser durch Agrarproduktion und Bodenschätze kompensieren als heute. Und dann hatte man vor allem ja die Kolonien.

Rußland war eine klassische Kolonialmacht; es ist seltsam, daß viele das nicht sehen, nur weil zwischen dem Mutterland und den Kolonien kein Wasser lag.
Zitat von R.A.
Zitat:"Zeit der deutschen Vormacht" - meinen Sie damit das Heilige Römische Reich Deutscher Nation?

Noch früher - wie schon gesagt, mein Schwerpunkt ist das Mittelalter ...
Zwischen Otto dem Großen und dem Interregnum war Deutschland die eindeutige Vormacht in Europa. Danach (die eigentliche mit HRR bezeichnete Epoche) nur noch bedingt: Immer noch groß, aber nicht wirklich außenpolitisch aktionsfähig.

Leider kenne ich mich im Mittelalter überhaupt nicht aus.

Ich weiß auch nicht, warum es mich bisher nicht interessiert hat. Für mich endet die deutsche Geschichte sozusagen mit Karl dem Großen und beginnt erst wieder mit Ulrich von Hutten und Martin Luther.

In Antwort auf:
Aber die Deutschen sind im Kern immer noch dieselben wie ihre Vorfahren zur Stauferzeit.
Sie begegnen der Welt mit ähnlichen Ansichten und sie werden von ihren Nachbarn ähnlich gesehen.
Manchmal sind die Ähnlichkeiten fast karikaturhaft ...

Interessanter Gedanke? Könnte Sie das erläutern?

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.11.2008 13:07
#41 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Zettel
In der solche Einzelheiten kleben wie die Exocet-Rakete und die kaum ausgebildeten Wehrpflichtigen, ...

Ich erinnere mich. Als die Briten die Belgrano versenkt haben, wurde sehr ausführlich berichtet, daß die vielen hundert Mann Besatzung kläglich zu Grunde gingen und das waren wohl überwiegend Wehrpflichtige. Das hat das europäische Publikum sehr berührt.

Aber die Argentinier hatten durchaus auch Berufssoldaten und gute Einheiten, insbesondere natürlich bei der Luftwaffe und m. W. bei den die Inseln besetzenden Truppen.

In Antwort auf:
Das damals, ein paar Jahre nach Franco, freilich seinerseits in Europa weit zurücklag;

Richtig.
Ich will auch gar nicht die Argentinier überschätzen. Aber es bleibt eben der schlichte Fakt, daß es nur ganz wenige Länder auf der Erde gab (und gibt), die so einen Krieg überhaupt hätten führen können.
Argentinien wäre umgekehrt überhaupt nicht in der Lage gewesen, z. B. das viel kleinere Portugal zu besiegen.

In Antwort auf:
War Perón die Ursache oder schon ein Symptom?

Meiner lückenhaften Erinnerung nach: Argentinien war zwischen 1900 und vielleicht 1920 eines der zehn reichsten Länder der Welt.
Wie Sie zu Recht schreiben, mit in vielen Punkten den USA vergleichbar (allerdings Bevölkerungs- und Rohstoff-ärmer).
Aber man hat sich wohl etwas zu sehr darauf ausgeruht und nicht gemerkt, daß dieser Wohlstand zu sehr auf Schlichtprodukten (Fleischexport) beruhte und teilweise auch nur ein relativer Wohlstand war, weil man von den Verwüstungen des ersten Weltkriegs verschont blieb.

Wegen zu geringer Modernisierung blieb das Land dann etwas zurück, man wollte aber weiter den vollen Wohlstand behalten.
Und da kam dann Peron mit seiner sozialistischen Verteilungspolitik und hat das Land gründlich ruiniert - z. B. überzogene Sozialprogramme (er war der Mann der Gewerkschaften) und durch eine irreale Wechselkursrelation zum US-Dollar, die Spekulanten Milliardengewinne ermöglichte.

Im Prinzip ist das Land wohl bis heute davon geschädigt, insbesondere weil Reformphasen immer wieder durch Phasen unterbrochen wurden, wo linke Politiker Geld unters Volk streuen wollten, um die Zumutungen der Modernisierung abzufedern.

In Antwort auf:
Nur frage ich mich, wie lange. Solche halbdikatorischen Gebilde sind ja nicht sehr stabil.

Normal vielleicht - aber eigentlich entspricht das doch der russischen Tradition.
Auch die Zaren haben der Bevölkerung ja ähnliche Freiheiten gelassen wie heute Putin, ihr normales Leben zu organisieren.
Nur wer die Machtstrukturen in Frage stellte, wanderte nach Sibirien.
Putin betreibt im Prinzip eine Laissez-Faire-Diktatur - so etwas wäre in Frankreich halt nie gegangen.

In Antwort auf:
Das stimmt; allerdings konnte man damals wohl fehlende Industrialisierung noch besser durch Agrarproduktion und Bodenschätze kompensieren als heute. Und dann hatte man vor allem ja die Kolonien.

Das würde ich nicht sagen - Bodenschätze sind heute eigentlich wichtiger als damals. Sieht man ja ganz gut an den Golfstaaten.
Und die russischen Kolonien haben ja auch im wesentlichen Bodenschätze gebracht.
Daß Rußland heute deutlich weniger Mittel zur Verfügung hat als die SU, da sind wir uns ja einig.
Aber die Struktur ist eigentlich die typisch russische, wie schon seit Jahrhunderten, wie schon in den SU-Zeiten.

In Antwort auf:
Leider kenne ich mich im Mittelalter überhaupt nicht aus.

Das ist eigentlich sehr schade für einen so vielseitig interessierten Menschen wie Sie, lieber Zettel.
Denn das ist die Periode, die die europäischen Völker in ihrer Individualität entscheidend geprägt hat. Insbesondere die Mentalitätsunterschiede zwischen den "großen" Völkern, also Deutschen, Franzosen, Engländern, Italienern und Spaniern sind im Mittelalter entstanden, und später nur noch leicht modifiziert worden.

In Antwort auf:
Interessanter Gedanke? Könnte Sie das erläutern?

Jetzt wirds schwierig.
Die Haupterfahrung der Deutschen bei ihrer Nationwerdung war, daß ihr Reich sehr groß und stark und sehr vielfältig ist.
Es gab sehr viele Minderheiten verschiedener Sprachen, es gab sehr viele fremde Nachbarn - und es war nützlich und angemessen, diese zu respektieren, ihnen eine gewisse Wertschätzung entgegen zu bringen und ihre Andersartigkeit zu akzeptieren.
Aber nur in Grenzen: Es war völlig klar, daß nur die Deutschen das Sagen hatten, in allen wichtigen Fragen ihre Sicht ausschlaggebend war, daß sie alles durchsetzen konnten, wenn es denn verhältnismäßig und juristisch begründbar war.
Und weil das Reich so groß und komplex war, war es überaus wichtig, daß die Spielregeln eingehalten wurden, daß Gesetze und Gewohnheitsrechte respektiert wurden, daß sich jede Gruppe per Gericht wehren konnte. Die Einhaltung des Rechtssystems war eminent wichtig selbst für die Mächtigsten im Reich.

Und ich behaupte mal, das prägt uns heute noch.
Die Deutschen schätzen das Fremde (in Maßen), freuen sich, wenn sie fremde Ortsnamen aussprechen können oder irgendwelche ausländischen Bräuche kennen.
Aber das ist recht oberflächlich. Im Prinzip gehen sie davon aus, daß letztlich alle Völker bis auf so oberflächliche Folklore-Elemente ziemlich gleich ticken - nämlich wie die Deutschen.
Und deswegen sind sie auch immer wieder völlig überrascht, wenn ein fremdes Land anders agiert - das kann dann nur Bösartigkeit sein.
Wenn also die Araber ihre Frauen unterdrücken, dann ist das ja noch verständliche Folklore.
Aber daß die Anglo-Amerikaner nicht die deutsch-naive Vorstellung vom Völkerrecht teilen - das kapiert keiner.


Als Gegensatz Frankreich.
In den prägenden Jahren seiner Entstehung war es beschränkt auf sein sprachlich fast homogenes Kernland. Es gab keine Minderheiten (die Bretagne war noch selbständig, die Ost- und Südgrenze verliefen mitten durch französischen Sprachraum).
Und die Außenkontakte waren übersichtlich: Im Norden das von einer französischen Oberschicht dominierte England. Im Osten lauter französisch-sprachige Reichsgebiete. Im Süden die quasi-autonomen Gebiete des Langue d'Oc.
Mit echten Ausländern hatte man als Pariser kaum zu tun.

Jetzt frage ich Sie als Frankreich-Kenner: Sieht man da nicht gewisse Spuren im heutigen Frankreich? Wohl eher eine rhetorische Frage.

Und daß das Rechtssystem in Frankreich eine andere Rolle spielte, ist wohl auch verständlich.
Es ist im wesentlichen Ausfluß des Machthabers, der damit seine Vorstellungen durchsetzt.
Und wenn das Volk damit nicht zufrieden ist, geht es nicht vors Verwaltungsgericht - sondern es gibt die typischen Exzessiv-Demos, die in Deutschland schon immer als verwerflich gelten.

Und bei Gelegenheit erzähle ich noch von den drei Bistümern - das wird jetzt zu lang.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.11.2008 14:21
#42 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Da schreibe ich ewig langes Geschwafel - und dabei gibt es ein so schönes Beispiel.

Der Sachsenspiegel ist die älteste deutsche Rechtsquelle. Er umfaßt alle wichtigen Gebiete, vom "Verfassungsrecht" (Königswahl, Lehnsrecht) über das Strafrecht bis zum Zivilrecht.
Und die wesentlichen Passagen entsprechen dem, was in jeder Rechtsordnung üblich ist. Mord, Diebstahl, Körperverletzung und ähnliches sind verboten und werden geahndet.

Aber dann kommen die Teile, die in Umfang und Detailliertheit wohl "typisch deutsch" sind: Das Nachbarschaftsrecht.

Mal als Beispiele:
"Wenn sich der Hopfen um den Zaun rankt, dann greife derjenige, in dessen Hof sich die Wurzel befindet, so nahe an den Zaun, wie er kann, und ziehe den Hopfen hinüber; das, was ihm folgt, gehört ihm; das, was auf der anderen Seite bleibt, gehört seinem Nachbarn. Die Zweige seiner Bäume sollen auch nicht zum Schaden seines Nachbarn über den Zaun hängen."
"Niemand darf seine Dachtraufe in eines anderen Mannes Hof hängen. Ein jeder soll auch seinen Hofteil umzäunen; tut er dies nicht und ergibt sich hieraus ein Schaden, dann soll er dafür Genugtuung leisten; auch bleibt er ohne Buße, wenn er selbst Schaden erleidet."
"Wer einen Zaun zieht, der soll die Äste zu seinem Hof wenden."
"Aborte, die gegen den Hof eines anderen stehen, soll man ferner bis auf die Erde herab einhegen."

Uns so weiter und so fort.
Ich sage da nur: "Maschendrahtzaun".
Diese Rechtsgrundsätze sind ein Jahrtausend her - aber das sind unzweifelhaft Deutsche ;-)

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

20.11.2008 14:47
#43 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Schön!

Bei einer Stadtführung habe ich unlängst gelernt, dass die ersten urkundlichen Erwähnungen vieler Häuser meiner Heimatstadt in Gerichtsakten stattfanden. Da gingen Handelsleute auf große Reise, vergaßen aber, ihren Abort abzudecken, ein Nachbar fiel hinein, und das Ganze fand dann Niederschlag in den Gerichtsakten, die Hunderte Jahre später Historiker ergötzen.

Und da soll noch einer sagen, Geschichte sei uninteressant!

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

20.11.2008 15:20
#44 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Gorgasal
Schön!

Bei einer Stadtführung habe ich unlängst gelernt, dass die ersten urkundlichen Erwähnungen vieler Häuser meiner Heimatstadt in Gerichtsakten stattfanden. Da gingen Handelsleute auf große Reise, vergaßen aber, ihren Abort abzudecken, ein Nachbar fiel hinein, und das Ganze fand dann Niederschlag in den Gerichtsakten, die Hunderte Jahre später Historiker ergötzen.

Und da soll noch einer sagen, Geschichte sei uninteressant!


Die Antwort 'die Deutschen waren schon immer so' beantwortet aber nicht die Frage, warum sie so sind, wie sie immer schon waren?

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

21.11.2008 11:20
#45 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von R.A.
Jetzt ist halt wieder die Frage, wie man Weltmacht definiert.
Ich nenne so eine Großmacht, die nicht nur auf ihre Region beschränkt ist, sondern weltweit aktiv Interessen verfolgt und auch mit Machtmitteln durchsetzen kann - und die auch weltweit Beachtung findet und einbezogen wird.

Und das Deutschland vor dem ersten Weltkrieg war m. E. eindeutig eine solche Weltmacht, es hatte die nötige wirtschaftliche und militärische Stärke, hat auf diversen Kontinenten agiert und Besitz gehabt und wurde von den anderen Groß- und Weltmächten auch in dieser Rolle akzeptiert.


Deutschland hat es sicherlich versucht aber ist damit doch grandios gescheitert.

Wenn Kolonialbesitz schon Weltmacht bedeutet, wie sieht es dann mit Belgien und den Niederlanden aus? Oder Portugal und Spanien?

In Antwort auf:
Das gilt z. B. dann, wenn diese Stärke sich in einem großen Volumen an Außenhandel äußert, viele Wirtschaftsbeziehungen bestehen, mit vielen Ländern und wichtigen Akteuren in diesen Kontakte bestehen, und dort dann auch die Sicht und die Interessen des Landes berücksichtigt werden.


Solange das nicht als Waffe/Druckmittel eingesetzt wird würde ich hier eher von Einfluß oder starker Stellung sprechen. Aber das ist eine Formulierungsfrage, Sie wissen jedenfalls was ich meine.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

21.11.2008 11:30
#46 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Im Grunde hat erst Maggie Thatcher die Wende geschafft, indem sie den Engländern auf die harte Art beibrachte, daß sie, wenn sie Wohlstand haben wollten, so arbeiten mußten wie die anderen auch.

Damit hat sie die materielle Grundlage für den Großmacht-Status wiederhergestellt.
Aber der war eben noch vorhanden, insbesondere die Fähigkeit und Bereitschaft der Engländer, für ihre Interessen auch Militär einzusetzen.


Frau Thatcher muß man ja auch im Lichte der Nachkriegszeit sehen. Die Briten hatten kein "Wirtschaftswunder" sondern haben nach 1945 versucht das "neue Jerusalem" aufzubauen und hatte noch sehr lange Bezugswirtschaft.

In Antwort auf:
In Antwort auf:
Was Merkel und Steinmeier wollen, weiß ich nicht.

Die wollen wiedergewählt werden.


Ja, das Problem ist, das sie wohl nichts anderes wollen.

In Antwort auf:
In Antwort auf:
Zu wenig Zeit zum Üben.

Na ja, einige Jahrhundert schon ...
Aber wie schrieb Johannes von Salisbury über die Zeit der deutschen Vormacht:
"Wer hat denn die Deutschen zu Richtern über die Völker bestellt? Wer hat den plumpen und ungebärdigen Menschen diesen Einfluß gegeben, daß sie nach Gutdünken den Führer über die Häupter der Menschensöhne bestimmen?"


Naja, das war in der Stauferzeit gesprochen, nach deren Zusammenbruch (nur 100 Jahre später) es keine deutsche Großmacht gab, wenn wir denn deutsch mal gelten lassen wollen.

Im übrigen, sollte man Johannes schon wörtlich nehmen. Er fragt bewußt, wer die Deutschen dazu gemacht habe. Die Staufische Reichsidee meinte, man habe sich selbst dazu gemacht bzw. sei ganz selbstverständlich Herr der Welt. Dem war aber natürlich nicht so!

Darin unterschieden sich die Staufischen Könige und Kaiser von ihrem luidolfingschen und salischen Vorgängern.

Gruß,
str1977

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Aber beide sind aus Stein gemacht.

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str1977 ( gelöscht )
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21.11.2008 11:32
#47 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland? Antworten

Zitat von Dagny
Zitat von R.A.

Jetzt ist halt wieder die Frage, wie man Weltmacht definiert.


Mir scheint das eine Gute Antwort zu sein: Grossmacht ist, wer von anderen in dieser Rolle akzeptiert wird.


WELTMACHT, nicht Großmacht.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

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str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

21.11.2008 11:45
#48 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten
Zitat von Zettel
Beginnen wir mit Deutschland. Ich geben Ihnen recht, daß es heute die Goldenen Zwanziger zwischen dem Fast-Bürgerkrieg und der Inflation am Anfang und der Weltwirtschaftskrise und dem Aufstieg der Nazis am Ende oft übersehen werden. Aber es war ja noch nicht einmal ein Jahrzehnt - im Grunde nur die sechs Jahre zwischen der Einführung der Rentenmark Ende 1924 und dem Schwarzen Freitag im Oktober 1929.


Das war ja eben das Unglück, das nur so wenig Zeit blieb.

In Antwort auf:
Entstand da das Potential zu einer stabilen Demokratie, hätte es entstehen können? Vielleicht wenn die großen Liberalen nicht ausgefallen wären, Walther Rathenau am schon vor dem Anfang der Goldenen Jahre, Stresemann kurz vor deren Ende. Aber wer stand hinter Stresemann, wer hätte hinter einem erfolgreichen Walter Rathenau gestanden? Allenfalls die DVP und die DDP, zusammen kaum stärker als heute die FDP (wenn ich mich recht erinnere).


Das Potential schon, denn man darf ja auch nicht vergessen daß die DNVP auch zeitweise auf vernunftrepublikanischem Kurs segelte. Sicher, die Weimarer Koalition hatte allein keine Mehrheit und die Große Koalition war durch den Gegensatz DVP-SPD gehemmt. Aber vielleicht hätten mit der Zeit, die Ideologen beiderseits zurückgenommen.

Was die "großen Liberalen" angeht - ja, die beiden nannten Sie schon. Gab es noch andere?

Im übrigen hatte Stresemann alle Hände voll zu tun seine Partei mitzunehmen, was durchaus zu diplomatischen Irritationen und der schizophrenen Lage führte, daß der Parteivorsitzende der DVP dem Reichsaußenminister widersprach, obwohl sie beide Stresemann hießen.

(Das fatale Verhalten der DDP beim Kapp-Putsch und das rapide Kapitulieren beider liberaler Parteien 1930-1933 will jetzt nicht weiter ausführen.)

Außerdem vergessen Sie da nicht die republiktreuen, staatstragenden Männer der SPD (die trotz ihres Fernziels die Republik verteidigten) und insbesondere des Zentrums?

In Antwort auf:
Es gibt ja Historiker, die gar nicht von zwei Weltkriegen sprechen, sondern von einem einzigen Krieg, der nur durch eine zwanzigjährige Pause unterbrochen wurde. Ich denke, das hat viel für sich.


Stimmt. So macht man es ja auch bei "dem" Peloponnesischen Krieg.

Es stimmt auf jeden Fall, daß der Erste Weltkrieg die Urkatastrophe des Jahrhunderts ist.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.11.2008 11:58
#49 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Zitat von str1977
Außerdem vergessen Sie da nicht die republiktreuen, staatstragenden Männer der SPD (die trotz ihres Fernziels die Republik verteidigten) und insbesondere des Zentrums?

Da haben Sie recht, lieber str1977. Ohne die Standfestigkeit von Friedrich Ebert und Gustav Noske hätte es die Republik vielleicht gar nicht in die goldenen sechs Jahre geschafft.

Das Zentrum hatte sicher auch eine große Bedeutung, schon weil es die Katholiken, die ja im Kaiserreich überwiegend in Opposition gestanden hatten, jetzt auf die Seite des Staats brachte.

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

21.11.2008 12:08
#50 RE: Mußte die Weimarer Republik scheitern? Antworten

Zitat von R.A.
Aber wenn ich SPD-Zeugnisse von damals lese, das waren weitgehend Leute, die heute zu den "Kanalarbeitern" oder "Netzwerkern" gehören würden.
Die linken "Intellektuellen" des heutigen linken SPD-Flügels waren damals alle bei den Kommunisten.
Letztlich darf man ja auch nicht vergessen: Die Kommunisten der Weimarer Zeit sind ja nicht vom Erdboden verschwunden. Die waren teilweise einige Zeit bei den Nazis, aber nach 1945 bzw. nach dem KPD-Verbot sind sie letztlich bei der SPD gelandet - eine Art westliche Variante der östlichen Zwangsvereinigung.
Und mit "gelandet" meine ich nicht die ehemaligen Funktionäre (obwohl, es gab da nicht nur Wehner), sondern ganz allgemein den Teil der Bevölkerung, der für linkes Gedankengut empfänglich ist.


Bei der SPD gab es bis zum Godesberger Programm eben dieses Auseinandergehen von Programm (v.a. August Bebel hat ja den Verbalradikalismus gepflegt und Kurt Schumacher war dann der letzte Erbe) und praktischer Politik. Willy Brandt und Herbert Wehner sahen dies aber dann 1959 als Hindernis zur Gewinnung neuer Wähler und haben deshalb das Programm der Praxis angepaßt.

Obige Darstellung hört sich ein bißchen so an, als wären die Kommunisten in die SPD ausgewandert. Gerade das Beispiel Wehner zeigt, daß es sich hier nicht um Unterwanderung sondern um Wandlung ging.

In Antwort auf:
In Antwort auf:
Und das Ausland? Die Franzosen lebten in der ständigen Angst vor der Revanche

Nu und? Ganz brutal gesagt: Frankreich war nur begrenzt wichtig. Es war nur noch formal Großmacht, der erste Weltkrieg hatte es gebrochen, ohne die Rückendeckung Englands war es nur noch begrenzt aktionsfähig.
Und als die Engländer beschlossen, wieder mit Deutschland ins Gespräch zu kommen, ihm Zugeständnisse zu machen um es einzubinden - da haben französische Vorbehalte nicht interessiert.


Nur wäre ohne Frankreich ein friedliches Europa nicht zu machen (das was schon Bismarcks Grundirrtum). Frankreich war nicht stark genug, seine Vorstellungen gegenüber Briten und Franzosen durchzusetzen (sonst hätte es nach 1919 gar kein Deutsches Reich mehr gegeben), aber es war sehr wohl noch eine Großmacht. Sie verwechseln hier die beiden Weltkriege.

In Antwort auf:
Um mal eine Lanze für den armen Chamberlain zu brechen: Seine Außenpolitik war m. E. grundsätzlich richtig. Aber sie kam zu spät, und er hatte nicht erkannt, daß er mit Hitler keinen dafür geeigneten Gegenüber mehr hatte.


Da brechen Sie aber die falsche Lanze. Die Appeasement-Politik war eben genau auf Hitler gemünzt. Sie besagte ja nicht, man solle Hitler nachgeben in der Hoffnung er würde dann befriedigt sein. Sie zielte darauf ab, durch Beschwichtigung Zeit für die Aufrüstung zu gewinnen für den einkalkulierten Fall, daß Hitler sich durch Erfüllung seiner halbswegs akzeptablen Forderungen nicht beschwichtigen ließe.

In Antwort auf:
Aber mit einer demokratischen Regierung hätte diese deutsch-englische Annäherung gut funktionieren können - und eine deutsche Regierung mit solchen außenpolitischen Erfolgen hätte die Republik enorm stabilisiert.


Ja, das stimmt. Und der Rest auch!

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

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