Zitat von str1977Bei der SPD gab es bis zum Godesberger Programm eben dieses Auseinandergehen von Programm (...) und praktischer Politik.
Ich habe leider nicht die geringste Ahnung, wie das SPD-Programm der Weimarer Republik ausgesehen hat. Es fällt schwer sich vorzustellen, daß es über Jahrzehnte einen so krassen Gegensatz zwischen Programm und Regierungshandeln gegebena haben kann - denn die Regierungspolitik der SPD (auch in den Ländern) war ja absolut pragmatisch.
War vielleicht die Nachkriegs-SPD (bis Godesberg) verbal radikaler als die vor 1933?
In Antwort auf:Obige Darstellung hört sich ein bißchen so an, als wären die Kommunisten in die SPD ausgewandert.
Dann habe ich nicht gut formuliert. Es geht weniger um konkrete Leute. Sondern um eine gewisse Gruppe der Bevölkerung, die sehr links eingestellt ist. Die gibt es ja eigentlich immer. Vor dem Krieg waren die fast alle bei den Kommunisten - in der SPD waren die Pragmatiker.
Und nach 1950 müssen die doch auch in irgendeiner Partei gewesen sein, und mangels Kommunisten konnte das nur die SPD sein. Und dort hocken sie bis heute als linker Flügel.
In Antwort auf:Nur wäre ohne Frankreich ein friedliches Europa nicht zu machen ...
Weiß nicht. Frankreich alleine war doch eigentlich nicht in der Lage, eine Auseinandersetzung zu riskieren.
In Antwort auf:Sie verwechseln hier die beiden Weltkriege.
Ganz bestimmt nicht ;-)
In Antwort auf:Da brechen Sie aber die falsche Lanze. Die Appeasement-Politik war eben genau auf Hitler gemünzt.
Richtig. Ich hätte nicht konkret Chamberlain sagen sollen - dessen Politik war in der Tat so ausgerichtet. Ich meinte, daß die Hitler gemachten Zugeständnisse einer demokratischen Regierung entscheidend zur Stabilisierung geholfen hätten.
Und diese Zugeständnisse waren seitens Englands nicht einfach nur gemacht worden, um Zeit für die Kriegsvorbereitung zu gewinnen. Sondern es gab die Erkenntnis, daß man durch unfaire (und damit dauerhaft unstabile) Vorgaben im Versailler Vertrag unnötige Kriegsrisiken geschaffen hatte. Und es gab die eigentlich berechtigte Hoffnung, durch Beseitigung dieser Fehler einen stabilen Zustand zu schaffen, der eben einen Krieg vermeiden würde.
Zitat von DagnyDie Antwort 'die Deutschen waren schon immer so' beantwortet aber nicht die Frage, warum sie so sind, wie sie immer schon waren?
Einen Aspekt davon habe ich ja schon versucht darzustellen: Einerseits die Akzeptanz für Fremde/Minderheiten - andererseits die Oberflächlichkeit, daß man diese nicht wirklich ernst nimmt bzw. nicht begreift, daß es eben mehr als nur äußerliche Unterschiede zwischen Völkern gibt.
Die besondere Justiz-Gläubigkeit der Deutschen läßt sich auch aus dem Mittelalter erklären.
Man muß sich die Situation im damaligen Europa vor Augen führen: In der Mitte dieses riesige deutsche Reich, von der Rhone bis zur Oder, und über die Alpen Italien umfassend. Die machtpolitische Dominanz dieses Reichs war überwältigend - dagegen ist die Rolle der USA selbst auf dem Höhepunkt ihrer Macht ein Witz.
Dieses Reich ist groß genug, um keinerlei Ansprüche mehr nach außen zu stellen. Und stark genug, daß umgekehrt niemand Ansprüche stellen kann. Es ist kaum vorstellbar: Deutschland hat ein halbes Jahrtausend lang keinen einzigen Krieg gegen irgendeinen seiner Nachbarn geführt.
Es brauchte keine Bündnispartner, mußte nicht groß Einfluß ausüben - de facto ist Deutschland die größere Zeit seines Bestehens ohne Außenpolitik ausgekommen!
Was es gab an Konflikten, war immer innenpolitischer Natur: Fehden zwischen Fürsten, Thronstreitigkeiten (und nur da kamen ausländische Fürsten mal als Partner von Bürgerkriegsparteien ins Spiel), Slawenaufstände, Italienfeldzüge.
Alle diese Konflikte wurden wahrgenommen als Verstöße gegen die bestehende Rechtsordnung - und wenn Staat und Gerichte funktionierten, war Frieden und alles in Ordnung ("Friede durch Recht" war das Motto des späteren Reichskammergerichts).
Auch als später äußere Kriege vorkamen (gegen Frankreich oder die Türken), waren das aus deutscher Sicht immer nur Verteidigungskriege zur Erhaltung der bestehenden Rechtsordnung. Erst in vergleichsweise junger Zeit (nach Napoleon bis 1870) versucht sich Deutschland in echter Außen- und Machtpolitik - wenig erfolgreich.
Auf jeden Fall ist der Glaube, alles ließe sich durch Anwendung von Gesetzen regeln, in unserem Nationalcharakter zutiefst verwurzelt. Und damit die Vorstellung, ein internationaler Konflikt würde von der UN genauso gelöst wie der Maschendrahtzaunstreit mit dem Nachbarn vom Amtsgericht.
Und Hermann Müller (Franken) (SPD) und Wilhelm Marx (Zentrum) nicht zu vergessen.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
str1977
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21.11.2008 17:04
#54 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland?
Das Reichskammergericht kam aber erst um 1500 und da war das HRR nun schon bald auf dem absteigenden Ast.
Sie wissen das sicher (aber andere vielleicht nicht), daß die Fehde ein Rechtsinstrument war und nicht einfach nur Räuberei.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von str1977Das Reichskammergericht kam aber erst um 1500
Richtig, deswegen habe ich auch "später" geschrieben. Das Motto dagegen beschreibt m. E. recht gut die schon deutlich länger bestehende Grundhaltung.
In Antwort auf:Sie wissen das sicher (...), daß die Fehde ein Rechtsinstrument war und nicht einfach nur Räuberei.
Im Prinzip ja - aber eben ein archaisches, das in einem funktionierenden Rechtssystem nicht mehr vorkommen sollte. Irgendwo war ja auch die Schlacht, in der zwei Thronprätendenten entschieden, wer nun wahrhaftig Gottes Segen auf seiner Seite habe und damit rechtmäßiger König sei, einen gewissen Rechtsinstrument-Charakter, fast wie ein Zweikampf als Gottesurteil.
Die Rechtsgeschichte Deutschlands besteht über Jahrhunderte im wesentlichen in der Tendenz, alle diese gewalttätigen Formen durch rein juristische Auseinandersetzungen zu ersetzen.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
------------ Bei der Gelegenheit möchte ich wissen, welche Kräfte aus der alten SU dort noch wiksam sind, die "bei Gelegenheit" die alten Verhältnisse wieder herstellen. Immerhin war Georgien durch seine Industrie kein Entwicklungsland und hatte gut ausgebildete Techniker. Grüßchen, Inger
Nola
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15.05.2009 15:52
#58 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland?
In Antwort auf:Califax: Immer wenn grad niemand hinschaut...
Während Europa mit Wahlen beschäftigt ist erarbeitet Rußland Stück für Stück die gesetzten Ziele.
In Antwort auf: Russland wappnet sich für Energiekriege http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/euro.../story/24990699 13.05.2009 Nach Ansicht des Kremls ist es denkbar, dass Energieprobleme künftig mit militärischen Mitteln gelöst werden.
Russland befürchtet langfristig Kriege um die immer knapper werdenden Energiequellen der Welt. In einem Strategiepapier des Kremls zur nationalen Sicherheit heisst es, die Zukunft werde von einem harten Konkurrenzkampf um die Energie geprägt sein, der auch an den Grenzen Russlands zu militärischen Auseinandersetzungen führen könnte. Das Dokument, das am Mittwoch auf der Website des Kremls veröffentlicht wurde (...)
http://www.russland.ru/mainmore.php?tpl=Politik&iditem=21388 14-05-2009 Russland sieht die USA und die NATO als größte Bedrohung für die internationale und die eigene Sicherheit. In einem von Präsident Dmitri Medwedew am Dienstag bestätigten (...)
Leider war das Dokument nicht zu finden, auch nicht auf RIA Novosti aber dafür dies hier:
MOSKAU, 14. Mai (RIA Novosti). Die russische Führung hat die EU vor der Rechtfertigung der georgischen Vorgehensweise im Kaukasus gewarnt und Südossetien bei Bedarf militärische Hilfe versprochen.
„Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat den realen Fakt des am 8. August 2008 erfolgten massiven Angriff der georgischen Streitkräfte auf Südossetien ignoriert“, sagte Andrej Nesterenko, (...) „Russland hat geholfen und möglicherweise sogar das südossetische Volk vor der Vernichtung gerettet… Russland wird Südossetien auch weiterhin die gesamte erforderliche wirtschaftliche, politische und bei Bedarf auch militärische Hilfe leisten“, so Naryschkin.
EIL - Abkommen über russische Militärbasis in Abchasien in zwei Wochen -
SOTSCHI, 14. Mai (RIA Novosti). Russland und Abchasien werden in spätestens zwei Wochen ein Abkommen über die Einrichtung eines russischen Militärstützpunktes in Abchasien unterzeichnen.
Es war klar, das der lupenreine Demokrat Putin seinen "Schutz" weiter ausbauen wird, aber das er gleichzeitig militärische Konsequenzen androht, ist eine ernstzunehmende Herausforderung. Da wird es nichts mit dem gemütlichen zurücklehnen nach der EU-Wahl und auch nicht innerhalb der NATO.
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Nola
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16.05.2009 09:34
#60 RE: Georgien und der russische Imperialismus (3): Großmacht Rußland?
ich habe in der letzten Woche das Buch“Die nächsten 100 Jahre“ von George Friedmann gelesen. Er beschreibt da unter anderen den Versuch Russlands seine frühere Macht wiederherzustellen. Russland wird dann in drei Richtungen versuchen seinen Einfluß zu expandieren(mit einigen Beispielen): -Zentralasien (Nachschubbasen der Amis für Afghanistan geschlossen usw) -Kaukausus (Georgien, Tschetschenien usw.) -Baltische Staaten und Osteuropa (Unruhen in Estland, Gasstreit mit Ukraine usw)
Baltische Staaten und Osteuropa wird das wichtigste „Expansionsziel“ Russlands in den nächsten 20 Jahren werden.
Ich dachte mir also beim lesen „nett“ ;-) und dann lese ich etwas, was mir das Szenario viel nachvollziehbarer erscheint.
In Polen gab es in der „Gazeta Wyborcza“ (so eine Art die „Zeit“ Verschnitt) einen Artikel über einen Internet-Beitrag des Moskauer Verteidigungsministeriums, in dem Polen eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg gegeben wurde!!! Der Betrag erschien auf der offiziellen Seiten des Verteidigungsministeriums.
Kurz zusammengefasst es geht darum dass Hitler völlig berechtigt war den Korridor zu Danzig zu fordern („Danzig“ war übrigens auch so geschrieben worden in dem Beitrag) So haben die Polen aufgrund „Größenwahn“ und „Großmachtsucht“ auf das begründete Recht Hitlers leichtsinnig nicht gehört und so zu den Zweiten Weltkrieg geführt.
Die Zeitung dazu in einem Kommentar: „Man fragt sich also, ob man es so verstehen muss, dass im Moskauer Verteidigungsministerium der Gedanke zulässig, Moskau, wie früher Hitler, könnte heute von Warschau und Vilnus eine exterritoriale Autobahn zwischen Kaliningrader Gebiet und „Kern.Russland“ verlangen? Ob man dort (im Verteidigungsministerium) glaubt,(…) eine solche Forderung wäre „begründet“ und gemäßigt, und eine Ablehnung der Rückgabe des Korridors wäre ein guter Grund für einen weiteren Krieg?“
Das polnische „Auswärtige Amt“ hat um die Klärung diese Beitrages beim Rusischen Botschafter gebeten. Angeblich soll sich das Rusischen Verteidigungsministerium von dem Inhalt des Internet-Beitrages distanziert haben.
Meine persönliche Meinung ist, dass Russland auf vielerlei Art versuchen wird Druck auszuüben. Dazu benötigt Russland aber Gründe, so vorgetäuscht sie auch immer sind (siehe Raketenabwehr). Die Frage über die Verbindung zwischen Kalinigrader Gebiet und „Kern-Russland“ hätte Potential.
Zitat von Kane Meine persönliche Meinung ist, dass Russland auf vielerlei Art versuchen wird Druck auszuüben. Dazu benötigt Russland aber Gründe, so vorgetäuscht sie auch immer sind (siehe Raketenabwehr). Die Frage über die Verbindung zwischen Kalinigrader Gebiet und „Kern-Russland“ hätte Potential.
Das ist eine schöne Gabel. Die denken da nicht nur über Königsberg nach sondern auch über die Krim.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
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