Zitat von R.A.Grundsätzlich wäre es auch im Bundestag sinnvoll, wenn Beschlüsse wirklich eine echte Mehrheit hinter sich haben. Ein Gesetz, daß wirklich nur 30 Leute hinter sich hat (bei 20 Nein-Stimmen und 550 Enthaltungen/Abwesenheiten) wäre in seiner Legitimation unzureichend.
Es geht, lieber R.A., soweit ich sehe, um a) die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder, b) die Mehrheit der Abstimmenden, c) die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Wer abstimmt, aber sich enthält, der gibt keine Stimme ab. Sondern zum Beispiel einen weißen Stimmzettel.
In allen drei Fällen ensteht eine "echte" Mehrheit, jedenfalls sehe ich das so. Es wird eben unterschiedlichen Anforderungen genügt. Dies können ja sogar über Fall a) hinausgehen und zB eine Zweidrittelmehrheit verlangen.
Zitat von R.A.Da beim Bundesrat eigentlich immer alle Stimmberechtigten da sind, sollte es auch eine klare Mehrheit geben, damit eine Maßnahme beschlossen wird.
Auch die einfache Mehrheit ist eine klare Mehrheit.
Zitat von R.A. ... die Diskussion über den Schäuble-Vorschlag überzieht da. Aber der Vorschlag ist eben nicht gleichbedeutend damit, einfach nur ein Standardvorgehen zu implementieren. Denn Schäuble will nur die Wertung ändern, nicht die übrigen Vorschriften (z. B. über Einheitlichkeit der Stimmabgabe eines Landes). De facto drohen uns dann wirklich Fälle, wo Thüringen gegen Bremen entscheidet - bei Enthaltung des Rests. Und das wäre demokratisch schon sehr problematisch.
Das stimmt. Aber wenn die sich Enthaltenden das nicht wollen, dann können sie ja mit nein stimmen. Es ist ihre Entscheidung, wenn ein Gesetz auf diese Weise passiert. Sie haben eben nicht nein gesagt.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:Seine Situation ist die des Innenministers, der für solche Fragen zuständig ist.
Für den Bundesrat ist er nicht zuständig.
Er ist auch Verfassungsminister. Und als Innenminister ist er für die meisten zustimmungspflichtigen Gesetze zuständig. (Behaupte ich jetzt, lieber R.A., weil es mir logisch erscheint. Wissen tue ich es nicht).
Zitat von R.A.Aber ich sehe hier einen Bundesminister, der möglichst ungestört durch Ländereinwände durchregieren will. Und genau das lehne ich als Föderalist ab. Wenn die Bundesregierung es nicht schafft, für ihre Politik die nötige Zustimmung zu organisieren, kommen ihre Gesetzeswünsche eben nicht durch.
Wie will sie diese Zustimmung organisieren, wenn immer mehr Länder von Parteien regiert werden, die sich im Bundestag nicht über ihr Abstimmungsverhalten einigen können?
Ich wäre im Grunde noch radikaler als Schäuble und würde sagen: Im Bundesrat gibt es gar keine Enthaltung. Jede Regierung muß die Kraft aufbringen, zu entscheiden, und zwar einheitlich. Sie ist ja eine Regierung und kein Parlament.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:In den USA gibt es keine vergleichbare Institution.
Doch - und der Senat ist bei ALLEN Gesetzen dabei, nicht nur bei manchen wie der Bundesrat. Und das führt in der Praxis dazu, daß überraschend wenig Gesetze beschlossen werden. Die meisten Entwürfe scheitern daran, daß sich die beiden Häuser nicht einigen können. Und siehe: Das funktioniert hervorragend.
Der Senat, lieber R.A., ist keine dem Bundesrat vergleichbare Institution. Erstens, weil er nicht von den Staatsregierungen bestückt wird, sondern weil in ihm gewählte Repräsentanten sitzen. Zweitens, weil er nicht zur Vertretung von Länderinteressen da ist, sondern ein vollwertiges Gesetzgebungsorgan, das zB auch für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig ist.
Ich bin wie Sie ein überzeugter Föderalist. Aber ich halte nichts davon, daß die Länder in die Zuständigkeit des Bundes hineinregieren, so wie es auch umgekehrt nicht der Fall sein sollte.
Mein Föderalismus führt zu der Konsequenz, daß möglichst viele Kompetenzen in die Zuständigkeit der Länder verlagert werden (Subsidiaritätsprinzip). Aber dort, wo sie beim Bund liegen, sollten die Länder möglichst wenig zu bestimmen haben. So ist es in den USA, und so funktioniert es dort.
In Antwort auf:Seine Situation ist die des Innenministers, der für solche Fragen zuständig ist.
Für den Bundesrat ist er nicht zuständig.
Er ist auch Verfassungsminister.
Verfassungsminister ist aber kein offizieller Zuständigkeitsbereich. Da könnte man auch die Justizministerin fragen (die leider noch weniger verfassungstreu ist wie ihr Kollege im Innenressort).
Zitat von ZettelUnd als Innenminister ist er für die meisten zustimmungspflichtigen Gesetze zuständig. (Behaupte ich jetzt, lieber R.A., weil es mir logisch erscheint. Wissen tue ich es nicht).
Dann sollten Sie's auch nicht sagen. Wenn es so wäre, wäre es ohnehin nur eine zufälliges Zusammentreffen.
Zitat von R.A.Aber ich sehe hier einen Bundesminister, der möglichst ungestört durch Ländereinwände durchregieren will. Und genau das lehne ich als Föderalist ab. Wenn die Bundesregierung es nicht schafft, für ihre Politik die nötige Zustimmung zu organisieren, kommen ihre Gesetzeswünsche eben nicht durch.
Das sehe ich ganz genau so auch. Der Föderalismus ist schon durchlöchert genug.
Zitat von ZettelWie will sie diese Zustimmung organisieren, wenn immer mehr Länder von Parteien regiert werden, die sich im Bundestag nicht über ihr Abstimmungsverhalten einigen können?
Wie wäre es mit Verhandlungen? Will sie das nicht, dann soll sie das vorschlagen einstellen.
Zitat von R.A.Doch - und der Senat ... Und siehe: Das funktioniert hervorragend.
Zitat von ZettelDer Senat, lieber R.A., ist keine dem Bundesrat vergleichbare Institution. Erstens, weil er nicht von den Staatsregierungen bestückt wird, sondern weil in ihm gewählte Repräsentanten sitzen. Zweitens, weil er nicht zur Vertretung von Länderinteressen da ist, sondern ein vollwertiges Gesetzgebungsorgan, das zB auch für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig ist.[(quote]
Und drittens ist Bremen nicht vertreten. Und viertens ist der Vizepräsident Vorsitzender und nicht der Vorsitzender Vizepräsident.
Mal ehrlich: der Senat ist genau die Entsprechung des Bundesrats, insbesondere da er die Vertretung der Interessen der Staaten ist. Daß er anders zusammengesetzt wird und wesentlich mächtiger ist, kann das nicht ändern.
[quote="Zettel"]Ich bin wie Sie ein überzeugter Föderalist. Aber ich halte nichts davon, daß die Länder in die Zuständigkeit des Bundes hineinregieren, so wie es auch umgekehrt nicht der Fall sein sollte.
Ehrlich gesagt habe ich von dieser föderalistischen Überzeugung bei Ihnen noch nichts gemerkt, lieber Zettel.
Die Länder regieren nicht ins Bundesangelegenheiten hinein, es sei denn das GG sieht es vor. Es gibt zu viele Mischzuständigkeiten und Zustimmungsgesetze sind das Resultat. Dies wäre dadurch zu lösen, daß der Bund - und er ist es, der sich tatsächlich einmischt - sich zurückzieht und beschränkt.
Zitat von ZettelMein Föderalismus führt zu der Konsequenz, daß möglichst viele Kompetenzen in die Zuständigkeit der Länder verlagert werden (Subsidiaritätsprinzip). Aber dort, wo sie beim Bund liegen, sollten die Länder möglichst wenig zu bestimmen haben. So ist es in den USA, und so funktioniert es dort.
Ja, nur welche Kompetenzen haben die Länder denn noch, wenn die Kanzlerdarstellerin Bildungsgipfel abhalten läßt?
Im übrigen ist die Frage der Zuständigkeiten eine ganze andere Frage. Darüber hat Herr Schäuble sich ja auch nicht geäußert, weil es ja seinen Interessen entgegenstehen würde.
Zitat von R.A.Wenn der Wille der Bundesregierung nicht geschieht, ist das noch lange keine Blockade. Wir haben inzwischen mehr Parteien - also gibt es auch mehr Situationen, wo mehr als zwei Parteien für einen Konsens gebraucht werden. Damit muß man als Demokrat umgehen.
Und selbst wenn es eine Blockade wäre, müßte man damit als Demokrat auch umgehen. Blockade ist ein Wort, die legitime Entscheidung anderer Willensträger zu delegitimieren. Sie können auch sagen, das deutsche Volk habe in dieser oder jener Wahl blockiert. Nur ist es das Recht der Wähler, dies zu tun. Und ebenso das Recht der Bundesratsmitglieder.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von Zettel Wie will sie diese Zustimmung organisieren, wenn immer mehr Länder von Parteien regiert werden, die sich im Bundestag nicht über ihr Abstimmungsverhalten einigen können?
Genau das finde ich momentan das interessante. Die Länder lösen sich ein wenig von der Bundesdominanz ihrer Parteizentralen.
Die einzelnen Ablehnungsgründe aller Enthalter/Nein-Sager sind mir nicht bekannt, aber allein, dass die Gleichung dass das Bundesland so abstimmt wie die jeweilige Bundestagsfraktion das vorgemacht hat (inkl. Enthaltung bei anderen Fraktionskonstellationen) nicht mehr aufgeht, empfinde ich als einen Demokratie-Zugewinn (auch wenn mich die Realität in Bezug z.B. auf Herrn Beck in RLP dann in 2 Sekunden wieder einholt )
Zitat von schritterDie Länder lösen sich ein wenig von der Bundesdominanz ihrer Parteizentralen. Die einzelnen Ablehnungsgründe aller Enthalter/Nein-Sager sind mir nicht bekannt, aber allein, dass die Gleichung dass das Bundesland so abstimmt wie die jeweilige Bundestagsfraktion das vorgemacht hat (inkl. Enthaltung bei anderen Fraktionskonstellationen) nicht mehr aufgeht, empfinde ich als einen Demokratie-Zugewinn (auch wenn mich die Realität in Bezug z.B. auf Herrn Beck in RLP dann in 2 Sekunden wieder einholt )
Wenn es so wäre, dann wäre auch mir das recht, lieber Schritter. Der Bundesrat ist ja eben - anders als der amerikanische Senat - nicht für Bundespolitik zuständig. Er soll die Interessen der Länder vertreten, sonst nichts. Im Grund müßten die Länder ganz unabhängig davon abstimmen, ob in Berlin Parteifreunde regieren oder die anderen.
Aber das ist ja nicht das, was jetzt droht. Gerade weil die Landesparteien sich an ihrer jeweiligen Berliner Zentrale orientieren, kommt es zu diesen Enthaltungen. Beispiel Verträge von Lissabon. Da haben die Kommunisten ja die Enthaltung des Landes Berlin nicht deshalb erzwungen, weil es um Interessen des Landes Berlin ging. Sondern sie sind als Kommunisten gegen diese Verträge, so wie sie überhaupt als Kommunisten gegen das vereinte Europa sind.
Zitat von schritterIch habe ein wenig Probleme mit dem Wort "unnatürliche Koalitionen". Wenn man sich anschaut, wer sich denn momentan alles der Stimme enthalten will oder noch unentschlossen ist, dann sind da CDU/SPD-Koalitionen (Sachsen, evtl. Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein), SPD-Alleinregierungen (Rheinland-Pfalz), CDU/Grüne (Hamburg), C?U/FDP (Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen), SPD und Linke (Berlin). Bislang ungewohnten Koalitionen sind da eindeutig in der Minderheit.
Das stimmt, lieber Schritter. Aber es geht ja bei Schäubles Vorstoß überhaupt nicht um diesen konkreten Fall. (Ich glaube gar nicht, daß es rein vom Verfahren möglich wäre, den Abstimmungsmodus so schnell zu ändern, daß er bereits auf die Abstimmung zum BKA-Gesetz anwendbar wäre). Der Zusammenhang wird allein von den gegnerischen Propagandisten hergestellt, die den Eindruck erwecken wollen, Schäuble versuche zu tricksen.
Zitat von schritterWenn es CDU und Grünen gelingt, zusammen einen Stadtstaat zu regieren (über den Erfolg kann man sich sicher streiten, aber der steht ja in Bezug auf Koalitionstreue nicht zur Debatte), dann scheint es mir nicht unnatürlich zu sein.
Gut, über das Wort kann man streiten. Ich habe es vor längerer Zeit einmal eingeführt, als ich allgemein etwas zur Entwicklung unseres Parteiensystems geschrieben habe. Was ich meine, habe ich ja zu erläutern versucht. Wenn Sie ein besseres Wort kennen, das einigermaßen griffig ist - her damit! Ich übernehme es dann vielleicht.
Zitat von schritterWas wäre denn gewonnen, wenn die Änderung durchginge (was nie der Fall sein wird, schliesslich braucht man dazu ja 46 Stimmen) und sich die Länderkoalitionspartner zukünftig darauf einigten, statt der Enthaltung mit einem Nein stimmen zu müssen, falls es zu keiner Einigkeit in der Länderkoalition kommt?
Nichts. Nur bezweifle ich, daß sie sich darauf einigen werden. Die Berliner Sozialdemokraten hätten dann zB bei den Lissabonner Verträgen so stimmen müssen, wie die Kommunisten es wollen. Die bayrische CSU müßte jetzt beim BKA so stimmen, wie die FDP das will. Auf Dauer läßt das kein großer Koalitionspartner mit sich machen.
Zitat von ZettelHm, lieber Gorgasal: Wenn die ihrerseits gewählten State Houses den Gouverneur wählen - was ist daran aristokratisch? Ist es nicht nur eine indirekte Wahl, wie auch die des Präsidenten via Wahlmänner? Oder wie die des Bundespräsidenten bei uns?
Gouverneur Wahrscheinlich ging es Ihnen noch immer um den Senat.
So ist es, das war ein Lapsus.
Zitat von GorgasalDas Gleichgewicht zwischen dem Repräsentantenhaus (direkte Wahl in Wahlkreisen, keine Listen, zwei Jahre Wahlperiode) und dem Senat (Wahl durch die Staaten, sechs Jahre Wahlperiode), das einen Ausgleich zwischen langfristigen Interessen des Gemeinwohls und einer demokratischen Verhinderung einer Oligarchie schaffen sollte, klingt in praktisch allen Schriften der Founding Fathers durch. (...)Und da passt eine Wahl der Senatoren durch die Staaten schon besser dazu als die direkte Wahl.
Ja, so stimme ich dem zu. Ich hatte Sie wohl mißverstanden. Dieser Aspekt der Langfristigkeit zeigt sich ja auch darin, daß das Anciennitätsprinzip gilt (Hillary Clinton zB wäre jetzt noch nicht dran für den Vorsitz eines großen Ausschusses); und die Wähler haben das verstanden, weil sie ja viele Senatoren immer wieder wählen.
Zitat von Zettel Das stimmt, lieber Schritter. Aber es geht ja bei Schäubles Vorstoß überhaupt nicht um diesen konkreten Fall. (Ich glaube gar nicht, daß es rein vom Verfahren möglich wäre, den Abstimmungsmodus so schnell zu ändern, daß er bereits auf die Abstimmung zum BKA-Gesetz anwendbar wäre). Der Zusammenhang wird allein von den gegnerischen Propagandisten hergestellt, die den Eindruck erwecken wollen, Schäuble versuche zu tricksen.
Warum dann aber dieser Vorstoss? Hat Herr Schäuble (bzw. seine Kollegen) dass in der ersten Föderalismuskommission nur vergessen? Da hätte das Thema meines Erachtens besser hingepasst, dort ging es um
In Antwort auf:Die Kommission soll insbesondere
* die Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder, * die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung und * die Finanzbeziehungen (insbesondere Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen) zwischen Bund und Ländern
Die Problemstellung ist ja nicht neu, die "Blockade"-Haltung der SPD in den Jahren vor 1998 dürfte damals beiden Parteien noch gut im Gedächtnis verankert gewesen sein.
Man könnte natürlich auch auf den Gedanken kommen, dass Herr Schäuble ganz allgemein über die schwindende Bedeutung der Volksparteien besorgt ist.
In Bayern sind sie zusammen auf 64% der Stimmen gekommen, in Bremen auf 62,5% in Niedersachsen auf 72,8% und in Hessen auf 73,5%. In Osdeutschland gibt es einige Länder, in denen sie zusammen gerade mal über die 50%-Marke kommen (Brandenburg 52,3% Sachsen 50,9%) über 60% kommen sie dort meines Wissens nirgends (jeweils das letzte Wahlergebnis, Prognosen schwanken da ja immer mal im zweistelligen Prozentbereich).
CDU/SPD haben 2005 ihr zweitschlechtestes Wahlergebnis der letzten 40 Jahre eingefahren (wenn man 1998 für die CDU rausnimmt, weil da einfach zuviele der langen Regierungszeit Kohls überdrüssig waren und 1990 für die SPD weil Lafontaine da zu viele Wahrheiten zugemutet hat, dann war es sogar das schlechteste).
Vorstösse in Richtung reines Verhältniswahlrecht gehen ja in eine ähnliche Richtung.
Zitat von Zettel Nichts. Nur bezweifle ich, daß sie sich darauf einigen werden. Die Berliner Sozialdemokraten hätten dann zB bei den Lissabonner Verträgen so stimmen müssen, wie die Kommunisten es wollen. Die bayrische CSU müßte jetzt beim BKA so stimmen, wie die FDP das will. Auf Dauer läßt das kein großer Koalitionspartner mit sich machen.
Faktisch haben sie das aber doch gemacht und tun es weiterhin. Um mal einen Altkanzler zu zitieren "wichtig ist, was hinten rauskommt". Momentan kommt eine Enthaltung einem Nein gleich, weil nur die Ja-Stimmen gezählt werden. Mag sein, dass es für das Ego eines Ministerpräsidenten besser ist, wenn er sich mit Enthaltung rausreden kann, aber das Ergebnis bleibt doch das gleiche.
Zitat von Zettel Das stimmt, lieber Schritter. Aber es geht ja bei Schäubles Vorstoß überhaupt nicht um diesen konkreten Fall. (Ich glaube gar nicht, daß es rein vom Verfahren möglich wäre, den Abstimmungsmodus so schnell zu ändern, daß er bereits auf die Abstimmung zum BKA-Gesetz anwendbar wäre). Der Zusammenhang wird allein von den gegnerischen Propagandisten hergestellt, die den Eindruck erwecken wollen, Schäuble versuche zu tricksen.
Warum dann aber dieser Vorstoss? Hat Herr Schäuble (bzw. seine Kollegen) dass in der ersten Föderalismuskommission nur vergessen?
Um das zu beantworten, müßte man den Text des Briefes kennen. So wie sich mir bei meinem lückenhaften Informationsstand die Sache darstellt, wollte jemand Schäuble in ein schlechtes Licht rücken und hat deshalb diesen Punkt aus dem Brief just zu dem Zeitpunkt unter die Journalisten gebracht, als es um die BKA-Abstimmung ging. Ich sehe, wie gesagt, keinen Zusammenhang. Die Abstimmung steht jetzt an, eine eventuelle Änderung würde doch logischerweise Monate brauchen.
Meines Erachtens hat da jemand ganz fies getrickst, und die Öffentlichkeit ist darauf hereingefallenund hat sich pflichtgemäß empört.
Zitat von schritterMan könnte natürlich auch auf den Gedanken kommen, dass Herr Schäuble ganz allgemein über die schwindende Bedeutung der Volksparteien besorgt ist.
Was mich angeht, lieber Schritter (ich schreibe das fast seit Bestehen von ZR), gibt es Grund zu der Besorgnis, daß wir auf Verhältnisse nicht nur wie in der Weimarer Republik, sondern auch wie in der italienischen Nachkriegsrepublik und der französischen Vierten Republik zusteuern: Weder die demokratische Rechte noch die demokratische Linke hat eine Mehrheit. Es müssen also entweder unnatürliche Koalitionen gebildet werden, die instabil sind, oder man muß Extremisten in die Regierung aufnehmen.
Daß wir in der Bundesrepublik trotz des Verhälniswahlrechts bisher zwei große Volksparteien hatten, ist ein Glücksfall, aber auch ein historischer Zufall. Damit ist es vorbei, und damit könnte es sehr gut auch mit sechzig Jahren Stabilität vorbei sein.
Das ist es, was mir Sorgen macht. Und ich vermute, es ist auch das, was Schäuble Sorgen macht.
jetzt muß ich mal schauen, wie ich die verschiedenen Diskussionspunkte wieder vernünftig sortiert bekomme ...
In Antwort auf:Die einfache Mehrheit sehe ich nicht als eine technische. Es ist eine echte, positive Mehrheit. Sie gilt ja auch bei den Abstimmungen im Bundestag.
Grundsätzlich stimme ich da ja zu. Natürlich ist eine einfache Mehrheit gültig, und jede der hier diskutierten Verfahren und Quoren ist demokratisch (und damit ist der größte Teil der Kritik an Schäuble überzogen).
Trotzdem halte ich es für problematisch, wenn "Mehrheiten" nicht auf Basis überwiegender Zustimmung zustande kommen, sondern nur relativ wegen Enthaltungen. Ein Abstimmungsergebnis von 5:3 bei 60 Enthaltungen mag gültig sein, aber wenn das zu häufig und zu krass vorkommt, verliert ein so beschließendes Gremium massiv an Legitimität.
Und gerade beim Bundesrat sehe ich besonders die Gefahr eines solchen Legitimitätsverlusts, daher befürworte ich die derzeitige Regelung, die eine wirkliche Zustimmung verlangt.
In Antwort auf:Ich könnte mir denken, daß man davon ausging, daß eine Regierung nur als Einheit handeln kann.
So habe ich das immer verstanden. Es stimmen eben nicht diverse Vertreter ab, die aus dem Land X kommen. Sondern da tritt eine Delegation auf, die die Meinung des Landes X vertritt - und zwar die von der Regierung festgestellte, davon dürfen die Bundesratsmitglieder m. W. nicht abweichen.
In Antwort auf:Aber wenn die sich Enthaltenden das nicht wollen, dann können sie ja mit nein stimmen.
Eben - und das würden sie dann auch machen, wenn Schäubles Vorschlag durchginge. Das ärgert mich besonders an solchen Ideen: Sie tragen wegen ihrer leichten Umgehbarkeit überhaupt nicht zur Problemlösung bei (wenn man denn überhaupt ein Problem sieht), sondern da wird rumgeschraubt, nur um etwas gemacht zu haben. Bei Schäuble leider ein häufiges Phänomen.
In Antwort auf:Wie will sie diese Zustimmung organisieren, wenn immer mehr Länder von Parteien regiert werden, die sich im Bundestag nicht über ihr Abstimmungsverhalten einigen können?
Durch Verhandeln. Ein "Vogel friß' oder stirb" ist eben nicht legitim und nicht sinnvoll. Eben weil man eben mit Ländern verhandelt, und nicht mit Einzeldelegierten, sind solche Verhandlungen ja auch meist erfolgreich. Wenn natürlich grundsätzlich Gesprächsbereitschaft besteht.
Und diese Möglichkeit sehe ich heute angesichts der vielen verschiedenen Konstellationen viel eher als früher. Da stimme ich schritter zu: Wir sehen in Relation zu früher eine gewisse Emanzipation der Länder von den Bundesparteizentralen. Das begrüße ich sehr.
Denn die wirklichen Blockaden gab es doch eher früher, als z. B. ein Lafontaine eine Richtung vorgab, der alle SPD-Länder blind folgen mußten, ohne daß es eben die Möglichkeit gab, mit einzelnen Ländern zu verhandeln. Die Blockadegefahr ist durch die bunte Länderlandschaft kleiner geworden, nicht größer.
In Antwort auf:Aber ich halte nichts davon, daß die Länder in die Zuständigkeit des Bundes hineinregieren, so wie es auch umgekehrt nicht der Fall sein sollte.
Da sind wir uns ja völlig einig. Aber das findet ja auch überhaupt nicht statt. Bei Zuständigkeit des Bundes entscheidet der Bund alleine - ohne den Bundesrat auch nur mitdiskutieren zu lassen.
Der Bundesrat kommt nur ins Spiel, wenn sich der Bund in Länderkompetenzen einmischt. Was leider trotz Föderalismusreform immer stärker der Fall ist.
Echte Mischzuständigkeiten gibt es ja recht wenige - im wesentlichen wird der Bundesrat dann eingeschaltet, wenn der Bund sich wieder einmal in Bereiche einmischt, die eigentlich Ländersache sein sollten.
Zitat:Daß wir in der Bundesrepublik trotz des Verhälniswahlrechts bisher zwei große Volksparteien hatten, ist ein Glücksfall,/quote] Wenn ich so sehe, wie diese beiden "Volksparteien" in ihrem Populismuswettlauf unser Land heruntergewirtschaftet haben, möchte ich nicht von "Glücksfall" reden.
Eine Gefährdung für die demokratische Stabilität sehe ich nur in der Ausbreitung der Extremisten (und da haben die "Volksparteien" ein gerütteltes Maß an Mitschuld). Ansonsten sehe ich aber wenig Probleme darin, daß sich die Demokraten auf mehr als zwei oder drei Parteien aufteilen. Im Gegenteil: Gerade weil dann mehr Koalitionen möglich sind (bzw. sein sollten, wenn man sich an diesen Zustand gewöhnt hat), kann ein Parlament die Existenz von Extremisten eher verkraften und bleibt trotzdem handlungsfähig. Die beiden großen Tanker sind da eher störend, weil sie nie von ihrem Dominanzanspruch runtergehen.
Insofern sehe ich auch das Beispiel Weimar völlig entgegengesetzt: Die Vielfalt an demokratischen Parteien war nicht das Problem - die haben auch gut zusammengearbeitet. Das Problem war alleine, daß die Extremisten irgendwann die Mehrheit hatten.
Umgekehrt zeigen Länder wie Dänemark, Schweiz, Holland und weitere, daß ein Mehrparteiensystem sehr gut funktionieren kann.
Zitat von ZettelDer Bundesrat ist ja eben - anders als der amerikanische Senat - nicht für Bundespolitik zuständig.
Quatsch. Über den Bundesrat wirken die Länder an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von R.A.jetzt muß ich mal schauen, wie ich die verschiedenen Diskussionspunkte wieder vernünftig sortiert bekomme ...
Gute Idee. Aber gar nicht so einfach, denn zum Teil drehen wir uns, glaube ich, a bisserl im Kreise.
Ich gehe deshalb auf die Punkte, zu denen ich so halbwegs meine Meinung schon gesagt habe, jetzt nicht mehr ein.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:Wie will sie diese Zustimmung organisieren, wenn immer mehr Länder von Parteien regiert werden, die sich im Bundestag nicht über ihr Abstimmungsverhalten einigen können?
Durch Verhandeln. Ein "Vogel friß' oder stirb" ist eben nicht legitim und nicht sinnvoll. Eben weil man eben mit Ländern verhandelt, und nicht mit Einzeldelegierten, sind solche Verhandlungen ja auch meist erfolgreich. Wenn natürlich grundsätzlich Gesprächsbereitschaft besteht.
Mit Kommunisten kann man aber nicht verhandeln. Sie sind nicht an einer Lösung in der Sache interessiert, sondern überlegen nur, was ihnen taktisch nützt. Wenn es ihnen nützt, werden sie jede Kröte geradezu gierig verschlingen; siehe ihre Zustimmung zum Stellenabbau im Öffentlichen Dienst in Berlin. Wenn nicht, wird man sie mit noch so guten Argumenten keinen Millimeter bewegen können.
Gut, es geht nicht nur um Volksfront-Regierungen, sondern auch um unnatürliche Koalitionen. Aber auch da sehe ich nicht, was es zu verhandeln gibt, wenn eine Landesregierung sich intern nicht einig werden konnte. Meist geht es ja um symbolische Themen wie jetzt das BKA. Oder, wenn die Grünen beteiligt sind, Umwelt oder Frieden. Da ist nichts zu verhandeln, weil die Parteien festgelegt sind.
Zitat von R.A.Die Blockadegefahr ist durch die bunte Länderlandschaft kleiner geworden, nicht größer.
Sie ist anders geworden, würde ich sagen. Früher konnte, wie Sie sagen, ein Oskar Lafontaine seine Truppen kommandieren. Eine aktive Blockade. Künftig werden sich immer mehr Landesregierungen bei immer mehr Themen der Stimme enthalten. Nicht, um zu blockieren wie Oskar, sondern weil sie sich nicht einigen können. Der Effekt ist aber derselbe: Es gibt für Gesetze keine Mehrheit.
Wenn man die Entwürfe ändert, dann hilft das auch nix, denn dann paßt das Gesetz, das zuvor der Regierungspartner A ablehnte, jetzt dem Regierungspartner B nicht.
Zitat von R.A.Der Bundesrat kommt nur ins Spiel, wenn sich der Bund in Länderkompetenzen einmischt. Was leider trotz Föderalismusreform immer stärker der Fall ist. Echte Mischzuständigkeiten gibt es ja recht wenige - im wesentlichen wird der Bundesrat dann eingeschaltet, wenn der Bund sich wieder einmal in Bereiche einmischt, die eigentlich Ländersache sein sollten.
Da sind wir, lieber R.A., wieder einmal beieinander.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:Daß wir in der Bundesrepublik trotz des Verhälniswahlrechts bisher zwei große Volksparteien hatten, ist ein Glücksfall,
Wenn ich so sehe, wie diese beiden "Volksparteien" in ihrem Populismuswettlauf unser Land heruntergewirtschaftet haben, möchte ich nicht von "Glücksfall" reden.
Sie sind aber, lieber R.A., doch die am wenigsten populistischen, die Volksparteien. Wirklich populistisch sind die Grünen, die in klassischer populistischer Manier ihre Klientel bedienen, koste es was es wolle. Klassisch populistisch sind die Linken. Je mehr diese Parteien in den Ländern mitregieren, umso mehr Populismus wird auch in den Bundesrat getragen.
Zitat von R.A.Eine Gefährdung für die demokratische Stabilität sehe ich nur in der Ausbreitung der Extremisten (und da haben die "Volksparteien" ein gerütteltes Maß an Mitschuld).
Die SPD ja, die CDU nein. Jedenfalls kann ich das nicht erkennen. Es sind ja auch nur die Linksextremisten, die sich ausbreiten. Rechts dümpelt die NPD; die anderen gibt es ja kaum noch.
Und jetzt, lieber R.A., das, was meines Erachtens das wirklich Interessante ist:
Zitat von R.A.Ansonsten sehe ich aber wenig Probleme darin, daß sich die Demokraten auf mehr als zwei oder drei Parteien aufteilen. Im Gegenteil: Gerade weil dann mehr Koalitionen möglich sind (bzw. sein sollten, wenn man sich an diesen Zustand gewöhnt hat), kann ein Parlament die Existenz von Extremisten eher verkraften und bleibt trotzdem handlungsfähig. Die beiden großen Tanker sind da eher störend, weil sie nie von ihrem Dominanzanspruch runtergehen.
Ich würde Ihnen völlig zustimmen, wenn wir ein Präsidialsystem hätten. Wenn es eine starke Regierung gäbe wie in Frankreich oder den USA, vom direkt gewählten Präsidenten berufen, dann möge diese sich ihre Mehrheiten suchen. Das US-System wäre auch stabil, wenn es mehr als zwei Parteien gäbe.
Zitat von R.A.Insofern sehe ich auch das Beispiel Weimar völlig entgegengesetzt: Die Vielfalt an demokratischen Parteien war nicht das Problem - die haben auch gut zusammengearbeitet.
Weil sie mußten, lieber R.A. Und sie haben so gut zusammengearbeitet, daß sie das Opponieren im wesentlichen den Extremisten überlassen haben (zu denen die DNVP zumindest in Teilen gehörte).
Das ist es ja genau, was ich kritisiere: Es gibt in einem System ohne zwei starke Volksparteien, die einander im Regieren ablosen, keine regierungsfähige Opposition.
Das war nicht nur in Weimar so. Es war exakt so in der italienischen Nachkriegsrepublik, wo die DC durchregierte, vom Anfang bis zu ihrem Zerfall. Das war in der französischen Vierten Republik so, wo die Radikalsozialisten und die S.F.I.O. (die Vorgängerin der heutigen PS) an so gut wie jeder Regierung beteiligt waren.
Es war lange Zeit auch in Skandinavien so, wo die Sozialdemokraten erst allein regierten, dann oft geduldet von den Kommunisten. Gab es mal eine "bürgerliche" Episode, dann war die von kurzer Dauer, weil die kleinen Parteien uneins waren.
Auch das in Holland das Regieren funktioniert, kann ich wahrlich nicht finden, lieber R.A. Oder nehmen Sie Israel - da haben Sie das ganze Elend eines Vielparteiensystems.
Zitat von R.A.Umgekehrt zeigen Länder wie Dänemark, Schweiz, Holland und weitere, daß ein Mehrparteiensystem sehr gut funktionieren kann.
Die Schweiz ist mit ihrem Konsensprinzip ein Sonderfall. Holland s.o. Zu Dänemark kann ich nichts sagen, weil ich die aktuellen Verhältnisse nicht kenne. Früher war es wie Schweden und Norwegen ein permanent sozialdemokratisch regiertes Land.
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