Wolfgang Schäuble ist ein weitblickender Mann. Und er ist ein Mann, der sich Sorgen um die Funktionsfähigkeit unseres demokratischen Rechtsstaats macht. Deshalb sein Vorstoß zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrats.
Die nachgerade hysterische Reaktion darauf scheint mir nur mit einer Meckerecke angemessen kommentiert zu sein.
Exakt. Da hat Frau Künast etwas nicht verstanden oder versucht mit Verleumdungen Politik zu machen. In beiden Fällen ist sie untragbar.
Haben Sie bei der Überschrift eigentlich an ein Interview gedacht, das Giovanni di Lorenzo mit Helmut Schmid führte? Ich erinnere mich an eine Passage darin. GdL erwidert einen Vorschlag Schmidts mit den Worten "Das klingt aber reichlich neoliberal". Darauf zieht zieht Schmidt genüßlich an seiner Zigarette, atmet in Ruhe aus und sagt dann "Ich finde, es klingt vernünftig."
Zitat von ZettelUnd er ist ein Mann, der sich Sorgen um die Funktionsfähigkeit unseres demokratischen Rechtsstaats macht.
Das glaube ich unbesehen, allerdings etwas weniger Sorgen täten es auch. Mittlerweile macht sich Schäuble soviele Sorgen, dass es mir Sorgen bereitet und ich dann jedesmal das Bundesverfassungsgericht in mein fiktives Nachtgebet einschließe, damit die Sorgen Schäubles etwas entkernt werden und auf zulässiges Normalmaß zurückgeführt werden.
Hysterie gehört allerdings auch zur Show und Frau Künast wäre blöde, wenn sie nicht auf diese wunderschöne Vorlage zur Motivation ihrer Klientel eingehen würde; es sind ja bald Wahlen.
Tatsächlich ist das Abstimmungsgeklüngel im Bundesrat schon etwas Seltsames, allerdings liegt das weniger an den Enthaltungen, die das GG gar nicht vorsieht, sondern es gibt den kleinen Koalitionspartnern eine größere Macht als ihnen durch den Wähler verliehen wurde, eine Sperrminorität mit wenig mehr als 5% der Wählerstimmen. Es handelt sich aber um Koalitionspartner und die sollten sich ja schon einigen können, ob sie zum Wohl des Landes einer zustimmungspflichtigen Gesetzesvorlage zustimmen oder sie ablehnen. Nur ist die einfache Mehrheit aus meiner Sicht eben nicht ausreichend, zumal diese ermöglichen könnte, dass der Bundesrat mit vier Stimmen einem Gesetz zustimmen kann, bei drei Gegenstimmen und 52 Enthaltungen. Das kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein. Wirklich vernünftig ist Schäubles Vorschlag nicht und er wird auch nicht die Chance auf Blockaden reduzieren, da Landtagswahlen sehr schnell die Machtverhältnisse zu Ungusten einer regierenden Koalition verändern können. Es könnte natürlich sein, dass Schäuble auf die große Koalition als Dauereinrichtung spekuliert, dann hätte sein Vorschlag etwas Sinn.
Zitat von C.Hysterie gehört allerdings auch zur Show und Frau Künast wäre blöde, wenn sie nicht auf diese wunderschöne Vorlage zur Motivation ihrer Klientel eingehen würde; es sind ja bald Wahlen.
Dieses Geschäft allerdings verstehen die Linken eindeutig besser als Schäuble und Co. Für den Artikel habe ich die deutsche Presse a bisserl durchgesehen - kaum eine sachliche Diskussion des Vorschlags; dafür überall breite Berichterstattung über die Kritiker. Ohne daß oft klar würde, was diese eigentlich kritisieren, entsteht wieder einmal in der Öffentlichkeit der Eindruck: Da will der Polizeiminister die Axt an die Wurzeln der Demokratie legen.
Wir haben ja kürzlich darüber diskutiert, warum inzwischen viele Deutsche denken, wir lebten "nicht in einer Demokratie". Mich wundert das nicht, angesichts eines seit Jahrzehnten andauernden publizistischen Trommelfeuers dieser Art. Gramsci darf sich freuen, wo immer er jetzt sitzt - - : Die Erringung der kulturellen Hegemonie als Voraussetzung für den Sozialismus macht beste Fortschritt.
Zitat von C.Tatsächlich ist das Abstimmungsgeklüngel im Bundesrat schon etwas Seltsames, allerdings liegt das weniger an den Enthaltungen, die das GG gar nicht vorsieht, sondern es gibt den kleinen Koalitionspartnern eine größere Macht als ihnen durch den Wähler verliehen wurde, eine Sperrminorität mit wenig mehr als 5% der Wählerstimmen.
Das war so lange kein Problem, wie der Regelfall war, daß ein Land entweder von der demokratischen Linken oder der demokratischen Rechten regiert wurde; na gut, von den "Bürgerlichen". Denn da war man sich in der Regel einig, wie man im Bundesrat abstimmen würde.
Es gab Perioden, in denen die Bundes-Opposition die Mehrheit im Bundersrat hatte. Das hat zu Phasen der Stagnation geführt, wie in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, als Lafontaine jede Reform blockierte. Aber das waren eben Perioden; und schließlich hatte der Wähler es so gewollt.
Wenn aber jetzt im Zug der innenpolitischen Veränderungen, die ich hier immer wieder mit einer nachgerade Schäuble'schen Besorgnis beschrieben habe, es zum Regelfall wird, daß weder Union/FDP noch SPD/Grüne eine Mehrheit in einem Bundesland haben, dann wird es auch zum Regelfall werden, daß die jeweilige Regierungskoalition keine Mehrheit im Bundesrat hat.
Das wird so sein, solange die Enthaltungen aller Regierungen, die entweder von der Volksfront oder weder rechts noch links regiert werden, als "nein"-Stimmen gezählt werden. Das hat Schäuble erkannt, und er hat auch dan Mut, zumindeste den Versuch zu machen, etwas dagegen zu tun.
Zitat von C.Nur ist die einfache Mehrheit aus meiner Sicht eben nicht ausreichend, zumal diese ermöglichen könnte, dass der Bundesrat mit vier Stimmen einem Gesetz zustimmen kann, bei drei Gegenstimmen und 52 Enthaltungen.
Der Bundestag kann das auch. Jeder Kaninchenzüchterverein kann es. Wer sich enthält, der schließt sich aus dem Entscheidungsprozeß aus.
Übrigens kommt das in den USA besser zum Ausdruck als bei uns mit dem Wort "Enthaltung". Dort heißt es "to vote present". Der Betreffende meldet, daß er anwesend ist. Und eben nicht mit abstimmt. Obama war als Senator besonders eifrig in dieser Art von Verhalten.
Zitat von dirkHaben Sie bei der Überschrift eigentlich an ein Interview gedacht, das Giovanni di Lorenzo mit Helmut Schmid führte? Ich erinnere mich an eine Passage darin. GdL erwidert einen Vorschlag Schmidts mit den Worten "Das klingt aber reichlich neoliberal". Darauf zieht zieht Schmidt genüßlich an seiner Zigarette, atmet in Ruhe aus und sagt dann "Ich finde, es klingt vernünftig."
Ich erinnere mich an die Passage, lieber Dirk. Bewußt gedacht habe ich daran nicht, aber es mag schon im Hinterkopf gespukt haben. Kryptomnesie also vielleicht.
Eine weitere Option: Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG streichen. Und das Problem hat sich erledigt. Dann soll das betreffende Land halt uneinheitlich abstimmen; so what? Wenn die Wähler im Landtag eine Mehrheit installieren, die sich in der Frage nicht einigen kann, dürfen die konträren Meinungen in der Landesregierung m.E. durchaus im Bundesrat zum Ausdruck kommen.
Entweder das, oder wie von Schäuble vorgeschlagen Entscheidung durch Mehrheit der abgegebenen Stimmen, oder, ganz drastisch, Reform des Bundesrats in Richtung auf das amerikanische Modell: Entkopplung von der Landtagskoalition durch zwei direkt gewählte Bundesräte pro Land.
Alles denkbar, alles zu diskutieren; so wie es ist, sollte es aus den dargestellten Gründen nicht bleiben. Frau Künast ist Volljuristin. Sie weiß das also ganz gut.
Zitat von ZettelDie nachgerade hysterische Reaktion...
Zitat von dirkDa hat Frau Künast etwas nicht verstanden...
Wenn sie sich äußert wie berichtet, dann ist das keinesfalls der Unkenntnis oder der Hysterie geschuldet. Das sind doch wohl auch eher die Markenzeichen ihrer Parteigenossin Roth. Frau Künast ist als Grüne zwar sicherlich in vielen politischen Irrtümern befangen, hat sich aber als Person doch bislang eigentlich mehr kühl und sachkundig denn emotional derangiert dargestellt. Dann aber erscheinen solche Äußerungen als pure heuchlerische Demagogie und der Versuch, mit markigen Sprüchen Ahnungslose zu übertölpeln. So etwas löst bei mir heftigste Politikerverdrossenheit aus.
Frau Künast übertreibt natürlich, aber das ist bei ihr ja auch so üblich. Die Frau lebt ja in hysterischen Höhen.
Aber was will Herr Schäuble?
Das Vernünftige an sich gibt es ohnehin nicht und daher kann es auch keiner wollen.
Was er will ist, die Abstimmungsregeln so zu verändern, daß er das gewünschte Ergebnis erhält - wir hatten das schon mal mit dem Bundesratspräsidenten Wowereit. Und hier liegt das Problem. Man daher Schäuble zurecht "machtgeil" nennen - daß er nicht ganz mit dem Grundgesetz konform ist, ist ja schon länger ersichtlich (sein Pendant Frau Zypries aber noch viel weniger).
Da hilft es auch nicht wieder die Vokabel "blockieren" auszugraben. Das ist typisch liberal-progressivistischer Jargon, der immer die Veränderung bejubelt und jene, die sie aufhalten wollen als generell illegitim, Vernunfts- und Volksfeinde betrachten und ihnen die Mitsprache entziehen wollen. "Blockieren" ist nämlich auch mitregieren.
Prinzipiell gibt es keine unnatürlichen Koalitionen - und wer sich auf einen Koalitionsvertrag einigen kann, wird ja auch sich auf Abstimmungsverhalten einigen können. Schäubles Vorschlag zielt aber auf anderes ab, auf Ausschluß jener Ländern.
Mal abgesehen davon, hat sich Herr Schäuble - Bundesminister - nicht um die Geschäftsordnung des Bundesrats (ist es wirklich nur die Geschäftsordnung?) zu kümmern. Sollte hier wirklich "das Vernünftige" betroffen sein, dann ist es Sache des Bundesrats "dem Vernünftigen" zum Durchbruch zu verhelfen.
Aber das Gerede von "dem das Vernünftigen" übersieht wie üblich die Besonderheiten und meint ein angeblich allgemeingültiges Prinzip auf alle Bereiche auszudehnen. Das Gerede übersieht, daß es sich beim Bundesrat nicht um ein Parlament handelt, in dem jeder eine Stimme hat, über die er frei verfügt, sondern um die Vertretung der Länder, die die Bundesrepublik ausmachen und man daher nicht einige einfach ausschließen kann.
Daß "die Kommunisten" irgendwo an der Regierung sind (sie sind es nicht mehr als die letzten paar Jahre auch) tut da nichts zur Sache. Es gibt auch Regierungen unter FDP-Beteiligung was nie schön ist. Aber das ist eine Folge der Demokratie und das letzte was wir brauchen ist eine Diktatur des "Vernünftigen". Rousseau läßt grüßen!
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von C.Tatsächlich ist das Abstimmungsgeklüngel im Bundesrat schon etwas Seltsames, allerdings liegt das weniger an den Enthaltungen, die das GG gar nicht vorsieht, sondern es gibt den kleinen Koalitionspartnern eine größere Macht als ihnen durch den Wähler verliehen wurde, eine Sperrminorität mit wenig mehr als 5% der Wählerstimmen.
Das war so lange kein Problem, wie der Regelfall war, daß ein Land entweder von der demokratischen Linken oder der demokratischen Rechten regiert wurde; na gut, von den "Bürgerlichen". Denn da war man sich in der Regel einig, wie man im Bundesrat abstimmen würde.
Ich übersetze mal kurz: das "Geklüngel" war kein Problem solange die FDP die Bedinungen setzte und damit ihre Politik durchsetzen konnte.
Also geht es nicht: entweder Sie haben ein Problem mit Geklüngel oder nicht!
Und immer kann man sagen: "und schließlich hatte der Wähler es so gewollt."
In Antwort auf:daß weder Union/FDP noch SPD/Grüne eine Mehrheit in einem Bundesland haben, dann wird es auch zum Regelfall werden, daß die jeweilige Regierungskoalition keine Mehrheit im Bundesrat hat.
Ja und? Ich halte das vielmehr für einen Fortschritt, daß die starren Block- und Parteilinien aufgebrochen werden. Die Skandalisierung des ganzen halte ich wiederum für skandalös.
In Antwort auf:Der Bundestag kann das auch. Jeder Kaninchenzüchterverein kann es. Wer sich enthält, der schließt sich aus dem Entscheidungsprozeß aus.
Sie ignorieren das Problem: am Ende könnte wirklich Rheinlandpfalz gegen Bremen ein Entscheidung durchbringen! Der Rest der Republik guckt in die Röhre!
Ihr und Schäubles Grundproblem ist: das Gesetzgebungsverfahren bevorzugt den status quo gegenüber Veränderungsvorschlägen. Und das ist auch gut so!
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Wenn ich das richig sehe, lieber Zettel, ist die "Sonderregel" des Bundesrates im GG niedergeschrieben.
Die Frage, wie mit Enthaltungen umgegangen wird, ist ein Detail der Demokratie, welches immer in stritigen Momenten interessant wird. "Die Mehrheit entscheidet" ist der demokratische Grundsatz, aber die Probleme fangen an, wenn bestimmt werden muss, was die Mehrheit ist.
Die Mehrheit der Sitze. Die Mehrheit der Anwesenden. Die Mehrheit der "ja" Stimmen? Muss eine Mindestzahl an Abgeorndeten oder Stimmen anwesend sein, um Beschlussfähig zu sein?
Natürlich kann an diesen Parametern im Bundesrat geschraubt werden. Aber ich halte es für falsch, das aus der Situation und mit der Intention des Herrn Schäubles zu machen. Eine Reform des Bundesrates sollte in Richtung "Checks and Balances" gehen und verschiedene, konträre Interessen zum Ausgleich bringen. In der derzeitigen Form kommen im Bundesrat ja auch wieder parteipolitische Interessen zum Zug.
Zitat von DagnyWenn ich das richig sehe, lieber Zettel, ist die "Sonderregel" des Bundesrates im GG niedergeschrieben.
Stimmt. In Artikel 52, Absatz 3. Aber deshalb ist es doch eine Sonderregelung. Üblicherweise fassen Parlamente und parlamentarische Gremien ihre Beschlüsse nicht mit der Mehrheit ihrer Mitglieder (absolute Mehrheit), sondern mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheit).
Eine andere Ausnahme ist zB die Wahl des Bundeskanzlers, allerdings selbst da nur in den beiden ersten Wahlgängen. Im dritten Wahlgang kann der Kanzler mit einfacher Mehrheit gewählt werden; allerdings muß der Präsident ihn dann nicht ernennen. Selbst der Bundespräsident seinerseits kann ab den dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt werden, wenn ich mich nicht irre.
Zitat von DagnyDie Frage, wie mit Enthaltungen umgegangen wird, ist ein Detail der Demokratie, welches immer in stritigen Momenten interessant wird. "Die Mehrheit entscheidet" ist der demokratische Grundsatz, aber die Probleme fangen an, wenn bestimmt werden muss, was die Mehrheit ist.
Stimmt. Aber es ist eben absurd, eine dieser möglichen Varianten - noch dazu die standardmäßige - als Abschaffung der Demokratie usw. zu bezeichnen.
Zitat von DagnyNatürlich kann an diesen Parametern im Bundesrat geschraubt werden. Aber ich halte es für falsch, das aus der Situation und mit der Intention des Herrn Schäubles zu machen.
Warum? Seine Situation ist die des Innenministers, der für solche Fragen zuständig ist. Seine Intention hat er meines Wissens bisher nicht bekanntgegeben.
Worin ich seine Intention sehe, habe ich, liebe Dagny, geschrieben: Weil er ständige Blockaden fürchtet, wenn Volksfront - und unnatürliche Koalitionen sich häufen.
Es wird ihm unterstellt, es gehe ihm um das BKA-Gesetz. Ich sehe nicht den geringsten Hinweis darauf, daß das stimmt. Es ist aus der Luft gegriffen. Eher scheint mir plausibel, daß man den Brief just deshalb an die Öffentlichkeit lanciert hat, um diese Unterstellung zu verbreiten.
Zitat von Dagny Eine Reform des Bundesrates sollte in Richtung "Checks and Balances" gehen und verschiedene, konträre Interessen zum Ausgleich bringen.
In den USA gibt es keine vergleichbare Institution. (Der Senat ist es nicht, weil er ja nicht die Interessenvertretung der Staaten ist). Im UK meines Wissens auch nicht. In Frankreich gibt es nichts dergleichen, auch nicht seit der Einführung eines bescheidenen Föderalismus.
Würde der Bundesrat wirklich Länderinteressen vertreten, wie er es einmal getan hat, dann wäre ja alles OK. Aber er ist zunehmend zu einem Instrument der jeweiligen Oppostion geworden, die Regierung zu blockieren. Das hat aus meiner Sicht nichts mit Checks and Balances zu tun. Es ist eine Fehlentwicklung. Und wenn diese Blockade durch das Abstimmungsverfahren auch noch begünstigt wird, dann ist etwas falsch am System.
Es dürfte recht schwer werden, die wenigen Stimmen eines Landes im Bundesrat gerecht aufzuteilen. Ich finde es nach wie vor richtig, dass die Mehrheit im Bundesrat einer Vorlage zustimmen muss. Denn enthalten können sich im Grunde nur natürliche Personen: aufgrund einer Gewissensentscheidung, aus Desinteresse oder aus Opportunismus. Wenn sich ein Bundesland enthält, dann ist es nicht für die Vorlage.
Zitat von stefanolixEs dürfte recht schwer werden, die wenigen Stimmen eines Landes im Bundesrat gerecht aufzuteilen. Ich finde es nach wie vor richtig, dass die Mehrheit im Bundesrat einer Vorlage zustimmen muss. Denn enthalten können sich im Grunde nur natürliche Personen: aufgrund einer Gewissensentscheidung, aus Desinteresse oder aus Opportunismus. Wenn sich ein Bundesland enthält, dann ist es nicht für die Vorlage.
Es ist aber auch nicht dagegen, lieber Stefanolix. Sie sprechen ein interessantes Problem an: Was ist eigentlich das Wesen einer Enthaltung; warum enthält man sich?
Ich würde keines der drei Motive, die Sie nennen, als den häufigsten Fall vermuten. Aus meiner eigenen Erfahrung vermute ich:
Man enthält sich erstens, wenn man das, worüber abgestimmt wird, für teils richtig und teils falsch hält. Man ist vielleicht im Prinzip dafür, aber irgendeine Bestimmung stört einen so sehr, daß man nicht zustimmen will.
Zweitens kann es sein, daß man die Abstimmung für verfrüht, den Text für noch nicht ausgereift usw. hält.
Drittens - ein häufiger Fall - man hat ein Motiv zuzustimmen und ein anderes Motiv, das nicht zu tun. Man möchte zB nicht gegen seine Partei stimmen, kann aber dem Text inhaltlich nicht zustimmen. Oder umgekehrt.
Außerhalb des im engeren Sinn Politischen spielt auch oft eine Rolle, daß man sich kein Urteil zutraut.
Vermutlich gibt es noch andere Motive, aber das sind diejenigen, die mir als erste einfallen.
Im Bundesrat ist es aber anders, jedenfalls in dem jetzt diskutierten Fall. Da ist die Enthaltung einfach der Ausdruck einer Unfähigkeit, sich zu entscheiden. Die eine Koalitionspartei will ja sagen, die andere nein.
Das betreffende Land klinkt sich mit dieser Unfähigkeit, am Entscheidungsprozeß mitzuwirken, aus diesem aus. Seine Stimme kann nicht als "nein"-Stimme gezählt werden, denn ein Teil der dortigen Koalition wollte ja zustimmen. Sie kann überhaupt nicht gezählt werden. Ob der Bundesrat zustimmt, kann nur von denjenigen entschieden werden, die in der Lage sind, am Entscheidungsprozeß teilzunehmen.
Zitat von Zettel Es ist aber auch nicht dagegen, lieber Stefanolix. Sie sprechen ein interessantes Problem an: Was ist eigentlich das Wesen einer Enthaltung; warum enthält man sich?
Eine Enthaltung ist meines Erachtens manchmal eine Frage der Höflichkeit. Es ist keine Zustimmung aber auch keine (eventuell unhöfliche) Ablehnung. Eine Enthaltung hat den Geist von "Nicht an der Abstimmung teilgenommen", manchmal auch etwas arrogantes "ich stehe über den Dingen, findet Ihr mal bitte eine Mehrheit".
Die Koalitionen verhalten sich aus Höflichkeit so, dass sie eine Enthaltung vereinbaren. Sie können sich ja auch auf "Nein" einigen, im Falle einer Uneinigkeit. Das Schäuble-Problem würde weiterbestehen.
In der Diskussion beim A-Team habe ich auch darauf hingewiesen, dass beim aktuellen System die Länderexektive und die Bundeslegislative miteinander verschränkt sind. Warum ist der Bundesrat so wie er ist? Ein Relikt aus dem Kaiserreich und Ständestaat? In den USA wurden übrigens die Senatoren anfangs nicht direkt gewählt. Warum sollte sich der Bundesrat nicht ebenfalls weiterentwickeln?
Was sie aber nicht illegitim oder unvernünftig macht. Ganz im Gegenteil, weil es eine Sonderregelung ist, ist sie umso mehr gegen die Angriffe des "üblicherweise" zu verteidgen.
Sie hat eben ihren Grund darin, daß es sich nicht um ein Parlement handelt sondern um die Vertreter der deutschen Länder - eine einfache Mehrheit könnte eben leicht zur Majorisierung durch einzelne führen.
In Antwort auf:Eine andere Ausnahme ist zB die Wahl des Bundeskanzlers, allerdings selbst da nur in den beiden ersten Wahlgängen.
Nur geht es hier um eine Wahl, die alle vier Jahre getroffenen werden muß. Eine solche Notwendigkeit ein Gesetz durch den Bundesrat zu bringen gibt es dagegen nicht!
In Antwort auf:
Zitat von DagnyDie Frage, wie mit Enthaltungen umgegangen wird, ist ein Detail der Demokratie, welches immer in stritigen Momenten interessant wird. "Die Mehrheit entscheidet" ist der demokratische Grundsatz, aber die Probleme fangen an, wenn bestimmt werden muss, was die Mehrheit ist.
Stimmt. Aber es ist eben absurd, eine dieser möglichen Varianten - noch dazu die standardmäßige - als Abschaffung der Demokratie usw. zu bezeichnen.
Ja, per se nicht. Aber wenn Schäuble es tut um die ihm sonst verschlossenen Mehrheiten doch noch zu erreichen, dann ist es ein Problem. Da hilft auch die Volksfrontkeule nicht.
In Antwort auf:Warum? Seine Situation ist die des Innenministers, der für solche Fragen zuständig ist.
Es gehört nicht zu den Amtspflichten des Innenministers stündlich Verfassungsänderungen auszubrüten. Grade jemand wie Schäuble sollte davon besser die Finger lassen.
In Antwort auf:Seine Intention hat er meines Wissens bisher nicht bekanntgegeben.
Hat er nicht. Aber es ist nur zu deutlich. Wollen wir wirklich naiv sein? Dann hat sicherlich auch Rußland wirklich nur Russen in Georgien schützen wollen!
<blockquote><font size="1">Zitat von Dagny Eine Reform des Bundesrates sollte in Richtung "Checks and Balances" gehen und verschiedene, konträre Interessen zum Ausgleich bringen.
In Antwort auf:In den USA gibt es keine vergleichbare Institution. (Der Senat ist es nicht, weil er ja nicht die Interessenvertretung der Staaten ist).
Der amerikanische Senat ist sehr wohl die Interessensvertretung der Staaten. Genau das ist seine Augabe und nichts anders. Ein anderer Zusammensetzungsmodus (der so auch noch keine 100 Jahre gilt) ändert das nicht.
In Antwort auf:Im UK meines Wissens auch nicht. In Frankreich gibt es nichts dergleichen, auch nicht seit der Einführung eines bescheidenen Föderalismus.
Nein, weil beide Länder keine föderalistischen Staaten sind. Großbritannien hat gewissen Dezentralisierungen vorgenommen (die Westminster aber jederzeit zurückholen könnte) und in Frankreich von Föderalismus zu reden ist absurd.
In Antwort auf:Würde der Bundesrat wirklich Länderinteressen vertreten, wie er es einmal getan hat, dann wäre ja alles OK. Aber er ist zunehmend zu einem Instrument der jeweiligen Oppostion geworden, die Regierung zu blockieren. Das hat aus meiner Sicht nichts mit Checks and Balances zu tun.
Es ist einzig und allein Sache der Länder und deren Regierungen über ihre Interessen zu entscheiden. Nicht die des Herrn Schäuble, dem es ja auch nicht um Länderinteressen geht sondern um seine eigenen. Der Bundesrat ist aber kein Schäublebeglückungsinstrument.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von ZettelDas betreffende Land klinkt sich mit dieser Unfähigkeit, am Entscheidungsprozeß mitzuwirken, aus diesem aus. Seine Stimme kann nicht als "nein"-Stimme gezählt werden, denn ein Teil der dortigen Koalition wollte ja zustimmen. Sie kann überhaupt nicht gezählt werden. Ob der Bundesrat zustimmt, kann nur von denjenigen entschieden werden, die in der Lage sind, am Entscheidungsprozeß teilzunehmen.
Das betreffende Land nimmt am Entscheidungsprozeß teil, nur halt in einer bestimmten Weise. Sie jedoch versuchen, dies für illegitim zu erklären bzw. nehmen die Schäuble-Idee schon vorweg indem Sie behaupten, die Stimmabgabe könne nicht gezählt werden. Jahrzehnte von gezählten Enthaltungen widerlegen Sie. Ob der Bundesrat zustimmt hat nur der Bundesrat zu entscheiden, nicht eine Teilmenge davon.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von DagnyWarum sollte sich der Bundesrat nicht ebenfalls weiterentwickeln?
Warum sollte er? Unsere Verfassung ist gut wie sie ist bzw. wie sie ursprünglich konzipiert war. Leider wurde vieles schon verschlimmbessert, sei es durch Verfassungsänderungen, sei es durch problematische Gerichtsurteile.
"Relikt" ist kein Argument.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von DagnyEine Enthaltung ist meines Erachtens manchmal eine Frage der Höflichkeit. Es ist keine Zustimmung aber auch keine (eventuell unhöfliche) Ablehnung. Eine Enthaltung hat den Geist von "Nicht an der Abstimmung teilgenommen", manchmal auch etwas arrogantes "ich stehe über den Dingen, findet Ihr mal bitte eine Mehrheit".
Ja, stimmt, das ist eine weitere Möglichkeit. Das gehört oft auch in den weiteren Bereich der Loyalität. Man stimmt nicht mit seiner Gruppe überein, möchte aber deshalb nicht gegen sie stimmen. Ein Professor zum Beispiel, der den Berufungsvorschlag aus der Gruppe der Professoren nicht mittragen kann, der aber nicht gegen seine Kollegen stimmen möchte.
Zitat von DagnyDie Koalitionen verhalten sich aus Höflichkeit so, dass sie eine Enthaltung vereinbaren. Sie können sich ja auch auf "Nein" einigen, im Falle einer Uneinigkeit. Das Schäuble-Problem würde weiterbestehen.
In diesem Fall, liebe Dagny, würde ich vielleicht nicht von Höflichkeit sprechen. Würde man mit "nein" stimmen, obwohl eine (die vielleicht größere) Koalitionspartei mit "ja" stimmen möchte, dann würde diese ja desavouiert werden. Die Enthaltung hilft es beiden, das Gesicht zu wahren.
Zitat von DagnyWarum ist der Bundesrat so wie er ist? Ein Relikt aus dem Kaiserreich und Ständestaat?
Aus dem Kaiserreich sicherlich, schon aus dem Norddeutschen Bund. Es war - soweit ich das verstehe, vielleicht kann R.A. Genaueres sagen - ein Organ, in dem die nichtpreußischen Bundesstaaten gegen das übermächtige Preußen ein gewisses Eigengewicht haben sollten. Da dort die von den Fürsten eingesetzten Regierungen vertreten waren, war er wohl zugleich auch ein Gegengewicht gegen den vom Volk gewählten Reichstag.
Zitat von Dagny In den USA wurden übrigens die Senatoren anfangs nicht direkt gewählt. Warum sollte sich der Bundesrat nicht ebenfalls weiterentwickeln?
Das mit den Senatoren hatte ich nicht gewußt oder vergessen. Es könnte allerdings auch an den Verkehrsverhältnissen im 18. Jahrhundert gelegen haben. Wie hätten die Kandidaten sich direkt allen ihren Wählern vorstellen sollen?
Zitat von DagnyIn den USA wurden übrigens die Senatoren anfangs nicht direkt gewählt. Warum sollte sich der Bundesrat nicht ebenfalls weiterentwickeln?
Das mit den Senatoren hatte ich nicht gewußt oder vergessen. Es könnte allerdings auch an den Verkehrsverhältnissen im 18. Jahrhundert gelegen haben. Wie hätten die Kandidaten sich direkt allen ihren Wählern vorstellen sollen?
Das war wohl kaum das Argument der amerikanischen Verfassungsväter, die Repräsentanten wurden ja auch von Anfang an vom Volk gewählt (soweit wahlberechtigt). Die Bestimmung des Senats durch die Legislative der Bundesstaaten war eher Ausdruck der checks and balances: dem Volk und der möglichen Ochlokratie sollten aristokratische Elemente entgegenstehen. Die Founding Fathers hatten noch genug klassische Bildung, um kein völlig unbegrenztes Vertrauen in die Demokratie zu haben.
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El cristiano no tiene nada que perder en una catástrofe. - Nicolás Gómez Dávila
Zitat von stefanolixEs dürfte recht schwer werden, die wenigen Stimmen eines Landes im Bundesrat gerecht aufzuteilen.
Das wäre das geringste Problem. Denn genau diese Verteilung ist gängige Praxis und gehört zum jeweiligen Koalitionsvertrag. Jedes Land hat ja mehrere Vertreter (das müssen Mitglieder der jeweiligen Landesregierung sein!) - und die werden bei Koalitionsregierungen auch von mehreren Regierungsparteien gestellt.
Der Knackpunkt ist eben, daß diese verschiedenen Vertreter einheitlich abstimmen müssen - ansonsten ist die Stimme des Landes ungültig.
In Antwort auf:Ich finde es nach wie vor richtig, dass die Mehrheit im Bundesrat einer Vorlage zustimmen muss.
Sehe ich auch so. Ein Gesetz braucht eine echte, positive Mehrheit - nicht nur eine technische.
Zitat von ZettelÜblicherweise fassen Parlamente und parlamentarische Gremien ihre Beschlüsse nicht mit der Mehrheit ihrer Mitglieder (absolute Mehrheit), sondern mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheit).
Das hat aber im wesentlichen rein praktische Gründe: So kann man Beschlüsse fassen, auch wenn nur ein Teil der Abgeordneten da ist. Und das ist dann unproblematisch, wenn die Mehrheitsverhältnisse klar sind und die Entscheidungen so fallen, wie sie auch bei absoluter Mehrheit fallen würden.
Grundsätzlich wäre es auch im Bundestag sinnvoll, wenn Beschlüsse wirklich eine echte Mehrheit hinter sich haben. Ein Gesetz, daß wirklich nur 30 Leute hinter sich hat (bei 20 Nein-Stimmen und 550 Enthaltungen/Abwesenheiten) wäre in seiner Legitimation unzureichend.
Da beim Bundesrat eigentlich immer alle Stimmberechtigten da sind, sollte es auch eine klare Mehrheit geben, damit eine Maßnahme beschlossen wird.
In Antwort auf:Stimmt. Aber es ist eben absurd, eine dieser möglichen Varianten - noch dazu die standardmäßige - als Abschaffung der Demokratie usw. zu bezeichnen.
Da stimme ich im Prinzip zu - die Diskussion über den Schäuble-Vorschlag überzieht da.
Aber der Vorschlag ist eben nicht gleichbedeutend damit, einfach nur ein Standardvorgehen zu implementieren. Denn Schäuble will nur die Wertung ändern, nicht die übrigen Vorschriften (z. B. über Einheitlichkeit der Stimmabgabe eines Landes). De facto drohen uns dann wirklich Fälle, wo Thüringen gegen Bremen entscheidet - bei Enthaltung des Rests. Und das wäre demokratisch schon sehr problematisch.
In Antwort auf:Seine Situation ist die des Innenministers, der für solche Fragen zuständig ist.
Für den Bundesrat ist er nicht zuständig. Ich würde jetzt auch nicht nur aufs BKA-Gesetz schauen. Aber ich sehe hier einen Bundesminister, der möglichst ungestört durch Ländereinwände durchregieren will. Und genau das lehne ich als Föderalist ab. Wenn die Bundesregierung es nicht schafft, für ihre Politik die nötige Zustimmung zu organisieren, kommen ihre Gesetzeswünsche eben nicht durch.
In Antwort auf:Weil er ständige Blockaden fürchtet, wenn Volksfront - und unnatürliche Koalitionen sich häufen.
Wenn der Wille der Bundesregierung nicht geschieht, ist das noch lange keine Blockade. Wir haben inzwischen mehr Parteien - also gibt es auch mehr Situationen, wo mehr als zwei Parteien für einen Konsens gebraucht werden. Damit muß man als Demokrat umgehen.
In Antwort auf:In den USA gibt es keine vergleichbare Institution.
Doch - und der Senat ist bei ALLEN Gesetzen dabei, nicht nur bei manchen wie der Bundesrat. Und das führt in der Praxis dazu, daß überraschend wenig Gesetze beschlossen werden. Die meisten Entwürfe scheitern daran, daß sich die beiden Häuser nicht einigen können.
Und siehe: Das funktioniert hervorragend. Neue Gesetze gibt es nur, wenn eine klare Mehrheit sie für nötig hält.
Während bei uns für jede Kleinigkeit und oft überstürzt, den Tagesmeldungen folgend, neue Gesetze durchgepeitscht werden. Insgesamt viel zu viele, viele davon viel zu schlecht, viele davon in den Details hanebüchen und praxisfremd.
Ich habe nicht das mindeste Interesse, die Hürden für das Gesetzemachen noch weiter zu senken.
Ich habe ein wenig Probleme mit dem Wort "unnatürliche Koalitionen".
Wenn man sich anschaut, wer sich denn momentan alles der Stimme enthalten will oder noch unentschlossen ist, dann sind da CDU/SPD-Koalitionen (Sachsen, evtl. Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein), SPD-Alleinregierungen (Rheinland-Pfalz), CDU/Grüne (Hamburg), C?U/FDP (Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen), SPD und Linke (Berlin). Bislang ungewohnten Koalitionen sind da eindeutig in der Minderheit.
Wenn es CDU und Grünen gelingt, zusammen einen Stadtstaat zu regieren (über den Erfolg kann man sich sicher streiten, aber der steht ja in Bezug auf Koalitionstreue nicht zur Debatte), dann scheint es mir nicht unnatürlich zu sein. Sollen halt die jeweils Grossen in den Länderkoalitionen den Koalitionsvertrag entsprechend formulieren. Wenn dann keiner mehr mit ihnen regieren will ...
Was wäre denn gewonnen, wenn die Änderung durchginge (was nie der Fall sein wird, schliesslich braucht man dazu ja 46 Stimmen) und sich die Länderkoalitionspartner zukünftig darauf einigten, statt der Enthaltung mit einem Nein stimmen zu müssen, falls es zu keiner Einigkeit in der Länderkoalition kommt?
Ich finde die Reaktionen auf den Vorstoss auch übertrieben, allerdings ist der Zeitpunkt schon sehr auffällig gewählt und es kommt der Verdacht auf, dass sich da jemand einfach passende Mehrheiten schnitzen will. Die "Blockade" hatten wir in den letzten 15 Jahren desöfteren, meistens war es damals dann die andere "Volks"-partei, die über den Bundesrat Politik machen wollte, aber was hat sich grundlegend geändert, ausser das die Koalitionsmöglichkeiten mittlerweile vielfältiger sind (7 Konstellationen habe ich aktuell gezählt, früher waren es nur 4). Der Themenbereich hätte eigentlich in die erste Föderalismuskommission gehört, da habe ich von Herrn Schäuble bzw. der CDU aber nie ein Wort gehört (gut, damals war die CDU in der Opposition und hätte sich selbst des Mittels der "Blockade" durch den Bundesrat beraubt).
Zitat von DagnyIn den USA wurden übrigens die Senatoren anfangs nicht direkt gewählt. Warum sollte sich der Bundesrat nicht ebenfalls weiterentwickeln?
Das mit den Senatoren hatte ich nicht gewußt oder vergessen. Es könnte allerdings auch an den Verkehrsverhältnissen im 18. Jahrhundert gelegen haben. Wie hätten die Kandidaten sich direkt allen ihren Wählern vorstellen sollen?
Das war wohl kaum das Argument der amerikanischen Verfassungsväter, die Repräsentanten wurden ja auch von Anfang an vom Volk gewählt (soweit wahlberechtigt).
Allerdings waren und sind deren Wahlbezirke erheblich kleiner als ein ganzer Staat.
Zitat von Gorgasal Die Bestimmung des Senats durch die Legislative der Bundesstaaten war eher Ausdruck der checks and balances: dem Volk und der möglichen Ochlokratie sollten aristokratische Elemente entgegenstehen. Die Founding Fathers hatten noch genug klassische Bildung, um kein völlig unbegrenztes Vertrauen in die Demokratie zu haben.
Hm, lieber Gorgasal: Wenn die ihrerseits gewählten State Houses den Gouverneur wählen - was ist daran aristokratisch? Ist es nicht nur eine indirekte Wahl, wie auch die des Präsidenten via Wahlmänner? Oder wie die des Bundespräsidenten bei uns?
Diese letztere verdanken wir ja Weimar. Die Väter des Grundgesetzes wollten wohl vermeiden, daß ein neuer Hindenburg gewählt wird. Insgesamt wollte man das Amt des Bundespräsidenten mit weniger Macht ausstatten, als der Reichspräsident gehabt hatte. Direktwahl hätte mehr Legitimation, also mehr Macht bedeutet.
Zitat von R.A.Der Knackpunkt ist eben, daß diese verschiedenen Vertreter einheitlich abstimmen müssen - ansonsten ist die Stimme des Landes ungültig.
Man müßte, lieber R.A., herauszufinden versuchen, welche Überlegungen hinter dieser Regelung steckten, wie auch hinter dem Abstimmungsmodus. Ich könnte mir denken, daß man davon ausging, daß eine Regierung nur als Einheit handeln kann. Auch bei sonstigen Entscheidungen kann der eine Minister nicht hü sagen und der andere hott. In der Exekutive gibt es keine Mehrheit und Minderheit, es wird beraten und dann entschieden.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:Ich finde es nach wie vor richtig, dass die Mehrheit im Bundesrat einer Vorlage zustimmen muss.
Sehe ich auch so. Ein Gesetz braucht eine echte, positive Mehrheit - nicht nur eine technische.
Die einfache Mehrheit sehe ich nicht als eine technische. Es ist eine echte, positive Mehrheit. Sie gilt ja auch bei den Abstimmungen im Bundestag.
Wer nicht mit abstimmt, dessen Votum kann nicht gezählt werden. Und eine Enthaltung ist eben nicht irgendetwas zwischen ja und nein, sondern sie ist die Entscheidung, gar nicht abzustimmen. To vote present, das ist es eben.
Zitat von ZettelHm, lieber Gorgasal: Wenn die ihrerseits gewählten State Houses den Gouverneur wählen - was ist daran aristokratisch? Ist es nicht nur eine indirekte Wahl, wie auch die des Präsidenten via Wahlmänner? Oder wie die des Bundespräsidenten bei uns?
Gouverneur
Wahrscheinlich ging es Ihnen noch immer um den Senat. Natürlich ist das "mehrstufige" Verfahren nicht per se aristokratisch, da habe ich wohl auch kein besonders glückliches Wort getroffen. Nichtsdestoweniger entfernt ein indirektes Verfahren den Senat weiter vom "Pöbel" als ein direktes. Wahlmänner, die de facto (nicht de jure) wie bei der Wahl des US-Präsidenten an das imperative Mandat gebunden sind und obendrein nur für diese eine Abstimmung gewählt werden, sind dann letztlich auch kein zweistufiges Verfahren.
Das Gleichgewicht zwischen dem Repräsentantenhaus (direkte Wahl in Wahlkreisen, keine Listen, zwei Jahre Wahlperiode) und dem Senat (Wahl durch die Staaten, sechs Jahre Wahlperiode), das einen Ausgleich zwischen langfristigen Interessen des Gemeinwohls und einer demokratischen Verhinderung einer Oligarchie schaffen sollte, klingt in praktisch allen Schriften der Founding Fathers durch.
Zitat von WikipediaThe United States Senate, named after the ancient Roman Senate, was designed as a more deliberative body than the House of Representatives. Edmund Randolph called for its members to be "less than the House of Commons... to restrain, if possible, the fury of democracy." According to James Madison, "The use of the Senate is to consist in proceeding with more coolness, with more system, and with more wisdom, than the popular branch." ...
Many of the Founding Fathers greatly admired the British government. ... In the minds of many of the Founding Fathers, the Senate would be an American kind of House of Lords. John Dickinson said the Senate should "consist of the most distinguished characters, distinguished for their rank in life and their weight of property, and bearing as strong a likeness to the British House of Lords as possible."
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