Noch einmal ein Thema, das mit dem Schulmassaker von Winnenden zusammenhängt. Aber es gehört doch sozusagen in eine andere Rubrik, nämlich die Rubrik "Freiheit".
Ich bin seit langem der Meinung, und schreibe das ja auch immer wieder, daß unsere Freiheit heute nicht primär von der klassischen, konservativen Obrigkeit bedroht wird, sondern von den Gutwilligen, die uns vor allen Risiken des Lebens bewahren wollen.
Diese Meckerecke befaßt sich mit einem eklatanten Beispiel.
Die "Gutwilligen, die uns vor den Risiken des Lebens bewahren wollen", wie Sie so trefflich schreiben, bereiten auch mir immer größere Sorge. Die merkwürdige Haltung, anderen die eigenen Vorstellungen aufzuzwingen, habe ich nie so recht begreifen können. Wie Sie in Ihrem Tagebucheintrag ebenfalls betonen, sind die Gutwilligen nämlich nicht immer auch Nachdenkenswillige, denn dann müsste ihnen auffallen, dass noch nicht einmal die Internierung in Gefängnissen und Lagern entschlossene Menschen davon abhalten kann, sich Waffen zu besorgen, wie etwa die Geschichte des KZ Buchenwald oder die des Hochsicherheitstrakts zu Stammheim zeigt. Der seltsamen und für mich nicht nachvollziehbaren, aber offenbar weit verbreiteten Lust, seine Mitmenschen zu bevormunden, zu gängeln und zu schulmeistern, kommt ein Geschehen wie dem in Winnenden offenbar sehr entgegen. Besonders leicht geht nach meiner (allerdings sehr eingeschränkten) Erfahrung die Forderung nach schärfsten Kontrollen der Schützenvereine denjenigen über die Lippen, die noch nie eine Waffe in der Hand gehabt haben und von der Freude, eine anvisierte Zielscheibe tatsächlich im Zentrum zu treffen, nichts wissen. Analoges gilt im übrigen auch für die sogenannten "Killerspiele". "Was mich nicht interessiert, braucht auch niemanden anders zu interessieren", scheinen sie zu denken. Vielleicht sollten wir uns im Gegenzug dafür stark machen, Angelvereinen ihre Fanggeräte zu entziehen, denn das Ziel ihrer angeblich so friedlichen und beschaulichen Mitglieder besteht bekanntlich darin, lebendige Gottesgeschöpfe auf besonders heimtückische und qualvolle Weise um die Ecke zu bringen. Und möglicherweise lernt man dort auch, Menschen zu ködern, sie an der Angel zappeln zu lassen und Fischzüge an der Börse zu unternehmen.
Pentas
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gelöscht
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14.03.2009 10:37
#3 RE: Zettels Meckerecke: "Entwaffung" der Schützenvereine!
Zitat von GrafeMir hat gerade erst ein Sportschütze erzählt, dass in der DDR, zumindest in den Amateurvereinen, keine tödlichen Sportpistolen erlaubt waren. In diesen Schützenvereinen habe es damals nur Kleinkaliberwaffen gegeben.
Aha. Warum hatte dann der Amokläufer am Virginia Tech unter anderem eine Kleinkaliberpistole zum Töten dabei?
ich stimme mit ihren Ausführungen und auch mit denen Friedel B.'s absolut überein. Diese Verbieteritis und Regelungswut (noch in Verbindung mit einem Aufruf zum Rechtsbruch) ist kennzeichnender Wesenszug aller GutmenschInnen. In anderen Blogs würde ich dies mit kräftigerer Wortwahl ablehnen, hier nenne ich's mal "unschön".
Zu ihrem Zitat aus ZR:
"Was Grafe verschweigt, das ist die Existenz der paramilitärischen "Gesellschaft für Sport und Technik", der Millionen von DDR- Bürgern mehr oder weniger freiwillig angehörten, und in der selbstverständlich Schießsport mit scharfen Waffen betrieben wurde."
möchte ich aber anmerken, dass in der GST meines Wissens nach tatsächlich nur mit Kleinkalibern geschossen wurde. Echt paramilitärisch bewaffnet waren allerdings die Kampfgruppen der Betriebe ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kampfgruppen ). Dort wurde man allerdings nicht Mitglied um, wie ich z.B. in der GST, billig seinen Führerschein zu machen, sondern um seine "Karriere" anzuschieben, bzw aus Spaß am Militärischen.
Zum Amoklauf des Tim K. an sich und der anschließenden, aufgeregten "Ursachenforschung" von Medien und GutmenschInnen ist, wie bei vorhergehenden Fällen, wieder einmal anzumerken: Dass ein Individuum einfach mal individuell austickt, und dies nicht einfach durch Stereotype im Leben junger Menschen (Heavy Metal, wahlweise Gangstarap, Ego-shooter, Horror- und Actionfilme, Papa ist Sportschütze) zu erklären ist, darauf kommen die Guties nicht. Ein Mensch als Individuum, welches nicht "volkserziehbar" ist, kommt in dieser Denke einfach nicht vor ... zur Not müssen's halt Verbote tun. Eine demokratische Mehrheit, um einer Minderheit was zu verbieten wird sich schon finden ... die mediale Macht dazu haben die Guties ja inzwischen leider. Nur, bringen wird's nix. Wie schon angesprochen, findet ein entschlossener Mensch immer Mittel und Wege...
Zitat von Calimeromöchte ich aber anmerken, dass in der GST meines Wissens nach tatsächlich nur mit Kleinkalibern geschossen wurde.
Vielen Dank für den Hinweis, lieber Calimero. Ich habe den Artikel jetzt in diesem Punkt präzisiert, so daß deutlich wird, daß - siehe auch den Beitrag von Pentas - ja auch Kleinkaliberwaffen tödliche Waffen sind. Grafe bringt das in dem Zitat durcheinander.
Übrigens bin ich, als ich eben zum Schießsport in der GST recherchiert habe, auf eine interessante Site gestoßen: Nostalgiker aus der NVA, hier Fallschirmjäger, plaudern über die guten alten Zeiten.
Dort habe ich erfahren, daß es sogar eine Kalaschnikow-MP in Kleinkaliber-Ausführung gab.
Lieber Zettel! Ihren Ausführungen kann ich - leider - nur wieder mal beipflichten. Was ich noch anmerken möchte: Es geht meist auch darum, "etwas getan zu haben". Nach dem Motto: Wenn's nicht hilft, so schadet es zumindest nicht. Überspitzt formuliert: Verböte man "Killerspiele" und es gäbe dennoch solche Bluttaten, würde man als Nächstes einfach Sportvereine verbieten. Zeigte auch dies keinen Erfolg, dann eben ... usw. Offenbar sind wir Menschen nicht dafür geschaffen, die Luft der Freiheit zu atmen, sondern brauchen strikte Gesetze, Vorgaben und Vorschriften, nach denen wir uns zu richten haben. Anders kann ich mir das derzeitige Klima nicht erklären. Statt die erkämpften Freiheiten zu verteidigen oder sogar auszuweiten, schränken wir uns willfährig ein. Im konkreten Fall spielt natürlich die Vorliebe für einfache Lösungen komplexer Probleme mit. Interessant ist natürlich, dass das, was stets als "rechter Populismus" diffamiert wird, für die "Linken" nie gilt. Sprich: Populismus ist dann böse, wenn er von der rechten Seite kommt.
Hi Calimero, die Kampfgruppen der Betriebe sind mit der Begründung eingerichtet worden, Aggressoren von außerhalb abzuwehren. In Wirklichkeit sollten sie das sichtbare Zeichen gegen etwaige Unruhen im Betrieb sein. Und wenn man alle anderen Maßnahmen zum Schutz des Sozialismus hinzuzählt, kommt man wohl zu der Annahme, daß eine gewaltige Angst vor der Angst bestanden hat. Gruß, Inger
Im Rückblick war es einfach Wahnsinn, wie bei der GST das Interesse der Jugendlichen an Technik und Sport missbraucht wurde (viele Jungen interessierten sich ja einfach nur für Motorradfahren oder Geländesport, das Interesse an der kostengünstig zu erhaltenden »Fahrerlaubnis« kam hinzu). Die SED hat das Interesse an Sport und Technik in ihrer Propaganda in ein Bekenntnis zu NVA und DDR-Staat umgemünzt.
Aber einen Unterschied gibt es (nach meiner Beobachtung) zwischen der GST und den heutigen Schützenvereinen: Die Waffen lagen ausschließlich in der Waffenkammer, die Munition wurde immer wieder nachgezählt und es kam wirklich sehr selten zu Unregelmäßigkeiten oder gar zum Verlust einer Waffe. Persönliche Anmerkung: Ich war an der Berufsschule mit 18 Jahren formell für ein Jahr in der GST, weil ich beruflich einen LKW-Führerschein brauchte, aber ich habe in der GST nicht geschossen und keinen Wehrsport betrieben.
Aus meiner persönlichen Sicht ist es nicht notwendig, dass Leute zu Hause ein Dutzend Waffen und reichlich Munition herumliegen haben. Zwischen dem Gewehr eines Schweizer Reservisten und dem Waffenarsenal bei den Eltern des Amokläufers besteht wirklich ein qualitativer und quantitativer Unterschied. Das Gewehr ist offiziell zur Heimatverteidigung bestimmt und es hat sich rund um diese Waffen eine gewisse »Sicherheitskultur« entwickelt. Ich will aus meiner persönlichen Sicht natürlich kein Gesetz ableiten und will den Schützen auch nicht ihr Hobby schlechtreden. Aber ich fände es schon beruhigend, wenn Sportschützen ihre Waffen bevorzugt im Verein in einer sicheren Waffenkammer lagern und instandhalten würden.
Als Ergänzung zu dem Artikel über die "Entwaffnung der Schützenvereine" eine Marginalie, die zeigt, daß selbst ein solcher radikaler Eingriff in die Freiheit der Bürger ein Schulmassaker keineswegs verhindern würde.
Wer zum Morden entschlossen ist, der findet immer einen Weg, sich auch eine Waffe zu beschaffen.
Zitat von Friedel B.Der seltsamen und für mich nicht nachvollziehbaren, aber offenbar weit verbreiteten Lust, seine Mitmenschen zu bevormunden, zu gängeln und zu schulmeistern, kommt ein Geschehen wie dem in Winnenden offenbar sehr entgegen.
Ja, lieber Friedel B., diese Lust ist wohl etwas sehr Altes, sehr tief Verwurzeltes. Sie ist die Machtausübung der Intellektuellen.
Der König, der Häuptling setzen sich kraft ihrer Stärke, ihrer Brutalität vielleicht auch, durch. Dem Intellektuellen bleibt nur die Moral. Der Priester, der Prophet, der Medizinmann, der Schamane können, wenn sie es geschickt anstellen, nicht weniger mächtig sein als der politische Führer. Sie müssen es nur fertigbringen, über das Gewissen der Menschen zu regieren. Ihnen einzureden, daß sie Übles tun, daß sie schlecht sind, daß in ständiger Gefahr der Sünde sind.
Es sei denn, sie unterwerfen sich dem Priester, dem Propheten. Heute dem warnenden Klimatologen, Grünen oder eben allgemein dem Schützer, der uns vor allen Risiken des Lebens bewahren will.
Zitat von Friedel B.Besonders leicht geht nach meiner (allerdings sehr eingeschränkten) Erfahrung die Forderung nach schärfsten Kontrollen der Schützenvereine denjenigen über die Lippen, die noch nie eine Waffe in der Hand gehabt haben und von der Freude, eine anvisierte Zielscheibe tatsächlich im Zentrum zu treffen, nichts wissen. Analoges gilt im übrigen auch für die sogenannten "Killerspiele". "Was mich nicht interessiert, braucht auch niemanden anders zu interessieren", scheinen sie zu denken.
Ja, das ist wohl ein Grundprinzip. Diejenigen beispielsweise, die vehement für sexuelle Freiheit kämpfen, sofern es um ihre eigene Spielart der Sexualität geht, zeigen oft sehr restriktive Neigungen, wenn es um andere Spielarten geht. Es gibt Leute, die es gut finden, wenn Autonome Gewalt ausüben, die aber kein Verständnis für die Gewalt von Neonazis haben.
Zitat von Friedel B.Vielleicht sollten wir uns im Gegenzug dafür stark machen, Angelvereinen ihre Fanggeräte zu entziehen, denn das Ziel ihrer angeblich so friedlichen und beschaulichen Mitglieder besteht bekanntlich darin, lebendige Gottesgeschöpfe auf besonders heimtückische und qualvolle Weise um die Ecke zu bringen. Und möglicherweise lernt man dort auch, Menschen zu ködern, sie an der Angel zappeln zu lassen und Fischzüge an der Börse zu unternehmen.
Das wäre immerhin ein Anfang, lieber Friedel B.
Man sollte aber auch an die Hobbyköche denken (Gift in Nahrungsmitteln!), an die Hundevereine (Kampfhunde!), die Taubenzüchter (Vogelgrippe!) und nicht zuletzt die Kirchen (falsche Propheten!).
Zitat von RainerOffenbar sind wir Menschen nicht dafür geschaffen, die Luft der Freiheit zu atmen, sondern brauchen strikte Gesetze, Vorgaben und Vorschriften, nach denen wir uns zu richten haben. Anders kann ich mir das derzeitige Klima nicht erklären. Statt die erkämpften Freiheiten zu verteidigen oder sogar auszuweiten, schränken wir uns willfährig ein.
Ganz so pessimistisch bin ich nicht, lieber Rainer. Es geht um kulturelle Dominanz. Diejenigen, die vom Moralisieren, vom Gängeln, vom Verbieten profitieren, sehen jedes solches Ereignis als eine Chance, ihre Position zu stärken.
Im Netz gibt es ja viele Liberale wie uns, die das kritisieren. Wo sind aber eigentlich die politischen Liberalen, wo ist die FDP? Ich habe nicht gelesen, daß jemand aus der FDP für die Freiheit der Sportschützen eingetreten wäre. Daß jemand allgemein gegen diese Tendenz, aus Anlaß eines solchen Ereígnisses die Bürgerfreiheiten weiter einzuschränken, aufgetreten wäre.
Falls ich da etwas übersehen habe, wäre ich für Hinweise dankbar.
Zitat von RainerInteressant ist natürlich, dass das, was stets als "rechter Populismus" diffamiert wird, für die "Linken" nie gilt. Sprich: Populismus ist dann böse, wenn er von der rechten Seite kommt.
So ist es. Und ja nicht nur bei solchen Dingen. Leute wie Lafontaine, Blüm und Sodann verbreiten schlimmste Stammtischparolen. Wer gegen "die da oben" vom Leder zieht, der findet selten Tadel, meist Beifall. Wer dasselbe beispielsweise gegen "die Ausländer" tut, wird (zu Recht) gebrandmarkt.
Zitat von stefanolixIm Rückblick war es einfach Wahnsinn, wie bei der GST das Interesse der Jugendlichen an Technik und Sport missbraucht wurde (viele Jungen interessierten sich ja einfach nur für Motorradfahren oder Geländesport, das Interesse an der kostengünstig zu erhaltenden »Fahrerlaubnis« kam hinzu). Die SED hat das Interesse an Sport und Technik in ihrer Propaganda in ein Bekenntnis zu NVA und DDR-Staat umgemünzt.
Und zugleich, wenn ich das als Wessi richtig sehe, eine vormilitärische Ausbildung betrieben, die ja nicht nur der NVA einiges an Ausbildung ersparte, sondern die auch den "Wehrgeist" wecken und stärken sollte. Man führte die jungen Leute an das Soldatische heran, das sie von einer besonders positiven Seite - eben Sport, Technik usw. - kennenlernten.
Zitat von stefanolixAus meiner persönlichen Sicht ist es nicht notwendig, dass Leute zu Hause ein Dutzend Waffen und reichlich Munition herumliegen haben. Zwischen dem Gewehr eines Schweizer Reservisten und dem Waffenarsenal bei den Eltern des Amokläufers besteht wirklich ein qualitativer und quantitativer Unterschied. Das Gewehr ist offiziell zur Heimatverteidigung bestimmt und es hat sich rund um diese Waffen eine gewisse »Sicherheitskultur« entwickelt.
Aber ein Sohn könnte doch ebenso wie Tim Kretschmer sich die Waffe beschaffen und ein Blutbad anrichten? Oder der Sohn eines der mehrere Millionen Jäger in Frankreich?
Zitat von stefanolixIch will aus meiner persönlichen Sicht natürlich kein Gesetz ableiten und will den Schützen auch nicht ihr Hobby schlechtreden. Aber ich fände es schon beruhigend, wenn Sportschützen ihre Waffen bevorzugt im Verein in einer sicheren Waffenkammer lagern und instandhalten würden.
Wären sie denn dort wirklich sicherer? Es wurde schon darauf hingewiesen, daß Schützenhäuser logischerweise oft abseits liegen, nicht selten im Wald. Wenn dort, sagen wir, fünfzig Mitglieder je zehn Waffen haben, dann ist das ein Arsenal, das nicht nur für einen potentiellen Amokschützen, sondern auch für Berufsverbrecher und Terroristen interessant wäre. Welchen Sicherheitswaufwand müßte man treiben, um das zu schützen? Wer würde das bezahlen können?
Herzlich, Zettel
PeterCoyote
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15.03.2009 19:15
#14 RE: Zettels Meckerecke: "Entwaffung" der Schützenvereine!
In Antwort auf:Die "Gutwilligen, die uns vor den Risiken des Lebens bewahren wollen", wie Sie so trefflich schreiben, bereiten auch mir immer größere Sorge. Die merkwürdige Haltung, anderen die eigenen Vorstellungen aufzuzwingen, habe ich nie so recht begreifen können.
das ist die Lust anderen Menschen Schaden zuzufügen und Unterdrückung auszuüben, also andere Menschen zu beherrschen. Solche Leute kennen außer ihrer eigenen engstirnigen Welt keine andere. Typischerweise suchen sie sich eine Ideologie, die ihre Machtbesessenheit scheinbar legitimiert und halten starrsinnig bis zum Tod daran fest.
Der Wille andere zu beherrschen ist nicht gleich verteilt unter den Menschen. So assoziiert man obige Eigenschaften üblicherweise mit politisch rechts eingestellten Menschen. Das stimmt auch - allerdings ist es nur die halbe Wahrheit, denn erstaunlicherweise findet man die Eigenschaften sogar hochkonzentriert bei genau den politischen Kräften, die sich der politischen Rechten entgegengesetzt meinen.
So erschallen die Rufe nach Überwachen und Strafen in der politischen Landschaft der BRD doch neben den Rechtskonservativen primär aus der linken Ecke, angefangen mit der SPD und leider sogar die Grünen, welche offensichtlich ihre liberal-libertären Wurzeln vergessen haben, bis hinzu den Profis in Sachen Verwanzen und Todesschuß aus dem Osten, die sogenannte Linkspartei mitsamt ihres westlichen Anhängsels.
Es ist natürlich pikant, daß ausgerechnet die Kräfte, welche das ganze Jahr etwas von der klassen- und herrschaftslosen Gesellschaft lallen in Wirklichkeit zusammen mit ihren rechtskonservativen bis braunen Artverwandten die Spitze der Machtbesessenheit bilden. Ich mache gerne darauf aufmerksam.
Zitat von stefanolixAus meiner persönlichen Sicht ist es nicht notwendig, dass Leute zu Hause ein Dutzend Waffen und reichlich Munition herumliegen haben. Zwischen dem Gewehr eines Schweizer Reservisten und dem Waffenarsenal bei den Eltern des Amokläufers besteht wirklich ein qualitativer und quantitativer Unterschied. Das Gewehr ist offiziell zur Heimatverteidigung bestimmt und es hat sich rund um diese Waffen eine gewisse »Sicherheitskultur« entwickelt.
Aber ein Sohn könnte doch ebenso wie Tim Kretschmer sich die Waffe beschaffen und ein Blutbad anrichten? Oder der Sohn eines der mehrere Millionen Jäger in Frankreich?
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von Zettel Und zugleich, wenn ich das als Wessi richtig sehe, eine vormilitärische Ausbildung betrieben, die ja nicht nur der NVA einiges an Ausbildung ersparte, sondern die auch den "Wehrgeist" wecken und stärken sollte. Man führte die jungen Leute an das Soldatische heran, das sie von einer besonders positiven Seite - eben Sport, Technik usw. - kennenlernten.
In dieser Beziehung war die GST eher ausführendes Organ, weil der SED-Staat diese Ausbildung nicht direkt von der Armee erledigen lassen wollte. Prinzipiell mussten alle Schüler ein oder zwei solche Wehrlager durchlaufen, Jungen und Mädchen getrennt. Das Wehrlager für die Jungen hieß bei uns »GST-Lager«. In Tellkamps Roman »Der Turm« fand ich die Erinnerungen eines mit mir Gleichaltrigen an Wehrlager und Armee. Aus meiner Sicht war es ähnlich, wie im Buch beschrieben. Ich empfand es als hohl und geisttötend. Es hat wirklich nur abgeschreckt und kein Interesse am Militärischen geweckt oder bestärkt.
Aber im Grunde war es eigentlich gleichgültig, ob GST oder NVA am Lager stand: die DDR wollte ein Staat sein, in dem das Militärische eine große Rolle spielt. In den letzten ca. zehn Jahren gelang das immer weniger. Niemand glaubte die Phrasen von der Verbundenheit zwischen Volk und NVA. Die Armee war den meisten jungen Männern zutiefst verhasst, nur wenige meldeten sich noch freiwillig. Auch dazu gibt es interessante Passagen im »Turm«.
Abgesehen von einigen Spezialkräften war die DDR-Armee eigentlich kaum noch kampffähig. Die Soldaten im Grundwehrdienst waren kaum motiviert und schlecht ausgebildet. Die Maschinen wären oft kaum aus dem Kasernentor gekommen. Viele Offiziere und längerdienende Unteroffiziere waren einfach inkompetent, es gab auch augenscheinlich eine Menge Alkoholiker unter ihnen.
--
Zu den Vorkehrungen gegen den Einsatz von Sportwaffen als Mordwaffen ist sicher das letzte Wort noch nicht gesprochen. In den Verbotsforderungen der Politiker und einiger Bürger drückt sich sicher auch Hilflosigkeit aus (in meiner Forderung nach besserer Kontrolle ja letztlich ebenso). Ein gewisses Restrisiko wird wohl immer bleiben, schließlich kann auch ein scharfes Messer oder Schwert eine tödliche Waffe sein.
Zitat von GorgasalMeines Wissens hat der gemeine Schweizer nur 50 Schuss zu Hause - und auch diese "Taschenmunition" wird seit 2007 eingezogen; bis Ende 2009 soll das abgeschlossen sein. Dann hat man nur noch das Sturmgewehr ohne Munition zu Hause.
Welchen Sinn, lieber Gorgasal, hat das dann noch?
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich überhaupt den Sinn dieser Regelung verstehe. Bisher habe ich es mir so zurechtgelegt, daß beim Eindringen eines Feindes dann, wenn örtlich die militärischen Strukturen nicht mehr funktionieren sollten, der Wehrmann sich immer noch mit seinen Nachbarn zusammentun und etwas gegen den Feind tun kann, bis die reguläre Befehlskette wieder funktioniert.
Aber vielleicht irre ich mich. Wissen Sie, was die Logik dieser Regelung ist?
Jedenfalls scheint mir ein Gewehr ohne Munition ein Unding zu sein. Warum dann nicht auch die Knarre in der Kaserne deponieren, oder im Arsenal?
Vielen Dank für diese Erläuterungen, lieber Stefanolix!
Es ist ja im Grunde traurig, daß nach zwanzig Jahren viele im Westen immer noch nicht richtig verstehen, wie es in der DDR zuging. Ich denke, daß ich mir damit vielleicht sogar a bisserl mehr Mühe gebe als macher andere, aber vieles sehe ich dennoch vermutlich immer noch falsch.
Es gibt Leute in unserem Bekanntenkreis, die noch nie in der Ex-DDR waren! Was sollen wir da, sagen sie. Es ist ein eigenartiges Ausblenden.
So nach dem Motto: Schlimm genug, daß durch die Wiedervereinigung unsere Westidylle gestört wurde. Jetzt sollen sie uns aber wenigstens in Ruhe lassen.
"Der Turm" steht ziemlich weit oben auf meiner Leseliste.
Stimmt schon. Damit kann man aber wesentlich weniger Schaden anrichten als mit einer Beretta... Der Amokläufer von Emsdetten hatte ja auch mit Vorderladern um sich geschossen, aber niemanden töten können.
Zitat von GorgasalMeines Wissens hat der gemeine Schweizer nur 50 Schuss zu Hause - und auch diese "Taschenmunition" wird seit 2007 eingezogen; bis Ende 2009 soll das abgeschlossen sein. Dann hat man nur noch das Sturmgewehr ohne Munition zu Hause.
Welchen Sinn, lieber Gorgasal, hat das dann noch?
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich überhaupt den Sinn dieser Regelung verstehe. Bisher habe ich es mir so zurechtgelegt, daß beim Eindringen eines Feindes dann, wenn örtlich die militärischen Strukturen nicht mehr funktionieren sollten, der Wehrmann sich immer noch mit seinen Nachbarn zusammentun und etwas gegen den Feind tun kann, bis die reguläre Befehlskette wieder funktioniert.
Ich wohne jetzt zwar schon eine Weile in der Schweiz, aber die helvetischen Gedankengänge sind mir noch immer undurchschaubar Nein, ich verstehe das dann auch nicht mehr. Der Sinn der Taschenmunition war, dass man genug Feuerkraft hat, um sich zu seinem Verband durchzuschlagen, wenn der Feind schon im Land steht (der alte Bundeswehrwitz war, dass die Russen nur Freitag mittag angreifen müssen, bis die Wehrpflichtigen Montag morgen wieder in der Kaserne sind, stehen die Russen schon am Rhein). Darauf verzichtet man bei der aktuellen Bedrohungssituation. Warum man jetzt das Gewehr ohne Munition daheim braucht, erschließt sich auch mir nicht. Außer dass es dann im tatsächlichen Ernstfall natürlich schneller geht, wenn die Milizionäre nur noch die Munition fassen müssen und nicht auch noch das Gewehr (und gar noch die Uniform).
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von EltovStimmt schon. Damit kann man aber wesentlich weniger Schaden anrichten als mit einer Beretta... Der Amokläufer von Emsdetten hatte ja auch mit Vorderladern um sich geschossen, aber niemanden töten können.
Ich bin da kein Experte, lieber Eltov, aber mir scheinen solche Überlegungen doch problematisch zu sein.
Nachdem in Erfurt Robert Steinhäuser eine Pumpgun verwendet hatte, wurden diese verboten. Tim Kretschmer hat eine großkalibrige Beretta benutzt; also wird jetzt gefordert, daß in Schützenvereinen nur noch Kleinkaliberwaffen verwendet werden dürfen.
Mit einer Kleinkaliberpistole hat in Tuusla der Täter neun Menschen erschossen.
Wieviele Menschen kann man mit einem Samurai-Schwert umbringen? Wieviele mit einem Jagdgewehr?
Mir scheint, lieber Eltov, eine solche Diskussion zu nichts zu führen. Verbrechen werden nicht dadurch motiviert, daß es Tatwerkzeuge gibt, und sie werden nicht dadurch verindert, daß man Gesetze gegen Tatwerkzeuge beschließt.
Zitat von ZettelIch bin nicht ganz sicher, ob ich überhaupt den Sinn dieser Regelung verstehe. Bisher habe ich es mir so zurechtgelegt, daß beim Eindringen eines Feindes dann, wenn örtlich die militärischen Strukturen nicht mehr funktionieren sollten, der Wehrmann sich immer noch mit seinen Nachbarn zusammentun und etwas gegen den Feind tun kann, bis die reguläre Befehlskette wieder funktioniert.
Ich wohne jetzt zwar schon eine Weile in der Schweiz, aber die helvetischen Gedankengänge sind mir noch immer undurchschaubar Nein, ich verstehe das dann auch nicht mehr. Der Sinn der Taschenmunition war, dass man genug Feuerkraft hat, um sich zu seinem Verband durchzuschlagen, wenn der Feind schon im Land steht
Ah ja, das klingt auch plausibler als meine Variante.
Zitat von GorgasalAußer dass es dann im tatsächlichen Ernstfall natürlich schneller geht, wenn die Milizionäre nur noch die Munition fassen müssen und nicht auch noch das Gewehr (und gar noch die Uniform).
Naja, sie werden ja immer noch mehr brauchen als ein Gewehr.
Ich vermute, lieber Gorgasal, daß die Sache auch eine symbolische Bedeutung hat. Das Gewehr im Schrank drückt zum einen aus, daß das Volk selbst bewaffnet ist und nicht irgendeine Obrigkeit. Zum anderen ist es ja auch ein Vertrauensbeweis. Das Volk vertraut sich selbst, seinen Männern jedenfalls.
So denke ich es mir jedenfalls. Versuchend, mich in die schweizer Mentalität hineinzuversetzen.
Der ja vielleicht auch der Kompromiß "Gewehr ja, Munition nein" entsprungen ist. Konsensdemokratie halt.
Zitat von Zettel... und sie werden nicht dadurch verindert, daß man Gesetze gegen Tatwerkzeuge beschließt.
Lieber Zettel, wie ich gerade in den Nachrichten gehört habe, scheint Angela Merkel da anderer Meinung zu sein: Sie will die Waffengesetze weiter verschärfen. Zu ihrer Entlastung muss man allerdings sagen, dass sie unter Zugzwang steht, weil der "Druck des Volkes" auf ihr lastet. Die einfachste Lösung, diesen Druck loszuwerden, ist Hyperaktivität. Das erfordert kein Nachdenken, kein Wissen über die wirklichen Ursachen für solches Fehlverhalten und liegt in der Macht des Staates. Die Gehirnfunktionen eines Individuums liegen (noch) ausserhalb des Einflussbereiches der Staatsorgane.
Lieber Eltov, Sie scheinen sicher zu sein, dass ein Waffenverbot solche Dramen verhindern würde. Woher nehmen Sie diese Sicherheit, können Sie dafür irgendwelche Belege liefern?
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen. Ich laufe zu Fuß etwa zehn Minuten bis zu der Gegend, die im Roman beschrieben wurde. Ich bin gerade mal ein Jahr älter als der Autor und die Hauptfigur Christian. So hatte ich natürlich etwa zur gleichen Zeit das Wehrlager zu erdulden und die Abiturprüfungen abzulegen. Noch nie war mir die Handlung eines Buches so nah;-)
Ich empfehle, den Klappentext, die Deutungen und die Rezensionen weit entfernt vom Buch aufzubewahren. Die Gegner[1] Tellkamps vergleichen gern die Aussagen aus dem Verlagsmarketing mit dem Buch und mit ihrer Sicht der DDR. Das muss natürlich scheitern. Es ist aus meiner Sicht ganz falsch, das Buch mit den »Buddenbrooks« zu vergleichen. »Der Turm« stellt eine Sicht auf die DDR dar, im Roman sind natürlich Fakten und Fiktion miteinander verwoben. Ich sehe nicht alles so wie der Autor, aber ich kann auch vieles gut nachvollziehen. Wenn es Fragen gibt: ich stehe sehr gern zur Verfügung.
Herzliche Grüße Stefan
--
[1] Man kann sie nicht im Wortsinn als »Kritiker« bezeichnen. Es gibt hier im Osten durchaus Stimmen, die im Buch einen einzigen Ausfluss neoliberaler Ideologie und Verschwörung sehen. Einziges Ziel: die DDR schlecht darzustellen.
Es geht mir überhaupt nicht um "Entwaffnung" alles was bisher dazu geschrieben wurde ist richtig: Irgend einen Weg werden solche Menschen immer finden. Ich halte es allerdings für ein absolutes Unding, dass der Verstoß gegen das Waffengesetz, durch den der Junge an die Waffe gelangen konnte, anscheinend nichts weiter als eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
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