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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 20 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2009 10:53
Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Diesen Artikel hatte ich schon lange schreiben wollen, seit vor einem Jahr hier im Forum C.K. auf den Aufsatz in Foreign Affairs aufmerksam gemacht hat, in dem die Ergebnisse der Auswertung von Dokumenten und vor allem der Verhöre von hochrangigen Militärs und Funktionären des Saddam- Regimes mitgeteilt werden.

Wer immer noch glaubt, Präsident Bush hätte "gelogen", als er seinen Diensten deren Erkenntnisse über WMDs glaubte, der sollte diesen Artikel studieren. (Man muß sich registrieren, aber es ist kostenlos).

Und wer wissen will, wie eine Diktatur funktioniert, der kann daraus auch viel lernen.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

26.03.2009 11:12
#2 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten
Ein gutes Beispiel für die Zwiebel-Theorie, wonach ein Führungszirkel im inneren der Zwiebel nur das mitbekommt, was die nächstäussere Schale erzählt. - Dieses Bild habe ich irgendwo mal gelesen und natürlich keinen Link dazu aber es scheint bei autoritären Regimes (teilweise) zuzutreffen. Hitler in seinem Bunker, Stalin zu Beginn des Russlandfeldzugs der Wehrmacht, Honnecker in den letzten Zügen der DDR, Saddam in diesem Konflikt (Vielleicht auch das #Raumschiff Bonn# oder in den USA #die in Washington#, neuerdings vielleicht auch die Chefetagen so mancher Grosskonzerne - offenes Denken und Erkennen der Zustände in den äusseren Bereichen der Zwiebel ist nicht mehr möglich.
Ein Gegenbeispiel kann etwa Lord Nelson sein, der mit den Offizieren und Kommandanten der Schiffe seiner Flotte imho sehr offen umging und taktische Fragen immer wieder im Kreise der Kapitäne erörterte, so dass in der Schlacht von Abukir jeder Kapitän relativ frei seine Taktik den Erfordernissen der Gegebenheiten anpassen konnte.

Nachtrag: Link zur Seeschlacht von Abukir.
http://de.wikipedia.org/wiki/Seeschlacht...ys_Entscheidung
Shin Offline




Beiträge: 26

26.03.2009 11:23
#3 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Hätte Saddam mal lieber Machiavelli gelesen:

Zitat von Niccolò Machiavelli
Es gibt nämlich kein anderes Mittel, Schmeicheleien zu vermeiden, als den Menschen beizubringen, dass sie dich nicht beleidigen, wenn sie dir die Wahrheit sagen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2009 11:49
#4 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zitat von Dagny
Ein gutes Beispiel für die Zwiebel-Theorie, wonach ein Führungszirkel im inneren der Zwiebel nur das mitbekommt, was die nächstäussere Schale erzählt. - Dieses Bild habe ich irgendwo mal gelesen und natürlich keinen Link dazu aber es scheint bei autoritären Regimes (teilweise) zuzutreffen.

Ja, und es macht wesentlich deren Schwäche und umgekehrt die Stärke einer freien Gesellschaft aus.

Warum sind alle Dikatoren einander so ähnlich? Es muß da wohl immer wieder dieselben Rückkopplungen geben:

Hat jemand erst einmal diktatorische Macht erobert, dann finden sich unweigerlich Schmeichler, die sich von der Schmeichelei Vorteile versprechen.

Wenige Menschen sind ganz unempfindlich für Schmeichelei, Machtmenschen schon gar nicht. Also beginnt der Diktator, immer mehr an sein eigenes Genie zu glauben. Ein gemeinsamer Zug von Hitler, Stalin, Mao, Saddam, Castro usw.

Da es keine Möglichkeit einer legalen Ablösung gibt, fürchtet der Dikator den Putsch. Das endet in einem allgemeinen Mißtrauen, das allen Diktatoren eigen ist. Saddam traute niemandem außer sich selbst, bericheteten die Leute aus seinem inneren Zirkel.

Je mehr der Diktator sich bedroht sieht, umso grausamer wird er. Denn Abschreckung ist seine einzige Waffe. Auch das ist bei Saddam besonders ausgeprägt gewesen, aber ebenso bei Stalin und Mao. Bei Hitler kam es nach dem 20. Juli zum Vorschein, als er sich an den Aufnahmen von dem Prozeß vor dem Volksgreichtshof ergötzte und den Verurteilten nicht einmal eine würdige Hinrichtung gönnte, wenn es denn so etwas gibt.

Je mißtrauischer, je grausamer und je mehr vom eigenen Genie überzeugt der Diktator wird, umso mehr verliert er den Kontakt zur Realität. Die Folge ist eine Fehlentscheidung nach der anderen.

Das ist das Tröstliche: Diktaturen überleben selten.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2009 11:52
#5 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zitat von Shin
Hätte Saddam mal lieber Machiavelli gelesen:
Zitat von Niccolò Machiavelli
Es gibt nämlich kein anderes Mittel, Schmeicheleien zu vermeiden, als den Menschen beizubringen, dass sie dich nicht beleidigen, wenn sie dir die Wahrheit sagen.


Ein weiser Satz, lieber Shin; aber Diktatoren beherzigen ihn wohl selten. Warum, habe ich gerade in meiner Antwort an Dagny skizziert.

Anders ist es vielleicht, wenn jemand absolute Macht besitzt, ohne der Typus des Diktators zu sein. Friedrich der Große zum Beispiel.

Aber ein anderes Beispiel fällt mir auf Anhieb gar nicht ein.

Herzlich, Zettel

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

26.03.2009 12:15
#6 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Das "Lustige" an dieser "Ketzerei" ist ja tatsächlich, dass genau davon schon 2006 in der NZZ - vielleicht sogar auf der Titelseite - berichtet wurde: Erstens habe Chiracs und Schröders Einsatz zu einer (fatal) falschen Risikoprognose durch den Hussein. Zweitens seien viele Generale und Offiziere von der Existenz der Massenvernichtungswaffen ausgegangen. In den (deutschen) Mainstreammedien habe ich seinerseits aber nichts davon gehört, gesehen oder gelesen. Auch heute noch erntet man aggressive Reaktionen, wenn man diese Information anbringt. Damals wie heute hat es halt nicht ins schöne Weltbild gepasst.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2009 12:43
#7 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zitat von FTT_2.0
Das "Lustige" an dieser "Ketzerei" ist ja tatsächlich, dass genau davon schon 2006 in der NZZ - vielleicht sogar auf der Titelseite - berichtet wurde: Erstens habe Chiracs und Schröders Einsatz zu einer (fatal) falschen Risikoprognose durch den Hussein. Zweitens seien viele Generale und Offiziere von der Existenz der Massenvernichtungswaffen ausgegangen. In den (deutschen) Mainstreammedien habe ich seinerseits aber nichts davon gehört, gesehen oder gelesen. Auch heute noch erntet man aggressive Reaktionen, wenn man diese Information anbringt. Damals wie heute hat es halt nicht ins schöne Weltbild gepasst.

Das mit den aggressiven Reaktionen kann ich bestätigen. Ich habe diese Meinung schon damals, 2003 vertreten (es gab dieses Treffen Chirac-Schröder, und danach war die französische Politik in diesem Punkt wie runderneuert. Chirac sah die Chance, den Traum de Gaulles wahrzumachen, Deutschland von den USA zu trennen und an Frankreich zu binden). Damals bin ich in den beiden Foren, in denen ich das geschrieben habe, dafür fast gesteinigt worden.

Es gab eben dieses Szenario, das so schön für viele Deutsche war: Böser Bush überfällt armen Irak. Lügt dazu von WMDs. Aber wir, die Deutschen, sind die Guten und treten gegen diesen Krieg auf.

Schröder hat sich damals so unverantwortlich verhalten, wie es immer seine Art war. Er hatte Bush im Sommer 2002 zugesichert, daß Deutschland sich an der Invasion zwar nicht beteiligen, ihr aber keinen Stein in den Weg legen werde. Dann war er nahe daran, die Wahlen zu verlieren, und schlüpfte deshalb in die Rolle des Friedenskanzlers. Zusage hin, Zusage her.

Bush hat ihm das nie vergeben und immer einmal wieder auf diesen Wortbruch angespielt.

Wie übrigens die Achse Paris-Berlin-Moskau sich weiterentwickelt hätte, wenn in Deutschland nicht Schröder das Handtuch hätte werfen müssen und wenn in Frankreich Royal statt Sarkozy gewählt worden wäre - das werden wir leider nie erfahren. Gut möglich, daß wir dann heute einen Beistandspakt mit Rußland hätten.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

26.03.2009 12:54
#8 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zitat von Zettel
Wie übrigens die Achse Paris-Berlin-Moskau sich weiterentwickelt hätte, wenn in Deutschland nicht Schröder das Handtuch hätte werfen müssen und wenn in Frankreich Royal statt Sarkozy gewählt worden wäre - das werden wir leider nie erfahren.

"Leider"?

Erstens kann es sein, dass wir das noch früh genug herausbekommen. Und zweitens bin ich über jeden Tag glücklich, den wir hier gewinnen.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Eltov Offline




Beiträge: 152

26.03.2009 12:57
#9 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

In Antwort auf:
Damals bin ich in den beiden Foren, in denen ich das geschrieben habe, dafür fast gesteinigt worden.


Wenn du schon diese alten Geschichten herausholst dann vergiss bitte dein "Neukarolingen" nicht :D

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2009 13:22
#10 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zitat von Eltov
In Antwort auf:
Damals bin ich in den beiden Foren, in denen ich das geschrieben habe, dafür fast gesteinigt worden.

Wenn du schon diese alten Geschichten herausholst dann vergiss bitte dein "Neukarolingen" nicht :D

Richtig, allerdings hieß es Neukarolingien.

Aber du bist mein Zeuge, lieber Elto(v), daß es damals so wahr, gell?

In alter Verbundenheit, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

26.03.2009 17:02
#11 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Ein bißchen schwindelig wird einem bei diesem Artikel, denn er enthält selbst angesichts der dargestellten Fakten einige Verdrehungen in der Beurteilungen:

1. Warum hat Saddam diesen Krieg geführt?

Ähm, warum hat zuerst General Beck, dann Churchill und deGaulle, dann Stalin und Roosevelt den Zweiten Weltkrieg geführt?

Saddam hat diesen Krieg nicht mehr "geführt" als jeder, der sich gegen einen Angriff verteidigen muß. Man kann ja über Motive, Legitimität und Klugheit der US-Invasion verschiedener Meinung zu sein, aber nun quasi Saddam als den Kriegführenden hinzustellen geht doch zu weit. Das ist genau so wie damals vor dem Angriff die unsäglich Bush-Auftritte. Wenn man angreifen will, bitte - aber doch nicht die Verantworung abschieben a la "er hat uns gezwungen".

2. Nun ist plötzlich Schröder am Krieg schuld, weil er dagegen war. Credo quia absurdum. Erneut soll die Verantwortung am Krieg einem anderen zugeschoben werden.

Und so sehr ich begrüße, daß Bush nicht nachgegeben hat und bei der Befriedung des Iraks durchgehalten hat, darf man nicht vergessen, daß er den Krieg auch angezettelt hat.

Das mit dem Realitätsverlust in (aber nicht nur in) Diktaturen - im Vorfeld des Irakkriegs (und wahrscheinlich bis zur Surge) scheint dergleichen auch in Washington vorgekommen zu sein - stimmt zwar, aber obiges mußte gesagt werden.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2009 18:38
#12 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zitat von str1977
Ein bißchen schwindelig wird einem bei diesem Artikel, denn er enthält selbst angesichts der dargestellten Fakten einige Verdrehungen in der Beurteilungen.

Wie schön, lieber str1977, daß wir Sie haben, der alles wieder richtigdreht.

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

26.03.2009 19:04
#13 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von str1977
Ein bißchen schwindelig wird einem bei diesem Artikel, denn er enthält selbst angesichts der dargestellten Fakten einige Verdrehungen in der Beurteilungen.

Wie schön, lieber str1977, daß wir Sie haben, der alles wieder richtigdreht.


Ja, wenn's denn sein muß, lieber Zettel.

Besser wäre aber sowas gar nicht erst zu behaupten.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

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califax Offline




Beiträge: 1.502

26.03.2009 19:16
#14 RE: Ketzereien zum Irak (34): Saddams Regime und der Krieg Antworten

Zettel ist offensichtlich der Meinung, Saddam hätte den Angriff noch rechtzeitig abwenden können, wenn er nicht so hoch gepokert und nicht ganz so blutrünstig geherrscht hätte. Und unter diesem Gesichtspunkt, der im Artikel ja dargelegt wird, ist die gewählte Formulierung nachvollziehbar.

HTH,HAND,SCNR
califax

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.03.2009 19:46
#15 Ein paar Fakten zur Vorgeschichte des Irakkriegs Antworten
Zitat von califax
Zettel ist offensichtlich der Meinung, Saddam hätte den Angriff noch rechtzeitig abwenden können, wenn er nicht so hoch gepokert und nicht ganz so blutrünstig geherrscht hätte. Und unter diesem Gesichtspunkt, der im Artikel ja dargelegt wird, ist die gewählte Formulierung nachvollziehbar.

Die USA waren ja nicht an einem Krieg interessiert, lieber Califax, sondern sie wollten Saddam weghaben. Vor der Invasion gab es das explizite Angebot an Saddam, man werde auf die Invasion verzichten, wenn er ins Exil ginge. Es wurden auch bereits Länder gesucht, die bereit wären, ihn aufzunehmen.

Man kann das Angebot von Bush und Powell, die Invasion im Fall eines Exils von Saddam auszusetzen, zum Beispiel in der IHT vom 18. März 2003 nachlesen.

Wer, anders als offenbar unser eifriger Freund str1977, meinen Artikel gelesen hat, der wird gemerkt haben, daß ich mit keinem Wort etwas über die Frage der Schuld an diesem Krieg gesagt habe. Der Titel heißt ja auch nicht: Warum hat Saddam diesen Krieg begonnen? Sondern: Warum hat Saddam diesen Krieg geführt?



Was nun die Frage der "Schuld" angeht, gibt es vermutlich kaum ein historisches Ereignis, über das in Deutschland so viele verzerrende Klischees im Umlauf sind. Schon zuvor hatte man Bush als den Bösewicht aller Bösewichter ausgemacht; um so heller strahlte ja der Stern des Friedenskanzlers Schröder. Jetzt wurde an der Legende vom "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" gestrickt, mit dem ein wildgewordener Cowboy ein wehrloses Land überzogen hätte. Fehlte nur noch der Zusatz "ein kleines, friedliches Land".

Daß es eine Resolution 1441 gegeben hatte, weiß ja kaum jemand, in der die UN Saddam serious consequences für den Fall androhten, daß er nicht vollständig mit den Sicherheitsinspektoren kooperiere. Das hatte er nicht getan, und die Konsequenzen waren also fällig. Nicht die der USA, sondern diejenigen der Weltgemeinschaft. "Serious consequences" bedeutet in der Sprache der Diplomatie Krieg.

Dieser Krieg wäre im Auftrag der UNO geführt worden. So wäre es auch gekommen, wenn der Sicherheitsrat - dh dessen Mehrheit - sich nicht plötzlich auf Betreiben der drei Partner der Achse Paris-Berlin-Moskau quergestellt und sich geweigert hätte, ausdrücklich festzustellen, daß Saddam in material breach der Resolution 1441 war.

Deutschland hat damals eine besonders unrühmliche Rolle gespielt und alle diplomatischen Anstrengungen unternommen, um andere nichtständige Mitglieder des Sicherheitsrats gegen die USA in Stellung zu bringen. Paris war freilich nicht weniger eifrig, der damalige Außenminister de Villepin reiste sogar höchstselbst in einige dieser Länder.

Das Ganze diente eindeutig nicht der Verhinderung der Invasion, denn jedem war natürlich klar, daß die USA die in Monaten aufmarschierten Truppen nicht einfach würden zurückziehen können.

Das Ziel von Putin, Schröder und Chirac war es allein, die USA formal ins Unrecht zu setzen, indem ihnen die erneute Resolution, mit der sie fest gerechnet hatten, verweigert wurde.


Es war eine der am besten gelungenen Propagandaktionen der neueren Geschichte. Am Ende saß nicht der barbarische Diktator Saddam auf der Anklagebank, sondern Präsident Bush, der den Irak von ihm befreite.

Herzlich, Zettel
str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

26.03.2009 21:27
#16 RE: Ein paar Fakten zur Vorgeschichte des Irakkriegs Antworten
Zitat von califax
Zettel ist offensichtlich der Meinung, Saddam hätte den Angriff noch rechtzeitig abwenden können, wenn er nicht so hoch gepokert und nicht ganz so blutrünstig geherrscht hätte. Und unter diesem Gesichtspunkt, der im Artikel ja dargelegt wird, ist die gewählte Formulierung nachvollziehbar.

Ich hab das schon verstanden - das Argument ist, Saddam hätte ja den Krieg vermeiden können, indem er das Land verlassen hätte. Nur ist ein solches Verlangen seitens der USA schon ehrlich gesagt die Höhe. Es ist nicht Sache der USA, Regierungen anderer Länder ab- und einzusetzen.

Übrigens auch nicht Sache der UN (auch wenn das solch selbsternannte Völkerrrechtsexperten wie z.B. Schäuble meinen).

Ich verteidige Bush gerne gegen den flachen Vorwurf, gelogen zu haben (insbesondere wenn er von Amerikanern kommt, die die Verantwortung für den Krieg an einen Mann abschieben wollen) und für Saddamapologeten habe ich auch kein Verständnis und wenig Geduld für selbsternannte Völkerrechtsexperten. Und daß Schröder mit seinem Wortbruch unverantwortlich gehandelt hat, ist auch klar. Ich hoffe, daß es mit der Stablisierung im Irak weitergeht.

Aber das wäre dann die nach vielen Leiden und Verwerfungen gute Folge eines unnötigen Angriffskrieges, den weder Saddam noch Schröder angezettelt haben sondern die Vereinigten Staaten.

Zitat von Zettel
Die USA waren ja nicht an einem Krieg interessiert, lieber Califax, sondern sie wollten Saddam weghaben. Vor der Invasion gab es das explizite Angebot an Saddam, man werde auf die Invasion verzichten, wenn er ins Exil ginge. Es wurden auch bereits Länder gesucht, die bereit wären, ihn aufzunehmen.


Dennoch sind es die USA, die diesen Krieg begonnen und geführt haben. Saddam hätte auch Kuwait damals nicht angegriffen, wenn es sich von sich aus unterworfen hätte. Und hätten die Kurden still gehalten, hätte er nie Giftgas eingesetzt. Wollen Sie, Herr Zettel, hier ernsthaft mit dem bloßen sogennanten Recht des Stärkeren kommen?

In Antwort auf:
Wer, anders als offenbar unser eifriger Freund str1977, meinen Artikel gelesen hat, der wird gemerkt haben, daß ich mit keinem Wort etwas über die Frage der Schuld an diesem Krieg gesagt habe. Der Titel heißt ja auch nicht: Warum hat Saddam diesen Krieg begonnen? Sondern: Warum hat Saddam diesen Krieg geführt?


Ich habe den Artikel sehr genau gelesen und tatsächlich sagen sie nie explizit: "Der oder der ist Schuld!" Aber die Frage lautet ja bloß warum hat SADDAM den Krieg geführt und OHNE SCHRÖDER wäre es nicht dazu gekommen. Der Aggressor in diesem Krieg bleibt quasi unerwähnt und ich finde schon, daß das Bände spricht.

In Antwort auf:
Was nun die Frage der "Schuld" angeht, gibt es vermutlich kaum ein historisches Ereignis, über das in Deutschland so viele verzerrende Klischees im Umlauf sind. Schon zuvor hatte man Bush als den Bösewicht aller Bösewichter ausgemacht; ...


Nur geht es hier gar nicht um diese Klischees. Ich war zu der Zeit auch nicht in Deutschland, habe als den amerikanischen Machtwahn ganz ungefiltert und unsynchronisiert mitbekommen.

Es geht auch nicht um "völkerrechtswidrig" (auch wenn das zutrifft, wenn man den Wortlaut der - allerdings so gut wie nie praktizierten - UN-Charta anschaut). Das wäre dümmlich, insbesondere wenn man dann mit dem Sicherheitsrat kommt. Dieser hat weder ein Gewaltmonopol auf der Welt, noch hat er das Recht, irgendwo Regierungen ein- und abzusetzen.

In Antwort auf:
Daß es eine Resolution 1441 gegeben hatte, weiß ja kaum jemand, in der die UN Saddam serious consequences für den Fall androhten, daß er nicht vollständig mit den Sicherheitsinspektoren kooperiere.


Doch, daß weiß so ziemlich jeder, daß im November die USA sich nochmal "herabgelassen" haben, den Weg über die UNO zu gehen (mit der damals allenthalben hörbaren Wörtern "not helpful" and "will become irrelevant"). Nur die Absicht war schon damals einzig und allein die Entfernung der irakischen Regierung. Die UN-Resolution war da nur Mittel zum Zweck.

In Antwort auf:
Das hatte er nicht getan, und die Konsequenzen waren also fällig. Nicht die der USA, sondern diejenigen der Weltgemeinschaft. "Serious consequences" bedeutet in der Sprache der Diplomatie Krieg.


Nur die "Weltgemeinschaft" außerhalb der Koalition der Willigen sah das nunmal anders.

In Antwort auf:
Dieser Krieg wäre im Auftrag der UNO geführt worden. So wäre es auch gekommen, wenn der Sicherheitsrat - dh dessen Mehrheit - sich nicht plötzlich auf Betreiben der drei Partner der Achse Paris-Berlin-Moskau quergestellt und sich geweigert hätte, ausdrücklich festzustellen, daß Saddam in material breach der Resolution 1441 war.


Der UN-Auftrag wäre eine Scharade gewesen. Die Argumentation beweist das ja schon: da stellt sich eine Mehrheit quer. Wenn dem so ist, dann war das wohl nichts mit dem Auftrag der UNO.

Aber ohnehin - wegen der Kompetenzen der UNO, siehe oben.

In Antwort auf:
Das Ganze diente eindeutig nicht der Verhinderung der Invasion, denn jedem war natürlich klar, daß die USA die in Monaten aufmarschierten Truppen nicht einfach würden zurückziehen können.


Nicht können? Nein, nicht wollen! Man wollte sich seinen Krieg - den man sich ja so einfach vorstellte - nicht von so ein paar UN-Mitglieder vermiesen lassen.

In Antwort auf:
Das Ziel von Putin, Schröder und Chirac war es allein, die USA formal ins Unrecht zu setzen, indem ihnen die erneute Resolution, mit der sie fest gerechnet hatten, verweigert wurde.Zitat:

Ja, da waren sie ja aber auch nach dem UN-Völkerrecht.

Zitat:Es war eine der am besten gelungenen Propagandaktionen der neueren Geschichte. Am Ende saß nicht der barbarische Diktator Saddam auf der Anklagebank, sondern Präsident Bush, der den Irak von ihm befreite.


So wie ich mich erinnere, kam Saddam auf die Anklagebank und dann den Galgen. Bush lebt (und das ist auch gut so!)

Nur, Saddam gehörte angeklagt und verurteilt wegen seiner Vebrechen gegenüber seinem Volk, nicht weil er diesen Krieg herbeigeführt oder geführt hätte. Und schon gar nicht weil Bushs unmoralische Angebot abgelehnt hat.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)

Daddeldu Offline



Beiträge: 30

27.03.2009 23:08
#17 Die VSA waren längst zur Invasion entschlossen Antworten
In Antwort auf:
Die USA waren ja nicht an einem Krieg interessiert, lieber Califax, sondern sie wollten Saddam weghaben.


Das ist falsch. Die VSA wollten die Invasion.

In Antwort auf:
Vor der Invasion gab es das explizite Angebot an Saddam, man werde auf die Invasion verzichten, wenn er ins Exil ginge.


Nein. Es gab nur die Aufforderung, den Irak zu verlassen. Von Verzicht auf die Invasion war nie die Rede, wie sich zum Beispiel Ihrem Link entnehmen lässt:

In Antwort auf:
WASHINGTON: President George W. Bush planned to issue an ultimatum Monday to President Saddam Hussein, saying in a formal address from the White House that the Iraqi leader must leave the country or face war.

Secretary of State Colin Powell foreshadowed that message hours before what was expected to be a fateful, nationally televised speech by Bush.

"I can think of nothing that Saddam Hussein could do diplomatically" to avert war, he said. Saddam's only option was to leave, along with family members and top aides.
"He had his chance," Powell said tersely.

It was not clear how long Bush had intended to give Saddam to leave the country. But that question became moot, as Iraq bluntly rejected the ultimatum.


Das Ultimatum aus der Fernsehrede Bushs im Wortlaut:

In recent days, some governments in the Middle East have
been doing their part. They have delivered public and private messages urging
the dictator to leave Iraq so that disarmament can proceed peacefully.

He has thus far refused.

All the decades of deceit and cruelty have now reached an end. Saddam Hussein
and his sons must leave Iraq within 48 hours. Their refusal to do so will result
in military conflict commenced at a time of our choosing.


Man beachte, dass Bush sagte, ein Verbleiben Saddams werde zum Angriff führen. Er sagte nicht, sein gehen werde die Invasion verhindern.

Das Ganze diente eindeutig nicht der Verhinderung der Invasion, denn jedem war natürlich klar, dass die VSA und das VK die in Monaten aufmarschierten Truppen nicht einfach zurück ziehen würden.

Warum versuchen die Kriegsbefürworter von damals eigentlich immer noch, diese alte Debatte zu gewinnen, nachdem sie durch die Geschichte doch eindeutig widerlegt wurden?

Gruß, Daddeldu

P. S.: Die Rede Bushs im Wortlaut:

http://www.mideastweb.org/log/archives/00000041.htm

Edit: Ich habe den Text der Rede gelöscht. Vollzitate sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht erlaubt. (Wie oft muß ich das noch schreiben?). Die Rede ist über den Link mühelos zugänglich.

Wamba
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.03.2009 00:26
#18 Die USA waren keineswegs zur Invasion entschlossen Antworten
Lieber Daddeldu,

was sich in der Geschichte wirklich abgespielt hat, kann man bekanntlich erst dann beurteilen, wenn die Archive geöffnet sind; manchmal noch nicht einmal dann - siehe die kürzliche Diskussion hier im Forum über die Schuld am Ersten Weltkrieg.

Deshalb ist es nicht sehr ersprießlich, kategorisch zu behaupten, man wüßte, wie es gewesen ist. Wir können alle nur Vermutungen äußern; die einen mehr, die anderen weniger begründet.

Zitat von Daddeldu
In Antwort auf:
Die USA waren ja nicht an einem Krieg interessiert, lieber Califax, sondern sie wollten Saddam weghaben.

Das ist falsch. Die VSA wollten die Invasion.

Das ist so eine kategorische Behauptung, lieber Daddeldu. Schauen wir mal, ob sie der Nachprüfung standhält.
Zitat von Daddeldu
In Antwort auf:
Vor der Invasion gab es das explizite Angebot an Saddam, man werde auf die Invasion verzichten, wenn er ins Exil ginge.

Nein. Es gab nur die Aufforderung, den Irak zu verlassen. Von Verzicht auf die Invasion war nie die Rede, wie sich zum Beispiel Ihrem Link entnehmen lässt:

Zitat:WASHINGTON: President George W. Bush planned to issue an ultimatum Monday to President Saddam Hussein, saying in a formal address from the White House that the Iraqi leader must leave the country or face war.

Jetzt übersezten wir das mal: "Präsident George W. Bush plante, am Montag ein Ultimatum an Präsident Saddam herauszugeben. In einer formalen Ansprache vom Weißen Haus aus werde er bekanntgeben, daß der irakische Führer das Land verlassen müsse. Andernfalls müsse er mit einem Krieg rechnen."

Klarer kann man es eigentlich nicht sagen, lieber Daddeldu: Entweder geht Saddam, oder es gibt Krieg. Also ein Verzicht auf den Krieg, wenn Saddam geht.

Nichts in dem Text der Rede erlaubt den Schluß, daß die Invasion auch stattgefunden hätte, wenn Saddam ins Exil gegangen wäre. Sein Regime wäre mit seiner Flucht ja am Ende gewesen; die USA hätten ihr Ziel ohne Krieg erreicht.



Übrigens war das schon damals erkennbar. Ich habe noch vor dem Beginn der Invasion im damaligen, heute nicht mehr existierenden Infotalk-Forum die damalige Lage analysiert und diesen Beitrag später hier in dieses Forum gerettet. Sie finden ihn hier.

Ich habe in den gut sechs Jahren seither keine Information gefunden, die dem widerspricht, was ich damals geschrieben habe: Hätte, wie die USA es nach der Resolution 1441 hatten erwarten können, der Weltsicherheitsrat festgestellt, daß der Irak in material breach war und daß folglich die in 1441 angekündigten serious consequences in Kraft treten würden; hätten also Frankreich und Rußland einer solchen Resolution zugestimmt, dann hätte Saddam keine Chance gesehen, einer Invasion und dem Untergang seines Regimes zu entgehen, und er hätte das Exil gewählt.

Der Krieg mußte geführt werden, weil Saddam auf den Einfluß Frankreichs und Rußlands hoffte. Und daß sich Frankreich gegen die Invasion stellte, statt an ihr teilzunehmen, ist mit auf die Haltung Gerhard Schröders zurückzuführen.



Ich habe damals, lieber Daddeldu, die innerfranzösische Diskussion sehr genau verfolgt. Frankreich hat alte Interessen im Irak, und es gab damals viele Stimmen, die gesagt haben: Wir dürfen diese Interessen nicht opfern, also sollten wir an der Invasion teilnehmen.

Chirac hat sich anders entschieden, und zwar mit sehr guten Gründen: Seit de Gaulle war es ein Hauptziel der franzöischen Politik gewesen, Deutschland aus der Allianz mit den USA herauszubrechen und an Frankreich zu binden. Schon seit Adenauer, damals gab es in der deutschen Regierung die "Gaullisten", die dieser Idee freundlich gegenüberstanden, und die "Atlantiker" wie den Außenminister Schröder, die das strikt ablehnten.

Plötzlich also bot Anfang 2003 Schröder dem Kollegen Chirac das auf einem goldenen Teller an, was Frankreich seit fast einem halben Jahrhundert angestrebt hatte.

Natürlich langte der zu. Ein deutsch-französisches Kondominium über die EU (ich habe es damals Neukarololingien genannt), in dem natürlich Frankreich als Atommacht der Chef sein würde - das war der schönste Traum aller Gaullisten; Chirac war bekanntlich der letzte Gaullist. Das noch abgesichert durch das Bündnis mit Rußland - und raus aus Europa wären sie gewesen, die Amis.

Gewiß spielten bei Chiracs Entscheidung auch innenpolitische Gründe eine Rolle; die Sozialisten hatten es auch in Frankreich geschafft, eine antiamerikanische Stimmtung zu erzeugen. Aber der abrupte Wandel trat ein, nachdem sich Chirac mit Schröder getroffen hatte.



Daß Frankreich nicht an der Invasion teilnahm, weil es solche Interventionen etwa ablehnen würde, ist eine absurde Idee. Kein Land interveniert so oft militärisch wie Frankreich; in Afrika sind fast ständig französische Truppen eingesetzt. Skrupel hätte Chirac ganz gewiß nicht gehabt, seine Mirages Bagdad bombardieren zu lassen.

Herzlich, Zettel
str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

28.03.2009 12:03
#19 RE: Die USA waren keineswegs zur Invasion entschlossen Antworten

Zitat von Zettel
Lieber Daddeldu,

was sich in der Geschichte wirklich abgespielt hat, kann man bekanntlich erst dann beurteilen, wenn die Archive geöffnet sind; manchmal noch nicht einmal dann - siehe die kürzliche Diskussion hier im Forum über die Schuld am Ersten Weltkrieg.


Das stimmt zwar irgendwo, aber bis dahin kann man auch anhand der öffentlichen Aussagen sich ein Bild machen.

Und da genügt die, auch Ihnen ja nicht bestrittene, Aufforderung der USA an Saddam, sein Land zu übergeben.

Jemand, der solcher Forderungen stellt und an Erfüllung glaubt, ist entweder extrem arrogant oder extrem naiv. Wenn man ein Land beherrschen will - und diesen Anspruch erhoben die USA ja schon allein durch ihre Forderung - muß man es erobern.

Für die Unverfrorenheit der Forderung (und damit die Kriegs"schuld") spielt es aber keine überhaupt Rolle, ob die USA an die Erfüllung geglaubt haben (aber ich bezweifle es) oder dies nur die Prelude zur Invasion war. Das mögen die Akten einst beantworten - aber vielleicht auch nicht, denn nicht jeder Gedankengang kommt in die Akte. Aber es ist wie gesagt unerheblich.

In Antwort auf:
Klarer kann man es eigentlich nicht sagen, lieber Daddeldu: Entweder geht Saddam, oder es gibt Krieg. Also ein Verzicht auf den Krieg, wenn Saddam geht.


Verzicht auf Krieg ist ja nicht Verzicht auf Invasion.

Wie hätte das eigentlich von statten gehen sollen, dieses Saddam verläßt das Land: Er allein? Mit seinen Söhnen? Mit seiner ganzen Regierung? Mit dem ganzen Regime? Und wohin hätten sie eigentlich gehen sollen?

Wer hätte dann die Regierung des Iraks übernommen? Wäre ein Chaos entstanden (wie es ja dann auch nach der Invasion passiert ist) und hätten die USA das hinnehmen können? Oder war es ohnehin so gedacht, wenn Saddam ohne Gegenwehr geht, dann können wir das Land friedlich besetzen und brauchen keinen Krieg?

In Antwort auf:
Nichts in dem Text der Rede erlaubt den Schluß, daß die Invasion auch stattgefunden hätte, wenn Saddam ins Exil gegangen wäre. Sein Regime wäre mit seiner Flucht ja am Ende gewesen; die USA hätten ihr Ziel ohne Krieg erreicht.


Welches Ziel denn?

In Antwort auf:
Übrigens war das schon damals erkennbar.


Wie war das oben nochmal: "was sich in der Geschichte wirklich abgespielt hat, kann man bekanntlich erst dann beurteilen, wenn die Archive geöffnet sind"

Aber nun war schon damals, als wir noch weniger wußten als jetzt das alles erkennbar.

In Antwort auf:
dann hätte Saddam keine Chance gesehen, einer Invasion und dem Untergang seines Regimes zu entgehen, und er hätte das Exil gewählt.


Aber wohin hätte er gehen sollen? Mal abgesehen davon, daß Saddam schon aus Gründen des Gesichtsverlustes der Invasion entgegentreten mußte.

Die Verwerflichkeit einer solchen Forderung bleibt davon ohnehin unberührt! Und eine Invasion hätte es dann wohl auch gegeben,

In Antwort auf:
Daß Frankreich nicht an der Invasion teilnahm, weil es solche Interventionen etwa ablehnen würde, ist eine absurde Idee.


Das mag so sein, ändert aber nichts am Sachverhalt, daß einzig und allein die USA den Krieg gewollt haben und ihn gemeinsam mit den Willigen geführt haben.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.03.2009 12:42
#20 RE: Die USA waren keineswegs zur Invasion entschlossen Antworten

Sie stellen, lieber str1977, einige interessante Fragen, die mir Gelegenheit geben, ein paar Informationen nachzutragen.

Zitat von str1977
Zitat von Zettel

Wie hätte das eigentlich von statten gehen sollen, dieses Saddam verläßt das Land: Er allein? Mit seinen Söhnen? Mit seiner ganzen Regierung? Mit dem ganzen Regime? Und wohin hätten sie eigentlich gehen sollen?



Darüber gab es bereits im September 2002 Gepräche, als die Resolution 1441 vorbereitet wurde. Man kann das im Independent on Sunday vom 29. 9. 2002 nachlesen. Danach waren auch arabische Staaten in diese Überlegung zur Exilierung von Saddam einbezogen. Als mögliche Aufnahmelände wurden Nordkorea, China, Algerien und Mauretanien genannt. Entsprechende Konsultationen fanden auch kurz vor der Invasion statt.

Wer hätte mit Saddam ins Exil gehen müssen? Das wäre natürlich seine eigene Entscheidung gewesen. Es gibt ja Vorbilder genug, von Fulgencio Batista, der eine halbe Milliarde Dollar mit ins Exil genommen haben soll, über Idi Amin bis zum Kaiser Bokassa (der allerdings den Fehler machte, aus seinem komfortablen Exil in die Heimat zurückzukehren).
Zitat von str1977
Wer hätte dann die Regierung des Iraks übernommen? Wäre ein Chaos entstanden (wie es ja dann auch nach der Invasion passiert ist) und hätten die USA das hinnehmen können? Oder war es ohnehin so gedacht, wenn Saddam ohne Gegenwehr geht, dann können wir das Land friedlich besetzen und brauchen keinen Krieg?

Es gab damals Berichte, daß die USA in Kontakt mit Offizieren standen, die bereit waren, eine Übergangsregierung zu bilden. Von konkreteren Plänen ist mir nichts bekannt. Naheliegend ist, daß man mit der provisorischen Regierung darüber verhandelt hätte, ob sie sich selbst in der Lage sieht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, oder ob sie dazu Truppen der Koalitions- Verbände für erforderlich hält.

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

28.03.2009 12:57
#21 RE: Die USA waren keineswegs zur Invasion entschlossen Antworten
Zitat von Zettel
Sie stellen, lieber str1977, einige interessante Fragen, die mir Gelegenheit geben, ein paar Informationen nachzutragen.


Danke, lieber Zettel, für ihre Antwort. Ich dachte schon beinahe, sie hätten es aufgegeben. Lassen Sie mich versichern, daß ich - bei aller Schärfe der Argumentation - einzig um die Sache geht.

Zitat von Zettel
Zitat von str1977
Wie hätte das eigentlich von statten gehen sollen, dieses Saddam verläßt das Land: Er allein? Mit seinen Söhnen? Mit seiner ganzen Regierung? Mit dem ganzen Regime? Und wohin hätten sie eigentlich gehen sollen?

Darüber gab es bereits im September 2002 Gepräche, als die Resolution 1441 vorbereitet wurde. Man kann das im Independent on Sunday vom 29. 9. 2002 nachlesen. Danach waren auch arabische Staaten in diese Überlegung zur Exilierung von Saddam einbezogen. Als mögliche Aufnahmelände wurden Nordkorea, China, Algerien und Mauretanien genannt. Entsprechende Konsultationen fanden auch kurz vor der Invasion statt.


Mit wem wurde konsultierrt. Algerien und Mauretanien kann ich mir vorstellen, aber mit China oder gar Nordkorea? Mal abgesehen davon, daß ich selbst Saddam kein Exil in Nordkorea wünsche.

In Antwort auf:
Wer hätte mit Saddam ins Exil gehen müssen? Das wäre natürlich seine eigene Entscheidung gewesen. Es gibt ja Vorbilder genug, von Fulgencio Batista, der eine halbe Milliarde Dollar mit ins Exil genommen haben soll, über Idi Amin bis zum Kaiser Bokassa (der allerdings den Fehler machte, aus seinem komfortablen Exil in die Heimat zurückzukehren).


Äh nein. Es wäre nicht Saddams Enscheidung gewesen. Natürlich kann er mitnehmen wen er will, solange das Exilland auch einverstanden ist. Die Frage war aber: was hätte den amerikanischen Forderungen genügt und das ist einzig und allein Amerikas Entscheidung.

In Antwort auf:
Es gab damals Berichte, daß die USA in Kontakt mit Offizieren standen, die bereit waren, eine Übergangsregierung zu bilden. Von konkreteren Plänen ist mir nichts bekannt.


Interessant. Aber wo bleibt dann die Demokratisierung? (Klar, wenn es nur WMD gegangen wäre, dann wäre das sinnvoll, aber es gibt eben diese Reihe von Kriegsgründen.)

In Antwort auf:
Naheliegend ist, daß man mit der provisorischen Regierung darüber verhandelt hätte, ob sie sich selbst in der Lage sieht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, oder ob sie dazu Truppen der Koalitions- Verbände für erforderlich hält.


Das ist aber unwahrscheinlich. Ich kann mich sehr genau an die Verhandlungsbereitschaft der amerikanischen Regierung damals erinnern.

Diese hat sich gerademal zur genannten UN-Resolution überrreden lassen, aber nur widerwillig und mit viel Gegrummel.

Wer dem Irak unter Saddam einfach ein Ultimatum für inneren Umsturz präsentiert, wird mit den Nachfolgern nicht noch wirklich verhandeln.

Wie dem auch sei: mein Hauptpunkt - das unverfrorene Ultimatum - wird davon nicht betroffen.

Gruß,
str1977

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