Das BVerfG hat es abgelehnt, sich mit der Wehrpflicht zu befassen, weil es die Begründung des Verwaltungsgerichts Köln, das ihm diese Frage vorgelegt hatte, unzureichend findet. In der Sache entschieden hat es damit nicht.
Vielleicht geht es ja den Karlsruher Richtern wie mir: Ich weiß nicht, was richtig ist. Ich habe keine allgemeine Überzeugung, aus der ich eine Entscheidung ableiten könnte. Pragmatische Argumente gibt es, so scheint mir, für das eine wie für das andere; sogar für Westerwelles halb und halb (beibehalten, aber aussetzen).
Lieber Zettel, das ist ein frickeliges Thema, deshalb möchte ich es wie der liebe Ungelt halten, und aus persönlicher Perspektive beginnen.
Hinter mir, an meiner Bürowand, hängen zwei „Reliquien“, die für mich besonders wichtig sind, weil ich sie mir hart erarbeiten musste. Ich musste für sie an meine Grenzen, und teilweise darüber hinaus gehen. Die eine ist mein Meisterbrief und die andere eine Kollage aus meinem bordeauxroten Fallschirmjägerbarett, den grünen Litzen, meiner Schützenschnur und dem goldenen Leistungsabzeichen der Bundeswehr.
Den Meisterbrief wollte ich erlangen. Keine Frage, dass ich mich da angestrengt habe … aber die Armee-Erinnerungen?
Ich wollte nicht zum Barras, habe mich aber auch nicht gesperrt. Meine Großväter haben gedient, mein Vater hat gedient, warum sollte ich mir da zu fein sein? Ein Jahr „Dienst fürs Vaterland“ sollte wohl jedem zuzumuten sein.
Tja, der Bund hat mich 24-jährig von der Karriereleiter gepflückt und mich für 400 DM brutto kaserniert. Ich musste Sturmbahnen überwinden, durch den Schlamm robben, bei Hundskälte und Regen mühsam aufgebaute Biwaks nach einer Stunde wieder abbauen und nach etlichen Kilometern Nachtmarsch wieder mit klammen Fingern errichten … bis der nächste Alarm kam. Ich musste mich von 18-jährigen „Zivilversagern“ anblöken lassen, die ich im RL nicht mal mit dem Hintern angegrinst hätte.
Ich könnte da noch etliches Unangenehmes anführen (wer schon mal bei >30°C in einem BW-Schlafsack steckte und unterbrochen von Liegestützkaskaden ein G3 zerlegen und zusammensetzen musste, weiß was ich meine), aber es geht um eine Zeit, die ich nicht missen möchte und jedem jungen Mann anempfehle. Würde ich das noch mal wieder haben wollen? Never! Aber ich würde es von meinem Sohn (abseits aller Politik) erwarten, denn es stellt eine Art „Mannwerdung“ dar.
Wir haben es, in unseren aufgeklärten Gesellschaften ja nicht so mit Initiationsriten. Da ist der Wehrdienst der einzige brauchbare Ersatz. Ich habe Jungs erlebt, die im Leben sonst nix auf die Reihe bekamen, aber im „Feld“ zur Stütze des ganzen Trupps wurden. Andererseits habe ich Jungs erlebt, die mit der ganzen Würde ihres gerade bestandenen Abis loszogen und sich als Pfeifen entpuppten. Der Dienst macht alle gleich. Da lernt so mancher das erste mal, dass es auch Tugenden außer der eigenen gibt. Wenn man Glück hat, trifft man Freunde fürs Leben. Zusammen in selbstgebuddelten Schützenlöchern schlafen/wachen … Vertrauen, Dankbarkeit, Kameradschaft … Hilfsbereitschaft erfahren und selbst selbstlos sein – ich möchte es nicht missen.
Das ist meine persönliche Sicht.
Es gibt aber auch rationale Gründe gegen die Wehrpflicht.
Der erste betrifft die Kosten. Klar ist es sinnlos, Leute für ein ohnehin unproduktives Gewerbe auszubilden, wenn sie es dann später eh nicht ausüben. -> Aber was ist, wenn wir sie doch mal brauchen sollten?
Der zweite betrifft die Freiheit des Bürgers. Der Bürger ist in so vielen zivilen Belangen unfrei, aber er sollte wenigstens wehrhaft sein. Privat darf man ja kaum noch wehrhaft sein, also sollte wenigstens jeder das bissl Wehrhaftigkeit unter Staatsobhut lernen.
Der dritte betrifft die „Lebenszeitverschwendung“. Da denke ich, dass eh schon zu viel Lebenszeit verschwendet wird, bis ein Jugendlicher/Schüler/Student mal endlich einen Beruf ergreifen kann. Ein verpflichtendes Jahr an der Waffe (Männer, zur Wahl für Frauen) und ein soziales Jahr für junge Frauen würde da bestimmt einigen erst mal zeigen, zu welchen Leistungen sie fähig sind, wenn sie denn wollen/müssen. Da könnte sicher einiges an Ausbildungs-/Studienzeit eingespart werden.
Zum Abschluss möchte ich noch anführen, was mich eindeutig pro-„Wehrdienst für alle“ votieren lässt.
Man kann in den Bundestag gelangen, ohne jemals irgendwie produktiv tätig geworden zu sein. Man kann andererseits auch nach einem vergeigten (oder bestandenen!) Schulabschluss in der HartzIV-Schleife landen. Der Wehrdienst ist für jeden die Chance, zu zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist, oder wenigstens die Möglichkeit zu sehen, dass andere keine schlechteren oder besseren Menschen sind. Ein Zeugnis der BW zeigt jedem potentiellen Arbeitgeber schon mal, dass da jemand Disziplin und Teamwork kennengelernt hat … das ist schon viel wert.
Beste Grüße, Calimero
P.S. Wäre ich ein Personalchef, würden mich die BW-Erlebnisse eines Bewerbers besonders interessieren.
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
Ich bin für den Kompromiß: Aussetzen. Es könnte tatsächlich einmal der Tag kommen, an dem Deutschland wieder eine Wehrpflicht braucht. Dann ist eine verfassungsgemäße Einführung schwerer als die Aufhebung eines Moratoriums.
Die praktizierte Wehrpflicht ist derzeit unnütze Freiheitsberaubung. Es gibt Reservisten, die von der Kameradschaft schwärmen - die Wehrpolitik ist aber nicht für Erlebnisreisen zuständig. Es gibt natürlich die Schwärmerei von den charakterbildenden Folgen des Schlammfressens. Ich glaube auch, daß bei einigen Leuten dieser Effekt eintritt. Aber die BW-Gedienten, die ich kenne, berichten von sich selbst das Gegenteil. Die sind mit Stromlinienform, Schleimerei, Betrug und reichlich Vollsuff durchgeschlängelt. Kommt vermutlich auch drauf an, ob man als Druckerreparierer beim Cheffe oder als Schütze bei den Fallschirmjägern landet... Nun sind die Rekruten alle über 18. Und ab diesem Alter sind Politiker und Beamte sowieso nicht mehr für die Charakterbildung der Untertanen zuständig. Es sei denn, der betreffende Bürger hat ein Verbrchen begangen. So weit ich weiß, ist es aber noch kein Verbrechen, nicht zu verweigern und dann bei der Einziehungslotterie zu verlieren. Also weg damit. Eine gerechte Wehrpflicht können wir uns auch gar nicht leisten. Uns fehlt ja schon die Ausrüstung für die Berufssoldaten in Afghanistan.
Und was das persönliche betrifft: Ich habe als ISB und MSD im Zivildienst gedient. Begründet wurde die massive Ausweitung dieses Dienstes mit der Wehrpflicht. Die Wehrpflicht wurde wenig später mit der Notwendigkeit der ISB- und MSD-Zivis begründet. Was dahinter steckt, habe ich live und in Farbe gesehen. Wer Caritas, ASB, et.al. für barmherzige Hilfsorganisationen hält, hat keine Ahnung von der Realität. Das sind knallhart kalkulierende, konkurrierende und korrumpierende Konzerne, von denen noch jeder lernen kann, wie man Lobbyarbeit betreibt und wie man dank Strafverfolgung für den "Verrat von Dienstgeheimnissen" Zwangsarbeitskräfte einsetzt. Ja, gegenwärtig ist das Gesundheits- und Pflegesystem von den Zivis abhängig. Das hat sich während meiner Dienstzeit ergeben. Man hat alle regulären Angestellten unterhalb der Führungsebenen gefeuert und rausgemobbt. Und der Deal lief beispielsweise so, daß manchmal die Angehörigen oder die Heimleitung billigere Pflege für die Klienten wollten. ISB-Zivis werden (wurden zumindestens zu meiner Zeit) im Gegensatz zu Angestellten nicht von der Pflegeorganisation bezahlt sondern vom Staat. Sind ja Rekruten und kriegen normalen Wehrsold. Bei ISB-Zivis kriegt die Dienststelle noch einen saftigen Zuschlag pro ISB-Arbeitstunde obendrauf gezahlt, den sie behalten und nach Gutdünken verwenden kann. Weiter wäre Dienstgeheimnis. Aber so sind alle fest Angestellten mit Vertrauensproblemen rausgeflogen, die man nicht einfach so feuern konnte. Natürlich wollen die meisten Angehörigen nur gute Pflege haben. Und die haben sie auch schön weiterhin bezahlen müssen. Bei Wegfall der Personalkosten beim Anbieter. Das wußten die Angehörigen üblicherweise gar nicht. Wollten sie auch nicht glauben, wenn mam es ihnen gesagt hat. Immerhin oft mehrere Hundert DM pro Pflegeeinheit, d.h pro 1-2 Stunden. Und als herauskam, daß beim Bau eines großen neuen und teuren Altenheimes für oberen Mittelstand diverse Genehmigungen fehlten und seltsame Abkürzungen im Amtsapparat genommen wurden, war der einzige Zeuge, der sich nicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen konnte, ein Verwaltungszivi*. Und dem wurde ganz legal von einem der Hauptverdächtigen per Dienstanweisung die Aussage vor Polizei und Gericht verboten. Aber da wurde auch nicht weiter ermittelt. Altenheime sind gemeinnützig. Ergo sind auch nichtversteuerte, ach ich weiß es ja nicht. Es dürfte ja eh nicht beeidigt werden und ist lange her. Und ich selber bin kein Zeuge.
Naja, was ich sonst so gelernt habe? Daß Behinderte ganz normale Menschen sind, die keinerlei besonderes Mitleid verdient haben. Hin und wieder eine helfende Hand reicht aus, wenn's mit der Treppe nicht so klappt. Pflichtbewußtsein? Yep. Oft wäre der Klient schlicht verreckt, wenn ich krank geworden oder auf dem Dienstweg einen Autounfall gebaut hätte. Multiple Sklerose im Endstadium braucht Überwachung. Sollte eigentlich bei der Einsatzplanung durch Reserve und Ablösungsfolge geregeltsein, aber das ist eines der vielen Dienstgeheimnisse. Und was habe ich sonst gelernt? Priorisierung bis an die Schmerzgrenze anderer Menschen. Bettler in deutschen Innenstädten gehen mir heute am Allerwertesten vorbei. Das Gejammer der Linken über das böse soziale Elend ist Heuchelei pur. Ich hab gelernt, wie echte Not in Deutschland aussieht, und daß hinter der Fassade des armen von der Gesellschaft ausgegrenzten Behinderten manchmal ein begnadeter Informatiker steckt, der hochdotierte Anwerbungsschreiben von IBM in den Mülleimer schmeißt, weil er für diesen Job pünktlich arbeiten müßte, statt nachts besoffen durch das Viertel zu rollen und Autospiegel zu zerdreschen. Warum? Weil er kann. Die Polizei hat ihn nie verdächtigt. Die einzigen Zeugen... Dienstgeheimnis. Strafdrohung 3 Jahre Gefängnis. In jedem Fall Strafversetzung ins Sterbeheim.
Weg damit.
(*) Nicht ich. Ich war bei der Konkurrenz und im ISB und MSD. Bei mir liefen andere Dienstgeheimnisse ab.
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
Als Nachtrag möchte ich noch beifügen, dass es mit der derzeitigen BW-Struktur natürlich nicht funktioniert. Durch die Wehrpflichtigenausbildung werden Einsatzkräfte und -ressourcen gebunden, die damit auch durchaus überfordert sind.
Wer die BW von innen kennt, weiß, dass sie ein Bürokratiemonster mit angeschlossener Werkstatt und Kampftruppen darstellt. Wehrpflichtige sind da sozusagen eine Art zusätzlicher "Getriebesand". Man sollte außerhalb der Einsatzkräftebasen so eine Art Ausbildungscamps schaffen, in denen Wehrpflichtige von geschulten Ausbildern das Grundhandwerkszeug des Militärs vermittelt bekommen. Das wäre wohl besser für Rekruten und Ausbilder.
Zweitens sollte (im ersten Schritt) die finanzielle Ungleichbehandlung von Soldaten und Zivis unterbunden werden. Meine Kumpels haben als Zivis teilweise doppelt so viel "Sold" bekommen, wie ich als Stoppelhopser. Begründung: "Ich bekäme ja Klamotten und Zimmer gestellt!" ... ganz toll!
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
Zitat von CalimeroWir haben es, in unseren aufgeklärten Gesellschaften ja nicht so mit Initiationsriten. Da ist der Wehrdienst der einzige brauchbare Ersatz.
Allerdings ein recht teurer.
Ich bin auch der Meinung, daß wir es durch fehlende Initiationsriten den Jugendlichen unnötig schwer machen, ihre Rolle als Erwachsener zu finden. Wie gut ist das bei Naturvölkern geregelt, wo der junge Mann in die Wildnis geschickt wird, allerlei Proben bestehen muß (siehe Karl May: Sich seine "Medizin" erwerben) und als Erwachsener in die Gesellschaft zurückkehrt.
Stattdessen endet bei uns heutzutage die Kindheit, wenn man sein erstes Date und Petting hat, also mit elf oder zwölf. Und erwachsen ist man, wenn man sein eigenes Geld verdient, also frühestens mit sechzehn, meist mit über zwanzig, wenn nicht gar, wie bei vielen Akademikern, knapp dreißig. Welch ein Unfug!
In meiner Jugend war die Grenze immerhin noch angedeutet: Mit der Konfirmation war man kein Kind mehr und wurde mit "Sie" angeredet (auf dem Gymnasium etwas später; ich glaube, mit dem Eintritt in die Obersekunda, also mit sechzehn oder siebzehn). Als Student war man eindeutig erwachsen. Die heutigen "Studis" mit ihrer Jugendkultur, mit dieser Dauerduzerei scheinen mir viel kindlicher zu sein.
Wie wäre es eigentlich mit einem allgemeinen Arbeitsdienst - gut, Sozialdienst - im Alter von achtzehn Jahren bzw. sofort nach dem Abitur? Natürlich für Männer und Frauen gleichermaßen.
Die Bundeswehr wird zu einer Freiwilligenarmee; wer sich dort verpflichtet, der braucht den Sozialdienst nicht zu leisten und erhält statt des "Wehrsolds" ein normales Gehalt als Berufssoldat.
Der Sozialdienst ist für alle Pflicht, die in Deutschland ihren Hauptwohnsitz haben; also auch nicht eingebürgerte Ausländer. Ich denke, das würde deren Assimilation ungemein fördern. Es würde Vorurteile gegen sie abbauen. Es würde ihr Selbstbewußtsein sehr stärken.
Und es wäre eben für alle eine klare Zäsur im Sinn einer Initiation. Wer den Sozialdienst hinter sich hat, der hat sich damit aus einem Jugendlichen in einen Erwachsenen verwandelt, mit allen Rechten und Pflichten. Man könnte auch darüber nachdenken, das Wahlrecht an die Absolvierung des Sozialdienstes zu koppeln. Erst wer etwas für die Gemeinschft getan hat, hat das Recht erworben, in dieser Gemeinschaft auch mitzubestimmen. So könnte man jedenfalls argumentieren.
Naja, das war jetzt natürlich Utopie; nur so ins Unreine gedacht.
Zitat von ZettelMan könnte auch darüber nachdenken, das Wahlrecht an die Absolvierung des Sozialdienstes zu koppeln. Erst wer etwas für die Gemeinschft getan hat, hat das Recht erworben, in dieser Gemeinschaft auch mitzubestimmen. So könnte man jedenfalls argumentieren.
Zitat von ZettelMan könnte auch darüber nachdenken, das Wahlrecht an die Absolvierung des Sozialdienstes zu koppeln. Erst wer etwas für die Gemeinschft getan hat, hat das Recht erworben, in dieser Gemeinschaft auch mitzubestimmen. So könnte man jedenfalls argumentieren.
Also, quasi Starship Troopers light.
Wobei der Dienst dort komplett freiwillig und nicht besonders angesehen ist. Die Idee gefällt mir immer besser.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
In Antwort auf:Wobei der Dienst dort komplett freiwillig und nicht besonders angesehen ist.
Kleine Korrektur: Der Militärdienst ist vor allem in Heinleins Roman äußerst angesehen!
Persönlich bin ich entschieden gegen diese Zwangsverpflichtung, die ja noch dazu geschlechterspezifisch getrennt ist. FeministInnen pochen bei entsprechender Fragestellung, weshalb Jungen zum Bund müssen, Mädchen jedoch nicht, darauf, dass Männern eine gewisse soziale Reifung nicht schaden würde. Denn: Frauen sind ja bekanntlich die besseren Menschen und brauchen so etwas nicht. Für mich ist der Wehrdienst eine weitere Facette des Unterdrückerstaates, und da nützt es nichts zu sagen: "Schadet den Jungen doch nicht!" Nein, den meisten schadet es wohl nicht. Es würde ihnen auch nicht schaden, einmal wöchentlich "freiwillig" die Straßen zu säubern. Kurzum: Mir behagt das Prinzip des Zwanges einfach nicht, das den Staat von A bis Z dominiert und prägt. Ich möchte für mich selber entscheiden dürfen, wie ich mein Leben zu verbringen gedenke. In der Praxis engen die Maschendrahtzäune des Staates jedoch den Freiraum extrem ein.
Zitat von RainerKurzum: Mir behagt das Prinzip des Zwanges einfach nicht, das den Staat von A bis Z dominiert und prägt. Ich möchte für mich selber entscheiden dürfen, wie ich mein Leben zu verbringen gedenke. In der Praxis engen die Maschendrahtzäune des Staates jedoch den Freiraum extrem ein.
Man könnte, lieber Rainer, nach meinem Gedankenspiel ja frei entscheiden, welche Art von Sozialdienst man wählt - Zivi im Krankenhaus, Entwicklungsdienst, Alten im Haushalt helfen, was immer. Oder eben Bundeswehr.
Nun können Sie einwenden, in jedem Fall übe der Staat aber den Zwang aus, überhaupt Sozialdienst zu leisten. Gewiß. Aber er übt auch den Zwang aus, Steuern zu zahlen, sich an das Baurecht zu halten usw.
Ich bin entschieden für so viel persönliche Freiheit, wie das möglich ist. Vor allem darf der Staat seine Bürger nicht ideologisch zu beeinflussen versuchen, wie das gegenwärtig mit Rauchverbot, Glühlampenverbot, Umweltzonen usw. versucht wird.
Aber daß junge Menschen, die ja die Annehmlichkeiten, die der Staat ihnen bietet, gern annehmen, einen Dienst für die Gemeinschaft leisten, bevor sie ins Berufsleben eintreten - das scheint mir nicht zuviel verlangt zu sein.
Lieber Zettel, ganz ehrlich: Ich glaube, dass die Menschen im Allgemeinen nicht so übel wie ihr Ruf sind. Gucken Sie nur, wie viele - darunter zahlreiche junge! - Menschen sich ehrenamtlich betätigen. Es muss und kann niemand dazu gezwungen werden, gefälligst "sozial" oder "verantwortungsvoll" zu agieren. Man ist es oder ist es nicht; daran kann auch ein Jahr Zivildienst (oder wie auch immer) nichts ändern.
Was den "normalen" Zwang des Staates anbelangt, haben Sie natürlich absolut Recht. Dennoch möchte ich eine Linie ziehen, ob man mir beim Gehalt einen hübschen Batzen wegnimmt oder mich körperlich und unter Androhung von Strafe dazu zwingt - nennen wir es doch beim Namen -, als Discount-Arbeitskraft zu dienen.
In Antwort auf:Aber daß junge Menschen, die ja die Annehmlichkeiten, die der Staat ihnen bietet, gern annehmen, einen Dienst für die Gemeinschaft leisten, bevor sie ins Berufsleben eintreten - das scheint mir nicht zuviel verlangt zu sein.
Also das Prinzip "So lange du die Füße unter meinen Tisch steckst, kannst du ruhig deiner Mutter beim Haushalt helfen!". Aber ernsthaft: Anfreunden kann ich mich mit dem Vorschlag nicht, denn im Allgemeinen kommen ja Mami und Papi für das Kind auf. Wenn überhaupt, würde es später Sinn ergeben, wenn sich Leute in die soziale Hängematte legen und fleißig "Unterstützung" kassieren, für die sie nichts geleistet haben.
Zitat von RainerAber ernsthaft: Anfreunden kann ich mich mit dem Vorschlag nicht, denn im Allgemeinen kommen ja Mami und Papi für das Kind auf.
Ja, eben, lieber Rainer.
Der Ausgangspunkt der jetzigen Diskussion war ja der Erfahrungsbericht von Calimero, der die Zeit in der Bundeswehr als eine Art Initiation ins Erwachsenenleben erlebt hat.
Das erscheint mir sehr einleuchtend. Wir haben heute, wie schon geschrieben, eine nachgerade endlose "Jugendzeit", in der man kein Kind mehr ist, aber auch noch nicht auf eigenen Beinen steht. Nicht wenige Studenten lassen sich noch im zarten Alter von um die dreißig von Mami und Papi alimentieren. Sie sind in ihrer Rolle als Studenten nicht erwachsen; sie sind es ökonomisch nicht.
Wer aber anderthalb Jahre lang in einem Krankenhaus gearbeitet oder in Afrika Entwicklungshilfe geleistet hat, wer einen Behinderten rund um die Uhr versorgt oder in der Bundeswehr Verantwortung für teures Gerät getragen hat, der ist erwachsen geworden.
Mir ist das, lieber Rainer, vor Jahrzehnten das erste Mal bei einem Studenten aufgefallen, der damals bei mir Hilfskraft war. Er wirkte auf mich ungewöhnlich selbständig, erwachsen, verantwortungsbewußt. Kein "Studi" wie die Gleichaltrigen, sondern ein Mann, den ich nie anders als wie einen Erwachsenen behandelt hätte.
Dann hat er sich für ein paar Wochen abgemeldet, zu einer Wehrübung. Und da erst habe ich erfahren, daß er Oberleutnant bei der Panzertruppe war und bei solchen Übungen die Verantwortung für soundsoviele Kameraden und für Gerät im Wert von Millionen trug. So etwas macht einen Menschen eben erwachsen.
Natürlich nicht nur das. Auch zum Beispiel die Gründung einer Familie. Auch Studenten, die Familienväter waren, sind mir als ungewöhnlich erwachsen und verantwortungsbewußt aufgefallen (ja, auch die Familienmütter ).
Zitat von Calimero Zweitens sollte (im ersten Schritt) die finanzielle Ungleichbehandlung von Soldaten und Zivis unterbunden werden. Meine Kumpels haben als Zivis teilweise doppelt so viel "Sold" bekommen, wie ich als Stoppelhopser. Begründung: "Ich bekäme ja Klamotten und Zimmer gestellt!" ... ganz toll!
Dieses Gerücht von der Bevorzugung läuft schon um, seit die "Drückeberger" nicht mehr als Vaterlandsverräter eingesperrt werden dürfen. Es war von Anfang erlogen und ist es heute noch. [Das die gestellte Berufskleidung und -unterkunft nicht so toll ist, gilt auch für Zivis, die das genießen. Ich hatte zwar keine gestellte Kleidung aber ein Ziviheim mit handwerklicher Kreativität, "einnahmeorientierter" Kommunikationsanbindung (Handies gab's noch nicht, Telefonzellen schon nicht mehr.) und einer Inneneinrichtung aus lauter Erbstücken - Spenden dankbarer Klientenerbengemeinschaften.]
Es gibt keine Besserstellung, sondern eine verfassungsrechtlich unumgängliche Versorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidern und Unterkunft auch für Dienstleistende außerhalb einer Kaserne. Das wird von traditionellen Kreisen in der Bundeswehr immer noch als große Ungerechtigkeit gesehen. Ärzte bestätigen aber üblicherweise, daß auch außerhalb einer Kaserne ohne Nahrungsaufnahme zwangsläufig der Tod eintritt. Juristen halten deshalb ganz im Gegensatz zu Traditionalisten in der BW eine minimale Versorgung von Eingezogenen mit Lebensmitteln auch außerhalb einer Kaserne für rechtlich geboten.
Wer als Zivi eine Bude von der Dienststelle gestellt bekommt, bekommt legal keinen Wohnkostenzuschuß. Dieser richtet sich nach dem Mietspiegel am Dienstort. Wer bei den Eltern wohnen darf (das entscheidet die Dienststelle), kriegt auch keinen Zuschuß. Dieser Zuschuß ist kein Besserverdienst, auch wenn dieses Gerücht in manchen Kasernen kolportiert wird. Wahrscheinlich hat der eine oder andere uniformierte Vorbeter da schlicht vergessen, was Miete ist. (Wahrscheinlich nicht ganz unabsichtlich. Außerhalb der Kaserne weiß man ja auch, was Wohngeld ist und wo es letztlich landet.)
Das gleiche gilt für Zivis, denen von der Dienststelle die Arbeitsbekleidung gestellt wird. Denen fällt sofort der Bekleidungszuschuß weg.
Es gibt ein ganzes Bündel von Zuschüssen, die zum einen notwendig sind, weil man rein praktisch vom reinen Sold außerhalb der Kaserne nicht überleben kann, ohne unter der Brücke zu betteln, und weil zum anderen rein juristisch das Bundesverfassungsgericht die Gleichbehandlung von Rekruten mit und ohne Waffe tatsächlich prüft, statt uralte rechtskonservative Propaganda zu glauben.
Dieser Vorwurf, die Zivis würden so reichlich beschenkt, während die armen Soldaten darben müßten, ist ja auch deshalb so lächerlich, weil die Zivibesoldung exakt die Kopie der Bundeswehrversorgung ist. Das gilt für alle Rechte und Pflichten der Zivis mit der einzigen Ausnahme des Waffengebrauchs, man hat nämlich im wesentlichen die Wehrgesetzgebung abgeschrieben und einfach ein paar Bezeichnungen ausgetauscht. Alles für die heilige Gleichbehandlung und ohne zwischendurch mal den Verstand einzuschalten. Daher auch der flutschende Mißbrauch von Zivis in der Branche - für einen Zivi im Pflegeeinsatz gelten dieselben Regeln wie für einen Soldaten im Kampfeinsatz, Maulkorb inklusive.
Zuschüsse, die kasernierte Rekruten üblicherweise nicht bekommen, sind beispielsweise ein Pfennigzuschuß für die Kleiderwäsche - fällt weg, wenn die Dienststelle Waschmaschine und Pulver stellt. Fahrtenbuchabrechnung für Dienstwege mit privatem PKW - fällt weg bei Dienstfahrzeug. Und so weiter.
Der Hauptanteil des "besseren Verdienstes" sind Zuschläge für Selbstverpflegung (Bei mir waren das 2 DM plus Zerquetschte pro Tag). Der Grundsold lag, wenn ich mich recht erinnere, bei DM 1,25 pro Tag. Also ist der Futterzuschuß durchaus das Doppelte des normalen Solds. Soweit richtig. Dient man in einer Jugendherberge oder an einer anderen Stelle mit Vollverpflegung (Kurheim z.B.), guckt man da aber auch in die Röhre. Und wenn man in einer wirtschaftlich gesunden Gegend untergebracht ist, ist das Futtergeld ein schlechter Witz. Es wird nämlich an den Verpflegungskosten einer kompletten durchschnittlichen BW-Kaserne geteilt durch deren Mannschaftsstärke berechnet [und orientiert sich nicht an den Lebensmittelpreisen im Einzelhandel, auf den der Selbstversorger nunmal angewiesen ist]. Da zahlt man als Zivi während der ganzen Dienstzeit ständig drauf. Das läppert sich zusammen.
Bei mir kamen über das Niveau eines normalen BW-Rekruten zum Verpflegungsgeld noch ISB-Zuschlag (entspricht Sold-Zuschlag für eingezogene Fallschirmjäger), Klamottengroschen und Waschpfennig. Diese Zuschläge waren komplett weg und haben nicht für ihren jeweiligen Zweck gereicht. [Ähem, ISB-Zuschlag natürlich ausgenommen. Der hat sein Ziel - mich bei der ISB zu halten - durchaus erreicht.] Und ich habe verdammt sparsam gewirtschaftet. Am Ende hatte ich aus meinem Sold tatsächlich was gespart. Aber meine Eltern hatten mehr als das Doppelte davon für mich drauf gezahlt. Verdammt teures Taschengeld, diese "Bevorzugung".
EDIT: 1) katastrophale Orthographie korrigiert. Tschuldigung dafür, war in Eile. 2) [In Klammern etwas klarer nachgesetzt.]
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster <hl> The Outside of the Asylum
In Antwort auf:Wobei der Dienst dort komplett freiwillig und nicht besonders angesehen ist.
Kleine Korrektur: Der Militärdienst ist vor allem in Heinleins Roman äußerst angesehen!
Oh, ein literarischer Fehdehandschuh! Den hebe ich dankbar auf!
Zitat von Starship Troopers, S. 21I never really intended to join up.
And certainly not the infantry!
Zitat von Starship Troopers, S.21/22So I told him I was joining up, too.
...
I took it up with my father, tentatively, edging into it sideways.
He put down his newspaper and cigar and stared at me. "Son, are you out of your mind?"
I muttered that I didn't think so.
"Well, it certainly sounds like it." He sighed. "Still... I should have been expecting it; it's a predictable stage in a boy's growing up. I remember when you learned to walk and weren't a baby any longer... All normal stages. And the last one, right at the end of adolescence, is when a boy decides to join up and wear a pretty uniform."
Zitat von Starship Troopers, S. 23 - Juans Vater"So what is this so-called "Federal Service"? Parasitism, pure and simple. A functionless organ, utterly obsolete, living on the taxpayers. A decidedly expensive way for inferior people who otherwise would be unemployed to live at public expense for a term of years, them give themselves airs for the rest of their lives."
Zitat von Starship Troopers, S. 29 - bei der Musterung"Doctor, were you already a doctor when you joined up? Or did they decide you ought to be a doctor and send you to school?"
"Me?" He seemed shocked. "Youngster, do I look that silly? I'm a civilian employee."
"Oh. Sorry, sir."
"No offense. But military service is for ants. Believe me. I see 'em go, I see 'em come back - when they do come back. I see what it's done to them. And for what? A purely nominal political privilege that pays not one centave and that most of them aren't competent to use wisely anyhow. ... [Y]oungster, if you've got savvy enough to count ten, you'll back out while you still can."
Zitat von Starship Troopers, S. 35/36My temporary roomie came in while I was packing. "Got your orders?" he asked.
"Yup."
"What?"
"Mobile Infantry."
"The Infantry? Oh, you poor stupid clown! I feel sorry for you, I really do."
Zitat von Starship Troopers, S. 100/101We were the only uniforms in the place; most of the other customers were merchant marine sailors - Seattle handles an awful lot of surface tonnage. I hadn't known it at the time but merchant sailors don't like us. ...
There were some young fellows there, too, about our age - the right age to serve a term, only they weren't - long-haired and sloppy and kind of dirty-looking. Well, say about the way I looked, I suppose, before I joined up.
We got up and left.
They followed us out. ...
They charged us.
Alle Zitate aus der 12. Auflage, Berkeley Medallion Books, 1968.
Zugegebenermaßen steigt die Achtung für das Militär in dem Ausmaß, wie der Krieg mit den Bugs intensiver wird. Ansonsten gibt es nur wenige Charaktere, die sich lobend über das Militär - insbesondere die MI - äußern. Und soweit ich das überblicke, sind das genau Fleet Sergeant Ho (bei der Rekrutierung) und OLt Dubois, beides Veteranen der MI.
Ich lese Starship Troopers recht regelmäßig, und dass der Dienst nicht besonders angesehen ist, ist recht zentral für das Buch. Meiner Lesart nach zumindest. Vielleicht können Sie mir ja Zitate nennen, die in die andere Richtung gehen?
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von Zettel Wer aber anderthalb Jahre lang in einem Krankenhaus gearbeitet oder in Afrika Entwicklungshilfe geleistet hat, wer einen Behinderten rund um die Uhr versorgt oder in der Bundeswehr Verantwortung für teures Gerät getragen hat, der ist erwachsen geworden.
Das mag sein. Aber ist es wirklich die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen? Der Staat hat gewisse unumstrittene und unverzichtbare Aufgaben zu erfüllen: Landesverteidigung, Katastrophenschutz, ein hohes Maß an Volksgesundheit gehören dazu. Die Erziehung der Bürger zu Erwachsenen oder die Versorgung ganzer Wirtschaftsbranchen mit Zwangsarbeitskräften gehören nicht dazu. Ich bin für die Aussetzung der Wehrpflicht, weil sie derzeit nur als Rekrutierungsmittel für Zwangsarbeitskräfte in der Sozialwirtschaft gebraucht wird. Es gibt auch keinen Grund mehr, Leute in die Bundeswehr zu zwingen. Man sollte im Gegenteil die Bundeswehr so ausstatten, daß sie motivierte Freiwillige anzieht und diese auch vernünftig führt, ausrüstet und absichert. Was das soziale Jahr angeht: Das gibt es auch auf freiwilliger Basis. Das Freiwillige Soziale Jahr (sic) ist gleichzeitig auch attraktive und einstiegsfördernde Berufsvorbereitung für viele Arbeitsplätze, sofern diese nicht für billige Zivis gestrichen werden. Man könnte vielleicht noch überlegen, ob man das THW in einen ordentlichen Zustand versetzt. Freiwillige wären dann leicht dafür zu gewinnen.
Und was die Initiationsprozesse angeht: Normalerweise sorgt das Leben selbst dafür. Die meisten werden erwachsen, wenn sie in die Lehre kommen. Dort werden sie eingenordet und anerkannt. Und wenn dann irgendwann im letzten Lehrjahr auch richtiges Geld auf dem Konto ist, hat sich einiges geändert. Andere haben zwar keine Lehre aber trotzdem ihre erste richtige Anstellung.
Das Problem der ewigen Jugend gibt es eigentlich nur bei Unihockern ohne festen Job. Vielleicht wäre es ja ganz nett, wenn man vor der Aufnahme eines Studiums erstmal eine Lehre machen müßte. Ich renoviere gerade mit meiner Frau unser frisch gekauftes Häusla und überlege manchmal, ob das mit den Büchern und den Computern wirklich so eine tolle Idee war. Eine Lehre als Dachdecker oder Elektriker oder Schreiner oder Zimmermann wäre jetzt erheblich nützlicher. Und Geld hätten wir auch viel mehr.
Naja, auch mal so einfach angedacht...
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Zitat von califaxIch bin für den Kompromiß: Aussetzen. Es könnte tatsächlich einmal der Tag kommen, an dem Deutschland wieder eine Wehrpflicht braucht. Dann ist eine verfassungsgemäße Einführung schwerer als die Aufhebung eines Moratoriums.
Exakt meine Meinung. Aussetzen und die BW so konzipieren, dass einerseits Auslandseinsätze möglich sind (womöglich gar ohne mit dem Hut in der Hand im Ausland nach Transportkapazitäten betteln zu müssen) und andererseits in vertretbarer Zeit die Kasernen wieder befüllt werden können.
Alternativ: zwei oder drei Monate Grundausbildung, passt zwischen Abitur und Studium, für die arbeitende Bevölkerung kann man den Lohn staatlicherseits fortzahlen. Passt halt nicht zum Zivildienst.
Warum nur aussetzen und nicht abschaffen? Wir haben nicht das Ende der Geschichte, und über kurz oder lang wird es auch wieder Kriege in Mitteleuropa geben. Und eine reine Berufsarmee mag schön sein, aber zur tatsächlichen Landesverteidigung halte ich es für sinnvoll und abschreckender, dass der größte Teil der (männlichen) Bevölkerung schon einmal eine Schusswaffe in der Hand hatte.
Ein Initiationsritus zum Erwachsenwerden mag ja schön und gut sein, aber ich habe noch keinen Unterschied in der Reife zwischen uniformiert oder ununiformiert gedienten sowie ungedienten Studenten festgestellt - dafür taugt der Wehrdienst meines Erachtens also nicht. Und der Staat ist nicht für Erlebnisreisen zuständig, insbesondere nicht, wenn es ein ganzes Zwangsjahr ist, bei dem obendrein die Wehrgerechtigkeit auf der Strecke bleibt.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Hm. Da muss ich mich denn wohl geschlagen geben. Seltsam, denn ich hatte den Roman ein bisschen anders in Erinnerung. Ich sollte ihn wohl wieder einmal lesen.
Zitat von GorgasalWir haben nicht das Ende der Geschichte, und über kurz oder lang wird es auch wieder Kriege in Mitteleuropa geben.
Das sehe ich nicht, lieber Gorgasal. Nichts rechtfertigt die EU mehr, als daß die Zugehörigkeit zu ihr Kriege zwischen den Mitgliedern ausschließt. Auch in den USA werden die Staaten keine Kriege mehr gegeneinander führen.
Ach je, ich hatte auch nicht von den nächsten zehn Jahren geschrieben. In Spanien unter dem späten Römischen Reich konnte man sich Krieg sicher auch nicht vorstellen, bis eines Tages erst die Vandalen, dann die Westgoten vor der Tür standen. In den USA Anfang des 19. Jh. war ein Krieg zwischen den Staaten auch schwer vorstellbar, schließlich hatte man seit 30 Jahren die Constitution, die sich schon durch mehrere Regierungswechsel hindurch bestens bewährt hatte - und demokratische Regierungswechsel war damals mindestens ebenso unglaublich wie der aktuelle Frieden in Europa.
Ich persönlich wäre mit derlei End of History-Thesen denkbar vorsichtig.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von GorgasalWir haben nicht das Ende der Geschichte, und über kurz oder lang wird es auch wieder Kriege in Mitteleuropa geben.
Das sehe ich nicht, lieber Gorgasal. Nichts rechtfertigt die EU mehr, als daß die Zugehörigkeit zu ihr Kriege zwischen den Mitgliedern ausschließt. Auch in den USA werden die Staaten keine Kriege mehr gegeneinander führen.
Ach je, ich hatte auch nicht von den nächsten zehn Jahren geschrieben. (...) Ich persönlich wäre mit derlei End of History-Thesen denkbar vorsichtig.
Ich halte sie schlicht für falsch. Natürlich geht die Geschichte weiter, und natürlich wird es weiter Kriege geben. Das einzige Gegenmittel wäre ein allmächtiger Weltstaat. Für mich eine Horrorvorstellung; aber viele scheinen ja so etwas anzustreben.
Nur ging es, lieber Gorgasal, ja nicht um Geschichtsphilosophie, sondern die Wehrpflicht in Deutschland. "Kriege in Mitteleuropa"? Ich hatte Sie so verstanden, daß Sie damit Kriege zwischen Staaten Mitteleuropas meinen. Das halte ich für ausgeschlossen; nicht in fünfzig und nicht in zweihundert Jahren. Und weiter würde ich für die Bundeswehr jetzt nicht planen wollen.
Oder meinten Sie einen Angriff auf Mitteleuropa? Auch dieser scheint mir ausgeschlossen, solange es die Nato gibt.
Was ich für denkbar halte, das ist russischer Druck auf Staaten an der Peripherie der Nato, ob sie nun Mitglieder sind oder nicht, der in kriegerische Auseinandersetzungen münden könnte.
Dann wird zB Polen wieder in einer ähnlichen Situation sein wie 1939. Damals bangten die Polen, ob die Engländer ihre Sicherheitsgarantie ernst nehmen würden; irgendwann in der Zukunft werden sie sich vielleicht fragen müssen, was die Mitgliedschaft in der Nato wert ist.
Aber daß eine solche Entwicklung eine deutsche Wehrpflicht begründen könnte, sehe ich nicht.
In Antwort auf:Ich bin für die Aussetzung der Wehrpflicht, weil sie derzeit nur als Rekrutierungsmittel für Zwangsarbeitskräfte in der Sozialwirtschaft gebraucht wird.
Genau das ist der Punkt. Spätestens seit mein Jahrgang eingezogen -- oder vielmehr zu einem Prozentsatz von über 60% ausgemustert -- wurde. Wir hatten damals den Eindruck das die Wehrpflicht nur noch besteht um a) über Zivis die Löhne im Gesundheitswesen zu drücken, und b) Berufssoldaten anzufixen. Wir haben dementsprechend angegeben nicht verweigern, aber unter gar keinen Umständen als Zeit- oder Berufssoldat verlängern oder gar an Auslandseinsätze teilnehmen zu wollen. Alle die sich daran gehalten haben wurden wegen lächerlichen Gründen ausnahmslos ausgemustert. Bei mir war es eine Allergie gegen Erbsen -- T5. Ein Freund der damals kurz vor seinem ersten Triathlon stand, aber bei der Musterung seinen Drogenkonsum grob übertrieben hatte -- T3. Ein anderer, dem das zu heikel war und deshalb von Anfang an angegeben hat verweigern zu wollen, wurde trotz Herzfehler (wie alle die den selben Fehler gemacht haben) für wehrtauglich erklärt. "Für Büroarbeit wird es ja wohl reichen".
Zitat von Calimero Würde ich das noch mal wieder haben wollen? Never! Aber ich würde es von meinem Sohn (abseits aller Politik) erwarten, denn es stellt eine Art „Mannwerdung“ dar.
Von meinem Sohn würde ich dies nicht erwarten. Ich möchte, dass er statt dessen auf dem Bau Steine huckt, damit er dann lernt, warum zu lernen gut ist und er Respekt auch vor dem kleinen Maurer und dessen Arbeit hat.
Zitat von GorgasalUnd eine reine Berufsarmee mag schön sein, aber zur tatsächlichen Landesverteidigung halte ich es für sinnvoll und abschreckender, dass der größte Teil der (männlichen) Bevölkerung schon einmal eine Schusswaffe in der Hand hatte.
Eine reine Berufsarmee sorgt dafür, dass die Soldaten jederzeit überall eingestzt werden können ohne sie fragen zu müssen, ob sie das wollen. Bezüglich der Landesverteidigung frage ich mich, wer die BRD überfallen soll. Ich könnte mir eine gemeinsame Armee der EU vorstellen. Dies spart dazu erhebliche Kosten.
Jemand, der mal für drei Monate eine Schusswaffe in der Hand hatte, taugt nicht zum Krieg führen. Es wurden keine Hemmschwellen eingerissen. Außerdem dürften die meisten vergessen haben, wie die Waffe funktioniert.
Zitat von EltovWir haben dementsprechend angegeben nicht verweigern, aber unter gar keinen Umständen als Zeit- oder Berufssoldat verlängern oder gar an Auslandseinsätze teilnehmen zu wollen. Alle die sich daran gehalten haben wurden wegen lächerlichen Gründen ausnahmslos ausgemustert. Bei mir war es eine Allergie gegen Erbsen -- T5. Ein Freund der damals kurz vor seinem ersten Triathlon stand, aber bei der Musterung seinen Drogenkonsum grob übertrieben hatte -- T3. Ein anderer, dem das zu heikel war und deshalb von Anfang an angegeben hat verweigern zu wollen, wurde trotz Herzfehler (wie alle die den selben Fehler gemacht haben) für wehrtauglich erklärt. "Für Büroarbeit wird es ja wohl reichen".
Das sind ja tolle Geschichten, lieber Eltov. Felix Krull ist nix dagegen.
Aber natürlich geschieht es den Bürokraten recht, wenn sie auf solche Strategien hereinfallen. Zu meiner Zeit (ich wurde wegen starker Kurzsichtigkeit der Ersatzreserve II zugewiesen und unterstand also der "Wehraufsicht", ohne eingezogen zu werden) lag die Entscheidung über die Tauglichkeit allerdings ausschließlich bei den Musterungsärzten.
Deine Geschichte begründet den Verdacht, daß diese heute entweder auch nach nichtmedizinischen Kriterien entscheiden oder daß über die Tauglichkeit auch Nichtmediziner befinden.
In Antwort auf:Eine reine Berufsarmee sorgt dafür, dass die Soldaten jederzeit überall eingestzt werden können ohne sie fragen zu müssen, ob sie das wollen.
Das ist bereits heute der Fall, siehe Kosovo, Afghanistan,...
In Antwort auf:Bezüglich der Landesverteidigung frage ich mich, wer die BRD überfallen soll.
1988 haben sich auch viele Leute gefragt, wie verrückt man sein muß, um die Deutsche Wiedervereinigung für möglich zu halten.
In Antwort auf:Ich könnte mir eine gemeinsame Armee der EU vorstellen.
Mit den deutschen Extrawürsten ("bitte nur die friedlichste Provinz") wäre es dann natürlich vorbei.
In Antwort auf:Dies spart dazu erhebliche Kosten.
Das wage ich sehr zu bezweifeln. Die meisten Länder geben pro Kopf oder relativ zur Wirtschaftsleistung mehr fürs Militär aus als die EU-Länder, und Deutschland gibt schon heute in Relation selbst dazu wenig aus. Im Vergleich zu den Ausgaben des Sozialstaats ist der Verteidigungsetat ohnehin völlig vernachlässigbar klein.
In Antwort auf:Jemand, der mal für drei Monate eine Schusswaffe in der Hand hatte, taugt nicht zum Krieg führen. Es wurden keine Hemmschwellen eingerissen. Außerdem dürften die meisten vergessen haben, wie die Waffe funktioniert.
Historische Erfahrungen widersprechen dem ebenso wie die Praxis in Ländern, deren Überleben von einer schlagkräftigen Armee abhängt (z.B. Israel).
Zur Klarstellung: Ich bin für eine Aussetzung der Wehrpflicht.
In Antwort auf:Aber natürlich geschieht es den Bürokraten recht, wenn sie auf solche Strategien hereinfallen. Zu meiner Zeit (ich wurde wegen starker Kurzsichtigkeit der Ersatzreserve II zugewiesen und unterstand also der "Wehraufsicht", ohne eingezogen zu werden) lag die Entscheidung über die Tauglichkeit allerdings ausschließlich bei den Musterungsärzten.
Was heißt hier hereinfallen? Die Situation gleicht ja der in einer Autowerkstatt, in der weder Kunde noch Mechaniker als erste Partei offen den Vorschlag machen wollen zum beiderseitigem Vorteil das Finanzamt zu betrügen. Was hat denn die Bundeswehr von jemandem der erkennbar keinen Nerv auf den ganzen Schwachsinn hat? Da entscheidet der Musterungsarzt halt pragmatisch und hält den Platz frei für jemanden der gerne durch den Schlamm kriecht. Soll es ja auch geben.
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