Zitat von DaddelduWas mich an der Sache stutzig macht, irritiert, ja alarmiert, ist die Tatsache, dass nirgends gesagt wird, was denn nun da erforscht werden soll. Sofort ist von den industriepolitischen Wirkungen die Rede. Aber was, bitte, soll denn der unmittelbare Erkenntnisgewinn sein, der da erstrebt wird?
Sehr berechtigte Frage, lieber Daddeldu.
Aus meiner Sicht gibt es auf dem Mond längst nicht mehr so viel zu erforschen, als daß der immense Aufwand erneuter bemannter Flüge dorthin gerechtfertigt wäre.
Aber eine unbemannte Mondlandung hätte, denke ich, unter Kosten-Nutzen-Aspekten schon ihre wissenschaftliche Berechtigung. Zum einen liegen Gesteinsanalysen ja erst von ein paar Stellen vor, an denen Apollo-Astronauten gelandet sind, und von der Landestelle einiger sowjetischer Mondsonden. Das ist so, als wolle man die Geologie der Erde verstehen, indem man einige Gesteinsbrocken aus dem Schwarzwald, der Sahara, der argentinischen Pampa und von der Insel Hawaii aufsammelt.
Zum anderen kann man von eine solchen unbemannten Mondstation aus viele Messungen vornehmen. Da sind wohl noch viele Fragen offen. Warum zum Beispiel hat der Mond kein Magnetfeld, warum gibt es dort aber doch Gestein mit einem Restmagnetismus? Aus welchem Material, welchen Schichten besteht der Mond in seiner Tiefe? Gibt es Wasser, wenn ja, wo kommt es her? Auch die Entstehung des Monds ist keineswegs endgültig geklärt; der "Große Einschlag" ist nur die im Augenblick wahrscheinlichste Hypothese.
Das sind, lieber Daddeldu, nur ein paar Beispiele, die mir als Laien einfallen. Ein Fachmann könnte sicher eine lange Liste machen.
Und dann ist da noch der Gesichtspunkt, daß man die Technologie der Landung eines Roboters auf dem Mond, wenn man sie erst einmal beherrscht, relativ leicht für einen Marslander nutzen kann; inklusive Rückkehr zur Erde. Der Mars bietet lediglich die Besonderheit, daß er eine (dünne) Atmosphäre hat, so daß die Abbremsung beim Landen nicht ausschließlich über Raketen erfolgen muß.
Zitat von ZettelDie Frage, die mich beschäftigt, ist, wieweit man die Entscheidung für die Lösung eines konkreten Problems aus einer allgemeinen Überzeugung ableiten kann und sollte, und wieweit aus situativer Information.
...
Man kann sein Leben, seine Bewertungen, seine Handlungsentscheidungen in unterschiedlichem Maß an solchen allgemeinen Überzeugungen ausrichten. Man wird immer aber auch, wiederum in unterschiedlichem Maß, nicht sie als die handlungsleitende Quelle der Erfahrung verwenden, sondern aktuelle Informationen und Gesichtspunkte. Situative Information.
Meine erste Reaktion wäre: das ist eine falsche Dichotomie. Situative Information kann als solche nicht handlungsrelevant sein, solange sie nicht durch die Linse allgemeiner Überzeugungen oder Ideologien betrachtet wird.
Beim Thema Mondmission denken Sie an den Erkenntnisgewinn, außerdem an die entstehenden Arbeitsplätze. Ich denke daran, dass die Ressourcen auch anderweitig eingesetzt werden können. Heißt das jetzt, dass einer von uns beiden seine Ideologie stärker gewichtet als die situative Information?
Beim Thema Überwachungsstaat denken Sie an die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus, andere denken daran, dass die Kommunikation zwischen Privatleuten den Staat a priori nichts angeht. Auch hier: heißt das jetzt, dass einer von uns seine Ideologie stärker gewichtet als die situative Information?
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Zitat von ZettelDie Frage, die mich beschäftigt, ist, wieweit man die Entscheidung für die Lösung eines konkreten Problems aus einer allgemeinen Überzeugung ableiten kann und sollte, und wieweit aus situativer Information. ... Man kann sein Leben, seine Bewertungen, seine Handlungsentscheidungen in unterschiedlichem Maß an solchen allgemeinen Überzeugungen ausrichten. Man wird immer aber auch, wiederum in unterschiedlichem Maß, nicht sie als die handlungsleitende Quelle der Erfahrung verwenden, sondern aktuelle Informationen und Gesichtspunkte. Situative Information.
Meine erste Reaktion wäre: das ist eine falsche Dichotomie. Situative Information kann als solche nicht handlungsrelevant sein, solange sie nicht durch die Linse allgemeiner Überzeugungen oder Ideologien betrachtet wird.
Das ist ein interessanter Punkt, lieber Gorgasal.
Ich habe ja gelegentlich in ZR über Master Narratives, Schemata, Skripts, auch Vorurteile und dergleichen geschrieben und betont, daß es ohne sie nicht geht. Sie erst strukturieren die aufgenommene Information, die sonst ein Chaos wäre. Insofern stimme ich Ihnen zu.
Aber sie haben noch eine zweite Funktion: Sie liefern Default Values. Sie strukturieren aufgenommene Information nicht nur, sondern sie können deren Aufnahme und Verwertung auch ersetzen. Das kann bis zu Delusionen führen; das Schema vom Erlkönig gaukelt dort Geister vor, wo nur Büsche und Bäume sind.
Je mehr jemand seinen Schemata vertraut - je mehr er also auf der Dimension Pragmatismus - Ideologie in Richtung Ideologie verortet ist - , umso häufiger und intensiver wird er das tun. Wie in meinem Beitrag zitiert: Wenn die Wirklichkeit nicht mit meinen Überzeugungen übereinstimmt, umso schlimmer für die Wirklichkeit. (Sie hatten dazu angemerkt: "Das ist lustig - diese Maxime sehe ich häufiger bei Liberalen denn bei Konservativen". Sind also Liberalere die stärkeren Ideologen?)
Zitat von GorgasalBeim Thema Mondmission denken Sie an den Erkenntnisgewinn, außerdem an die entstehenden Arbeitsplätze. Ich denke daran, dass die Ressourcen auch anderweitig eingesetzt werden können. Heißt das jetzt, dass einer von uns beiden seine Ideologie stärker gewichtet als die situative Information?
Nein, das sind ja beides Überlegungen auf der Ebene situativer Information. Deshalb können wir beide ja auch sachbezogen darüber diskutieren. Ich kann zum Beispiel auf Ihr Ressourcen-Argument entgegnen, daß Ressourcen keine fixe Größe sind. Sie entstehen meist überhaupt erst aufgrund von Herausforderungen.
Zitat von GorgasalBeim Thema Überwachungsstaat denken Sie an die Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus, andere denken daran, dass die Kommunikation zwischen Privatleuten den Staat a priori nichts angeht. Auch hier: heißt das jetzt, dass einer von uns seine Ideologie stärker gewichtet als die situative Information?
Nein, auch hier nicht. Wir haben ja in diesem Fall beide dieselbe Grundüberzeugung: Der Einzelne soll sich möglichst frei entfalten können.
Jetzt müssen wir auf der Ebene situativer Information diskutieren, wie das in dem von Ihnen genannten Konflikt am besten möglich ist: Wird meine Freiheit mehr dadurch eingeschränkt, daß es Überwachungskameras gibt? Oder wird sie mehr dadurch eingeschränkt, daß ich mich spätabends nicht mehr auf einen leeren Platz traue, weil ich fürchte, überfallen zu werden? Oder daß ich ständig aufpassen muß, daß mir nicht ein Taschendieb mein Portemonnaie stiehlt?
Meine Antwort lautet: Ich nehme die Überwachungskameras gern in Kauf, wenn ich dafür ein besseres Gefühl der Sicherheit bekomme. Wenn Sie das umgekehrt beurteilen, dann müssen wir eben weiterdiskutieren.
Auf der Ebene situativer Information, wenn auch strukturiert durch unsere gemeisame liberale Grundüberzeugung.
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