Zitat von FlorianNachtrag zu meiner 2. These: Untenstehend einmal ein paar Zahlen zu den BT-Wahlen. Fazit daraus: Natürlich gibt es über den langen Zeitraum 1949-2005 keinen ganz einheitlichen Trend. Und Wahlergebnisse liegen an vielen Faktoren, nicht nur an der Wahlbeteiligung. Aber immerhin kann man festhalten: Bei den bislang 16 Bundestagswahlen ist es bislang erst genau ein einziges Mal passiert (nämlich 1965), dass die Wahlbeteiligung und das SPD-Ergebnis sich in umgekehrter Richtung entwickelt haben! Eine niedrige Wahlbeteiligung ist daher zumindest tendenziell schädlich für die SPD. ___________________________ Daten: Jeweils: Jahr / Wahlbeteiligung / SPD-Ergebnis 2005: 78% - 34% 2002: 79% - 38% 1998: 82% - 41% 1994: 79% - 36% 1990: 78% - 34% 1987: 84% - 37% 1983: 89% - 38% 1980: 89% - 43% 1976: 91% - 43% 1972: 91% - 46% 1969: 87% - 43% 1965: 87% - 39% 1961: 88% - 36% 1957: 87% - 32% 1953: 86% - 29% 1949: 79% - 29%
Vielleicht haben Sie Recht, lieber Florian. Aber man kann die Ergebnisse der SPD auch ohne Rekurs auf die Wahlbeteiligung interpretieren:
Von 1949 bis 1972 regierte der "Genosse Trend": Die SPD nahm von Wahl zu Wahl zu, weil sie von einer Klassenkampf-Partei zu einer Volkspartei wurde.
Von 1972 bis 1990 ging es ebenso stetig bergab, weil die SPD bis 1983 gezeigt hatte, daß sie nicht gut regieren konnte, und von 1983 an die Union zeigte, daß sie es besser konnte.
Die Neunziger waren die schlechten Kohl-Jahre, so wie die Achtziger die guten Kohl-Jahre gewesen waren. Die Union verbrauchte sich; Lafontaine blockierte via Bundesrat jede Anpassung an die Globalisierung. Dadurch stieg die SPD von 1990 bis 1998 von 35 auf 41 Prozent.
Nur war Rotgrün schlechter, als es Schwarzgelb selbst in den schlechten Kohl-Jahren gewesen war. Also ging es von 1998 bis 2005 wieder stetig bergab mit der SPD.
Ich will nicht sagen, lieber Florian, daß eine solche Interpretation die Ihrige ersetzt oder überflüssig macht. Nur, daß es bei einem solchen Geflecht von Faktoren sehr schwer ist, die einzelnen Einflüsse auseinanderzusortieren.
Schon richtig. Die alte Streitfrage: Beruht die Korrelation auf Kausalität oder Koinzidenz?
Und natürlich haben Sie recht, dass es viele andere Einflüsse gibt. Der Rückgang der Wahlbeteiligung ist z.B. ein sekularer Trend und durch das Auftreten von Grünen und PDS ist auch der Rückgang der SPD ein sekularer Trend (der mit dem ersten Trend lediglich eine Koinzindenz aufweist aber keine Kausalität).
Allerdings wird meine "Theorie" auch durch die Zahlen in der jüngeren Vergangenheit gestützt. Nehmen wir nur mal die Wahlen seit der Wiedervereinigung (weil seither das Parteienspektrum halbwegs stabil ist):
1998 war in diesem Zeitraum die einzige Wahl, bei der die Wahlbeteiligung auf über 80% gestiegen ist. Und zugleich auch die einzige Wahl, bei der die SPD über 40% kam.
Worauf ich hinaus will: Es gibt m.E. viel weniger Wählerwanderung zwischen den Parteien (und speziell zwischen den "Lagern") als gemeinhin angenommen wird. Bis z.B. ein Unionswähler zur SPD wechselt muss viel passieren. Um Wahlen zu gewinnen, zielen die Parteien auch gar nicht so sehr darauf, Wähler aus dem anderen Lager zu sich rüber zu ziehen. (Oder glaubt allen Ernstes jemand in den Parteizentralen, dass ein Wahlplakat mit einem lächelnden Minister jemand vom treuen SPD-Wähler zum Unions-Freund mutieren läßt?). Müssen sie auch gar nicht. Es reicht aus, wenn sie es schaffen, ihr (vorhandenes) Wählerreservoir besser zu mobilisieren als der Gegner. Entsprechend dienen z.B. die Wahlplakate auch nicht der politischen Überzeugungsarbeit sondern der Mobilisierung der eigenen (grundsätzlich bereits überzeugten) Anhänger.
Rechenbeispiel: SPD: hat als "Reservoir" 40% der Wählerschaft, erreicht bei einer konkreten Wahl 60% dieser Wählerschaft. Union: 35% Reservoir, erreicht 80% Rest: 25% Reservoir, erreichen 90% daraus folgt Wahlergebnis: SPD: 32%, Union: 38%, Rest: 30% Wahlbeteiligung: 75%
wenn man nun annimmt, dass das Reservoir der Parteien unverändert (!) bleibt, sondern lediglich die SPD zu 80% mobilisiert (alles andere unverändert), ergibt sich daraus als Wahlergebnis: SPD: 39%, Union: 34%, Rest: 27% Wahlbeteiligung: 83%
Fazit: Sofern man die These akzeptiert, dass die SPD größere Schwankungen bei der Mobilisierung der eigenen Anhänger hat als die Union, kann man allein mit einer Mobiliserungsschwankungsbreite von 60% bis 80% bei der SPD die Schwankungen der Wahlergebnisse der letzten 20 Jahre bereits recht gut erklären.
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