Seit ich 1953 für die CDU einen Nachmittag lang Faltblätter ausgetragen habe und dafür fünf Mark erhielt - mein erstes selbstverdientes Geld - , habe ich noch nie einen Wahlkampf erlebt, der sechs Wochen vor dem Wahltermin derart langweilig und öde war wie der jetzige. In dem Artikel nenne ich dafür vier Gründe.
Ich finde, dass sich Schwarze und Gelbe gerade ziemlich tief ins eigene Fleisch schneiden. Gerade Guido Westerwelle fällt mir nicht angenehm auf, wenn er — für meinen Geschmack zu häufig — den Journalisten über den Mund fährt. Sicher hat er gute Umfragezahlen, aber die Wahl ist noch nicht gewonnen. Und die Streitereien um Ministerposten sind in meinen Augen sowas von unsinnig.
Was könnte noch passieren? Die SPD versucht es gerade mit der doppelten Staatsbürgerschaft. Aber das wird ein Nullsummenspiel mit den Grünen. Was die einen gewinnen, verlieren die anderen. Ich fürchte nur, dass die Kampagnenführer der SPD wieder irgendeine Schmutzkampagne beginnen, wie damals gegen Prof. Kirchhof. Dann könnte es haarig werden.
Man muss natürlich sagen: gerade durch die kleinen Parteien wäre Spaß in den Wahlkampf gekommen. Aber die dürfen ja leider nicht mitmachen …
Zitat von stefanolixIch finde, dass sich Schwarze und Gelbe gerade ziemlich tief ins eigene Fleisch schneiden.
Ich auch, lieber Stefan. Und dabei haben sich in den letzten Tagen zwei Schwarze hervorgetan, Seehofer und Wulff. Seehofer als der notorische Stänkerer und Intrigant, an dem eine schwarzgelbe Regierung bestimmt viel Freude haben wird. Wulff mit der auf den ersten Blick dummen Bemerkung, die FDP hätte das Wirtschaftsministerium nicht gepachtet und dort solle Guttenberg weitermachen.
Auf den ersten Blick deshalb, weil Wulff ein kühler Stratege ist. Der sagt nichts Unüberlegtes. Es geht ihm vielleicht darum, im internen Verteilungskampf um Stimmen zwischen Union und FDP Stimmen von der FDP abzuziehen. Vielleicht aber will er auch der Kanzlerin ein Bein stellen. Auch er möchte ja gern einmal Kanzler werden.
Zitat von stefanolixGerade Guido Westerwelle fällt mir nicht angenehm auf, wenn er — für meinen Geschmack zu häufig — den Journalisten über den Mund fährt. Sicher hat er gute Umfragezahlen, aber die Wahl ist noch nicht gewonnen.
So ist Westerwelle nun einmal. Er ist hochintelligent und kann das nicht verbergen; dadurch wirkt er arrogant. Er hat das Musterschülerhafte nie abgelegt. Zugleich ist er empfindlich. Wenn ihn Seehofer ein "Sensibelchen" genannt hat, dann war das gemein, aber es traf.
Zitat von stefanolixDie SPD versucht es gerade mit der doppelten Staatsbürgerschaft. Aber das wird ein Nullsummenspiel mit den Grünen. Was die einen gewinnen, verlieren die anderen.
Das ist auf beiden Seiten so, wenn man sich die Umfragewerte ansieht. Addiert man auf der einen Seite Union und FDP und auf der anderen SPD, Kommunisten und Grüne, dann wird die Verlaufskurve sofort viel glatter und fast abszissenparallel. Die Veränderungen finden überwiegend innerhalb der beiden Lager statt, wobei der Anteil der Kommunisten relativ stabil ist.
Im Vergleich der Lager hat Schwarzgelb seit einigen Monaten einen hauchdünnen Vorsprung vor der Volksfront. Ich fürchte, daß Union und FDP die Stabilität dieses Vorsprungs überschätzen. Ein Swing von zwei, drei Prozentpunkten, und er ist perdu.
Sie beginnen jetzt schon, das Fell des Bären zu verteilen. Sie glauben, sich internen Streit leisten zu können. Ich halte das für leichtfertig.
Zitat von stefanolixIch fürchte nur, dass die Kampagnenführer der SPD wieder irgendeine Schmutzkampagne beginnen, wie damals gegen Prof. Kirchhof. Dann könnte es haarig werden.
Gut möglich. Vielleicht wirkt ja Schröder als Berater im Hintergrund.
Zitat von stefanolixMan muss natürlich sagen: gerade durch die kleinen Parteien wäre Spaß in den Wahlkampf gekommen. Aber die dürfen ja leider nicht mitmachen.
Ja, ich wundere mich immer noch, daß das kein richtiger Skandal geworden ist.
Immerhin wurde wenigstens die Piratenpartei durchgewunken. Es hat ja hier eine Diskussion über deren Aussichten gegeben. Ich halte sie für ausgezeichnet. Kürzlich habe ich eine Umfrage gesehen - ich glaube, im "Handelsblatt" -, in der sie bereits 2 Prozent hatte. So haben die "Grünen" auch einmal begonnen.
Im wesentlichen teile ich die strategische Analyse der Partei-Interessen.
Nur ein Detail sehe ich anders:
Ich kann mir kein Argument vorstellen, warum Seehofer ein Interesse an einer Fortsetzung der großen Koalition haben sollte. Seehofer hat ein klares Intesse an Schwarz-Gelb.
Begründung: 1. In einer großen Koalition ist die CSU nur geduldetes Anhängsel. Auch ohne CSU hat die Regierung eine parlamentarische Mehrheit. 2. In einer großen Koalition fallen insgesamt weniger Posten für die CSU ab als unter Schwarz-Gelb. Konkret würde ich sagen, der Unterschied ist ein Ministerposten. 3. Seehofer muss parteiintern ein Interesse haben, Guttenberg klein zu halten. In einer Schwarz-Gelben Koalition wäre Guttenberg allerdings das Wirtschafts- und das Außenministerium versperrt. Also die Bereiche, in denen er sich am leichtesten positiv profilieren kann. (EVENTUELL würde für Guttenberg das Finanzministerium abfallen. Aber angesichts des anstehenden Probleme dürfe der Finanzminister in den nächsten Jahren der unbeliebteste Politiker Deutschlands werden). 4. In einer Schwarz-Gelben Regierung kann Seehofer den "linken Rand" besetzen und sich klar eigenständig profilieren, indem er das "soziale Gewissen" der Regierung mimt. In einer großen Koalition ist er hingegen irgendwo im politischen Mainstream. Entsprechend geringer ist die Chance zur Profilierung. 5. Umgekehrt kann Guttenberg unter Schwarz-Rot den "liberalen Rand" besetzen und sich klar eigenständig profilieren, indem er das "marktwirtschaftliche Gewissen" der Regierung mimt. In einer schwarz-gelben Koalition ist er hingegen irgendwo im politischen Mainstream. Entsprechend geringer ist die Chance zur Profilierung. 6. Bei einer Schwarz-Roten Regierung ist das schwarz-gelbe Bayern im Bundesrat ein "neutrales" Land, dass sich oft wird enthalten müssen. Bei Schwarz-Gelb im Bund ist es Teil einer Regierungs-Mehrheit (und schönerweise wird die Bundesratsmehrheit der Regierung von den Stimmen Bayerns abhängen). 7. Fazit aus #1 und #6: Unter Schwarz-Gelb hängt die Regierungsmehrheit in BEIDEN Kammern an der Meinung Seehofers. Unter Schwarz-Rot ist die Regierungs-Mehrheit im Bundestag auch ohne Seehofer gesichert. Und im Bundesrat hat die Regierung auch MIT Seehofer keine Mehrheit. (Dass Schwarz-Rot im Bundesrat deutlich weniger Stimmen hat als Schwarz-Gelb wird gerne übersehen). In BEIDEN Kammern ist Seehofers Macht unter Schwarz-Gelb somit größer.
Ach, das ist in Österreich nicht viel anders! In meinem Heimat-Bundesland herrscht gerade Wahlkampf. Und was soll ich sagen: "Soziale Gerechtigkeit" und ähnlicher plakativer Quatsch überall! Einziger "Aufreger": Eine Partei wurde verboten, weil sie angeblich zu weit rechts sei. Der Endsieg des Sozialismus hat ohnehin jegliche Systemänderungs-Möglichkeiten verhindert. Immer mehr Staat, immer mehr Bevormundung, immer mehr "Soziale Gerechtigkeit", steter Kampf gegen den bösen Kapitalismus, höhere Steuern, etc. Es mag marginale Auffassungsunterschiede zwischen den Lagern geben. Aber ob nun Rot-Grün oder Schwarz-Gelb oder Rot-Schwarz oder wie auch immer den arbeitenden Bürger und die produktiven Unternehmen ausblutet, ist meiner Ansicht nach egal.
Zitat von FlorianNur ein Detail sehe ich anders: Ich kann mir kein Argument vorstellen, warum Seehofer ein Interesse an einer Fortsetzung der großen Koalition haben sollte.
Danke, lieber Florian, für diese ausgezeichnete Analyse! Sie haben mich überzeugt.
Übrigens habe ich eben beim Nachlesen des Artikels von Medick und Teevs festgestellt, daß ich ihre Aussage zur CSU vielleicht zu weitgehend interpretiert hatte. Sie schreiben, daß die CSU nur unter der Voraussetzung ein Interesse an Schwarzgelb hat, daß die FDP nicht zu stark wird. Daß der CSU eine Fortsetzung der Großen Koalition zupaß käme, wie ich es geschrieben hatte, kann man daraus zwar ableiten; die Autoren sagen es aber nicht explizit. Ich habe den Text in ZR entsprechend geändert.
In Antwort auf:Danke, lieber Florian, für diese ausgezeichnete Analyse! Sie haben mich überzeugt.
Mich nicht. Denn die Analyse basiert primär auf Überlegungen zur Personalie und klammert Programmatik und Machtüberlegungen aus. Die CSU (Betonung auf dem zweiten Buchstaben) passt wesentlich besser zur SPD als die FDP, vom innenpolitischen her kommt man halbwegs mit der SPD zurecht, vom Wirtschaftlichen her ist man nahezu einig. Es kommt nur in Bayern ziemlich schlecht an, das laut zuzugeben, weil die Spezialdemokraten dort einen einmalig miesen Ruf haben. Dritter im Boot ist man so oder so und unter schwarz-gelb würde man noch das so prestigeträchtige Wirtschaftsministerium verlieren.
Der CSU kann es im Endeffekt piepegal sein, ob es zu schwarz-gelb oder zu schwarz-rot kommt, regieren würden sie so oder so. Das einzige was die CSU irgendwo befürchten könnte wäre eine Volksfront oder eine Ampel. Also wettert man möglichst laut gegen die FDP. Weil der CSU eins nämlich deutlich wichtiger ist als ein schwarz-gelbes Projekt und das ist das Regieren. In der Logik der Partei ist das ja nicht mal verwerflich, nur muss man eben daraus verstehen, dass schwarz-gelb für die CSU keine echte Priorität hat. Und man mag WW nicht, von dem ja immernoch so schöne Sätze überliefert sind, wie der, dass wenn Stoiber Aussenminister würde, er nichtmal Frieden mit Österreich halten könnte.
Tja, lieber Zettel, wenn das jetzt Schule macht und die Quittung dafür kommt, dann dürfen wir uns alle bei den Konservativen bedanken, dass weiter gewurstelt werden darf. Allerdings würde ich Sie bitten dann nicht die Legende aufzubauen, das Kind sei in den Brunnen gefallen, weil WW keine Koaltionsaussage gemacht hat (die kann ich nämlich jetzt schon hören). Wers zur Zeit versaubeutelt ist die Union. Und zwar aus Machtkalkül.
So sehr ich all die Analysen schätze - die hier regelmäßig wiederkehrende Behauptung, die FDP habe sich nicht auf Schwarz-Gelbfestgelegt, kann ich nicht nachvollziehen. Westerwelle äußert sich dazu immer wieder klar. Dass ein formaler Beschluss erst kurz vor der Wahl gefasst wird, dient wohl eher dazu, sich medial möglichst interessant zu machen. Die FDP hat in den vergangenen Jahren wiederholt sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Koalitionsoptionen mit linken Parteien auszuschlagen. Sie würde einen Großteil ihrer Anhänger verlieren, wenn sie ausgerechnet nach dieser Bundestagswahl das Lager wechselte. Zugleich wäre sie in einer Ampelkoalition der schwächste der drei Partner. Dass Westerwelle zu so etwas bereit wäre, weil er ja "unbedingt wieder in die Regierung muss", ist zwar eine beliebte Theorie in rot-grünen Kreisen, wo man die FDP erstens sowieso immer für käuflich hält und sie zweitens dringend braucht, um überhaupt irgendeine eigene Machtoption behaupten zu können. Es ist aber trotzdem extrem unplausibel.
Der Streit um die Ressortverteilung wird nach meinem Eindruck ebenfalls nicht von der FDP inszeniert, sondern von den Medien und zuletzt eben auch von der Union. Man vergleiche zum Beispiel einmal bei diesem Interview:
Richtig ist allerdings, dass die FDP sich auch nicht gerade mit einem mutigen Wahlkampf hervortut, sondern vorsichtig auf Halten spielt. Das ist einerseits verständlich, denn die Umfragen sind ja gut und die einzige Hoffnung der SPD scheint darin zu bestehen, irgendwann doch noch die große Angstkampagne gegen "Neoliberale" und "Finanzhaie" zünden zu können. Andererseits fehlt dadurch wirklich jeder Hauch von Wendestimmung.
Zitat von LlarianZitat:Die CSU (Betonung auf dem zweiten Buchstaben) passt wesentlich besser zur SPD als die FDP, vom innenpolitischen her kommt man halbwegs mit der SPD zurecht, vom Wirtschaftlichen her ist man nahezu einig.
Hm, lieber Llarian, wenn die CSU wirtschaftspolitisch mit der SPD einig ist, dann könnte ich mich ja glatt für die Wirtschaftspolitik der SPD begeistern.
Ich habe Bayern noch als Agrarland kennengelernt, das ungefähr so vom Fremdenverkehr lebte wie heute Andalusien. Innerhalb weniger Generationen einer fast ununterbrochenen CSU-Herrschaft hat es sich zum in wirtschaftlicher Hinsicht führenden Bundesland entwickelt und liegt heute im BIP/Einwohner mit an der Spitze.
Auch der Freiherr zu Guttenberg ist bisher nicht eben dadurch aufgefallen, daß er eine SPD-Wirtschaftspolitik macht. Daß war beim Müllermeister Glos nicht anders, nur daß man dessen Politik nicht recht erkennen konnte.
Zitat von LlarianTja, lieber Zettel, wenn das jetzt Schule macht und die Quittung dafür kommt, dann dürfen wir uns alle bei den Konservativen bedanken, dass weiter gewurstelt werden darf. Allerdings würde ich Sie bitten dann nicht die Legende aufzubauen, das Kind sei in den Brunnen gefallen, weil WW keine Koaltionsaussage gemacht hat (die kann ich nämlich jetzt schon hören).
Sie hören Stimmen, lieber Llarian?
Legenden werden hier und in ZR grundsätzlich nicht verbreitet; so wenig wie Visionen.
Daß die FDP auf ihrem Wahlparteitag in Hannover keine Koalitionsaussage gemacht hat, ist allerdings keine Legende, sondern nachzulesen. Westerwelle sagte leider mal etwas und dann wieder nicht.
Knapp ine Woche lang war ich ein Fan von Guido Westerwelle, nämlich zwischen dem neunten Mai und dem fünfzehnten Mai. Bis ich's wieder werde, wird er an Glaubwürdigkeit noch kräftig nachlegen müssen.
Zitat von JunoRichtig ist allerdings, dass die FDP sich auch nicht gerade mit einem mutigen Wahlkampf hervortut, sondern vorsichtig auf Halten spielt. Das ist einerseits verständlich, denn die Umfragen sind ja gut und die einzige Hoffnung der SPD scheint darin zu bestehen, irgendwann doch noch die große Angstkampagne gegen "Neoliberale" und "Finanzhaie" zünden zu können. Andererseits fehlt dadurch wirklich jeder Hauch von Wendestimmung.
Das sehe ich genauso. Die FDP und auch die Union verhalten sich wie eine Fußballmannschaft, die in der zehnten Minute das 1 : 0 erzielt hat und von da an auf Halten spielt.
Das kann gut gehen oder auch nicht. Wenn es nicht gut geht, dann schießt der Gegner in der 87. und der 89. Minute Tore, und raus bist du.
Der Wahlkampf hat bisher kein Thema, keinen Aufreger. Wenn es der SPD gelingt, kurz vor den Wahlen ein solches Thema zu lancieren, dann kann es Schwarzgelb so ergehen wie 2002.Damals lag man (wie auch 2005) sechs Wochen vor der Wahl in den Umfragen mindestens so weit vorn wie jetzt.
Und diesmal haben es die Union und die FDP dann selbst verbockt; sie können nicht die Elbeflut und nicht den Irakkrieg verantwortlich machen.
Wer selbst keine Themen setzt, der lädt den Gegner ein, das zu tun.
Herzlich, Zettel
PS: Was das Thema "Koalitionsaussage" angeht: Ich bestreite ja nicht, daß die FDP mit der Union koalieren wird, wenn es dazu reicht. Nur glaube ich, daß sie in die Ampel gehen wird, wenn es dazu nicht reicht.
In Antwort auf:wenn die CSU wirtschaftspolitisch mit der SPD einig ist, dann könnte ich mich ja glatt für die Wirtschaftspolitik der SPD begeistern.
Dann tun Sie das ruhig, lieber Zettel. Aber ich fürchte Ihnen wirds da genauso gehen, wie dem typischen Bayern, es ist nicht so wichtig was jemand sagt als wer es sagt. Die CSU will genausowenig eine freie Wirtschaft wie die SPD, das betont sie pausenlos, insbesondere dann, wenn sie mal wieder gegen die FDP wettert. Da kommen dann die selben Parolen von Neoliberalismus bis Turkokapitalismus.
In Antwort auf:Innerhalb weniger Generationen einer fast ununterbrochenen CSU-Herrschaft hat es sich zum in wirtschaftlicher Hinsicht führenden Bundesland entwickelt und liegt heute im BIP/Einwohner mit an der Spitze.
Oh ja, diese Legende hört sich ja seit Jahren wunderbar gut sein. Und wie immer bei guten Legenden steht am Anfang etwas Wahrheit und eine ganze Menge Märchen. Bayern liegt in vielem an der Spitze, zum Beispiel in der Zuteilung von EU-Subventionen für Landwirtschaft, so kassieren die Bayern mal eben pro Jahr 1,3 Milliarden aus der Kasse, was fast ein Viertel der deutschen Gesamtsumme ist. Das posaunt man aber lieber nicht so laut raus, sonst wirkt es nicht mehr als der grosse Wirtschaftsriese. Auch das man aus dem jetzt so verhassten Länderfinanzausgleich (das ist das, was die Bayern, seit sie Zahler geworden sind, gerne abschaffen wollen) knapp 40 Jahre kassiert hat, bevor man 1989 dann Geber wurde.
Es ist nicht zu leugnen, dass in Bayern einiges richtig gemacht wurde (beispielsweise in der Bildungspolitik). Aber diese Legende, mit der CSU kam der Umschwung, ist angesichts einer immer noch forwährenden Subventionsgreifrei einfach nur dreist. Selbst HEUTE greift Bayern immernoch massiv Subventionen ab. Das ist auch CSU. Betrachtet man die letzten 60 Jahre muss man sagen, genau DAS ist CSU.
In Antwort auf:Auch der Freiherr zu Guttenberg ist bisher nicht eben dadurch aufgefallen, daß er eine SPD-Wirtschaftspolitik macht.
Vor allem fiel er erstmal "positiv" dadurch auf, dass er Petitenten gegen das Zugangserschwernisgesetz erstmal als Päderasten verdächtigt hat. Ansonsten wüsste ich gar nicht, wie er bisher aufgefallen ist. Habe ich Ansätze zu Steuerreformen, Verwaltungsreformen, Regelvereinfachungen, Steuererleichterungen oder sonst etwas, was die deutsche Wirtschaft drigend bräuchte, übersehen ? Na, dann packen Sie mal aus, was der Mann bisher denn so bewegt hat, ich bin ehrlich gespannt.
In Antwort auf:Sie hören Stimmen, lieber Llarian?
Ja, und abends höre ich Signale vom Planeten Zempf, das ist aber eine andere Geschichte. :)
In Antwort auf: Daß die FDP auf ihrem Wahlparteitag in Hannover keine Koalitionsaussage gemacht hat, ist allerdings keine Legende, sondern nachzulesen.
Das bestreitet ja auch keiner. Ich möchte nur der Legende vorbeugen, dass es diese Tatsache war, die den Absturz, den wir jetzt dank der Konservativen eventuell erleben, ausgelöst hat. Nichts weiter. Die Bewertung, dass der Verzicht auf die Aussage richtig war, haben jetzt hier schon mehrere abgegeben und das ist ja auch ausdiskutiert. Es hat nur wenig damit zu tun, dass die CSU zur Zeit aus Machtverzweifelung das schwarz-gelbe Projekt, so es denn überhaupt eins gäbe, ordentlich beschiesst.
Llarian: Auch Sie haben teilweise recht. Aber nicht im Kern.
Nehmen wir mal die EU-Agrarsubventionen: Ich gehe mal davon aus, dass Ihre Zahlen stimmen. Dann bekommt Deutschland also 4x1,5=6 Mrd. Euro aus Brüssel. Rein rechnerisch würde Bayern davon etwa 0,9 Mrd. zustehen, wenn es genau im Bundesdurchschnitt liegen würde. Bayern bekommt also 0,6 Mrd. über diesem Wert. Das entspricht 0,2% des bayrischen BIP. Mit anderen Worten fällt der Betrag schlicht nicht ins Gewicht bei der Beurteilung der bayrischen Wirtschaftskraft.
Der Aufstieg Bayerns IST eine Erfolgs-Story. Und die CSU hatte daran ihren Anteil. Vor allem in den 60er bis 80er Jahren. Mittlerweile wird das Erreichte von der CSU allerdings seit vielen Jahren nur noch verwaltet. Ich kann in Bayern keine besonders tolle Wirtchaftspolitik erkennen. Und in jüngster Zeit sind die wirtschaftspolitischen Eskapaden unter Seehofer nur noch traurig. Sich mit dem Quelle-Katalog hinzustellen und sich als Retter feiern zu lassen - und nur 1 Monat später ist Quelle dann trotz Staatshilfe am Ende. Wie ärmlich ist das denn?
Ich gehe nur teilweise davon aus, das meine Zahlen stimmen. Weil Bayern nämlich inzwischen ein EU-Verfahren gegen Deutschland provoziert hat, weil es sich weigert anzugeben, wer welche Subventionen bekommt. Bayern "stehen" m.E. nach auch nicht 0,9 Milliarden Subventionen zu (auf welch rechnerischer Basis Sie auch immer zu diesem Ergebnis kommen), Subventionen stehen doch erstmal niemandem zu, sie stellen eine Hilfe dar, die ausnahmsweise gewährt wird (auch wenn das in Deutschland das ausnahmsweise inzwischen eher frommer Wunsch ist). Worum es geht, ist, wenn sich jemand hinstellt und dicke Hose macht, das seine Wirtschaft so toll ist, dann mutet es schon seltsam an, wenn derjenige trotzdem permanent auf die Hilfe anderer angewiesen sein soll. Wie würden Sie es bewerten, wenn sich ein Josef Ackermann seine Bilanz dadurch aufbessert, dass er ein Bettelkommando in die Frankfurter Innenstadt setzte ? Als Beweis seiner wirtschaftlichen Fähigkeiten ?
Ich will die Bayern aber nicht in dem Sinne madig machen. Man hat schon was erreicht, was ich allerdings eher auf eine gelungene Bildungs- und Zuzugspolitik zurückführe. Das man allerdings auch heute noch fleissig aus der Subventionspulle nuckelt und es geradezu als persönlichen Affront seitens der FDP begreift, wenn diese diese Pulle pauschal um 20% kürzen will, das sagt viel über das Wirtschaftsverständnis der CSU aus. Und da Sie es so schön formulierten: Wenn die 0.2% des bayrischen Bips ja nicht ins Gewicht fallen (vielleicht 0.5 wenn wir die ganze Summe nehmen), wie kommt es dann, dass eine Kürzung diesr Marginalie um 20%, also eine Kürzung um 0.04% (respektive 0.1%), sozusagen ein Windhauch, Riesengeschrei bei der CSU auslöst ?
Nur zur Klarstellung: Ich werde hier nicht die Politik der CSU verteidigen.
Allerdings liegt mir daran, die schwachen Punkte Ihres recht pauschalen Angriffs auf Bayern herauszuarbeiten. Ihre Polemik basierte wesentlich auf angeblich sehr hohen Subventionen, die Bayern erhält. Und ich habe darauf hingewiesen, dass diese Subventionen schlicht kaum ins Gewicht fallen, wenn man die Wirtschaftskraft Bayerns betrachten will.
Für die betroffenen Bauern fallen sie jedoch sehr wohl ins Gewicht. Die Landwirtschaft hat am bayerischen BIP einen Anteil von vielleicht 3%. Subventionen im Promillebereich des bayerischen BIPS fallen daher für die betroffenen Bauern sehr wohl ins Gewicht. Und die Bauern haben bei der CSU nunmahl - leider - eine sehr starke Lobby.
Was Ihr Argument mit dem Länderfinanzausgleich angeht (das man so ähnlich immer wieder hört): OK, Bayern hat bis in die 80er vom Länderfinanzausgleich profitiert. So what? Bayern hat es immerhin geschafft, sich von einem Nehmer- zu einem Geberland empor zu arbeiten. Bei den derzeitigen Nehmerländern kann man eine solche positive Entwicklung aber nicht feststellen. (ALLE derzeitigen Nehmerländer bekommen mittlerweile mehr Mittel als Mitte der 90er Jahre. Und KEIN EINZIGES ANDERES früheres Nehmerland hat es jemals geschafft, zum Geberland zu werden). Die bayerische Entwicklung im System es Länderfinanzausgleichs ist daher ganz sicher eine positive und nichts, was sich als Argument gegen den Erfolg bayerischer Wirtschaftspolitik verwenden ließe.
Um übrigens auch hier einmal die Dimensionen gerade zu rücken: (Quelle Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A4nderfinanzausgleich) Von 1950 bis 1986 war Bayern ein Nehmerland. In dieser gesamten Zeit hat es insgesamt 3,4 Mrd. Euro aus dem Finanzausgleich bekommen. Seither ist es Geberland und gibt seit Jahren über 2 Mrd. PRO JAHR. Allein 2008 waren es 2,9 Mrd. Euro. (Bayern gibt damit absolut und auch pro Kopf mehr als jedes andere Bundesland). Mit anderen Worten: Allein 2008 hat Bayern fast genauso viel in den Topf einbezahlt, wie es in den 36 Jahren bis 1986 herausgenommen hat.
Natürlich war (umgerechnet) ein Euro in den 50ern noch mehr wert als heutzutage. Aber auch inflationsbereingit hat Bayern mittlerweile über 20 Mrd. Euro mehr einbezahlt als entnommen (Quelle auch hier Wikipedia).
Ohne selbst Bayer zu sein, möchte ich aber dazu auch anmerken, dass große Teile der mitteldeutschen Wirtschaft nach dem Einmarsch der Russen in die amerikanisch besetzte Zone geflohen sind. SIEMENS und die Allianz fallen mir da spontan ein, der Autobereich von BMW stammt ja ursprünglich auch aus Eisenach.
Die CSU hat es aber über Jahre hinweg verstanden, ihr Land zusammen zu halten und die Wirtschaft nicht zu behindern. Agrar- und Industriesektor, Ureinwohner und Vertriebene. Da hat sie schon Großartiges geleistet. Heute verwaltet und verbietet sie allerdings nur noch, soweit ich das beurteilen kann. Rigidestes Rauchverbot, Verbot grüner Gentechnik ... es mag da noch einiges andere geben.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
In Antwort auf:Nur zur Klarstellung: Ich werde hier nicht die Politik der CSU verteidigen.
Das ist schade, lieber Florian, denn nur um die geht es hier. Der Aufhänger war und ist die Frage was die Wirtschaftspolitik der CSU denn nun von der der Spezialdemokraten unterscheidet. Wenn Sie den Ball nicht aufnehmen wollen, ich zwinge Sie nicht dazu, aber der ganze Exkurs ist dann seines Kontextes beraubt.
In Antwort auf:Die Landwirtschaft hat am bayerischen BIP einen Anteil von vielleicht 3%. Subventionen im Promillebereich des bayerischen BIPS fallen daher für die betroffenen Bauern sehr wohl ins Gewicht. Und die Bauern haben bei der CSU nunmahl - leider - eine sehr starke Lobby.
Dann wäre es für "die mächtige Wirtschaftsnation Bayern" doch kein Problem die Subventionen, so sie die denn unbedingt zahlen wollen, selbst zu tragen. Davon ab sind 3% ein Unterschied wie Tag und Nacht. Wir erleben derzeit eine Krise mit vielleicht 2% Rezession und haben schon die Hosen voll. Ein Unterschied von 3% ist der zwischen einer Krise und einer Stagnation. Wenn Deutschland als Nation 3% seines BIPs von aussen geschenkt bekäme, dann müssten wir uns wenig Sorgen machen.
In Antwort auf:Die bayerische Entwicklung im System es Länderfinanzausgleichs ist daher ganz sicher eine positive und nichts, was sich als Argument gegen den Erfolg bayerischer Wirtschaftspolitik verwenden ließe.
Zunächst mal habe ich den Finanzausgleich vor allem deshalb angeführt um zu zeigen, dass die Bayern erst einmal vierzig Jahre ganz gut davon gelebt haben. Und in diesen vierzig Jahren hat in Bayern durchaus die CSU regiert. Zum zweiten habe ich es aufgebracht, weil die CSU, seit Bayern zum Zahler geworden ist, diesen versucht einzustampfen. Ein Verhalten das ich ausgesprochen link finde, aber sehr stellvertretend für die CSU. Natürlich ist es positiv, das die bayrische Wirtschaft sich entwickelt hat. Können wir uns alle drüber freuen. Es ging nur darum das Bild ein bischen gerade zu rücken, wie, wann und warum so etwas passiert.
In Antwort auf:Natürlich war (umgerechnet) ein Euro in den 50ern noch mehr wert als heutzutage. Aber auch inflationsbereingit hat Bayern mittlerweile über 20 Mrd. Euro mehr einbezahlt als entnommen (Quelle auch hier Wikipedia).
Die Wikipedia Seite kenne ich auch (was meinen Sie wo ich das Stichjahr wohl herhatte ?). Und habe über den Quatsch mit der Inflationsbereinigung mal herzlich gelacht und mich gefragt was der Unsinn soll. Würde man tatsächlich fair vergleichen wollen, dann müsste man Zinsrechnungen aufmachen, denn wenn sich Hans Dampf von seiner Bank Geld leiht, dann reicht es auch nicht, dass er es "zinsbereinigt" wieder zurückzahlt. Weil man das aber nicht kann, sollte mans einfach bei den Zahlen für die Jahre belassen, die Summierungen sind allesamt irreführend. Ich will ja gar nicht bestreiten, dass die Bayern das Geld, im Unterschied zu ewigen Nehmern wie Niedersachsen oder Bremen, wenigstens klug investiert haben. Aber das alleine kann es doch nicht sein. Hessen wurde mehr als 20 Jahre rot regiert und hat immer gezahlt, das sehe ich noch nicht als großen Indikator für eine gute Wirtschftaspolitik. Die ich bei der CSU auch immernoch nicht sehen kann.
Im übrigen möchte ich nicht emfindlich sein, aber ich mag es nicht, wenn mir unterstellt wird ich würde eine Polemik schreiben (wenn ich das tue, merken Sie es ganz sicher, das klingt anders) oder von "angeblich sehr hohen" Subventionen, wenn die Zahlen offen auf dem Tisch liegen. Wenn ich eine Polemik schreiben würde, würde ich Sie sicher nicht diskutieren und das Wort "angeblich" sollte sich in einem freundlichen Gespräch, das wir hoffentlich führen, von alleine verbieten.
In Antwort auf:Innerhalb weniger Generationen einer fast ununterbrochenen CSU-Herrschaft hat es sich zum in wirtschaftlicher Hinsicht führenden Bundesland entwickelt und liegt heute im BIP/Einwohner mit an der Spitze.
Oh ja, diese Legende hört sich ja seit Jahren wunderbar gut sein.
Was an dieser schlichten Feststellung Legende sein soll, erschließt sich mir wirklich nicht, lieber Llarian.
Was ist denn nach Ihrer Auffassung daran Legende? Daß es in Bayern eine fast ununterbrochene CSU-Herrschaft gibt? Daß Bayern sich zu einem in wirtschaftlicher Hinsicht führenden Bundesland entwickelt hat? Daß es heute im BIP/Einwohner mit an der Spitze liegt?
Mir scheint, das sind alles Tatsachen, ungefähr so legendenhaft, wie daß Bayern südlich des Weißwurst-Äquators liegt.
Da ist wohl ein kleiner Fehler mit den Daten passiert. Im Beitrag in Zettels Raum müsste es wohl einmal 14. September statt 14. August heißen, oder nicht? Vielleicht einmal Copy-Paste zu viel?
Zitat von RobinDa ist wohl ein kleiner Fehler mit den Daten passiert. Im Beitrag in Zettels Raum müsste es wohl einmal 14. September statt 14. August heißen, oder nicht? Vielleicht einmal Copy-Paste zu viel? Viele Grüße Robin
Vielen Dank! Ist korrigiert.
Da wollte mein Unbewußtes wohl die Übereinstimmung auf die Spitze treiben.
als großem Freund von Wortspielereien hat mir die von Ihnen stammende besonders gelungene Wendung vom 14. August "Yes, we gähn'!" sehr gefallen. Die gleichlautende Schlagzeile der BILD, die mir wie üblich beim Brötchenkauf ins Auge sprang, habe ich sogleich als Plagiat empfunden - möglicherweise ist sie sogar eins, denn auch ein BILD-Redakteur hat vielleicht ab und zu Freude daran, zur Abwechslung etwas Vernünftiges zu lesen und zu diesem Zweck in "Zettels Raum" zu stöbern. Den zur (geklauten?) Überschrift gehörenden Artikel habe ich nicht gelesen, aber sogar mir als einem hinsichtlich des politischen Denkens völlig Unbegabten fällt auf, dass die einen genau das als besonderen Vorzug ansehen, was die anderen zum Gähnen bringt: die Medien wünschen sich, wie ich höre, den handfesten Krach; die meisten Zuschauer ziehen die (so lese ich es zumindest) als "Sachlichkeit" bezeichnete Harmonie vor. Was mich angeht, so habe ich soeben bei Youtube einen kurzen Ausschnitt des zu Unrecht so genannten Duells gesehen und ihn nach wenigen Augenblicken kopfschüttelnd wieder abgeschaltet. Ich freue mich bei solchen Gelegenheiten immer wieder darüber, dass ich zum Jahreswechsel 1994 / 95 den guten Vorsatz gefasst habe, für den Rest meines Lebens auf Fernsehen gänzlich zu verzichten.
Zitat von Friedel B.als großem Freund von Wortspielereien hat mir die von Ihnen stammende besonders gelungene Wendung vom 14. August "Yes, we gähn'!" sehr gefallen. Die gleichlautende Schlagzeile der BILD, die mir wie üblich beim Brötchenkauf ins Auge sprang, habe ich sogleich als Plagiat empfunden - möglicherweise ist sie sogar eins, denn auch ein BILD-Redakteur hat vielleicht ab und zu Freude daran, zur Abwechslung etwas Vernünftiges zu lesen und zu diesem Zweck in "Zettels Raum" zu stöbern.
Vieleicht, lieber Friedel; ich weiß es nicht. Unter den Adressen, die regelmäßig im Referrer auftauchen, sind Springer oder Bild allerdings nicht; anders als zB Gruner & Jahr. Ich gucke mir aber nur gelegentlich stichprobenartig an, wer so alles mitliest. - Andererseits ist der Kalauer ja ziemlich naheliegend.
Zitat von Friedel B.Den zur (geklauten?) Überschrift gehörenden Artikel habe icröhlich ein ph nicht gelesen, aber sogar mir als einem hinsichtlich des politischen Denkens völlig Unbegabten fällt auf, dass die einen genau das als besonderen Vorzug ansehen, was die anderen zum Gähnen bringt: die Medien wünschen sich, wie ich höre, den handfesten Krach; die meisten Zuschauer ziehen die (so lese ich es zumindest) als "Sachlichkeit" bezeichnete Harmonie vor.
Ja, das ist etwas seltsam. Mir scheint, daß manche gespalten sind. Als Bürger schätzen sie die Harmonie. Als trainierte TV-Konsumenten zappen sie aber weg, wenn es keinen Zoff gibt.
Gestern hatte Beckmann Elder Statesmen zum Plausch über das "Duell" eingeladen. Ich habe mich gefreut, daß auch Donanyi der Meinung war, daß die Journalisten sich in den Vordergrund gespielt hatten.
Und Gerhart Baum erinnerte an die TV-Diskussion 1980 zwischen Schmidt, Strauß, Genscher und Kohl, in der vor allem Schmidt und Strauß sich nichts geschenkt hatten. Er trug dazu die Anekdote bei, daß die beiden sich vorher - oder war es nachher? - auf dem Bierabend der Bayerischen Landesregierung trafen, sich ein wenig anpflaumten und dann fröhlich ein paar Bier miteinander tranken.
In Antwort auf: Ja, das ist etwas seltsam. Mir scheint, daß manche gespalten sind. Als Bürger schätzen sie die Harmonie. Als trainierte TV-Konsumenten zappen sie aber weg, wenn es keinen Zoff gibt.
Das lustige ist ja, dass Steinmeier bei dem Duell tendenziell als "Sieger" ausgerufen wird. Diese Analyse verkennt aber vollkommen die strategische Lage.
Aus Sicht von Merkel ist ein spannungsarmer Wahlkampf optimal.
Aus 3 Gründen:
Erstens: Ein Amtsinhaber wird abgewählt, wenn die Leute ihn nicht mehr mögen. Nach einer langen Amtsdauer kann das daran liegen, dass man ihn "satt" hat und einfach einen Wechsel um des Wechsels willen will (Kohl 1998). Aber nach 4 Jahren ist das noch kein Thema. Da wählt man den Amtsinhaber nur ab, wenn er echten Mist gemacht hat. Es läge also am Herausforderer, dem Amtsinhaber echten Mist nachzuweisen. Solange aber das "Duell" im Schmusekurs verläuft, hat Merkel nichts zu befürchten.
Zweitens: Je weniger Kontroversen es gibt, desto niedriger ist die Wahlbeteiligung. Das spielt der Union tendenziell in die Hände. Sie hat immer noch viele brave Wähler, die aus Pflichtbewusstsein bei Wind und Wetter ins Wahllokal pilgern. Die SPD hatte immer schon mehr "unzuverlässigere" Wähler - und das dürfte sich in den letzten Jahren noch verstärkt haben. Wenn aus deren Sicht nichts wichtiges auf dem Spiel steht, dann geht man statt ins Wahllokal schon mal lieber ins Oktoberfest-Zelt.
[Übrigens wäre aus diesem Grund auch eine Wahlpflicht für die Union eine Katastrophe: Würde jeder aphatische Hartz4-ler zum Wählen gezwungen, dann wäre eine linke Mehrheit praktisch garantiert.]
Drittens: Je weniger Kontroversen es zwischen den beiden Koalitionsparteien gibt, desto eher wird man die Kanzler-Partei wählen. Ist ja auch logisch: Wer mit der Regierungs-Arbeit zufrieden ist, wählt die Kanzlerin. Wer unzufrieden ist, wählt Opposition. Aber warum sollte man den kleinen Koalitionspartner wählen?
Fazit: Es mag aus Kommentaroren-Sicht zwar unbefriedigend sein, dass Merkel hier auf Halten des 1:0 spielt (um im Zettel-Bild zu bleiben). Aber aus strategischer Sicht macht Merkel alles richtig.
Untenstehend einmal ein paar Zahlen zu den BT-Wahlen.
Fazit daraus: Natürlich gibt es über den langen Zeitraum 1949-2005 keinen ganz einheitlichen Trend. Und Wahlergebnisse liegen an vielen Faktoren, nicht nur an der Wahlbeteiligung. Aber immerhin kann man festhalten: Bei den bislang 16 Bundestagswahlen ist es bislang erst genau ein einziges Mal passiert (nämlich 1965), dass die Wahlbeteiligung und das SPD-Ergebnis sich in umgekehrter Richtung entwickelt haben!
Eine niedrige Wahlbeteiligung ist daher zumindest tendenziell schädlich für die SPD.
___________________________ Daten: Jeweils: Jahr / Wahlbeteiligung / SPD-Ergebnis
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