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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 4 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.09.2009 20:03
Gastkommentar von Kallias zur Wahlentscheidung Antworten

Ich fand diesen Kommentar von Kallias hier im kleinen Zimmer so lesenswert, daß ich Kallias gebeten habe, ihn - unwesentlich verändert - als Gastkommentar in ZR zur Verfügung zu stellen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.09.2009 08:33
#2 RE: Gastkommentar von Kallias zur Wahlentscheidung Antworten

Ihre Überlegungen, lieber Kallias, gefallen mir vor allem deshalb, weil sie das Verhältnis zwischen Regierenden und Wählern auf eine, sagen wir, nüchterne Grundlage stellen:

Wir entscheiden uns für eine Regierung so, wie wir uns für eine Automarke oder einen Handyvertrag entscheiden. Wer zufrieden ist, der kauft wieder ein Auto derselben Marke und verlängert den Vertrag. Wer es nicht ist, der wechselt zur Konkurrenz.

Das impliziert ein weitgehend ideologiefreies Verhältnis zur Politik. Es zählt, wie Helmut Kohl richtig erkannte, was hinten herauskommt. The eating is the proof of the pudding.

Eine pragmatische, also eine sehr angelsächsische Sichtweise. Zu der ideal ein Zweiparteiensystem paßt: Eine Regierung wird entweder bestätigt oder durch die Opposition ersetzt.

Unter dem Mehrparteiensystem, das wir inzwischen dank des Verhältniswahlrechts haben, ist das freilich schwerer.

Wer ist für das Gute und wer andererseits für das Schlechte an der Arbeit einer Koalition verantwortlich? Und wie schafft man es überhaupt, eine Regierung auszutauschen? In Deutschland ist das auf Bundesebene bisher überhaupt erst ein einziges Mal passiert, 1998.

Ach, wie schön wäre doch ein Mehrheitswahlrecht.

Herzlich, Zettel

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

24.09.2009 10:04
#3 Mehrparteiensystem Antworten

Die Zurechnung der Resultate ist bei Koalitionsregierungen sicher schwieriger. Wenn man mit der Regierung insgesamt zufrieden ist, hat man immer noch die Qual der Wahl. Ebenso, wenn man unzufrieden ist, muß man sich noch zwischen verschiedenen Oppositionsparteien entscheiden. Bei der Feinauswahl hilft das Kriterium nicht so gut. (Um sich den Blick in die Kristallkugel dennoch zu ersparen, kann man auf längerfristige Erfahrungen zurückgreifen, wie etwa Zettels Gesetz. )

Da im Mehrparteiensystem meist Koalitionen regieren, aber Parteien gewählt werden, fallen die Effektivität der Wahl und das Signal der Zufriedenheit manchmal auseinander.

Was muß z.B. ein Wähler tun, der mit der Großen Koalition zufrieden ist, um sie wiederzuwählen? Am effektivsten ist (vermutlich) eine Stimmabgabe für die Linkspartei. Nur leider ist ein gutes Ergebnis der Linkspartei kein Signal an CDU und SPD, daß sie nach Wählers Meinung gut gearbeitet haben. Dazu müsste man schon eine dieser beiden wählen - was zur Folge haben kann, daß eine andere Regierung auf Grundlage einer kleinen Koalition herauskommt.

Insoweit haben Sie recht, lieber Zettel. Andererseits erschwert das Mehrparteiensystem auch die Wahlentscheidung für jene, die sich hoffnungsfroh an der Zukunft orientieren: was für eine Regierung kommt heraus, wenn ich und viele andere Partei X wählen? Im Zweiparteiensystem eine Regierung der Partei X; im Mehrparteiensystem eine was-weiß-ich-für-eine Koalition. D.h. das Mehrparteiensystem ist in beiden Fällen für uns Wähler schwerer zu bedienen als ein Zweiparteiensystem, ob wir nach Ergebnissen fragen oder uns an Erwartungen halten.

Vielleicht ist sogar die fatale Zukunftsorientierung bei uns Folge davon, daß es im Mehrparteiensystem naheliegt, Programme zu unterstützen, weil das noch das handgreiflichste Kriterium der Wahl zu sein scheint. Ungünstig ist es trotzdem.

Gruß,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.09.2009 17:19
#4 RE: Mehrparteiensystem Antworten

Zitat von Kallias
Andererseits erschwert das Mehrparteiensystem auch die Wahlentscheidung für jene, die sich hoffnungsfroh an der Zukunft orientieren: was für eine Regierung kommt heraus, wenn ich und viele andere Partei X wählen? Im Zweiparteiensystem eine Regierung der Partei X; im Mehrparteiensystem eine was-weiß-ich-für-eine Koalition. D.h. das Mehrparteiensystem ist in beiden Fällen für uns Wähler schwerer zu bedienen als ein Zweiparteiensystem, ob wir nach Ergebnissen fragen oder uns an Erwartungen halten.


Ja, das stimmt. Ich habe ja auch noch kein gutes Argument für das Verhältniswahlrecht gehört.

Zitat von Kallias
Vielleicht ist sogar die fatale Zukunftsorientierung bei uns Folge davon, daß es im Mehrparteiensystem naheliegt, Programme zu unterstützen, weil das noch das handgreiflichste Kriterium der Wahl zu sein scheint. Ungünstig ist es trotzdem.


Das Parteiensystem kann man sich nicht aussuchen, das Wahlrecht schon. Auch wenn R.A. mich immer mal wieder vom Gegeneil zu überzeugen versucht - das Mehrheitswahlrecht führt nun einmal in der Regel zu klaren Verhältnissen und das Verhältniswahlrecht in der Regel nicht.

Das Verhältniswahlrecht hat in der Regel - ich habe das schon gelegentlich geschrieben - eine von zwei Konsequenzen: Entweder muß man Extremisten in die Regierung aufnehmen - Beispiel Hindenburg 1933, Mitterand 1981 -, oder es regiert immer dieselbe Koalition der Mitte mit kleinen Änderungen. Beispiele Weimarer Republik, französische Vierte Republik.

Fatal ist das eine wie das andere. Und Leistungen lassen sich den einzelnen Partner solcher Koalitionen in der Tat meist nicht individuell attribuieren. Also wählt man, wie Sie es sagen, aufgrund von Versprechungen.

Herzlich, Zettel


Kallias Offline




Beiträge: 2.300

25.09.2009 22:13
#5 RE: Mehrparteiensystem Antworten

Zitat von Zettel
Und Leistungen lassen sich den einzelnen Partner solcher Koalitionen in der Tat meist nicht individuell attribuieren. Also wählt man, wie Sie es sagen, aufgrund von Versprechungen.

Soweit würde ich nicht gehen, das ist nur eine Nebenbetrachtung. Grundsätzlich liegt es einfach näher, in die Zukunft zu schauen. Zu Wählen ist eine Handlung, eine zielgerichtete Aktivität, und daher ist es ganz natürlich, "teleologisch" statt "darwinistisch" zu entscheiden. Ich habe mein kleines Argument im Jahre 2002 gebastelt, um jemanden, der von Schröder enttäuscht war, sich aber von Stoiber noch weniger erwartete, zu überreden, dennoch den vermeintlich schlechteren Kandidaten zu unterstützen. Das ist wirklich unplausibel!

Viel lieber wählt man in einem solchen Fall eine Protestpartei, doch das ist ineffizient, denn die wirksame Strafe für schlechte Regierung ist die Abwahl, nicht ein paar Prozentpünktchen für folgenlosen Protest.

Gruß,
Kallias

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