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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 51 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Llarian Offline



Beiträge: 7.117

27.10.2009 00:11
#26 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

In Antwort auf:
Ich wollte ja nur darauf aufmerksam machen, daß man Moslem sein kann, ohne den Koran wörtlich zu nehmen.


Das ist ein Selbstwiderspruch, zumindest wenn man nach dem Koran und dem Vorbild Mohammed geht. Aber darum gehts eigentlich nicht, der Islam ist eine Kultur und damit weit mehr als der Koran, auch wenn dieser die Kultur ganz gut zusammenfasst.

In Antwort auf:
In den meisten Ländern, in denen die Moslems die Mehrheit stellen, ist das nicht der Fall. Nicht zum Beispiel in Algerien, Marokko, Tunesien, Ägypten, Syrien, dem Irak, der Türkei, den Emiraten, Pakistan, Afghanistan, Bangla Desh, Malaysia, Indonesien.


Dann wollen Sie sagen, dass in all diesen Ländern Frauen die selben Rechte haben wie Männer, Schwule nicht diskriminiert oder ermordet werden, Religionsfreiheit gilt und die Gesellschaften nicht massiv gewaltbeherscht sind ?
Nein, lieber Zettel, ich spreche nicht nur vom Iran, von Saudi Arabien oder dem Sudan, ich spreche von all den Ländern, die von der Kultur des Islam mehrheitlich beherscht wird. Glauben Sie, es ist eine gute Idee in Islamabad eine Schwulenkneipe aufzumachen (ist nicht der Iran, oder ?) ? Oder halte Sie es für weise in den Emiraten eine Kirche zu bauen (ist ja nicht Saudi Arabien) ? Und wie würden Sie eine lesbische Kommune in Bangla Desh beurteilen (immerhin nicht der Sudan) ? Ich für meinen Teil würde Ihnen von allen drei Ideen abraten. Im Interesse ihres eigenen Überlebens. Denn dann würden Sie erleben was gemässigte Moslems mit ihnen machen, wenn keine christliche Mehrheit sie davon abhält.

califax Offline




Beiträge: 1.502

27.10.2009 00:24
#27 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Zitat von Llarian
Denn dann würden Sie erleben was gemässigte Moslems mit ihnen machen, wenn keine christliche Mehrheit sie davon abhält.



Gemäßigte Moslems würden da gar nichts machen. Das ist ja das Problem mit den Islamisten. Die tun nämlich was und die moderate Mehrheit duckt sich weg, statt dagegen anzugehen. Teilweise gibt es da natürlich die Sympathien - Was Konservative aller Weltreligionen von Schwulen halten, ist bekannt. Aber dazu kommt eben noch die Angst.
Ein Christ in Deutschland kann sich schützend vor Schwule stellen. Er wird deshalb eher selten zum Märtyrer.
Ein Moslem in einem Land mit islamistischen Banden ist sowieso Kanonenfutter.
Er wird schön den Kopf senken und die Klappe halten.
In unserem schönen friedlichen Deutschland mag man das nicht verstehen, aber als Familienvater möchte man halt nicht nur leben sondern auch die Familie durchbringen.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.10.2009 04:10
#28 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Ich wollte ja nur darauf aufmerksam machen, daß man Moslem sein kann, ohne den Koran wörtlich zu nehmen.


Das ist ein Selbstwiderspruch, zumindest wenn man nach dem Koran und dem Vorbild Mohammed geht.



Wenn Sie es so nennen wollen, warum nicht. Dann ist es halt ebenso ein Selbstwiderspruch, daß man Christ sein kann, ohne die Bibel wörtlich zu nehmen. Dann erliegen halt alle Christen diesem Selbstwiderspruch, die keine Evangelikalen sind.

Zitat von Llarian
Aber darum gehts eigentlich nicht, der Islam ist eine Kultur und damit weit mehr als der Koran, auch wenn dieser die Kultur ganz gut zusammenfasst.


Eine einzige islamische Kultur gibt es so wenig und so viel wie eine einheitliche christliche Kultur. Die Kultur des größten islamischen Landes, Indonesien, ist sehr verschieden von derjenigen Arabiens; so wie die christlichen Brasilianer eine andere Kultur haben als die christlichen Norweger.

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
In den meisten Ländern, in denen die Moslems die Mehrheit stellen, ist das nicht der Fall. Nicht zum Beispiel in Algerien, Marokko, Tunesien, Ägypten, Syrien, dem Irak, der Türkei, den Emiraten, Pakistan, Afghanistan, Bangla Desh, Malaysia, Indonesien.


Dann wollen Sie sagen, dass in all diesen Ländern Frauen die selben Rechte haben wie Männer, Schwule nicht diskriminiert oder ermordet werden, Religionsfreiheit gilt und die Gesellschaften nicht massiv gewaltbeherscht sind ?



Frauen haben bei uns erst seit ein paar Jahrzehnten dieselben Rechte wie Männer. Homosexuelle werden auch bei uns noch diskriminiert; ihre rechtliche Gleichstellung hat erst in den letzten Jahren weitgehend stattgefunden.

Religionsfreiheit gibt es im christlichen Abendland etwas länger; aber noch im 18. Jahrhundert war sie keineswegs selbstverständlich.

Massiv "gewaltbeherrscht" sind einige islamische und einige nichtislamische Länder.

Kurzum, lieber Llarian: Es ist ein Irrtum, das, was Sie aufzählen, dem Islam zu attribuieren. Es gab und gibt es in allen Ländern, in denen die Aufklärung sich noch nicht völlig durchgesetzt hat; in denen es keine wirklich freie, pluralistische Gesellschaft gibt.

Der Islamismus konnte in einigen islamischen Ländern Fuß fassen, weil sie teils unterentwickelt sind, teils durch das Scheitern des arabischen Sozialismus in Armut und Unfreiheit gerieten. Ein anderer Grund ist die demographische Entwicklung, siehe Gunnar Heinsohn.

Vor achtzig Jahren, in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, regierten in keinem islamischen Land mit Ausnahme Saudi-Arabiens und einiger kleiner Länder der arabischen Halbinsel Extremisten. Zugleich regierten
Extremisten in vielen Staaten Europas, von Spanien, Italien und Deutschland über die diktatorischen Regimes in Ungarn, Kroatien und anderen kleineren Staaten bis hin zur Sowjetunion.

Sie sehen, lieber Llarian, ich kann Ihr Weltbild in diesem Punkt nicht teilen. Nicht der Islam bedroht Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, sondern islamistische Fundamentalisten tun es. Fundamentalisten gibt es in vielen Religionen und Weltanschauungen. Daß die islamistischen Fundamentalisten im Augenblick stärker sind als die christlichen oder die marxistischen, ist ein Merkmal der momentanen historischen Situation, nicht des Islam.

Herzlich, Zettel

Hajo Offline



Beiträge: 440

27.10.2009 09:14
#29 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Zitat von Eltov
Ich denke wir reden hier vom Islam in Deutschland und nicht vom Islam in rückständigen, autoritär regierten Gesellschaften in denen eine Debatte über den Islam unter den Muslimen von vornherein ausgeschlossen ist, weil eine bestimmte Ausrichtung des Islams dem Machterhalt der jeweiligen Regime dient. Nebenbei haben westliche Gesellschaften auch eine Geschichte mit reichlich Frauenunterdrückung, Gewaltrecht und Schwulenverfolgung. Die Kampagne zur Rehabilitierung von Turing hast du vielleicht wahrgenommen. Und all das haben wir ganz ohne Islam geschafft. Es kann in der Auseinandersetzung mit dem Islam nur darum gehen, ihn wie zuvor das Christentum zur Privatsache zu "degradieren", nicht darum einen Kampf gegen die Religion an sich zu führen. Alles andere ist im bestenfalls Selbstbetrug, mit Sicherheit aber schwer kontraproduktiv.



Das ist richtig und auch sehr interessant, denn die "gesellschaftliche Offenheit" ist geschichtlich gesehen noch nichtmal ein Wimpernschlag. Es spricht auch vieles dafür, daß diese Offenheit sich, in geschichtlichen Zeitskalen gemessen, nicht lange wird halten können. Die Toleranten und Offenen kriegen schlichtweg keine Kinder, pflegen eine völlig unnachhaltige Bevölkerungspolitik und können bestenfalls darauf hoffen, daß die Kinder von Religiösen oder Nationalen, auch Ausländern während ihrer Sozialisation mit ihrem Weltbild "angefixt" werden. Das solche Gesellschaften in der Lage sind sich über geschichtlich nennenswerte Zeiträume zu halten, wie es etwa die RKK oder das Judentum bereits gezeigt haben, ist etwas, was noch zu beweisen ist. Ich halte das eher für eine flüchtige Episode, als für den Anbruch eines neuen, toleranten Zeitalters.

In zeitgeschichtlichen Skalen halte ich es auch für völlig sicher, daß sich die immer mehr Kontur gewinnenden Minoritäten in den europäischen Staaten, spätestens wenn sie qua Bevölkerungswachstum genug Momentum gewonnen haben, ihre Forderungen offensiv stellen werden. Es setzt sich auf lange Sicht eben nicht der Tolerante durch, sondern der, der in der Lage ist eine nachhaltig wachsende Bevölkerung mit Mission und Werten zu betreiben. Aus eben diesem Grund ist Integration/Assimilation für mich so ein wichtiges Thema, weil, wenn diese nicht gelingt, ist dies für jeden Staat in Europa ein existenzielles Problem.

Die Toleranz und Offenheit wird aus Europa schon bald wieder verschwunden sein und zwar so oder so. Entweder, weil der Mangel an demographischer Nachhaltigkeit sie in die greise Bedeutungslosigkeit gestürzt hat, das würde dann etwas länger, aber auch nicht allzu lange dauern, oder weil die tolerante Kultur durch eine wesentlich aggresivere schlichtweg dominiert wird. Vermutlich wird beides zeitgleich passieren. Letztgenanntes muß gar nicht mehr so lange dauern. Brüssel etwa wird in etwas mehr als 10 Jahren mehrheitlich muslimisch sein, und wenn sie sich heute mal aufmachen würden, würde, wenn Sie nicht blind durchs Leben schreiten, ihre Diagnose ganz unausweichlich lauten müssen, bereits heute sind weite Teile von Brüssel bestenfalls noch geographisch ein Teil von Europa. Leider, so muß ich feststellen, scheint mir dies aber viel mehr das kommende Europa zu sein.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

27.10.2009 09:54
#30 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Llarian

In Antwort auf:
Ich wollte ja nur darauf aufmerksam machen, daß man Moslem sein kann, ohne den Koran wörtlich zu nehmen.


Das ist ein Selbstwiderspruch, zumindest wenn man nach dem Koran und dem Vorbild Mohammed geht.



Wenn Sie es so nennen wollen, warum nicht. Dann ist es halt ebenso ein Selbstwiderspruch, daß man Christ sein kann, ohne die Bibel wörtlich zu nehmen. Dann erliegen halt alle Christen diesem Selbstwiderspruch, die keine Evangelikalen sind.



Ich erlaube mir zu widersprechen: der Stellenwert des Qur'ans im Islam (direkte und wortwörtliche Offenbarung Gottes, Mohammed in die Feder diktiert - darum ist allein der arabische Urtext verbindlich) ist ein völlig anderer als der der Bibel im Christentum (göttlich inspiriert, aber von Menschen verfasst). Deswegen ist die Aussage "man kann nicht Muslim sein, ohne den Qur'an wörtlich zu nehmen" zumindest in sich nicht in der Art falsch, wie die analoge Aussage für Christen und die Bibel ist. Fragen Sie mal Papst Benedikt über die wörtliche Rezeption der Bibel...

Was natürlich unbeschadet dessen ist, dass man hier die qur'anische Definition von Muslim ernst nehmen kann (dann stimmt Llarians Aussage) oder die "gängige" Definition, nach der wahrscheinlich ein Gutteil der Türken und Araber in Deutschland sich als Muslime bezeichnen würden, ohne eben beispielsweise die fünf Gebete einzuhalten oder den Qur'an wörtlich zu nehmen.

Und auch im Qur'an ist das mit dem "wörtlich nehmen" so eine Sache, da widerspricht sich einiges - man vergleiche die medinensischen mit den nicht-medinensischen Suren.

--
Las ideas tontas son inmortales.

Cada nueva generación las inventa nuevamente. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

27.10.2009 11:13
#31 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Sehr geehrter Zettel,

es nimmt leider den von mir schon befürchteten Verlauf, jetzt muß ich wohl auch etwas längeres schreiben.

Zitat von Zettel

Zitat von Ungelt
das Plakat plädiert doch nicht für irgend etwas, weder dafür, daß sich Türken und Araber absondern, noch für das Gegenteil. Es erklärt nur den Zusammenhang zwischen der tatsächlich vorhandenen Absonderung und dem Inhalt des Korans als der verbindlichen Grundlage des Islams.

Einen Zusammenhang, den die Urheber des Plakats sehen, zu Recht oder zu Unrecht. Aber Sarrazin hat von einem solchen Zusammenhang nicht gesprochen.


Ja, das stimmt, das Plakat "bietet eine mögliche Begründung für Sarrazins Beobachtung an". Die mag richtig oder falsch sein, ich halte sie für eine der Ursachen.

Zitat von Zettel
Sarrazin hat sich dagegen ausgesprochen, daß Türken und Araber sich absondern. Der auf dem Plakat zitierte Koranvers scheint aber just dafür zu plädieren.

Die "nehmet nicht Juden und Christen zu euren Freunden" Sure ist doch eindeutig gegen eine Integration / Assimilation der Moslems gerichtet. Das bedeutet doch aber nicht, daß das Plakat diesen Koran-Standpunkt vertritt, es macht ihn nur sichtbar. Würde der Koran die Integration/Assimilation von moslemischen Minderheiten in die jeweiligen Mehrheitsgesellschaft befürworten, wäre es ja kein Problem. Der Islam ist (nach meiner unmaßgeblichen Meinung) aber ein auf Expansion angelegtes System.

Zitat von Zettel
Also bestätigt doch der Koran nicht Sarrazin, sondern das Gegenteil ist der Fall:

Doch, die Bestätigung liegt doch gerade darin, daß der Koran genau das verlangt, was Sarrazin als Ergebnis diagnostiziert. Und das Plakat weist auf diesen Zusammenhang hin und stützt so Sarranzins Beobachtung.

Zitat von Zettel
Wenn man denn diesen Vers so versteht, wie er aus dem Zusammenhang gerissen gemeint zu sein scheint (man muß da bei Koranversen sehr vorsichtig sein), dann verbietet der Koran genau jene Integration, die Sarrazin verlangt. Darauf wollte ich hinweisen.

Natürlich bin ich auch kein Koranexperte, auch wenn ich schon seit Jahrzehnten eine deutsche Übersetzung besitze, das nützt aber wenig ;-) Da es aber im Islam, wie ich immer höre, keine verbindliche Instanz gibt, die für dessen Deutung zuständig wäre, bleibt die Deutung der Texte den Gläubigen selbst überlassen. Und dann gibt es zwangsläufig auch besonders eifrige Leute (die mit dem direkten Draht nach oben ;-), die es als Lebensaufgabe betrachten, ihre "einzig richtige" Interpretation durchzusetzen. Und auch solche, die diese Situation zur Durchsetzung anderer/weiterer Ziele nutzen.

Entscheidend ist aber, daß es eben unter diesen Umständen keine richtige Deutung gibt, geben kann. Es reicht aber die Tatsache, daß bestimmte Stellen so gedeutet werden können, wie es die jeweiligen Akteure möchten. Es ist dann im Ergebnis keine wissenschaftliche Frage, keine Frage der "Wahrheit", es ist eine reine Machtfrage. Mit Terror im kleinem und großen Maßstab wird die passende Auslegung durchgesetzt.

Zitat von Zettel
Ich habe den Text des Plakats jetzt noch einmal gelesen, nachdem ich entdeckt habe, daß man die Abbildung drehen kann . Er lautet: "Koran bestätigt: Sarrazin hat recht. 'Ihr, die ihr glaubt, nehmet nicht Juden und Christen zu euren Freunden'". Unten stehen noch Zeilen, die ich nicht lesen kann.

"Koran bestätigt: Sarrazin hat recht" soll wohl eher bedeuten "Ursache für die von Sarazzin benannten Mißstände im Koran entdeckt". Das wäre aber zu lang, da muß die Plakatsprache verwendet werden. Für den eigentlichen Inhalt halte ich den Hinweis auf die bekannte Sure. Die unteren Zeilen kann ich auch nicht entziffern, daher ist meine Interpretation auch mit diesem Restrisiko behaftet. Ich rede hier aber sowieso nicht von den Motiven der Plakatkleber, sondern nur von dem hergestellten Zusammenhang. (Thesen mit Hilfe von Zusatzinformationen über die "wahren" Beweggründe der Autoren zu kritisieren ist mir suspekt - ich kenne diese Methode noch gut genug aus meiner "sozialistischen Vergangenheit".)

Zitat von Zettel
Sarrazin hätte dann im Sinn der Urheber des Plakats recht, wenn er die Integrationsprobleme der Türken und Araber auf den Koran zurückgeführt hätte.

Warum sollten wir spekulieren, bei welchen theoretischen Äußerungen Sarrazin im Sinne der Urheber, über die wir fast nichts wissen, recht oder nicht recht hätte? Das ist mir zu kompliziert, die Realität ist mir schon komplex genug

Zitat von Zettel
Aber das [Integrationsprobleme uf den Koran zurückgeführt] hat er nicht getan. Es wäre ja auch falsch.

Wenn wir jetzt wieder bei "uns" sind, dann gehe ich gerne auf meine Sicht der Dinge ein. Der Islam ist eine der Ursachen, die für die beschriebene Absonderung verantwortlich sind, und ich denke schon, daß wir den Koran bei der Betrachtung des Problems nicht ausklammern dürfen. Wenn man es erlebt hat, wie in islamischen Ländern die Religion und der Inhalt des Korans in die Köpfe der Gläubigen vom Kleinkindalter an täglich reingehämmert wird, kann man sich nicht wundern, wenn diese Bemühungen manchmal auch weniger wohlschmeckende Früchte tragen.

Ich bin längere Zeit meines Lebens sporadisch in Nordafrika unterwegs gewesen. Anfangs beobachtete ich noch durchaus "westliche Sitten" und eine große Offenheit der Menschen gegenüber uns "Westlern". Innerhalb von zwanzig Jahren hat sich das aber deutlich geändert, am Ende der neunziger Jahre begannen die zuvor friedlichen Kinder den Westfahrzeugen Steine hinterherzuwerfen. Diese Kinder hatten mit Sicherheit keine eigene Erfahrung mit "dem Westen", der Haß muß eindeutig aus Fernsehen / Schule / Koranschule gekommen sein.

Zitat von Zettel

Zitat von Ungelt
Im Gegensatz zu anderen ähnlichen geschlossenen Wohngebieten (Chinatowns) ist hier zusätzlich eben auch der islamisch begründete Gruppenzwang wirksam, der alle Abweichler sehr großen Gefahren aussetzt. "Bestrafe einen, erziehe tausende" ist hier deutlich sichtbar wirksam. Auf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen, halte ich für legitim.

Es gibt das. Aber Sarrazin hat es nicht behauptet, wie gesagt.


Ja, nur das Plakat "behauptet" es. Deswegen muß die Behauptung ja aber nicht falsch sein.

Zitat von Zettel
Wir können, lieber Ungelt, beide vermutlich nicht wissen, wie groß der Anteil der Religion an den Integrationsproblemen ist.

Ja, da wäre ich mir sogar ziemlich sicher, daß wir es beide nicht wissen können

Zitat von Zettel
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, daß die Moslems, die ich kenne, überwiegend gut integriert sind und daß ihre Religion sie nicht daran hindert, Freundschaften mit Christen zu haben. Meine Frau hat so gute Beziehungen zu einer moslemischen Familie, daß man sie zu allen Familienfesten einlädt. Sie hatte nie den Eindruck, dort nicht willkommen zu sein - ganz im Gegenteil -, auch wenn sie die einzige Nicht-Muslimin in der Runde war.

Ich habe ähnliche Erfahrungen, diese Moslems leben aber alle außerhalb ihrer jeweiligen "Communities", haben auch einen höheren Bildungsgrad und sind dadurch auch weitgehend unabhängig. Natürlich gibt es auch unter Moslems solche und solche, wie in jeder beliebig zusammengesetzten Gruppe von Menschen. Und daß in ursprünglichen Gesellschaften die Gastfreundschaft häufig stärker entwickelt ist als z.B. bei uns, habe ich ebenfalls beobachtet. Das alles bedeutet aber nicht, daß es die von Sarrazin angesprochenen Milieus nicht auch gibt, und daß darin nicht eine enorme Sprengkraft stecken würde.

Zitat von Zettel
Noch eine allgemeine Bemerkung: Was könnte man den Christen und den Juden alles vorwerfen, wenn man die Bibel wörtlich nehmen würde! Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich bin gekommen, das Schwert zu bringen.

Da bin ich nun wirklich kein Experte, habe aber das "Vorurteil", daß sich darin der Islam beim Gewaltthema besonders hervortut. Ich versuche später noch zu diesem Punkt etwas substantielles zu finden.

Zitat von Zettel
Wir alle wissen, daß die meisten Christen keine Evangelikalen und die meisten Juden keine Orthodoxen sind. Seltsamerweise scheinen viele Menschen zu glauben, daß die meisten Moslems Fundamentalisten sind, die jeden Vers des Koran wörtlich nehmen.

Diese vielen Menschen mag es geben oder auch nicht, für mich muß ich die Aussage aber etwas modifizieren:

Es genügen relativ wenige entschlossene (und mit Finanzmitteln gut ausgestatette) Fundamentalisten / Nationalisten / Fanatiker innerhalb einer geschlossenen Gruppe moderater Menschen (Moslems / Türken / Radfahrer), um die toleranteren unter ihnen einzuschüchtern oder anders zu beeinflussen. Wenn die um Ausgleich und Integration bemühten Leute innerhalb einer solchen Gruppe bemerken, daß sie von Außen keine ausreichende Unterstützung zu erwarten haben, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich mit den bestehenden Machtstrukturen innerhalb der Gruppe zu arrangieren. Oder wegzuziehen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.

Die berühmten "Dialog-Veranstaltungen" wirken, befürchte ich, genau in diesem ungünstigen Sinne. Die organisierten und finanzstarken Organisationen haben dort meinem Eindruck nach ein deutliches, ihnen nicht zustehendes Übergewicht. Offen auftretende demokratisch gesinnte Leute müssen leider mit jeder Art von Drangsalierung rechnen, denn die von ihrer "Wahrheit" überzeugten "Triebtäter" sind natürlich gefährlich. (Siehe auch die aktuellen Morddrohungen gegenüber der sehr mutigen und von mir verehrten Frau Kelek)

Ich habe auch keine Lösung für dieses Problem, aber das Thematisieren der kritischen Koraninhalte halte ich u.A. auch für erforderlich. Sollten wir nicht auch persönlich bei den uns bekannten netten Moslems diese Texte mal ansprechen? Das könnte zur Klärung der Standpunkte beitragen, auf beiden Seiten.

Schönen Tag noch, Ungelt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.10.2009 13:34
#32 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Lieber Ungelt,

lassen Sie uns zwei Fragen auseinanderhalten: Wie ist dieses Plakat zu beurteilen? Und zweitens: Welche Rolle spielen der Islam und speziell der Koran bei den Integrationsproblemen?

Was das Plakat angeht, bleibe ich bei meiner negativen Beurteilung. Die Aussage "Sarrazin hat recht" zusammen mit dem Koranvers suggeriert, daß Sarrazin den Islam oder den Koran für die Integrationsprobleme verantwortlich gemacht hat. Das hat er nicht getan. Die Urheber des Plakats versuchen, Sarrazin für ihre eigene islamfeindliche Haltung zu vereinnahmen.

Nun zur wichtigeren Frage. Ich denke, lieber Ungelt, da sind wir gar nicht so weit auseinander.

Zitat von Ungelt
Der Islam ist eine der Ursachen, die für die beschriebene Absonderung verantwortlich sind, und ich denke schon, daß wir den Koran bei der Betrachtung des Problems nicht ausklammern dürfen. Wenn man es erlebt hat, wie in islamischen Ländern die Religion und der Inhalt des Korans in die Köpfe der Gläubigen vom Kleinkindalter an täglich reingehämmert wird, kann man sich nicht wundern, wenn diese Bemühungen manchmal auch weniger wohlschmeckende Früchte tragen.


Da stimme ich zu. Wie groß der Einfluß dieses Faktors ist, wissen wir, wie schon gesagt, beide nicht. Ich halte ihn für eher untergeordnet; Sie messen ihm vielleicht größere Bedeutung zu. Wie will man entscheiden, wer näher an der Realität ist? Ich fürchte, wir bleiben da im Bereich der Vermutungen.

Zitat von Ungelt
Ich bin längere Zeit meines Lebens sporadisch in Nordafrika unterwegs gewesen. Anfangs beobachtete ich noch durchaus "westliche Sitten" und eine große Offenheit der Menschen gegenüber uns "Westlern". Innerhalb von zwanzig Jahren hat sich das aber deutlich geändert, am Ende der neunziger Jahre begannen die zuvor friedlichen Kinder den Westfahrzeugen Steine hinterherzuwerfen. Diese Kinder hatten mit Sicherheit keine eigene Erfahrung mit "dem Westen", der Haß muß eindeutig aus Fernsehen / Schule / Koranschule gekommen sein.


Diese Koranschulen gibt es seit Jahrhunderten; ebenso sind die Nordafrikaner seit vielen Jahrhunderten - genauer gesagt seit dem siebten bis achten Jahrhundert - Moslems.

In dieser langen Zeit hat der Islam viele Wandlungen durchgemacht. Es gab liberale und fundamentalistische Strömungen, von denen mal die eine, mal die andere dominierte.

In den beiden Jahrzehnten, von denen Sie sprechen, hat es einen massiven Aufschwung des Fundamentalismus gegeben. Auf zwei der Ursachen habe ich schon aufmerksam gemacht: Das Scheitern des arabischen Sozialismus und die Demographie.

Gerade in Algerien sind beide Faktoren mit den Händen zu greifen: Dank des vergleichsweise guten von den Franzosen hinterlassenen Gesundheitssystems hat es eine wahre Bevölkerungsexplosion gegeben. In Algerien wurde nach der Loslösung von Frankreich einer der schlimmsten Versuche unternommen, einen arabischen Sozialismus aufzubauen, der ebenso gescheitert ist wie in Ägypten, in Syrien, im Irak, im Jemen. Die Folge ist das Aufblühen des Fundamentalismus; die FIS war ja zeitweilig nahe daran, die Macht zu übernehmen.

Aber das ist eben nicht "der Islam", sondern es ist die Entwicklung in arabischen Ländern in einer bestimmten historischen Phase.

Zitat von Ungelt
Natürlich gibt es auch unter Moslems solche und solche, wie in jeder beliebig zusammengesetzten Gruppe von Menschen. Und daß in ursprünglichen Gesellschaften die Gastfreundschaft häufig stärker entwickelt ist als z.B. bei uns, habe ich ebenfalls beobachtet. Das alles bedeutet aber nicht, daß es die von Sarrazin angesprochenen Milieus nicht auch gibt, und daß darin nicht eine enorme Sprengkraft stecken würde.


Da sind wir uns einig. Nur liegt das eben nicht am Koran, sondern an der oben skizzierten Entwicklung.

Zitat von Ungelt

Zitat von Zettel
Noch eine allgemeine Bemerkung: Was könnte man den Christen und den Juden alles vorwerfen, wenn man die Bibel wörtlich nehmen würde! Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich bin gekommen, das Schwert zu bringen.

Da bin ich nun wirklich kein Experte, habe aber das "Vorurteil", daß sich darin der Islam beim Gewaltthema besonders hervortut. Ich versuche später noch zu diesem Punkt etwas substantielles zu finden.



Mir ging es nicht um das Gewaltthema, sondern um die wörtliche Auslegung.

Zitat von Ungelt

Zitat von Zettel
Wir alle wissen, daß die meisten Christen keine Evangelikalen und die meisten Juden keine Orthodoxen sind. Seltsamerweise scheinen viele Menschen zu glauben, daß die meisten Moslems Fundamentalisten sind, die jeden Vers des Koran wörtlich nehmen.

Diese vielen Menschen mag es geben oder auch nicht, für mich muß ich die Aussage aber etwas modifizieren:

Es genügen relativ wenige entschlossene (und mit Finanzmitteln gut ausgestatette) Fundamentalisten / Nationalisten / Fanatiker innerhalb einer geschlossenen Gruppe moderater Menschen (Moslems / Türken / Radfahrer), um die toleranteren unter ihnen einzuschüchtern oder anders zu beeinflussen. Wenn die um Ausgleich und Integration bemühten Leute innerhalb einer solchen Gruppe bemerken, daß sie von Außen keine ausreichende Unterstützung zu erwarten haben, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich mit den bestehenden Machtstrukturen innerhalb der Gruppe zu arrangieren. Oder wegzuziehen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.



Auch dabei stimme ich Ihnen zu. Aber wir sollten uns eben davor hüten, diese Extremisten mit der Gesamtgruppe gleichzusetzen oder auch nur als repräsentativ anzusehen.

Das scheint mir der zentrale Punkt zu sein: Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus. Ich spreche das immer wieder an, weil es mir so wichtig erscheint. Wenn sich in Deutschland der Geist durchsetzen sollte, der aus dem Plakat spricht, dann gehen wir düsteren Zeiten entgegegen. Was "Pro Köln" macht - einen Keil zwischen die eingesessenen Deutschen und die moslemischen Zuwanderer treiben zu wollen - halte ich für völlig verantwortungslos. Man versucht den Konflikt herbeizuführen, von dem man behauptet, daß er schon existiere.

Herzlich, Zettel

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

27.10.2009 22:51
#33 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

In Antwort auf:
Dann ist es halt ebenso ein Selbstwiderspruch, daß man Christ sein kann, ohne die Bibel wörtlich zu nehmen.


Ich denke Gorgasal hat dazu fast alles gesagt. Ich würde noch ergänzen, dass man kein Zeuge Jehovas sein kann, ohne die Bibel wörtlich zu nehmen, aber durchaus ein Christ.

In Antwort auf:
Eine einzige islamische Kultur gibt es so wenig und so viel wie eine einheitliche christliche Kultur. Die Kultur des größten islamischen Landes, Indonesien, ist sehr verschieden von derjenigen Arabiens; so wie die christlichen Brasilianer eine andere Kultur haben als die christlichen Norweger.


Alle Christen haben gemeinsame Werte, die Unterschiede sind da bisweilen gar nicht so gross. Genauso wie die islamische Kultur ein gemeinsames Werteverständnis hat. Das mag im Details abweichen, aber es hat eine ziemlich klare Linie.

In Antwort auf:
Frauen haben bei uns erst seit ein paar Jahrzehnten dieselben Rechte wie Männer.


Und doch hatte sie schon vor hundert Jahren mehr Rechte als heute in muslimischen Ländern. Das ist eigentlich schon seit der Aufklärung so. Und die ist ja nun ein bischen älter als ein paar Jahrzehnte (was nebenbei gesprochen immernoch irre lang ist).

In Antwort auf:
Es gab und gibt es in allen Ländern, in denen die Aufklärung sich noch nicht völlig durchgesetzt hat; in denen es keine wirklich freie, pluralistische Gesellschaft gibt.


Und das wird in islamischen Ländern nicht passieren und damit hat sich der Kreis geschlossen. Die Aufklärung ist eine durch und durch christliche Idee und sie steht in absolutem Widerspruch zu zentralen Elementen des Islam (Absolutheit des Dogmas, Gleiche Rechte für jeden Glauben, um nur zwei herauszugreifen). Sie haben mit einem Recht: Eine Gesellschaft kann durchaus gewaltbeherscht, diskriminierend, chauvinistisch und noch viele Dinge mehr sein, eben weil sie die Werte der Aufklärung nicht durchsetzt. NUR: Das ist in einem christlich orientierten Land ein "möglich", in einem islamischen ein "sicher".
Bei all den von Ihnen genannten Länder ist nicht ein Rechtsstaat mit einem Menschenrechtsverständnis wie es in der Erklärung der Menschenrechte niedergelegt ist. Nicht einer. Nicht in einem dieser Länder haben andere Glaubensgemeinschaften die selben Rechte. Nicht in einem dieser Länder sind Mann und Frau gleichgesetellt. Und nicht in einem dieser Länder ist es eine gute Idee offen homosexuell zu leben. Und es waren nicht "Islamisten" oder ähnliche Kunstschöpfungen, die das durchgesetzt haben.

Sie haben selber einen sehr passenden Vergleich eingeworfen: Das die RAF nicht gleichzusetzen ist mit den Sozialisten. Stimmt. Aber es brauchte keine RAF um den Staat DDR 40 Jahre lang zu führen. Die RAF mag extremer gewesen sein, als die "normalen Sozialisten", aber ich kann auch am "normalen Sozialismus" nicht viel positives finden.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

28.10.2009 09:40
#34 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Zitat von Zettel
In dieser langen Zeit hat der Islam viele Wandlungen durchgemacht. Es gab liberale und fundamentalistische Strömungen, von denen mal die eine, mal die andere dominierte.

In den beiden Jahrzehnten, von denen Sie sprechen, hat es einen massiven Aufschwung des Fundamentalismus gegeben. Auf zwei der Ursachen habe ich schon aufmerksam gemacht: Das Scheitern des arabischen Sozialismus und die Demographie.
...
Aber das ist eben nicht "der Islam", sondern es ist die Entwicklung in arabischen Ländern in einer bestimmten historischen Phase.
...
Das scheint mir der zentrale Punkt zu sein: Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus. Ich spreche das immer wieder an, weil es mir so wichtig erscheint. Wenn sich in Deutschland der Geist durchsetzen sollte, der aus dem Plakat spricht, dann gehen wir düsteren Zeiten entgegegen. Was "Pro Köln" macht - einen Keil zwischen die eingesessenen Deutschen und die moslemischen Zuwanderer treiben zu wollen - halte ich für völlig verantwortungslos. Man versucht den Konflikt herbeizuführen, von dem man behauptet, daß er schon existiere.


Sehr geehrter Zettel,

bitte erlauben Sie mir nur noch einige Sätze zu diesem schon endlos diskutierten Thema.

Von einer höheren Warte betrachtet ist der Islam möglicherweise tatsächlich, über die Jahrhunderte gemittelt, ein im Grunde friedliebendes System, das sich nur leider gerade jetzt in einer für uns ungünstigen fundamentalistischen Phase befindet. Betrachtet man die aktuelle Ausbreitung des Islams, wäre auch diese temporäre Expansion aber über die Jahrhunderte sehr erfolgreich gewesen. Wäre ich ein Ameisenforscher, und würde diese Pendelbewegungen innerhalb eines Ameisenstaates beobachten, könnte ich es wahrscheinlich ähnlich kühl und möglicherweise auch zutreffend analysieren.

Als betroffene Ameise jedoch nehme ich mir die Freiheit heraus, das Geschehen etwas subjektiver zu betrachten und die anderen Ameisen vor den Auswirkungen zu warnen. Möglicherweise auch mal etwas ungerecht zu sein, denn die eigene Verteidigung kann die Kampfmittel des Angreifers nicht ganz ignorieren.

Bitte beachten sie, daß dieses merkwürdige "niedere" Verhalten mancher Ameisen in Ihr Pendelmodell als eine bestimmende Komponente eingeht, denn ohne diese Antriebskraft würde das Pendelwerk seine Arbeit einstellen. Aber auch unter diesen Bedingungen funktioniert Ihr Pendelmodell leider nicht zuverlässig, denn sonst würden doch heute noch alle auf der Erde jemals existierenden Arten und Völker weiter existieren. Bei etlichen hat es sich leider einfach irgendwann ausgependelt.

Ich lehne es also ab, so als einfache Ameise, einfach nur zu warten, ob meine "Art" auch zu den "ausgependelten Arten" gehören soll. Die Ameisenforscher können mein Verhalten gerne als unvernünftig und/oder intolerant ansehen. Ob dies nur wissenschaftlich ist, oder auch ein Ausdruck von Angst, kann ich als einfache Ameise nicht beurteilen.

---

Zu Thema "Toleranz und Angst" noch, unbedingt lesenswert aus meiner Sicht, Roger Köppel in der Weltwoche, ein bekannter Rechtsradikaler Hier die für mich wichtigsten (er spricht übrigens vom Islam und nicht vom Islamismus) Abschnitte:

Die Tatsache, dass Christentum und Islam unversöhnliche politische Haltungen verkörpern, wiegt schwer. Beide Religionen stehen für Staatsideen, die sich wechselseitig ausschliessen. Der Toleranzbegriff verliert in dieser Gegenüberstellung seinen Sinn. Keine Ordnung kann tolerant sein gegenüber einer anderen, die ihr feindlich gegenübersteht. Der heutige Islam ist die politische Verneinung des säkularen Rechtsstaats. Die Muslime müssen ihren Glauben reformieren oder aufgeben, um im Westen wirklich anzukommen.

und

Toleranz ist wichtig, aber Toleranz aus Angst ist keine Toleranz, sondern Angst.

Schönen Tag noch, Ungelt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.10.2009 13:32
#35 Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Lieber Ungelt,

Zitat von Ungelt
Von einer höheren Warte betrachtet ist der Islam möglicherweise tatsächlich, über die Jahrhunderte gemittelt, ein im Grunde friedliebendes System, das sich nur leider gerade jetzt in einer für uns ungünstigen fundamentalistischen Phase befindet. Betrachtet man die aktuelle Ausbreitung des Islams, wäre auch diese temporäre Expansion aber über die Jahrhunderte sehr erfolgreich gewesen.


Wie das Christentum und der Buddhismus. Das sind die beiden anderen Religionen, die sich über ihren Ursprungsbereich hinaus so ausgebreitet haben, daß sie zu Weltreligionen wurden. Andere Religionen - der Shintoismus, der Hinduismus, vor allem das Judentum - hatten und haben diese Expansionstendenz nicht.

Das Christentum hat sich in der Spätantike über das ganze römische Reich, dann über Europa und vom 16. Jahrhundert an über die ganze Welt ausgebreitet. Durch Mission, aber gewiß nicht nur durch Mission. Wir tendieren dazu, das als positiv zu sehen. Der Islam hatte eine äußerst aggressiv-expansionistische Phase im siebten und achten Jahrhundert, dann eine lange Phase der Konsolidierung, ähnlich wie das römische Reich nach Abschluß seiner Expansion. Im 16. Jahrhundert gab es dann noch einmal eine Expansionsphase in Richtung Persien und Indien.

Das ist der Expansion des Christentums vergleichbar. Im Augenblick allerdings scheint dessen Expansion abgeschlossen zu sein, während der Islam sich jetzt wieder, vor allem in Afrika, in einer Expansionsphase befindet.

Ich habe, lieber Ungelt, jetzt wieder die Perspektive des Ameisenforschers eingenommen. Jetzt will ich versuchen, die der Ameise zu übernehmen:

Zitat von Ungelt
Als betroffene Ameise jedoch nehme ich mir die Freiheit heraus, das Geschehen etwas subjektiver zu betrachten und die anderen Ameisen vor den Auswirkungen zu warnen. Möglicherweise auch mal etwas ungerecht zu sein, denn die eigene Verteidigung kann die Kampfmittel des Angreifers nicht ganz ignorieren.

Bitte beachten sie, daß dieses merkwürdige "niedere" Verhalten mancher Ameisen in Ihr Pendelmodell als eine bestimmende Komponente eingeht, denn ohne diese Antriebskraft würde das Pendelwerk seine Arbeit einstellen. Aber auch unter diesen Bedingungen funktioniert Ihr Pendelmodell leider nicht zuverlässig, denn sonst würden doch heute noch alle auf der Erde jemals existierenden Arten und Völker weiter existieren. Bei etlichen hat es sich leider einfach irgendwann ausgependelt.


Das stimmt. Und es lag ausnahmslos an ihnen selbst. Kulturen gehen unter, wenn sie an ihren eigenen Werten zweifeln; wenn sie nicht mehr die Kraft zur Selbstverteidigung haben. (Übrigens ist die schnelle Ausbreitung des Islam, die ja im siebten und achten Jahrhundert eine Ausbreitung des Arabertums gewesen ist, dadurch möglich geworden, daß die beiden damaligen Weltreiche, das byzantinische und das persische, sich beide in einer Phase des Niedergangs befanden. Die Araber wurden mit offenen Armen aufgenommen, als Befreier von der Herrschaft dieser Reiche.)

Zitat von Ungelt
Ich lehne es also ab, so als einfache Ameise, einfach nur zu warten, ob meine "Art" auch zu den "ausgependelten Arten" gehören soll. Die Ameisenforscher können mein Verhalten gerne als unvernünftig und/oder intolerant ansehen. Ob dies nur wissenschaftlich ist, oder auch ein Ausdruck von Angst, kann ich als einfache Ameise nicht beurteilen.


Da sind wir uns einig. Man sollte aber auch als Ameise versuchen, die Lage nüchtern zu analysieren; das dient die Überleben. ;-)

Wir leben im Augenblick noch in einer Ausnahmesituation, in der es nur eine einzige Weltmacht gibt; eine christliche. In den kommenden Jahrzehnten wird eine zweite Weltmacht hinzukommen, eine im Augenblick noch atheistische, die bald wieder taoistisch-konfuzianisch sein wird.

Eine islamische Weltmacht oder gar Großmacht ist für dieses Jahrhundert, vermutlich auch für die folgenden, nicht in Sicht. Die Lage in allen arabischen Ländern ist desolat; ebenso im Iran und in Pakistan. Das einzige islamische Land, das überhaupt die Chance für eine Großmachtstellung hat, ist die Türkei. (Als wir darüber einmal hier diskutiert haben, wurde mir allerdings von den anderen Diskutanten entgegengehalten, daß es dafür keine Chance gebe).

Bleiben zwei potentielle Gefahren: Die durch den Terrorismus und die durch eine, wie einige das befürchten, "Islamisierung Europas".

Der Terrorismus ist deshalb gefährlich, weil er das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit des Staats zu untergraben droht, sie zu schützen. Präsident Bush hat gezeigt, daß man dieser Gefahr Herr werden kann. Auch Deutschland hat es, vor allem dank dem bisherigen Innenminister Schäuble, bisher hervorragend geschafft, die terroristische Gefahr in den Griff zu bekommen.



Und "Islamisierung Europas"? Die Zahl der Konvertiten zum Islam ist ausgesprochen überschaubar. Die wenigen machen nur viel von sich reden.

Was bevorsteht, ist eine demographische Entwicklung, die dazu führen wird, daß in vielen europäischen Großstädten (und nur dort) eingewanderte Moslems und ihre Nachkommen in einigen Jahrzehnten die Mehrheit oder eine starke Minderheit stellen.

Es wird eine Mehrheit in der Unterschicht und allenfalls der unteren Mittelschicht sein. Der Beamtenapparat, die Unternehmen, die Polizei und die Streitkräfte, die Wissenschaft und die Schulen werden ganz überwiegend von dieser demographischen Veränderung nicht oder nur gering betroffen sein. Das Problem ist nicht eine Islamisierung Europas, sondern die Entstehung einer ethnisch geprägten Unterschicht mit einer zu geringen vertikalen Mobilität. Also das Wiederentstehen eines Proletariats, das in Europa weitgehend verschwunden war.



Dies sich in der Tat vermehrenden kleinen fremden Ameisen sind uns großen eingesessenen Ameisen in keiner Weise gewachsen. Unsere Kultur ist es, die heute die Welt überzieht, die von den erfolgreichen anderen Kulturen weitgehend übernommen wurde; von Indien über China bis Japan.

Die islamische Kultur befindet sich seit Jahrhunderten im Abstieg. Daß sie heute hauptsächlich eine Kultur der Unterschicht ist, macht das doch evident.

Die vor uns liegende Aufgabe ist es, diese moslemische Unterschicht in den Ländern Europas an unsere Kultur zu assimilieren. Frankreich macht uns vor, wie man das anstellt. Wir müssen viel mehr für die Bildung dieser Einwanderer tun; dafür sorgen, daß sie damit die Werte unserer Gesellschaft übernehmen. Genau das, was Eric Besson gerade in Frankreich mit seiner großen Debatte ins Bewußtsein rücken will.

Wir Deutsche haben anders als die Franzosen das Problem, zu wenig an unsere eigene Kultur zu glauben. Der Gedanke einer multikulturellen Gesellschaft kann nur jemandem kommen, dem die eigene Kultur egal geworden ist.

Mir scheint, es hat in den letzten Jahren aber ein Umdenken eingesetzt. Von Multikulti spricht heute kaum noch jemand in einem positiven Sinn. Assimilation wird bald kein Tabu-Wort mehr sein.

Kurz, die großen, starken, eingesessenen Ameisen bemerken immer mehr, daß sie sich vor den hereinwuselnden kleinen nicht zu fürchten brauchen, wenn sie sich nur auf ihre eigene Stärke verlassen.

Herzlich, Zettel

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

28.10.2009 14:10
#36 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

In Antwort auf:
Die vor uns liegende Aufgabe ist es, diese moslemische Unterschicht in den Ländern Europas an unsere Kultur zu assimilieren. Frankreich macht uns vor, wie man das anstellt. Wir müssen viel mehr für die Bildung dieser Einwanderer tun; dafür sorgen, daß sie damit die Werte unserer Gesellschaft übernehmen. Genau das, was Eric Besson gerade in Frankreich mit seiner großen Debatte ins Bewußtsein rücken will.



Lieber Zettel,

die Aufgabe ist noch größer. Mittlerweile entsteht auch noch ein autochthones Proletariat (Präkariat), das ebenfalls wieder in prduktive Verhältnisse integriert werden muß, wenn nicht die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft auf immer weniger Schultern ruhen soll - sonst gibt es immer weniger, in das man Anderes integrieren kann.

In Antwort auf:
Wir Deutsche haben anders als die Franzosen das Problem, zu wenig an unsere eigene Kultur zu glauben. Der Gedanke einer multikulturellen Gesellschaft kann nur jemandem kommen, dem die eigene Kultur egal geworden ist.
Mir scheint, es hat in den letzten Jahren aber ein Umdenken eingesetzt. Von Multikulti spricht heute kaum noch jemand in einem positiven Sinn. Assimilation wird bald kein Tabu-Wort mehr sein.



Allein dieser Gedanke trägt Dir sicher das Etikett RECHTS (=Rechtsrdikal) ein. Es ist möglich, daß mal wieder eine Verschiebung des Akzeptablen (Du wiesest ja darauf hin) bevorsteht, aber bis das an den Schaltstellen des Alltags angekommen ist, wird noch viel Schaden angerichtet werden.

Herzlich, Thomas

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.10.2009 14:28
#37 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Mittlerweile entsteht auch noch ein autochthones Proletariat (Präkariat), das ebenfalls wieder in prduktive Verhältnisse integriert werden muß, wenn nicht die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft auf immer weniger Schultern ruhen soll - sonst gibt es immer weniger, in das man Anderes integrieren kann.


Ja. das stimmt allerdings. Gestern bei Maischberger haben Sinn und vor allem auch Eckart von Klaeden das wieder einmal überzeugend dargelegt.

Nebenbei: Ich hatte mich gewundert, daß von Klaeden nicht Minister geworden war; jedenfalls tauchte er nirgendwo als solcher auf. Erst gestern habe ich erfahren, daß er Staatsminister im Kanzleramt wird; eine der wichtigsten Positionen also.

Für Guido Westerwelle freilich kein Grund zur Freude. Jetzt hat er nicht nur Guttenberg als Konkurrenten, sondern auch noch im Kanzleramt den exzellenten Außenpolitiker von Klaeden.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




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28.10.2009 15:40
#38 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Zettel
Der Islam hatte eine äußerst aggressiv-expansionistische Phase im siebten und achten Jahrhundert, dann eine lange Phase der Konsolidierung, ähnlich wie das römische Reich nach Abschluß seiner Expansion. Im 16. Jahrhundert gab es dann noch einmal eine Expansionsphase in Richtung Persien und Indien.


Gehört Wien für Sie zu Persien oder doch eher zu Indien?
http://de.wikipedia.org/wiki/Erste_Wiene...Crkenbelagerung
http://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Wien...Crkenbelagerung

--
Las ideas tontas son inmortales.

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Zettel Offline




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28.10.2009 15:51
#39 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Der Islam hatte eine äußerst aggressiv-expansionistische Phase im siebten und achten Jahrhundert, dann eine lange Phase der Konsolidierung, ähnlich wie das römische Reich nach Abschluß seiner Expansion. Im 16. Jahrhundert gab es dann noch einmal eine Expansionsphase in Richtung Persien und Indien.


Gehört Wien für Sie zu Persien oder doch eher zu Indien?



*lol*

Das war, ob Sie's glauben oder nicht, lieber Gorgasal, ein pures Versehen. Ich hatte das "sowie in Richtung Südosteuropa" im Kopf, als ich den Satz zu tippen begann. Das müssen Sie mir glauben.

Der Satzteil ist dann verlorengegangen, im Kopf, in meinem Kopf, der halt auch nicht mehr der Jüngste ist .

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

28.10.2009 15:57
#40 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Zettel
Das müssen Sie mir glauben.


Na, diesmal will ich's noch durchgehen lassen.

Ich war mir ja nicht ganz sicher, ob Sie damit nicht nur testen wollten, ob wir noch alle aufpassen...

--
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.10.2009 16:07
#41 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Das müssen Sie mir glauben.


Na, diesmal will ich's noch durchgehen lassen.
Ich war mir ja nicht ganz sicher, ob Sie damit nicht nur testen wollten, ob wir noch alle aufpassen...



Aber dessen bin ich mir doch sicher, lieber Gorgasal.

Wenn ich Fehler mache, dann sind die immer echt.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

28.10.2009 17:17
#42 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Zettel
Der Islam hatte eine äußerst aggressiv-expansionistische Phase im siebten und achten Jahrhundert, dann eine lange Phase der Konsolidierung, ähnlich wie das römische Reich nach Abschluß seiner Expansion. Im 16. Jahrhundert gab es dann noch einmal eine Expansionsphase in Richtung Persien und Indien.


Aber wenn wir schon beim Spitzfinden sind, würde ich gerne noch darauf hinweisen, dass "in Richtung Persien" auch nicht so ganz richtig ist. Immerhin war Persien zu diesem Zeitpunkt schon etwa 900 Jahre lang islamisch.
http://en.wikipedia.org/wiki/Islamic_conquest_of_Iran

Aber immerhin mit den Moguln in Indien haben Sie recht.

Nehmen Sie es mir übel, wenn ich mir einen Hinweis auf Radio Eriwan ("Im Prinzip ja, aber...") nicht verkneifen kann?

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.10.2009 18:34
#43 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Der Islam hatte eine äußerst aggressiv-expansionistische Phase im siebten und achten Jahrhundert, dann eine lange Phase der Konsolidierung, ähnlich wie das römische Reich nach Abschluß seiner Expansion. Im 16. Jahrhundert gab es dann noch einmal eine Expansionsphase in Richtung Persien und Indien.


Aber wenn wir schon beim Spitzfinden sind, würde ich gerne noch darauf hinweisen, dass "in Richtung Persien" auch nicht so ganz richtig ist. Immerhin war Persien zu diesem Zeitpunkt schon etwa 900 Jahre lang islamisch.



Man sollte, lieber Gorgasal, schon zwischen der Eroberung Persiens durch die Kalifen und der Islamisierung des Iran unterscheiden.

Die Eroberung geschah in der Tat im siebten Jahrhundert, da haben Sie Recht. Aber damit begann keineswegs die Islamisierung der Bevölkerung. Die Politik der Umayyaden war es im Gegemteil, viele Dhimmis als Untertanen zu haben, denen man Steuern auferlegen konnte.

Unter den Umayyaden waren nur etwa zehn Prozent der Perser Moslems. Erst die Abbasiden begannen mit einer Politik der Islamisierung. In der Mitte des neunten Jahrhunderts waren ungefähr 40 Prozent der Perser Moslems, in der Mitte des elften Jahrhunderts ungefähr 80 Prozent.

Was Sie geschrieben haben, lieber Gorgasal, stimmt also nicht. Was ich geschrieben habe, stimmt auch nicht.

Was im sechzehnten Jahrhundert passierte, das war nicht die Islamisierung der Bevölkerung; die war in der Tat schon Jahrhundete zuvor weitgehend abgeschlossen. Sondern es war die Einführung des schiitischen Islam als Staatsreligion durch die Safaviden im 16. Jahrhundert. Das hatte ich durcheinandergebracht, weil ich nicht genau genug gelesen hatte.

Wir müssen, lieber Gorgasal, uns beide noch viel eingehender mit der Geschichte des Islam beschäftigen.

Ach so, die Quellen: Islam und Islamization in Iran.

Herzlich, Zettel

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

28.10.2009 18:34
#44 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Bei diesem Beitrag, lieber Zettel, leuchtet Beckmessers Morgenlicht!

Zitat von Zettel
Andere Religionen - der Shintoismus, der Hinduismus, vor allem das Judentum - hatten und haben diese Expansionstendenz nicht.

Der Hinduismus wurde im 6./7. Jh. nach Südostasien und Indonesien verbreitet, wobei er sich auf Bali bis heute gehalten hat.

Zitat von Zettel
Das Christentum hat sich in der Spätantike über das ganze römische Reich, dann über Europa und vom 16. Jahrhundert an über die ganze Welt ausgebreitet. Durch Mission, aber gewiß nicht nur durch Mission.

Der Buddhismus verkündet eine universelle, allen Menschen prinzipiell erkennbare Lehre, vergleichbar der Naturwissenschaft; theoretisch könnte jeder darauf kommen, man braucht keine Buddhisten dazu. Das Christentum dagegen verkündet eine historische Lehre, es ist unmöglich, ohne Kontakt mit Christen als den Trägern der christlichen Botschaft Christ zu werden. Daher breitet sich das Christentum notwendigerweise ausschließlich durch Mission aus.

Zitat von Zettel
Der Islam hatte eine äußerst aggressiv-expansionistische Phase im siebten und achten Jahrhundert, dann eine lange Phase der Konsolidierung, ähnlich wie das römische Reich nach Abschluß seiner Expansion. Im 16. Jahrhundert gab es dann noch einmal eine Expansionsphase in Richtung Persien und Indien.

Von Persien aus wurde der Islam ab dem 8. Jh. nach Nordindien verbreitet. Das ging sehr zäh; erst 1206 wurde der erste muslimische Staat gegründet, das Sultanat von Delhi. Nach und nach kam ganz Nordindien unter die Herrschaft muslimischer Fürstentümer. Als die Moguln, die Ihnen Gorgasal zugute hält, ihr Großreich gründeten, war die ganze Region bereits muslimisch.

Zitat von Zettel
Das ist der Expansion des Christentums vergleichbar. Im Augenblick allerdings scheint dessen Expansion abgeschlossen zu sein, während der Islam sich jetzt wieder, vor allem in Afrika, in einer Expansionsphase befindet.

In Afrika kämpfen christliche Pfingstkirchen sehr heftig mit Muslimen um die Vorherrschaft über die Seelen. Keine Religion breitet sich so dynamisch aus wie das Pfingstlertum, ich kann mir gut vorstellen, daß spätere Historiker das Wachstum dieser Bewegung als markantestes Ereignis der Weltgeschichte im 20. Jahrhundert ansehen werden.

Gruß,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.10.2009 18:57
#45 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Zitat von Kallias
Bei diesem Beitrag, lieber Zettel, leuchtet Beckmessers Morgenlicht!


Gerade, lieber Kallias, habe ich Gorgasal zu erleuchten versucht. Ich fürchte, wir sind jetzt wie drei Pfadfinder in der Finsternis, jeder mit einer Taschenlampe. Keiner kennt das Terrain, aber der eine leuchtet hier-, der andere dorthin.

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
Andere Religionen - der Shintoismus, der Hinduismus, vor allem das Judentum - hatten und haben diese Expansionstendenz nicht.

Der Hinduismus wurde im 6./7. Jh. nach Südostasien und Indonesien verbreitet, wobei er sich auf Bali bis heute gehalten hat.



Gern zugestanden. Von einer Expansionstendenz würde ich dennoch nicht sprechen. Auch der antike Götterglaube hat sich natürlich mit der Ausdehnung des römischen Reichs verbreitet; aber eine Expansionstendenz wie der Islam und das Christentum hatte er dennoch nicht.

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
Das Christentum hat sich in der Spätantike über das ganze römische Reich, dann über Europa und vom 16. Jahrhundert an über die ganze Welt ausgebreitet. Durch Mission, aber gewiß nicht nur durch Mission.



Der Buddhismus verkündet eine universelle, allen Menschen prinzipiell erkennbare Lehre, vergleichbar der Naturwissenschaft; theoretisch könnte jeder darauf kommen, man braucht keine Buddhisten dazu. Das Christentum dagegen verkündet eine historische Lehre, es ist unmöglich, ohne Kontakt mit Christen als den Trägern der christlichen Botschaft Christ zu werden. Daher breitet sich das Christentum notwendigerweise ausschließlich durch Mission aus.



Hm, ich würde die Zwangsbekehrung der Indianer durch die spanischen Eroberer nicht unter "Mission" subsumieren. Auch nicht die Zwangsbekehrung der Sachsen durch Karl den Großen. In beiden Fällen hatte man die Wahl, ein lebendiger Christ oder ein toter Heide zu sein.

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
Das ist der Expansion des Christentums vergleichbar. Im Augenblick allerdings scheint dessen Expansion abgeschlossen zu sein, während der Islam sich jetzt wieder, vor allem in Afrika, in einer Expansionsphase befindet.


In Afrika kämpfen christliche Pfingstkirchen sehr heftig mit Muslimen um die Vorherrschaft über die Seelen. Keine Religion breitet sich so dynamisch aus wie das Pfingstlertum, ich kann mir gut vorstellen, daß spätere Historiker das Wachstum dieser Bewegung als markantestes Ereignis der Weltgeschichte im 20. Jahrhundert ansehen werden.



Ich kenne keinen afrikanischen Staat, lieber Kallias, in dem Pfingstler die Macht übernommen hätten. Aber was Sie schreiben, finde ich interessant, weil Ähnliches ja in Lateinamerika zu beobachten ist. Dort allerdings auf Kosten des Katholizismus.

Was die Expansion des Islam in Afrika angeht: Werfen Sie bitte einmal einen Blick auf diese Karte.

Herzlich, Zettel

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

29.10.2009 09:42
#46 RE: Gibt es eine islamische Gefahr? Antworten

Sehr geehrter Zettel,

danke für Ihre ausführliche und wie immer faktenreiche Antwort. Und einen spezielle Dank an Gorgasal & Co. für die Unterstützung, ich hätte die Scharmützel vor Wien wahrscheinlich übersehen

Ich versuche mich auf die Punkte zu beschränken, die bei mir Fragen aufwerfen oder bei denen ich anderer Meinung bin.

Zitat von Zettel
Das Christentum hat sich in der Spätantike über das ganze römische Reich, dann über Europa und vom 16. Jahrhundert an über die ganze Welt ausgebreitet. Durch Mission, aber gewiß nicht nur durch Mission. Wir tendieren dazu, das als positiv zu sehen

Im Prinzip ja Ich wäre jetzt aber fast versucht zu denken, daß uns eigentlich recht geschieht, daß es eine Art ausgleichende Gerechtigkeit ist. Jetzt ist eben wieder mal der Islam "dran". Wenn aber Ameisen anfangen so zu denken, erlahmt deren Verteidigungswille, und die Räuberameisen, von solchen Gedanken nicht befallen, haben ein leichtes Spiel. Hier sollten die Ameisen also besser auf ihre Instinkte, als auf die Ameisenforscher hören.

Zitat von Zettel
Man sollte aber auch als Ameise versuchen, die Lage nüchtern zu analysieren; das dient die Überleben. ;-)"

Manchmal, so zwischendurch, auch mal nüchtern analysieren, ja. Aber nur mit Nüchternheit kommt man auch nicht weiter. Glauben Sie, sehr geehrter Zettel, daß die an indianische Tänze erinnernden Rituale bei Mannschaftssportarten keinen Sinn haben? Die analysieren da nicht, die sorgen für Entschlossenheit, Wachheit und genügend Adrenalin im Blut.

Zitat von Zettel
Eine islamische Weltmacht oder gar Großmacht ist für dieses Jahrhundert, vermutlich auch für die folgenden, nicht in Sicht....

Das sehe ich auch so, für mich besteht die Gefahr auch nicht darin, Teil einer islamischen Weltmacht zu werden, sondern darin, als Teil der islamischen Welt auf dieses "desolate" Niveau anderer islamischer Staaten abzusinken.

Zitat von Zettel
Bleiben zwei potentielle Gefahren: Die durch den Terrorismus und die durch eine, wie einige das befürchten, "Islamisierung Europas

Ja, ich gehöre wohl zu diesen einigen ;-) Der Terrorismus ist nur eine von mehreren Methoden, die angewendet werden. Insbesondere dort, wo sie aus der Sicht der Akteure erfolgversprechend angewendet werden kann, In der Regel also nicht bei uns, den bei uns hätte er eher die Wirkung der weiter oben beschriebenen indianischen Tänze. Eine schläfrige und satte Mehrheit kommt den Zielen der Räuberameisen eher entgegen.

Zitat von Zettel
Der Terrorismus ist deshalb gefährlich, weil er das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit des Staats zu untergraben droht, sie zu schützen. Präsident Bush hat gezeigt, daß man dieser Gefahr Herr werden kann. Auch Deutschland hat es, vor allem dank dem bisherigen Innenminister Schäuble, bisher hervorragend geschafft, die terroristische Gefahr in den Griff zu bekommen.

Das mit dem Vertrauensverlust wird schon stimmen, die weiteren Auswirkungen sind aber offen. Ich denke nicht, daß es einem Land wie Deutschland wirklich gelingen kann, den Terrorismus "in den Griff zu bekommen". Daß es ihn kaum gibt, hat aus meiner Sicht eher die oben schon beschriebenen Ursachen.

Zitat von Zettel
Was bevorsteht, ist eine demographische Entwicklung, die dazu führen wird, daß in vielen europäischen Großstädten (und nur dort) eingewanderte Moslems und ihre Nachkommen in einigen Jahrzehnten die Mehrheit oder eine starke Minderheit stellen.

Großstätte sind für ein Land ja nicht unbedeutend, wenn mich mein nicht vorhandenen geschtichtliches Wissen nicht täuscht, beginnen derartige Umwälzungen ja in der Regel in den Zentren und verbreiten sich dann auf das übrige Land. Das Land ist von den Städten abhängig. Und wenn mich nicht alles täuscht, sind die Großstadtbewohner auch wahlberechtigt. Es liegt doch nahe, daß eine der vorrangigsten politischen Forderungen eine Liberalisierung der Zuzugsregelungen sein wird. Und in die Lage eines "Züngleins auf der Wage" (dummer Begriff, entschuldigung) kommen die verschiedenen problematischen Bevölkerungsgruppen schon bald.

Zitat von Zettel
Es wird eine Mehrheit in der Unterschicht und allenfalls der unteren Mittelschicht sein. Der Beamtenapparat, die Unternehmen, die Polizei und die Streitkräfte, die Wissenschaft und die Schulen werden ganz überwiegend von dieser demographischen Veränderung nicht oder nur gering betroffen sein. Das Problem ist nicht eine Islamisierung Europas, sondern die Entstehung einer ethnisch geprägten Unterschicht mit einer zu geringen vertikalen Mobilität. Also das Wiederentstehen eines Proletariats, das in Europa weitgehend verschwunden war

Als Schnappschuß wird dieses Bild irgendwann möglicherweise sichtbar werden, wie stabil ist aber so eine Gesellschaft? Was passiert, wenn die Zahl der "Transferleistungsempfänger" die Zahl der Steuerzahler übersteigt?

Zitat von Zettel
Dies sich in der Tat vermehrenden kleinen fremden Ameisen sind uns großen eingesessenen Ameisen in keiner Weise gewachsen.

Das halte ich leider für eine gefährliche Illusion. Das stimmt weder in einem realen Ameisenhaufen, noch im übetragenen Sinne. Wenn sich die großen Ameisen die Wettbewerbsdisziplin aussuchen können, und ein starker Schiedsrichter den Wettbewerb überwacht, möglicherwese. Ihr universelles Wissen nützt ihnen aber (fast) nichts, wenn sie entschlossenen und mit Adrenalin aufgeputschten Idioten in der S-Bahn gegenübersitzen.

Zitat von Zettel
Unsere Kultur ist es, die heute die Welt überzieht, die von den erfolgreichen anderen Kulturen weitgehend übernommen wurde; von Indien über China bis Japan.

In Indien, China oder Japan werden die Reste unserer Kultur zu besichtigen sein, so wie bei uns derzeit Reste der alten griechischen Kultur zu besichtigen sind. Der aktuelle Zustand sagt in einer sich ständig wandelnden Welt nicht über die Zukunft. Das Einzige, was ich mir zutraue sicher vorherzusagen ist, daß es so NICHT bleiben wird, wie es ist.

Zitat von Zettel
Die islamische Kultur befindet sich seit Jahrhunderten im Abstieg. Daß sie heute hauptsächlich eine Kultur der Unterschicht ist, macht das doch evident.

Natürlich ist es so, aber dennoch breitet sie sich aus. Das ist eben leider kein Widerspruch.

Zitat von Zettel
Mir scheint, es hat in den letzten Jahren aber ein Umdenken eingesetzt. Von Multikulti spricht heute kaum noch jemand in einem positiven Sinn. Assimilation wird bald kein Tabu-Wort mehr sein.

Ja, dem kann ich zustimmen, es ist die einzige Hoffnung, die wir haben. Dieser Wandel ist allerdings denen zu verdanken, die sich irgendwann getraut haben diese Dinge offen anzusprechen, politische Tabu's zu brechen, und die damit verbundenen Gefahren und Verleumdungen auf sich zu nehmen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal stellvertretend für alle Eisvogel erwähnen, die mich in ihren klugen Texten als erste auf diese Zusammenhänge aufmerksam gemacht hatte. Ich hoffe, es geht ihr gut, irgendwo in einem neuen Nest.

Einen schönen Tag noch, Ungelt

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

29.10.2009 11:59
#47 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Zitat von Zettel
Peter Sloterdijk hat sich zu Wort gemeldet. Und zwar mit einem Tenor, der vemuten läßt, daß der Zeitgeist wirklich in Bewegung geraten ist (wenn ein Geist sich denn bewegen kann ).

Gerade kommt in der FAZ die Meldung, daß der Chefredakteur des meiner Meinung nach besten einigermaßen verbreiteten Monatsheftes "Cicero" Wolfram Weimer die Redaktion des "Focus" übernehmen wird. Dann fehlt ja nur noch eine vernünftige Tageszeitung!

Und wenn man sich die wieder einmal anstehenden Entlassungen bei der SZ ansieht, dann kann das ja nicht mehr ewig dauern.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

13.11.2009 09:05
#48 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Ich bitte um Entschuldigung, daß ich diesen Thread noch einmal nach oben ziehe. Helmut Schmidt hat am Mittwoch zum Sarrazin-Gespräch in einem Zeit-Interview in der ihm eigenen standhaften Weise und der üblichen Klarheit das nötige gesagt. Sehr lesenswert, und ein wichtiger Hinweis, insbesondere für Zeit-Leser.

Auf solche Leute sollte sich die SPD besinnen, da würde auch ich ernsthaft ins Grübeln kommen

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.11.2009 10:16
#49 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Zitat von Ungelt
Helmut Schmidt hat am Mittwoch zum Sarrazin-Gespräch in einem Zeit-Interview in der ihm eigenen standhaften Weise und der üblichen Klarheit das nötige gesagt. Sehr lesenswert, und ein wichtiger Hinweis, insbesondere für Zeit-Leser.


Vielen Dank für diesen Hinweis! Zu einer anderen Passage dieses Gesprächs habe ich gerade eine Marginalie gepostet.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.11.2009 10:56
#50 RE: Zitat des Tages: Nochmal Sarrazin Antworten

Auch wenn ich an anderer Stelle dem Wirtschafsteil von Schmidts Ausführungen widersprechen mußte - ansonsten hat er weitgehend recht.

Was er zu Sarrazin, zur Politik der letzten Jahre, zur Wiedervereinigung sagt - das ist wirklich gut.

Ein Problem sehe ich dagegen in seiner Auffassung, Bespitzeln wäre in einer Diktatur so üblich, das könne man den Menschen hinterher nicht zum Vorwurf machen.
Da kennt er wohl die Fakten nicht: Nur ein sehr kleiner Teil der DDR-Bürger (und noch weniger waren es im Dritten Reich) haben sich an den Spitzeleien beteiligt. Selbst die linientreuen Genossen, bei denen die StaSi nachfragte, haben sich mehrheitlich geweigert, als IM tätig zu werden!

Und es ging ja auch nie darum, diese Leute strafrechtlich zu belangen oder sie aus einem normalen Beruf zu werfen. Aber in Parlamenten und Regierungen haben sie eben nichts zu suchen, für solche demokratischen Funktionen sind sie diskreditiert.

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