Wenn den künftigen Koalitionsparteien vorgeworfen wird, der Koalitionsvertrag enthalte nur "Absichtserklärungen", dann haben die betreffenden Kritiker das Grundgesetz nicht verstanden. In dem Artikel gibt es eine kleine Erinnerung daran, wie dieses seltsame Gebilde "Koalitionsvertrag" in die Welt kam.
Das sollte aber eigentlich jedem klar sein, oder? Andererseits ist es ein gutes Beispiel für Hinterzimmerpolitik. Da ja im Plenarsaal sowieso nicht mehr ernsthaft debattiert wird, könnte man den und das ganze Gebäude drumrum ja auch gleich an eine amerikanische Immobilienfirma verramschen. Vielleicht könnte man dann ein- oder zweimal im Jahr den Saal kurz mieten. Zusammen mit der Verlegung von Kanzleramt und Abgeordnetenbüros in irgendein Gewerbegebiet in der brandenburgischen Pampa könnte man so die Staatskasse etwas schonen. Wenn man im Berliner Regierungsviertel so herumläuft, guckt die Veruntreuung von Steuergeldern doch wirklich aus allen Mauerritzen. Alles teuer, alles superedel.
Ich weiß nicht, ob Du es Dir da zu leicht machst, Zettel.
Natürlich ist ein Koalitionsvertrag nur eine Absichtserklärung. Man wird auch kaum erwarten können, das eine neue Regierung am Anfang ihrer Amtszeit alles klitzeklein und haargenau niederschreibt und dann wie mit einem Drehbuch die nächsten 4 Jahre damit arbeitet.
Aber er ist eben auch nicht nur eine Absichtserklärung. Es ist ein erstes Zusammenwerfen der Ideen und testen an der Wirklichkeit. Natürlich sind die Abgeordneten noch frei, wie sie abstimmen bei den einzelnen Gesetzen, aber das was im Koalitionsvertrag drin steht, das ist sozusagen ne grobe Richtungsangabe, wie es weitergehen wird. V.a. auch deswegen, weil die meisten Abgeordneten den Vertrag wahrscheinlich zustimmen würden.
Aber ich denke, was den Medien und den Öchsperten am Koalitionsvertrag am meisten erstaunt, ist dass der so vage bleibt, obwohl die CDU in den letzten Jahren den Eindruck erweckte, dass in der richtigen Koalition alles besser wird. So oft wie schwarz-gelb als absolutes Ziel ausgegeben wurde, ist es umso erstaunlicher, dass man anscheinend gar keine so große gemeinsame Übereinstimmung hat. Es wirkt einfach seltsam: Endlich hat sich die Traumkoalition gefunden und scheint trotzdem keine Ideen zu haben.
In meinen Augen ist der Koalitionsvertrag eigentlich eher eine Beruhigung für die Bürger, damit die NRW-Wahl nicht verloren geht. Angst vor der Courage und Angst vor den Wahlen in NRW und den Auswirkungen da. Momentan läuft alles gut. Nach Saarland und Thüringen sieht es nicht so aus, das sich schnell ein linkes Lager bilden wird und die SPD ist mind. noch bis Ende des Jahres im Selbstfindungsprozess. Würde man die "Kopfpauschale" und große Steuersenkungen jetzt einführen, wäre es ein gefundenes Fressen und die SPD würde sich wahrscheinlich sehr viel schneller regenerieren, wenn Gabriel die Chance hat, gegen die unsozialen Aktionen der Regierung zu schießen. So gesehen ist der Koalitionsvertrag nicht mehr als ein Wahlprogramm nach der Bundestagswahl und eine Beruhigungspille für Rüttgers und die NRWler.
Zitat von DiskusDas sollte aber eigentlich jedem klar sein, oder?
Eigentlich. Da haben Sie Recht, lieber Diskus.
Aber wären es allen Journalisten klar, dann gäbe es ja nicht landauf, landab diesen Vorwurf, der Koalitionsvertrag enthalte vage Absichtserklärungen.
Und würden es alle hier im Forum so sehen, dann hätten wir nicht Diskussionen geführt wie zB diese.
Zitat von DiskusAndererseits ist es ein gutes Beispiel für Hinterzimmerpolitik.
Es ist aus meiner Sicht ein Beispiel dafür, wie sich in einem halben Jahrhundert die Realität der Bundesrepublik von dem entfernt hat, was das Grundgesetz vorsieht.
Laut GG wirken die Parteien an der politischen Willensbildung mit, mehr nicht.
Laut Grundgesetz bestimmt der Kanzler die Richtlinien der Politik, und nicht ein Koalitionsvertrag.
Laut GG ernennt der Präsident die Minister auf Vorschlag des Kanzlers und nicht auf Vorschlag ihrer jeweiligen Parteien.
Im GG gibt es keinen Koalitionsausschuß,der als eine Art Nebenregierung das entscheidet, was zu entscheiden Sache des Kabinetts wäre.
Das Schlimmste ist, daß diese Entwicklung selten bemerkt, noch seltener kritisiert wird.
Und nachgerade absurd erscheint es mir, daß die öffentliche Reaktion auf den jetzigen Koalitionsvertrag nicht etwa die ist, daß er viel zu viel festlegt, sondern im Gegenteil, daß er zu vage sei.
Zitat von HiasIch weiß nicht, ob Du es Dir da zu leicht machst, Zettel.
Wenn es Ihnen recht ist, lieber Hias, würde ich gern beim "Sie" bleiben.
Zitat von HiasAber ich denke, was den Medien und den Öchsperten am Koalitionsvertrag am meisten erstaunt, ist dass der so vage bleibt, obwohl die CDU in den letzten Jahren den Eindruck erweckte, dass in der richtigen Koalition alles besser wird.
Ob alles besser wird, hängt von der Arbeit des Parlaments und des Kabinetts in der kommenden Legislaturperiode ab. Nicht von dem, was Leute, die dafür überhaupt nicht demokratisch legitimiert sind (wer wählt denn eigentlich die "Verhandlungskommissionen"?) zu Papier bringen, noch bevor der Bundestag sich überhaupt neu konstituiert hat.
Zitat von HiasSo oft wie schwarz-gelb als absolutes Ziel ausgegeben wurde, ist es umso erstaunlicher, dass man anscheinend gar keine so große gemeinsame Übereinstimmung hat. Es wirkt einfach seltsam: Endlich hat sich die Traumkoalition gefunden und scheint trotzdem keine Ideen zu haben.
Haben Sie den Koalitionsvertrag gelesen? Er wimmelt nur so von Ideen.
Das Problem ist, daß die Koalitionsparteien es mit Leitmedien zu tun haben, die entschlossen sind, diese Regierung zu demontieren. Im Augenblick hat "Spiegel- Online" die folgenden Aufmacher, in dieser Reihenfolge:
"Kritik an Koalitionsplänen - Reformkurs entzweit Schwarz-Gelb"
"GfK-Konsumklima - Deutsche sehen eigene Lage erstmals seit Monaten pessimistischer"
"Protest aus Berlin - Regierung droht Verfassungsklage wegen Steuerversprechen"
So wird das weitergehen. Der Begriff "Kampfpresse" wird wieder aktuell werden. Ich wette, daß kaum jemand von denen, die meinen, diesen Koalitionsvertrag kritisieren zu können, ihn überhaupt gelesen hat. Die Leitmedien liefern die (natürlich negative) Bewertung, und die meisten folgen ihr brav.
Ich denke, daß das bürgerliche Lager in NRW sich bestenfalls selbst schlagen kann und mit dieser Strategie auf dem besten Weg dahin ist. Das linke Spektrum in NRW ist in einem entsetzlichen Zustand:
Die rheinisch-westphälische Linke wird selbst hier im tief roten "Pott" als kruder Verein wahrgenommen. Die SPD-Vorsitzende kennt kein Mensch. Nichtmal dem Namen nach. Grün ist für die Arbeiterschaft keine Alternative und wird zurecht als industriefeindlich wahrgenommen.
Liegt denn da die Vermutung so fern, daß aus dem linken Lager diesmal ungezählte Wähler nicht wählen werden? Wieso die Bürgerlichen hier ihr eigenes Lager mit einer wesensmäßigen Fortsetzung der GroKo-Politik demobilisieren, verstehe ich nicht.
In Antwort auf:Wolfgang Schroeder, Professor für Politik an der Universität Kassel,
Politikprofessor. Von der Gesamthochschule Kassel. Also mit 99% Wahrscheinlichkeit vom ganz linken Rand.
Also ideal, um im deutschen Staatsfernsehen polemisieren zu dürfen.
In Antwort auf:gestern gegenüber der Tagesschau zum Koalitionsvertrag.
In Antwort auf:Ein Vertrag muss ja rechtsgültige und nachprüfbare Positionen haben. Hier haben wir es mehr mit einem Scheingebilde zu tun, das mehr den Charakter einer Absichtserklärung hat.
Wie alle "Koalitionsverträge", die in den letzten 50 Jahren in Deutschland verhandelt wurden. Man könnte also annehmen, der Herr Professor hätte nicht einmal Erstsemesterniveau - realistischer ist aber, daß er bewußt lügt.
In Antwort auf:Ein Vertrag muss ja rechtsgültige und nachprüfbare Positionen haben. Hier haben wir es mehr mit einem Scheingebilde zu tun, das mehr den Charakter einer Absichtserklärung hat.
Wie alle "Koalitionsverträge", die in den letzten 50 Jahren in Deutschland verhandelt wurden. Man könnte also annehmen, der Herr Professor hätte nicht einmal Erstsemesterniveau - realistischer ist aber, daß er bewußt lügt.
Genau das, lieber R.A., war der Anstoß zu meinem Artikel.
Aber diese Schelte ist eben sozusagen nur die Spitze des Eisbergs. Quer durch die Medien wird an dem "Koalitionsvertrag" kritisiert, daß er zu vage sei, nur Absichten enthalte usw.
Aus meiner Sicht ist er viel zu detailliert. Ich habe einmal überschlagen, wieviele Gesetze verabschiedet werden müssen, um alles umzusetzen, was darin angekündigt wird. Es sind mehrere hundert.
Warum kann man die Initiativen zu diesen Gesetzen nicht denjenigen lassen, die nach dem GG dazu berechtigt sind? Art 76, Abs.1 GG:
Zitat von GG(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.
Wieso werden die zuständigen Minister einer noch gar nicht bestehenden Regierung schon jetzt durch diesen "Vertrag" darauf festgelegt, welche Gesetzesvorlagen sie einbringen werden? Wieso die Fraktionen des Bundestags?
Gegen eine Vereinbarung von, sagen wir, drei oder vier Seiten, die die wichtigsten Ziele der Regierungsarbeit festlegt, ist nichts einzuwenden. Die Koalitionsverträge, die sich jetzt eingebürgert habe, sind Monster.
Monster, die zeigen, wieweit sich die Verfassungswirklichkeit in diesem halben Jahrhundert von dem entfernt hat, was sich die Väter des GG vorgestellt hatten.
Zitat von ZettelAber wären es allen Journalisten klar, dann gäbe es ja nicht landauf, landab diesen Vorwurf, der Koalitionsvertrag enthalte vage Absichtserklärungen.
Aber lieber Zettel - den politischen Hintergrund der Überzahl deutscher Journalisten haben wir doch schon einige Male diskutiert!
In Antwort auf:Es ist aus meiner Sicht ein Beispiel dafür, wie sich in einem halben Jahrhundert die Realität der Bundesrepublik von dem entfernt hat, was das Grundgesetz vorsieht.
Das GG schreibt eigentlich recht wenig vor, wie die verantwortlichen Politiker ihre Zusammenarbeit organisieren. Man könnte eher argumentieren, eine Politik mit Chefentscheidungen à la Adenauer/Schröder entspricht nicht den Ideen des Grundgesetzes.
In Antwort auf:Laut GG wirken die Parteien an der politischen Willensbildung mit, mehr nicht.
Richtig. Diese Kritik ist berechtigt in anderen Bereichen (z. B. bei den Staatssendern oder der Staatswirtschaft). Aber Parlament und Regierung sind ureigenstes Aufgabengebiet der Parteien, und 5%-Hürde und Listenwahlrecht zeigen, daß das Parlament nicht auf Einzelkämpfern beruht.
In Antwort auf:Laut Grundgesetz bestimmt der Kanzler die Richtlinien der Politik, und nicht ein Koalitionsvertrag.
Aber dieser Kanzler braucht eben eine Mehrheit im Parlament - die sichert er sich mit dem Mittel Koalitionsvertrag. Das GG sieht außer der schwammigen Richtlinienkompetenz kaum eigenständige Kompetenzen des Kanzlers vor, er hat nicht (wie der US-Präsident) Bereiche, in denen er ohne Parlament größere Entscheidungen fällen kann. Die Alternative wäre eine Regierung à la "try and error": Der Kanzler bestimmt eine politische Richtlinie - und fällt dann im Zweifelsfall im Parlament damit auf die Nase. Und bestimmt dann die nächste Richtlinie, bis mal eine durchkommt. Da ist es doch schlauer, zuerst zu verhandeln.
Ich sehe ja auch diversen Reformbedarf in unserem System (z. B. mehr aktive Kontrolle der Regierung durch das Parlament, klarere Abgrenzung von Zuständigkeiten ...), aber Koalitionsverträge halte ich nicht für ein Problem, sondern für eine gute Arbeitsmethode. Auch meine eigenen Erfahrungen in der Kommunalpolitik sind recht positiv. Mit einem ordentlich verhandelten Vertrag als Grundlage läßt sich viel besser arbeiten, weil nicht bei jeder Einzelfrage Grundsatzdiskussionen geführt werden müssen.
Zitat von ZettelWarum kann man die Initiativen zu diesen Gesetzen nicht denjenigen lassen, die nach dem GG dazu berechtigt sind?
Aber da bleiben sie doch! Die Gesetzesvorschläge zur Konkretisierung des Vertrags werden nach und nach von den zuständigen Organen kommen, incl. vieler mehr, die noch gar nicht absehbar sind.
In Antwort auf:Wieso werden die zuständigen Minister einer noch gar nicht bestehenden Regierung schon jetzt durch diesen "Vertrag" darauf festgelegt, welche Gesetzesvorlagen sie einbringen werden?
a) Weil sie im Team arbeiten sollen und die Einzelgesetze zusammenpassen sollen. Ist doch in jeder Firma so: Jedes Vorstandsmitglied verwaltet zwar sein Ressort selber, muß aber in allen größeren Maßnahmen der strategischen Planung folgen. b) Weil die Minister keine autonomen Herrscher sind, sondern Angestellte, die den Wünschen ihres Vorgesetzen zu folgen haben. Und der Vorgesetzte ist die durch die Parlamentsmehrheit repräsentierte Volksmehrheit.
In Antwort auf:Wieso die Fraktionen des Bundestags?
Weil die im Prinzip die Hauptauftraggeber der Regierung sind. Der Vertrag verpflichtet in erster Linie die Regierung, im Sinne der Parlamentsmehrheit zu arbeiten. Im Gegenzug wird im Parlament natürlich die in Auftrag gegebene Politik eine Mehrheit bekommen.
In Antwort auf:Die Koalitionsverträge, die sich jetzt eingebürgert habe, sind Monster.
Richtig - das liegt aber vor allem daran, daß die Politik sich immer mehr Zuständigkeitsbereiche angeeignet hat. Bei einer Rückführung der Staatsaufgaben auf den nötigen Kern könnte so ein Vertrag wieder deutlich dünner sein.
In Antwort auf:Monster, die zeigen, wieweit sich die Verfassungswirklichkeit in diesem halben Jahrhundert von dem entfernt hat, was sich die Väter des GG vorgestellt hatten.
Siehe mein Beitrag von eben: Die "Väter" haben im GG recht wenig über die Organisation der praktischen Arbeit geschrieben (was auch richtig ist, das gehört nicht in eine Verfassung).
Zitat von HajoIch denke, daß das bürgerliche Lager in NRW sich bestenfalls selbst schlagen kann und mit dieser Strategie auf dem besten Weg dahin ist. Das linke Spektrum in NRW ist in einem entsetzlichen Zustand: (...)
Liegt denn da die Vermutung so fern, daß aus dem linken Lager diesmal ungezählte Wähler nicht wählen werden? Wieso die Bürgerlichen hier ihr eigenes Lager mit einer wesensmäßigen Fortsetzung der GroKo-Politik demobilisieren, verstehe ich nicht.
Könnte es nicht aber auch sein, lieber Hajo, daß just diese Linie des "Arbeiterführers" Rüttgers zu der Situation in NRW geführt hat, die Sie richtig schildern?
Man darf nicht vergessen, daß die CDU in NRW, jedenfalls im Ruhrgebiet, stark in der katholischen Arbeiterbewegung verankert ist. Das ist die Tradition des Zentrum. Der CDU-Ministerpräsident Karl Arnold kam aus der christlichen Arbeitnehmerschaft. Der erste Ministerpräsident, Rudolf Amelunxen, war sogar noch Mitglied des Zentrums. Nur Franz Meyers hat als Konservativer das Land regiert, in seinen Kabinetten aber immer Vertreter der katholischen Arbeiterbewegung gehabt.
Rüttgers knüpft an diese Tradition an. Eine CDU, die das nicht täte, hätte in NRW auch zusammen mit der FDP keine Mehrheit.
Begünstigt wird das, wie Sie richtig schreiben, durch den desolaten Zustand der Linken. Während das traditionelle SPD-Milieu der Facharbeiter teilweise zur CDU und sogar zur FDP wechselt, räumt die SPD freiwillig die linke Mitte, indem sie nicht nur selbst nach links rückt, sondern zugleich auch noch mit den Kommunisten liebäugelt.
"Rüttgers knüpft an diese Tradition an. Eine CDU, die das nicht täte, hätte in NRW auch zusammen mit der FDP keine Mehrheit."
Damit sind Sie vermutlich voll auf der Linie der Mehrheit der Politiker. Hauptsache an der Macht sein. Diejenigen, welche wirtschaftsliberale Positionen durchgesetzt sehen wollen, finden in dieser CDU keine Heimat mehr. Auch bei anderen Positionen findet sich so mancher CDUler gar nicht mehr wieder. Diese Denkweise, Hauptsache an der Macht, hat zur unweigerlichen Folge, dass eigene/alte Positionen aufgegeben werden/wurden.
Ich sehe nicht wie Sie es weiter oben beschreiben, dass nur eine Manipulation durch die Medien zur der geringen Begeisterung der Koalitionsvereinbarung und Regierungszusammensetzung führten. Auch sehe ich allgemein dieses Schreckgespenst linke Medien nicht. Man nehme nur den Fall Sarrazin. In weiten Teilen der Medien wurden seine Äußerungen vernichtend gewertet. Dennoch sprachen sich in Umfragen über 50 % der Bevölkerung dafür aus, dass er Recht habe. In diesem Forum werden von den meisten Positionen vertreten, welche nicht unbedingt von den Medien propagiert werden. Sind wir schlauer als der Rest? Haben nur wir den Durchblick? sind wir die einzigen die nicht manipulierbar sind? Wohl kaum.
Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass in weiten Teilen der Bevölkerung politische Wünsche bestehen, die wir nicht teilen oder ablehnen. Dass sich die CDU diesen Wünschen angepaßt hat. Jetzt zu sagen, wir würden den Vertrag zu kritisch sehen - ich knüpfe hier an den "zweite Koalitions"- Thread an und dies auch darauf zurück zu führen, was die Medien schreiben, greift zu kurz. Denn gerade das, was die Medien anprangern, unterstützen wir nicht, sondern sagen, die Ankündigungen im Vertrag reichen nicht aus um den Staat nach unseren Vorstellungen voran zu treiben.
Die Nation ist nach links gerutscht und ob die Medien großen oder kleinen Anteil daran haben, kann dahin gestellt bleiben, denn jeder Bürger hat einen eigenen Kopf und die Journalisten sind es auch, welche die hohen Abgaben zu leisten haben und sich dennoch hinstellen und z.B. sagen, Steuerbelastungen sind nicht das Hauptproblem der Deutschen, sondern eher soziale Kälte. Oder lieber den teueren Gesundheitsfonds als einen "ungerechten". Es gibt zig Zeitungen in Deutschland und jeder liest die, welche seine Positionen am ehesten vertritt. Von Manipulation zu sprechen geht also an der Sache vorbei. Das öffentlich rechtliche Fernsehen wird besetzt von allen Bevölkerungsgruppen. Mitte der 90iger hatte die CDU den Fehler gemacht, ihre Leute in Moderatorenposten zu hiefen, so dass die Berichte selbst andere gestalten konnten. Nach meinem Kenntnisstand ist das nicht mehr so. Man nehme allein Peter Hahne und Berlin direkt. Bedeutet, auch in diesen Sendungen und damit den vetretenen Meinungen wirken die CDUler mit. Es sind auch CDU Meinungen und nun zu sagen, es sind nur die Medien und die CDU hat damit gar nichts zu tun, stimmt einfach nicht, denn die CDU ist bei den z.B. öffentlich rechtlichen vertreten. Zudem funktioniert das nicht bei dem Informationsangebot, was hier in Deutschland gegeben ist, zumal aktuell wohl auch keiner behaupten kann, dass die SPD besonders positiv in den Medien bei weg kommt.
Die CDU greift nur die bestehende Stimmung auf und geht in ihren Positionen darauf ein unter Aufgabe alter Standpunkte um die Macht erhalten zu können. Vertritt man selber andere Positionen, dann findet man sich in der CDU nicht mehr wieder. Dann bleibt nur zu denken, unter Rot-Rot-Grün wäre es noch schlimmer, aber befriedigen tut es nicht. Und was nützt es, dass die CDU an der Macht ist, wenn sie nicht mehr die Positionen vertritt, die ich umgesetzt sehen möchte. Aber schuld daran, sind nicht die Medien. Keiner verbietet der CDU ihren alten Standpunkten weiter nachzukommen.
Zudem scheint dieser Wunsch "verhindern" zu wollen aktuell allgemein vor dem "gestalten" zu wollen zu kommen. Denn auch aus dem linken Lager war das Verhindern das erklärte Ziel, nämlich das von Schwarz-Gelb.
Zitat von ZettelWarum kann man die Initiativen zu diesen Gesetzen nicht denjenigen lassen, die nach dem GG dazu berechtigt sind?
Aber da bleiben sie doch! Die Gesetzesvorschläge zur Konkretisierung des Vertrags werden nach und nach von den zuständigen Organen kommen, incl. vieler mehr, die noch gar nicht absehbar sind.
Ja eben, lieber R.A. Der Artikel 76 des GG sieht aber nicht vor, daß die drei Organe, die als einzige die Gesetzesiniative haben, diese als ausführendes Organ eines weder im GG vorkommenden noch demokratisch legitimierten Gremiums namens "Verhandlungskommissionen" tun.
Und wenn dieser "Vertrag" von den Fraktionen und auch inzwischen von den Kleinen Parteitagen der beteiligten Parteien abgesegnet wurde, dann macht das die Sache nicht besser; denn auch diesen gibt das GG noch nicht einmal ein Mitspracherecht beim Gesetzgebungsverfahren.
Ausdrücklich weist es das Recht auf die Gesetzesiniative nicht den Fraktionen zu, sondern Gesetzesvorlagen können "aus der Mitte des Bundestags" eingebracht werden. Deswegen tragen die Vorlagen auch nicht den Namen einer Fraktion, sondern es steht da "Abgeordneter XYZ und ..."
Zitat von StefanieDie CDU greift nur die bestehende Stimmung auf und geht in ihren Positionen darauf ein unter Aufgabe alter Standpunkte um die Macht erhalten zu können. Vertritt man selber andere Positionen, dann findet man sich in der CDU nicht mehr wieder. Dann bleibt nur zu denken, unter Rot-Rot-Grün wäre es noch schlimmer, aber befriedigen tut es nicht. Und was nützt es, dass die CDU an der Macht ist, wenn sie nicht mehr die Positionen vertritt, die ich umgesetzt sehen möchte.
Richtig. Die Parteien folgen den Wählern in ihren Ansichten. So sollte es ja auch sein, in einer Demokratie. Es sind nicht die Parteien, die gesellschaftliche Entwicklungen anstoßen oder befördern. Viele scheinen aus mir unerfindlichen Gründen dieser Ansicht zu sein. Warum auch immer.
Zitat von Stefanie Aber schuld daran, sind nicht die Medien.
Nein, das sehe ich ganz anders. Bei politisch Interessierten mag es sein, daß jeder so sein Klientelblatt liest, viel Zeit mit der Auswertung von Informationen verbringt. Ich würde aber meinen, daß etwa der gemeine Leser von regionalen Zeitungen, der gemeine BILD-Leser, der gemeine SpOn-Leser usw. mit dieser von Ihnen vorgenommenen Beschreibung nicht erschlagen werden kann. Mir scheint das die ganz überwiegende Mehrheit zu sein, die mehr oder weniger unverhohlen in die eine oder andere Ansicht manipuliert wird.
Der gesellschaftliche Verfall und der fortgesetzte Reformstillstand sind für mich die Folge der medialen Monotonie. Selbst der Springerverlag stellt inzwischen TAZ'ler für seine WELT ein, während Holtzbrinck munter das Kursbuch verlegt (hat) und JungleWorld'ler in der ZEIT veröffentlichen. Selbst die Journalisten der FAZ oder des Rheinischen Merkurs weisen sozialistische Menschenbilder aus und leiten davon ihre Ansichten zu diesem oder jenem ab.
Wie ich bereits erwähnte, ist es so, daß die Parteien dem Bürger nur nachfolgen, der aber wiederum seine Sicht der Dinge den Medien entnimmt. Wer also in diesem Land die Richtung angibt, welches Richtung es ist und wohin das alles führen wird, halte ich für eine ziemlich unstrittige Sache.
„Die Parteien folgen den Wählern in ihren Ansichten. So sollte es ja auch sein, in einer Demokratie." ____________________
Lieber Hajo,
Ihre Auffassung entspricht nicht den Gedanken des Grundgesetzes. Schauen Sie mal ins Grundgesetz unter Artikel 38 Abs. 1 zu Abgeordnete:
„Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Da steht eben nicht, dass die Abgeordneten dem Wählerwillen unterworfen sind, sondern ihrem Gewissen. Was sie also denken, was das beste für Deutschland ist.
Vielleicht zum besseren Verständnis der Artikel 30 Abs. 2 Landesverfassung NRW in dem es heißt:
„Die Abgeordneten stimmen nach ihrer freien, nur Rücksicht auf das Volkswohl bestimmten Überzeugung, sie sind an Aufträge nicht gebunden.“
Hier wird die verfassungsrechtliche Aufgabe eines Abgeordnete vielleicht deutlicher. Die Abgeordneten sind dem Volkswohl verpflichtet und nicht dem, was man gern von ihnen hätte.
________________________________
Sie schrieben:
„Es sind nicht die Parteien, die gesellschaftliche Entwicklungen anstoßen oder befördern. Viele scheinen aus mir unerfindlichen Gründen dieser Ansicht zu sein. Warum auch immer.“
______________
Und wie Sie auf dieses schmale Brett kommen, ist mir noch unerklärlicher. Ja warum wohl sind viele der Ansicht, dass Parteien gesellschaftliche Entwicklungen anstoßen und befördern sollten? Weil es im Grundgesetz steht. Ein Blick da rein, kann erhellend sein :-)
Schauen Sie mal unter Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz:
"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit."
Das die Politik nicht an konkreten Wählerwillen gebunden ist, erleben wir doch in schöner Regelmäßigkeit nach Wahlen. Trotzdem wird keine Partei dauerhaften Erfolg haben, wenn sie sich nicht am Willen des Wählers orientiert. Wenn ich das zu drastisch oder definitiv in meinem letzten Beitrag formuliert habe, bitte ich dies nachzusehen.
Es sind faktisch auch nicht die Parteien, die maßgebend gesellschaftliche Debatten führen oder befördern. Sie haben natürlich Standpunkte in der Debatte, aber spätestens seit der CDU unter Merkel, um mal ein besonders offenkundiges Beispiel zu wählen, werden diese Standpunkte erst bezogen, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat. Vulgo: Sie folgen der gesellschaftlichen Entwicklung, gehen ihr nicht voraus.
Würden Parteien gesellschaftliche Debatten von vorne führen, wäre die Union in NRW, die ihre Mitglieder hauptsächlich aus den traditionsbewußten, tiefschwarzen und erzkatholischen Zentren im ländlichen Westfalen und dem Rheinland rekrutiert, wohl gerade damit beschäftigt eine konservativere Politik als die CSU zu befördern, anstatt die besseren Sozialdemokraten zu mimen.
Sie sehen es mir also hoffentlich nach, wenn ich trotz Ihrer GG-Zitate bei meinem Standpunkt verbleibe.
In Antwort auf:Wenn es Ihnen recht ist, lieber Hias, würde ich gern beim "Sie" bleiben.
Oh, da bitte ich um Entschuldigung für das Versehen.
In Antwort auf: Haben Sie den Koalitionsvertrag gelesen? Er wimmelt nur so von Ideen.
Das Problem ist, daß die Koalitionsparteien es mit Leitmedien zu tun haben, die entschlossen sind, diese Regierung zu demontieren. Im Augenblick hat "Spiegel- Online" die folgenden Aufmacher, in dieser Reihenfolge:
Naja, das Problem hat aber in diesem Jahrzehnt auch jede Regierung gehabt. Und dass der Spiegel heute nicht mehr der von vor 40 Jahren ist, darüber sind wir uns wohl einig. Aber vielleicht hat sich die Presse auch einfach nur wieder gewünscht, dass es zu ner neuen Lagerbildung kommt.
In Antwort auf:So wird das weitergehen. Der Begriff "Kampfpresse" wird wieder aktuell werden. Ich wette, daß kaum jemand von denen, die meinen, diesen Koalitionsvertrag kritisieren zu können, ihn überhaupt gelesen hat. Die Leitmedien liefern die (natürlich negative) Bewertung, und die meisten folgen ihr brav.
Dann sag ich mal als langjähriges SPD-Mitglied: Viel Spaß!
In Antwort auf: Haben Sie den Koalitionsvertrag gelesen? Er wimmelt nur so von Ideen.
Hm, so kann man es auch sagen. Was mich überrascht hat am Koalitionsvertrag war schlicht und einfach die Tatsache, dass ich das Gefühl hatte, als ich ihn überflogen habe, dass er ein Schritt zurück ist. Ich dachte ehrlich gesagt an manchen Stellen, dass Union und FDP hier schon stärkere Übereinstimmungen hätten, hier früher schon ausgearbeitetere Konzepte in den Schubladen hatten.
In Antwort auf:Und wie Sie auf dieses schmale Brett kommen, ist mir noch unerklärlicher. Ja warum wohl sind viele der Ansicht, dass Parteien gesellschaftliche Entwicklungen anstoßen und befördern sollten? Weil es im Grundgesetz steht. Ein Blick da rein, kann erhellend sein :-)
Schauen Sie mal unter Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz:
"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit."
Art. 21 I 1 GG besagt nur, dass Parteien an der Willensbildung mitwirken, nicht unbedingt, gesellschaftliche Entwicklungen anstoßen und fördern. Sie spielen eher eine Art Mittlerrolle, weniger als Bannerträger voranschreiten sollen. Wers genauer wissen will, der findet nähere Erläuterungen im §1 PartG: „(2) Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen, die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozess der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen.“
Zitat von Welt Auch Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) hat nicht viel für das geplante Betreuungsgeld übrig. „In der deutschen Unterschicht wird es versoffen und in der migrantischen Unterschicht kommt die Oma aus der Heimat zum Erziehen, wenn überhaupt", sagte Buschkowsky in einem Interview im „Tagesspiegel". „Ich bin, gelinde gesagt, fassungslos. Prämien, damit Kinder im Milieu bleiben anstatt integriert zu werden? Das ist doch völlig rückwärts gewandt."
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