-- La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Eine leider bitter notwendige Erinnerung an vergangene Zeiten, lieber Gorgasal. Denn solange bei uns zwei Parteien mit zusammen mehr als einem Drittel der Stimmen den "Demokratischen Sozialismus" wollen, ist das ja nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern auch einer in den Abgrund einer möglichen Zukunft.
Denn es liegt doch auf der Hand, daß jeder Sozialismus zu solchen Zuständen führt. Wenn es keinen freien Markt gibt, dann herrscht mit Notwendigkeit Verschwendung, also Mangel, also Armut. Also braucht das System Repression, um sich an der Macht zu halten.
Wenn man aber den Sozialismus mit freiem Markt verbinden wollte, dann müßten die Unternehmen selbständig agieren und ihre Entscheidungen am Profit orientieren können. Aus wäre es damit mit dem Sozialismus.
In der damaligen CSSR - Ungelt kann das sicher besser sagen - gab es ja 1968 diese Idee von einer sozialistischen Marktwirtschaft. Man hat sie nicht erproben können, dank der Panzer der Freunde. Aber ich bin überzeugt, daß sie über kurz oder lang in ein auch politisch freies System geführt hätte. Das hat Breschnew schon richtig erkannt.
Ist aber China nicht ein Gegenbeispiel? Ich bin der Überzeugung (mehr kann es natürlich nicht sein), daß das jetzige System Chinas instabil ist.
Wenn aus wirtschaftlicher Notwendig die Informationsfreiheit eingeführt wird, deren Mangel in der UdSSR Sie, lieber Gorgasal so plastisch schildern, dann geht irgendwann auch auf der politischen Ebene das Monopol der Partei verloren.
Die Kommunisten können sich jetzt in China noch halten, weil der Wunsch nach Freiheit durch den viel drängenderen Wunsch nach Wohlstand überlagert wird. Das war ähnlich in der Nachkriegszeit, als sich autokratische Herrscher wie Syngman Rhee halten konnten, während zugleich in Südkorea ein Wirtschaftswunder stattfand.
Aber wenn es den meisten Menschen erst einmal einigermaßen gut geht, dann wollen sie zum Wohlstand auch die Freiheit. Die Südkoreaner haben sie sich nach dem Wohlstand erkämpft.
In Antwort auf:Ist aber China nicht ein Gegenbeispiel? Ich bin der Überzeugung (mehr kann es natürlich nicht sein), daß das jetzige System Chinas instabil ist.
Das behaupten auch andere Leute. Siehe der Klassiker "The coming collapse of China". Um die inneren Zustände der VR China, den chinesischen Sozialismus als Sonderweg und die Idee hinter der aktuellen Form der Marktwirtschaft in einer sozialistischen politischen Hülle zu beurteilen, empfehle ich gerne die Memoiren des ehemaligen chinesischen Premiers Zhao Ziyang: "Prisoner of the State". Zhao wurde wegen seiner liberalen Haltung während der Studentenproteste 1989 und seinem Versuch, das dann folgende Massaker zu verhindern, lebenslang ohne Prozeß unter Hausarrest gestellt. Er schaffte es aber, seine Memoiren auf Kinderkassetten seiner Enkel zu sprechen und sie durch Freunde aus dem Haus schmuggeln zu lassen. Nach seinem Tod wurden die Kassetten nach Hongkong geschmuggelt und in Buchform herausgebracht. In China ist das Buch nicht erhältlich, aber ich kenne Chinesen, die nur zum Erwerb dieses Buchs nach Hongkong fahren.
In Antwort auf:Ist aber China nicht ein Gegenbeispiel? Ich bin der Überzeugung (mehr kann es natürlich nicht sein), daß das jetzige System Chinas instabil ist.
Das behaupten auch andere Leute. Siehe der Klassiker "The coming collapse of China". Um die inneren Zustände der VR China, den chinesischen Sozialismus als Sonderweg und die Idee hinter der aktuellen Form der Marktwirtschaft in einer sozialistischen politischen Hülle zu beurteilen, empfehle ich gerne die Memoiren des ehemaligen chinesischen Premiers Zhao Ziyang: "Prisoner of the State".
Danke für die Hinweise! Kommt auf meine Leseliste.
Zitat von ZettelAber wenn es den meisten Menschen erst einmal einigermaßen gut geht, dann wollen sie zum Wohlstand auch die Freiheit. Die Südkoreaner haben sie sich nach dem Wohlstand erkämpft.
Und ebenso ging es in Taiwan und in Chile. In China wird es allerdings noch lange dauern, bis der Wohlstand von der Küste bis ins Landesinnere vorgedrungen ist. Und insofern China doch deutlich größer und inhomogener als Südkorea, Taiwan oder Chile ist, kann das Wohlstandsgefälle zu gewaltigen inneren Spannungen führen. Das muss nicht letztendlich auf Freiheit und Demokratie hinauslaufen.
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Zitat von GorgasalIn China wird es allerdings noch lange dauern, bis der Wohlstand von der Küste bis ins Landesinnere vorgedrungen ist. Und insofern China doch deutlich größer und inhomogener als Südkorea, Taiwan oder Chile ist, kann das Wohlstandsgefälle zu gewaltigen inneren Spannungen führen. Das muss nicht letztendlich auf Freiheit und Demokratie hinauslaufen.
Das sehe ich auch so. Das System wird zunehmend instabil werden. Aber wohin es sich nach dem Zusammenbruch des Kommunismus entwickelt, ist offen.
China dürfte im Augenblick das Land auf der Welt mit der schlimmsten Klassengesellschaft sein. Im 19. Jahrhundert konnten die sozialen Spannungen durch Demokratisierung, also Teilhabe der Vertreter des Proletariats an der politischen Willensbildung abgemildert werden (die SPD war immerhin schon gegen Ende des Kaiserreichs die größte deutsche Partei). In der Diktatur China fehlen solche Mechanismen.
Shane hat ja recht mit seinen Darstellungen und den fehlenden Informationen - aber umgekehrt darf er auch nicht den Fehler machen, den gegebenen Informationen zu glauben.
In Antwort auf:Die Sowjetunion war der größte Schuhproduzent der Welt. Sie stellte 800 Millionen Paare Schuhe pro Jahr her - doppelt so viele wie Italien, dreimal so viele wie die Vereinigten Staaten, viermal so viele wie China. Mehr als drei Paar Schuhe pro Jahr für jeden sowjetischen Mann, jede Frau, jedes Kind.
Ich halte diese Zahlen für schlichte Propagandalügen. Da wurden die Produktionszahlen auf jeder Ebene geschönt und nach oben gereicht - mit der Zahl der tatsächlich gefertigten Schuhe muß das am Ende wenig zu tun haben.
Zitat von R.A.Ich halte diese Zahlen für schlichte Propagandalügen. Da wurden die Produktionszahlen auf jeder Ebene geschönt und nach oben gereicht - mit der Zahl der tatsächlich gefertigten Schuhe muß das am Ende wenig zu tun haben.
Das ist recht wahrscheinlich, Sie haben völlig recht. Das gleiche passiert ja im Augenblick in China.
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Was die Instabilität Chinas betrifft: da wäre ich nicht so optimistisch, auf einen baldigen Zusammenbruch der Diktatur zu hoffen.
Sicher ist richtig, dass Kommunismus und Marktwirtschaft ein Widerspruch sind. Diktatur (bzw. vorsichtiger formuliert "repressive Regime") und Marktwirtschaft sind hingegen kein Widerspruch.
Deutschland (und übrigens auch Österreich-Ungarn) hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein gewaltiges Wirtschaftswachstum gehabt. Und zwar unter ausgesprochenen marktwirtschaftlichen Laissez-faire-Bedingungen (incl. einem weitgehend ungehinderten Außenhandel). Zumindest war die wirtschaftssturktur wesentlich marktwirtschaftlich-liberaler als dann später in den Zwischenkriegsjahren. Dennoch gab es noch ein recht autokratisches System. (Es gab zwar einen frei gewählten Reichstag. Die Regierung war aber nicht diesem sondern nur dem Kaiser verantwortlich. Und außerdem gab es noch einen weitgehend von den Fürsten dominierten Reichsrat, der ebenfalls Teil der Legislative war). Dieses System wurde vom wirtschaftlich aktiven Bürgertum aber im wesentlichen gestützt. Keinesfalls war es so, dass wirtschaftlicher Wohlstand zugleich ein demokratisches Aufbegehren mit sich brachte.
Eher sogar im Gegenteil: wenn es einem wirtschaftlich gut geht, hat man vielleicht gar kein so dringendes Interesse, für politische Revolutionen (die den eigenen Wohlstand womöglich kurzfristig sogar gefährden können) auf die Straße zu gehen.
All das ist auf China natürlich nur bedingt übertragbar.
Aber ich sehe auf jeden Fall keinen Grund, warum die Diktatur der KPCh nicht noch Jahrzehnte anhalten sollte (sofern man wirtschaftliche Freiheit gewährt). Natürlich ist das dann nach der reinen Lehre kein Kommunismus mehr. Aber ich traue den Chinesen durchaus zu, da ganz pragmatisch vorzugehen: solgange wir es als Kommunismus bezeichnen, IST es Kommunismus. Punkt.
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