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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 49 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.03.2010 16:39
Zitat des Tages: Demographie Antworten

Nichts Neues, aber so drastisch habe ich es selten gelesen: Gunnar Heinsohn analysiert die demographische Situation Deutschlands. Deprimierend, wie es das Zitat des Tages sagt.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

17.03.2010 16:50
#2 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Lieber Zettel,

in einem Punkt möchte ich widersprechen:

Zitat
Auch die Religion der Einwanderer ist nicht das Problem; nicht eine von manchen befürchtete "Islamisierung".



Doch, die Religion und die Islamisierung sind ein Problem, und zwar in zweierlei Hinsicht:

a) Insofern, als eine starke islamische Prägung ausdrücklich die Assimilation verhindert - wer in der Moschee hört, dass man den Ungläubigen eigentlich überlegen ist, dass im Koran schon alles Weltwissen enthalten ist und so fort, der assimiliert sich nicht, sondern grenzt sich ab.

b) Insofern, als m.E. ein Zusammenhang besteht zwischen geringer Qualifikation und Verhaftung in einem konservativen Islam. Einwanderer mit geringerer Qualifikation mit geringerem beruflichen Erfolg, mit schlechteren schulischen Leistungen der Kinder etc. sind leichter für einen auch konservativen oder DITIB-Islam einzunehmen, denn dort finden sie Gleichgesinnte, mentale Unterstützung und so weiter. Und dann gilt wieder a)

Dabei ist das Problem noch gar nicht angesprochen, dass die islamischen Terroristen eher aus sozial bessergestellten und besser aus gebildeten Familien stammen. Meist dürfte es aber doch so sein (so meine Erfahrung wenigstens mit Schülern), dass ein höherer Bildungsgrad und besseres berufliches Vorankommen gekoppelt es mit einem reservierten oder differenzierenden Blick auf den Islam und mit besserer Integration und Assimilation.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

17.03.2010 16:56
#3 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Das erstaunliche ist ja, dass selbst gut ausgebildete und gut verdienende Frauen häufig nur maximal ein Kind haben, obwohl sie sich finanziell durchaus mehr leisten könnten. Vielleicht ist ein Grund ja der starre Arbeitsmarkt, der einer einmal angestellten Arbeiterin zwar viele Vorteile sichert, wie etwa den Kündigungsschutz, aber es umgekehrt erschwert, nach einer längeren Auszeit wieder hereinzukommen. Oder zumindest die Angst erhöht einen guten Job für ein Kind aufzugeben bzw. pausieren zu lassen.

Das viel gehörte Argument, dass man beim rasanten wissenschaftlichen Fortschritt zu schnell den Anschluss verliere, kann ich dagegen in der Allgemeinheit nicht nachvollziehen. Das mag auf einige Wissenschaftlerkarrieren zutreffen (und selbst da erscheint es mir zweifelhaft), aber nicht auf das Gros der AkademikerInnen.

Vor dem hintergrund eines starreb, überregulierten Arbeitsmarktes braucht es wohl tatsächlich auch staatlich finanzierte Kinderbetreuungsangebote. Und so zieht eine Staatsmaßnahme direkt die nächste hinter sich her.

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

17.03.2010 17:12
#4 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Ein Grund für den Nachwuchsmangel in Deutschland ist sicher die Kultur und die derzeitige Denkweise. Einerseits wird Frauen eingehämmert, ein Dasein als Mutter und Hausfrau sei ehrenrührig, insbesondere wenn man gut ausgebildet ist. Wenn man andererseits sein Kind in die Krippe gibt, dann wird man noch immer angeschaut wie der Lehrkörper der Odenwaldschule. Und schließlich ist es "völlig normal", mit den Kindern bis weit nach 30 zu warten, um schon einmal ein paar Jahre gearbeitet zu haben (siehe Punkt 1 oben) - und dann ist man plötzlich völlig überrascht davon, dass die Fruchtbarkeit mit 35 halt doch schon deutlich schlechter ist als mit Anfang 20.

Zitat von dirk
Das viel gehörte Argument, dass man beim rasanten wissenschaftlichen Fortschritt zu schnell den Anschluss verliere, kann ich dagegen in der Allgemeinheit nicht nachvollziehen. Das mag auf einige Wissenschaftlerkarrieren zutreffen (und selbst da erscheint es mir zweifelhaft), aber nicht auf das Gros der AkademikerInnen.


In der Promotions- und Postdocphase kann einem ein Kind ganz schnell den wissenschaftlichen Hals brechen. Als Postdoc hat man unter Umständen schon Drittmittel eingeworben und muss Studien durchführen, Diplomanden und Doktoranden betreuen, Vorträge halten, auf Konferenzen fahren. Das kann nicht alles mal eben ein oder zwei Jahre liegenbleiben. Und anders als in einem Unternehmen kann das niemand anders übernehmen. Und in manchen Bereichen überholen einen andere Arbeitsgruppen ganz schnell, wenn man mal eben sechs Monate nicht an einem heißen Thema weitermacht, und dann kann man seine gesamte bisherige Arbeit in die Tonne treten. Ergo: gerade in der Wissenschaft bereiten einem Kinder massive Probleme. Glauben Sie mir, ich habe da einen recht guten Einblick.

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.03.2010 17:24
#5 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von Gansguoter

Zitat
Auch die Religion der Einwanderer ist nicht das Problem; nicht eine von manchen befürchtete "Islamisierung".


Doch, die Religion und die Islamisierung sind ein Problem, und zwar in zweierlei Hinsicht:
a) Insofern, als eine starke islamische Prägung ausdrücklich die Assimilation verhindert - wer in der Moschee hört, dass man den Ungläubigen eigentlich überlegen ist, dass im Koran schon alles Weltwissen enthalten ist und so fort, der assimiliert sich nicht, sondern grenzt sich ab.



Das stimmt - wer in die Moschee geht, wer das dort hört und wer es glaubt. Aber das gilt ja bei weitem nicht für alle Moslems.

Ich werde nicht müde, das zu schreiben, lieber Gansguoter: Für die meisten Moslems steht doch die Religion ebenso wenig im Vordergrund ihres Lebens wie für die Mitglieder anderer Religionen. Es gibt eine religiös geprägte Minderheit; diese ist sicherlich im Augenblick größer als etwa bei den Christen oder Juden. Aber es ist eine Minderheit. Sie bestimmt aber die Außenwahrnehmung.

Sie hatten bei einer ähnlichen Diskussion ja, wenn ich mich recht erinnere, einmal von Ihren Erfahrungen mit türkischstämmigen Schülern geschrieben. Meinen Sie nicht auch, daß der Beharren auf ihrer türkischen Kultur, auf dem Islam etwas Reaktives ist - der Rückzug auf das, was sie "stolz" macht, weil sie in der deutschen Gesellschaft wenig leisten, was sie stolz auf sich machen könnte?

Und das liegt eben daran, daß die meisten türkischen Einwanderer aus der Unterschicht kommen; überwiegend ja aus den armen ländlichen Gegenden Ostanatoliens. Moslems aus anderen Schichten verhalten sich ganz anders. Heinssohn weist auf die politisch verfolgten Intellektuellen aus dem Iran hin, die er zusammen mit Juden aus Rußland und Vietnamesen als Beispiele für qualifizierte Einwanderung nennt.

Zitat von Gansguoter
b) Insofern, als m.E. ein Zusammenhang besteht zwischen geringer Qualifikation und Verhaftung in einem konservativen Islam. Einwanderer mit geringerer Qualifikation mit geringerem beruflichen Erfolg, mit schlechteren schulischen Leistungen der Kinder etc. sind leichter für einen auch konservativen oder DITIB-Islam einzunehmen, denn dort finden sie Gleichgesinnte, mentale Unterstützung und so weiter. Und dann gilt wieder a).


Einverstanden. Aber das zeigt aus meiner Sicht eben, daß nicht die Religion der Einwanderer das Problem ist, sondern ihre soziale Herkunft (und, mitentscheidend, der Umstand, daß sie oder ihre Vorfahren ja gar nicht einwandern wollten; es fehlte damit sowohl der Aufstiegswille als auch die Assimilationsbereitschaft, die normalerweise Einwanderer mitbringen).

Zitat von Gansguoter
Dabei ist das Problem noch gar nicht angesprochen, dass die islamischen Terroristen eher aus sozial bessergestellten und besser aus gebildeten Familien stammen.


Ja, das ist wahr, aber es ist aus meiner Sicht ein anderes Thema. Da geht es um Islamismus und nicht den Islam.

Man muß diesen Islamismus meines Erachtens als ein historisches Phänomen sehen. Er war (siehe Mahdi-Aufstand im 19. Jahrhundert, Moslembrüder, die Sekte der Wahabiten) die Angelegenheit einer kleinen, sektiererischen und extremen Minderheit. Erst als der arabische Sozialismus in den siebziger Jahren überall scheiterte, gab es als Reaktion auf dieses Scheitern einen Aufschwung radikal-islamistischer Strömungen; relevant wurden sie erst in den achtziger Jahren.

Man kann das beispielhaft bei den Palästinensern sehen. Heute dominieren politisch die Religiösen. Bis in die siebziger Jahre spielten sie keine Rolle. Die Fatah war ebenso wie die PFLP strikt säkular. Die Letztere wurde von dem Christen Georges Habasch gegründet.

Diese Welle des Islamismus wird auch wieder abebben. Ich sehe darin kein langfristiges Problem; aber das kann natürlich ein Irrtum sein.

Zitat von Gansguoter
Meist dürfte es aber doch so sein (so meine Erfahrung wenigstens mit Schülern), dass ein höherer Bildungsgrad und besseres berufliches Vorankommen gekoppelt es mit einem reservierten oder differenzierenden Blick auf den Islam und mit besserer Integration und Assimilation.


Das ist auch meine Meinung; insofern verstehe ich Ihren Beitrag eigentlich auch in diesem Punkt als Zustimmung zu dem, was in meinem Artikel steht.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.03.2010 17:35
#6 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von Gorgasal
In der Promotions- und Postdocphase kann einem ein Kind ganz schnell den wissenschaftlichen Hals brechen. Als Postdoc hat man unter Umständen schon Drittmittel eingeworben und muss Studien durchführen, Diplomanden und Doktoranden betreuen, Vorträge halten, auf Konferenzen fahren. Das kann nicht alles mal eben ein oder zwei Jahre liegenbleiben. Und anders als in einem Unternehmen kann das niemand anders übernehmen. Und in manchen Bereichen überholen einen andere Arbeitsgruppen ganz schnell, wenn man mal eben sechs Monate nicht an einem heißen Thema weitermacht, und dann kann man seine gesamte bisherige Arbeit in die Tonne treten. Ergo: gerade in der Wissenschaft bereiten einem Kinder massive Probleme. Glauben Sie mir, ich habe da einen recht guten Einblick.


Ich kann das nur bestätigen,lieber Gorgasal. In meiner Arbeitsgruppe waren immer wieder sehr begabte Frauen, die ich nach Kräften gefördert habe (nicht, weil sie Frauen waren, sondern weil sie so gut waren). Nur eine von ihnen hat es bis zur Habilitation geschafft und dann sehr schnell einen Lehrstuhl bekommen. Sie hatte einen Mann, der als Künstler den Tag über zu Hause war, den Haushalt machte und das Kind betreute.

Die anderen sind abgesprungen oder haben versucht, auf die Akadamischer-Rat-Schiene zu kommen. Sie waren einfach nicht bereit, Jahre ihres Lebens - typischerweise ja zwischen 5 und 10 Jahre - für diese Ochsentour zwischen Promotion und erster Professur zu opfern.

Ich habe allerdings den - subjektiven - Eindruck, daß das nicht nur an dem Problem der Koordination von Beruf und Haushalt liegt, sondern daß (viele) Frauen generell nicht eine solche Konzentration ihres gesamten Lebens auf den Beruf wollen. Eine seinerzeitige Mitarbeiterin (die ich sehr gern bis zur Habilitation gebracht hätte) hat mir das einmal direkt gesagt: Es gebe für sie auch noch ein Leben außerhalb des Labors.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

17.03.2010 17:43
#7 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von Gorgasal
Ergo: gerade in der Wissenschaft bereiten einem Kinder massive Probleme. Glauben Sie mir, ich habe da einen recht guten Einblick.



In den Naturwissenschaften, die sehr in die Tiefe gehen, gebe ich Ihnen recht. In welche Fachbereiche haben sie Einblicke?

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

17.03.2010 18:14
#8 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat
Ergo: gerade in der Wissenschaft bereiten einem Kinder massive Probleme.



Da muss ich mit der Erfahrung von sieben, acht Jahre Tätigkeit als Wiss. Mitarbeiter in einem geisteswissenschaftlichen Fach rundheraus zustimmen. Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter mit Kind oder gar Kindern? So gut wie gar nicht, und wenn, dann nur, wenn ein Partner außerhalb der Uni tätig war. Nicht, dass es an Kinderbetreuung gemangelt hätte - da hätte die Uni sogar eine Krippe angeboten -, aber das Klima ist extrem kinderfeindlich. Wer ein Kind bekommen hätte, wäre bei den Damen und Herren Professores sofort abgemeldet gewesen nach dem Motto: "Schade drum, aber will offenbar keine akademische Karriere." Wenn es darum gegangen wäre, an einer Publikation mitzuwirken, hätte es geheißen: "SIE haben doch jetzt anderes zu tun." Das ist umso bedauerlicher, als es gerade in den Geisteswissenschaften möglich ist, auch zuhause zu arbeiten, da wir ja kein Labor, sondern nur unsere Bücher oder Quellen oder Handschriften oder Datenbanken brauchen.

Weiter kommt hinzu, dass man für eine wissenschaftliche Laufbahn mobil sein muss und bereit, von Regensburg nach Kiel oder von Aachen nach Görlitz zu wechseln. Hat man einen Partner, hat das eine Wochenendbeziehung zur Folge oder verlangt die Bereitschaft des Partners und der Kinder, ebenfalls wiederholt umzuziehen. Vollends unmöglich wird dies, wenn beide Partner eine akademische Laufbahn anstreben. Dann steht irgendwann die Entscheidung an zwischen Wissenschaft und Partner, zwischen Wissenschaft und Kind(ern).

Für uns war die Konsequenz daraus, die akademische Laufbahn nicht weiter zu verfolgen. Für den Staat und die DFG ein schlechtes Geschäft: Da werden jahrelang Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter finanziert, die sich in einem wissenschaftlichen Bereich u.U. extrem spezialisieren, hier sehr viel Erfahrungswissen sammeln, das man sich nicht mal rasch anlesen kann - und dann werden diese Leute, in die die DFG oder das Land locker 100.000 Euro investiert haben, durch die Verhältnisse vertrieben. In diesem Sinne kenne ich eine Reihe von solchen "Fehlinvestitionen" - promoviert, spezialisiert, bereit, ein Forschungsgebiet selbständig weiterzuführen, aber nicht bereit, dies auf Kosten von Kindern und Partnern zu tun, so dass irgendwann der Absprung in den Schuldienst erfolgt.

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

17.03.2010 18:22
#9 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von Heinsohn
Eine solche Umwandlung des Sozialstaats würde auch die Einwanderung in die Transfersysteme beenden. Deutschland könnte dann im Wettbewerb um ausländische Talente mitspielen, um seinen demographischen Niedergang zu bremsen.

Diesen Schluß widerlegt Heinsohn mit seinen eigenen Zahlen:

Zitat von Heinsohn
Während deutsche Frauen außerhalb von Hartz IV im Durchschnitt nur ein Kind haben und leistungsstarke Migrantinnen sich diesem Reproduktionsmuster nähern

Es sind also gerade die Migrantinnen der Unterschicht, die den demographischen Niedergang verlangsamen, während qualifizierte Einwanderinnen in dieser Hinsicht so gut wie nichts bringen würden.

Jedenfalls würde das unter der Voraussetzung gelten, daß Heinsohns Zahlen stimmen. Daran möchte ich nämlich Zweifel anmelden: im Schnitt, behauptet er, kommen 1,4 Kinder auf jede Frau, und 1 Kind auf jede Nicht-Hartz-IV-Empfängerin. Die Zahl der Hartzler gibt er mit 6,53 Millionen an, also 8% der Bevölkerung von 81,8 Millionen. Daraus würde folgen, ... Dreisatzrechnung ..., daß die Hartzlerinnen im Durchschnitt 6 Kinder auf die Welt bringen! (Probe: 0,92*1 + 0,08*6 = 1,4)

Kann das denn stimmen!?

Laut der "Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften" der "Gesis" (Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften) im Jahre 2002 gilt über die Verteilung der durchschnittlichen Anzahl der Kinder nach monatlichem Nettoeinkommen im Haushalt:
• bis 999€: 1.00
• 1000-1999€: 1.26
• 2000-2999€: 1.69
• 3000-4999€: 1.91
• über 5000€: 1.38

(Zitiert in M. Blume, C. Ramsel, S. Graupner, Religiosität als demographischer Faktor, Marburg Journal of Religion: Volume 11, No. 1 (June 2006), S. 6 der PDF.)

Demnach würde sich demografisch der Mittelstand immer mehr durchsetzen. Es würde also darauf ankommen, dessen Schwund aufgrund wirtschaftlicher Kräfte aufzuhalten; also statt den Hartzlern die Stütze wegzunehmen, vielleicht lieber, - bei den mittleren Einkommen die Steuern senken, zu Lasten der reproduktionsunwilligen Oberschicht?

D.h, unter der Voraussetzung, daß diese Zahlen stimmen.

Herzliche Grüße,
Kallias

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

17.03.2010 18:25
#10 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat
Das ist auch meine Meinung; insofern verstehe ich Ihren Beitrag eigentlich auch in diesem Punkt als Zustimmung zu dem, was in meinem Artikel steht.



Ganz recht. Keine Religion ist per se ein Problem, aber kann im konkreten Fall problemverschärfend werden.

Zitat
Heinssohn weist auf die politisch verfolgten Intellektuellen aus dem Iran hin, die er zusammen mit Juden aus Rußland und Vietnamesen als Beispiele für qualifizierte Einwanderung nennt.



Völlig einverstanden, was die Iraner angeht. Nach den Erfahrungen in der Schule in aller Regel leistungs- und bildungsorientiert, islamdistanziert oder -neutral oder -kritisch. Die schärfte Kritik am Islam habe ich von einer Siebtklässlerin iranischer Herkunft erlebt.

Zitat
Meinen Sie nicht auch, daß der Beharren auf ihrer türkischen Kultur, auf dem Islam etwas Reaktives ist - der Rückzug auf das, was sie "stolz" macht, weil sie in der deutschen Gesellschaft wenig leisten, was sie stolz auf sich machen könnte?



Das teile ich nur bedingt. Die Schüler türkischer Herkunft, die eine normale Karriere am Gymnasium absolvieren, sind von ihren Chancen, ihren Leistungen her in keiner Weise benachteiligt verglichen mit nicht-türkischen Schülern vergleichbarer sozialer Stellung. Trotzdem betonen sie ihr Türkischsein und grenzen sich ab. Dabei spielt eine Rolle, dass DITIB und Moscheeverein sehr stark daran arbeiten, die türkischen Kinder an sich zu binden. Es gibt den rein türkischen Fußballverein irgendwo im Moschee-Dunstkreis, es gibt den kostenlosen Hausaufgabenbetreuungsverein im Umfeld der DITIB-Moschee und so fort. Die Schüler könnten auch in der Schule an der Hausaufgabenbetreuung bis in den Nachmittag teilnehmen - sie fahren aber nach der Schule direkt in ihren türkischen Hausaufgabenbetreuungsverein, der die Schüler - soweit man das diffus mitbekommt - auch im Sinne des Islam und im Sinne von Erdogans Nicht-Anpassungs-Strategie betreut. Insofern möchte ich dies hier differenzieren, da Islam und Türkischsein auch umgekehrt von bestimmten Gruppen benutzt wird, um gezielt z.B. Türken der zweiten und dritten Generation zu binden. Und in diesem Sinne ist dann doch die Religion von Bedeutung.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

17.03.2010 18:49
#11 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat
Ich habe allerdings den - subjektiven - Eindruck, daß das nicht nur an dem Problem der Koordination von Beruf und Haushalt liegt, sondern daß (viele) Frauen generell nicht eine solche Konzentration ihres gesamten Lebens auf den Beruf wollen. Eine seinerzeitige Mitarbeiterin (die ich sehr gern bis zur Habilitation gebracht hätte) hat mir das einmal direkt gesagt: Es gebe für sie auch noch ein Leben außerhalb des Labors.



Ein wichtiger (und richtiger) Punkt.
Warum auch immer das so ist: Frauen sind im Durchschnitt weniger bereit, für ihre Karriere private Entbehrungen in Kauf zu nehmen.
(Erst letzte Woche habe ich einer meiner Mitarbeiterinnen eine Beförderung angeboten. Das Angebot wurde ausgeschlagen - weil damit deutlich mehr Autofahrten notwendig geworden wären und es weniger Flexibilität bei der Urlaubsplanung gegeben hätte.
Ich möchte diese Entscheidung nicht verurteilen - jeder hat halt seine persönlichen Präferenzen.
Aber ich habe noch nie erlebt, dass ein Mann ein solches Angebot ausgeschlagen hätte).

Diese (tendenziell) unterschiedliche Opferbereitschaft für die eigene Karriere ist m.E. übrigens auch ein wesentlicher Grund für die immer wieder beklagten Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

17.03.2010 19:28
#12 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Verständnisfrage (die ich lieber hier stelle als bei faz.net, weil hier die Chance auf eine qualifizierte Antwort höher ist):

Laut dem Artikel wurde in den USA die Sozialhilfe auf maximal 5 Jahre beschränkt.
Was passiert dann nach diesen 5 Jahren?
Es gibt doch auch Leute, die einfach nicht arbeitsfähig sind (z.B. wegen Krankheit oder weil sie Angehörige pflegen müssen) oder die trotz aller Bemühungen keinen Job finden (z.B. weil ihre Produktivität unter dem amerikanischen Mindestlohn liegt).
Lässt man diese Leute dann nach 5 Jahren einfach verhungern (bzw. verweist sie an privat organisierte Suppenküchen)?

Florian Offline



Beiträge: 3.180

17.03.2010 19:40
#13 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat
Jedenfalls würde das unter der Voraussetzung gelten, daß Heinsohns Zahlen stimmen. Daran möchte ich nämlich Zweifel anmelden: im Schnitt, behauptet er, kommen 1,4 Kinder auf jede Frau, und 1 Kind auf jede Nicht-Hartz-IV-Empfängerin.



Vielleicht bin ich blind. Aber die Aussage mit dem 1 Kind pro Nicht-Hartz-IV-Empfängerin kann ich im Text nicht finden.
Wo im Text versteckt sich das?

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

17.03.2010 20:01
#14 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von Florian
Vielleicht bin ich blind. Aber die Aussage mit dem 1 Kind pro Nicht-Hartz-IV-Empfängerin kann ich im Text nicht finden.
Wo im Text versteckt sich das?

In der Mitte des vorletzten Absatzes von Heinsohns Artikel in der FAZ.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

17.03.2010 20:15
#15 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Ok, jetzt sehe ich es auch.
Allerdings zur Verteidigung von Heinsohn:
Er schreibt: "Während deutsche Frauen außerhalb von Hartz IV im Durchschnitt nur ein Kind haben (...)".
Der Ausdruck "ein Kind" ist ja eher unscharf. Insbesondere hat er keine Nachkommastelle.
Man muss das also nicht unbedingt als 1,0 interpretieren.

(Wobei diese Unschärfe natürlich nicht sehr wissenschaftlich ist).

califax Offline




Beiträge: 1.502

17.03.2010 21:09
#16 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von Florian
Verständnisfrage (die ich lieber hier stelle als bei faz.net, weil hier die Chance auf eine qualifizierte Antwort höher ist):
Laut dem Artikel wurde in den USA die Sozialhilfe auf maximal 5 Jahre beschränkt.
Was passiert dann nach diesen 5 Jahren?
Es gibt doch auch Leute, die einfach nicht arbeitsfähig sind (z.B. wegen Krankheit oder weil sie Angehörige pflegen müssen) oder die trotz aller Bemühungen keinen Job finden (z.B. weil ihre Produktivität unter dem amerikanischen Mindestlohn liegt).
Lässt man diese Leute dann nach 5 Jahren einfach verhungern (bzw. verweist sie an privat organisierte Suppenküchen)?



Die 5 Jahre beziehen sich auf Arbeitslosengeld von der Union.

Die Staaten und Kommunen haben noch ihre jeweils eigenen Hilfsprogramme. Dazu kommen nicht-staatliche Hilfsprogramme, von denen Suppenküchen nur einen kleinen Teil darstellen. Man muß bedenken, daß es in den USA erste Bürgerpflicht ist, Armen und Bedürftigen zu helfen. Das läuft nicht über Steuern, das läuft über Gruppendruck im sozialen Umfeld. Wer Geld hat, wird professionell von allen Seiten ausgenommen. Das geht schon an der Schule los und steigert sich im Laufe der Karriere. Die Lage ist also regional sehr unterschiedlich.
Es gibt aber natürlich einen Bodensatz von Armen, die dauerhaft nur noch von der Suppenküche leben.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

17.03.2010 21:12
#17 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von dirk

Zitat von Gorgasal
Ergo: gerade in der Wissenschaft bereiten einem Kinder massive Probleme. Glauben Sie mir, ich habe da einen recht guten Einblick.


In den Naturwissenschaften, die sehr in die Tiefe gehen, gebe ich Ihnen recht. In welche Fachbereiche haben sie Einblicke?



Hauptsächlich Naturwissenschaften. Sie haben natürlich recht; in anderen Bereichen kann es anders sein. Aber Gansgouter stimmt mir bezüglich der Geisteswissenschaften zu. Und soweit ich ein wenig Ahnung von den Wirtschaftswissenschaften habe, sollten die von mir aufgezählten Probleme auch dort relevant sein. Kennen Sie einen Bereich, wo es entspannter zugeht?

--
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Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

17.03.2010 21:16
#18 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Zitat von Zettel
Ich habe allerdings den - subjektiven - Eindruck, daß das nicht nur an dem Problem der Koordination von Beruf und Haushalt liegt, sondern daß (viele) Frauen generell nicht eine solche Konzentration ihres gesamten Lebens auf den Beruf wollen. Eine seinerzeitige Mitarbeiterin (die ich sehr gern bis zur Habilitation gebracht hätte) hat mir das einmal direkt gesagt: Es gebe für sie auch noch ein Leben außerhalb des Labors.


Dem stimme ich zu. Das wird auch noch dadurch verstärkt, dass Inselbegabungen eher bei Männern vorkommen. Wenn ein Mann gut in Mathematik ist, dann ist er meist schlecht in Fremdsprachen und Sozialkompetenz, und schon verkriecht er sich in seine Algebraische Topologie, bis er Professor ist, aber am Kiosk keine Zeitung mehr kaufen kann, ohne zu stottern. Wenn eine Frau gut ist in Mathematik, dann kann sie typischerweise noch vieles andere gut. Und dann überlegt sie sich ganz genau, ob sie nicht Alternativen außerhalb der universitären Schinderei und geistigen Monokultur sucht. Frauen sind einfach schlauer als wir

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.03.2010 21:27
#19 Agitprop Antworten

Wie man den Artikel Heinsohns Agitprop-mäßig so aufarbeiten kann, daß von seinem Inhalt nichts mehr übrigbleibt, demonstriert Rudolf Stumberger in Telepolis. Der Autor ist promovierter Soziologe und hat sich sogar in Frankfurt habilitiert. Kostprobe:

Zitat von Stumberger
Dieser [Heinsohns Artikel] stammt nicht von irgendeinem bösartigen Verwirrten, sondern von einem deutschen Professor für Sozialpädagogik an der Universität Bremen. Dieser Zeitungsartikel erschien nicht in einem rechtsextremen Schmutzblatt, sondern in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dieser Artikel kann als Volksverhetzung gelten. (...)

Es ist hemmungslos, was Vertreter einer neuen Rassen- und Klassenhygiene sich trauen, in Deutschland öffentlich von sich zu geben. (...) Die Sprache des Professors ist dabei eine neue Sprache der Verurteilung unwerten Lebens (...)

Wenn Vertreter der neuen Klassenhygiene, die wie Heinsohn ganz in der Nähe der nationalsozialistischen Rassenlehre zwischen einer "Hartz IV-Bevölkerung" und dem "leistenden Bevölkerungsteil" unterscheiden, nach einer Dezimierung des "nicht-leistenden" Teils durch Entzug der Lebensmittel rufen, kann man sicher sein, dass diesen verfassungsfeindlichen Äußerungen bald der Ruf nach härteren Strafen und einem Ausbau der Gefängnisse folgen wird.


Interessant daran ist, daß Stumberger den Artikel Heinsohns als "Volksverhetzung" und "verfassungsfeindlich" einstuft. Das gibt einen Eindruck davon, was von der Freiheit der Forschung und der Freiheit der Meinungsäußerung noch übrig sein wird, wenn Leute wie Stumberger jemals politische Macht erlangen sollten.

Hajo Offline



Beiträge: 440

17.03.2010 21:36
#20 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Ich finde das etwas undifferenziert. Der Islam wäre doch bestenfalls eine Randnotiz, wenn es der Herr Müller und Frau Meier wären, die da am Freitag der Predigt des Imam Schmidt lauschten. So aber ist es nicht. Der Islam ist eben die Wurzel der Fremdheit, die zwischen den angestammten Abendländern und den Kulturfremden herrscht. Als solche ist er ein Problem und zwar hier, in Europa. Ob er im Orient ein Problem ist? Mag sein, but that's not my business, würde ich sagen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.03.2010 21:57
#21 Kulturfremde? Antworten

Zitat von Hajo
Der Islam ist eben die Wurzel der Fremdheit, die zwischen den angestammten Abendländern und den Kulturfremden herrscht.


Der Fremde ist nur in der Fremde fremd, sagt Karl Valentin.

Aber im Ernst: Jede Einwanderung beginnt mit Fremdheit und endet, wenn alles normal läuft, mit Assimilation. Das ist also kein Einwand gegen die jetzige Einwanderung nach Europa.

Ich schreibe das immer einmal wieder, weil ich den Eindruck habe, daß das Offensichtliche nicht immer gesehen wird: Alle europäischen Völker sind aus der Vermischung von "Angestammten" und "Kulturfremden" hervorgegangen. Die Germanen waren Einwanderer nach Mittel- und Westeuropa und haben sich dort mit den Kelten vermischt. Diese Mischbevölkerung hat sich wiederum in Westeuropa (bis zum Limes) mit den Römern vermischt. Die Briten sind eine Mischnation aus Kelten, Angeln und Sachsen, Römern und Normannen. Die Spanier sind eine Mischbevölkerung aus Iberern, Römern, Germanen und Mauren, und so fort.

Die Vorstellung, lieber Hajo, man könne die ständigen Wanderungsbewegungen verhindern, die seit Out of Africa zum Wesen des Menschen gehören, ist unhistorisch. Aber bei jeder Wanderungsbewegung geht es darum, wie das Ergebnis der Vermischung aussieht. Das kann von der völligen Assimilation der Einwanderer an die Kultur der Eingesessenen bis zum umgekehrten Ergebnis reichen; der Regelfall ist eine Mischung mit unterschiedlichen Anteilen; also eine gegenseitige Assimilation.

Herzlich, Zettel

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

17.03.2010 22:23
#22 RE: Kulturfremde? Antworten

Zitat
Ich schreibe das immer einmal wieder, weil ich den Eindruck habe, daß das Offensichtliche nicht immer gesehen wird: Alle europäischen Völker sind aus der Vermischung von "Angestammten" und "Kulturfremden" hervorgegangen.



Hier müssen wir wieder zwei Fälle unterscheiden:
Zum einen: Individuelle Wanderungsbewegungen hat es immer gegeben. Unvergleich gut ist jener Abschnitt aus Zuckmayers "Des Teufels General" über den Rhein als Völkermühle (Anna Seghers: "Völkerkelter"), der unter
http://dardel.info/Textes/Zuckmayer.html
nachgelesen werden kann. Jeder von uns ist das Produkt von Wanderungen - als Rheinländer habe ich als Vorfahren einen italienischen Stukkateur und einen spanischen Soldaten im 17. Jh. zu bieten, einen Schweizer im frühen 18. Jh., einen desertierten Franzosen aus der Armee Ludwigs XIV., einen Lehrer aus einem Dorf in Luxemburg, einen Zuwanderer aus den Vogesen etc. Diese Zuwanderung hat aber die kulturelle Prägung des Rheinlands nicht verändert, vielleicht und hier da einen neuen Akzent gesetzt - das Wissen des italienischen Stukkateurs vielleicht -, aber die Integration dürfte immer problemlos gewesen sein wegen der gemeinsamen kulturellen Basis.

Ein ganz anderer Fall als die individuelle Wanderung einzelner ist m.E. die Wanderung ganzer Völker, die zwar auch zu einer Vermischung führen, aber mehr doch zu einer Substrat-/Superstrat-Situation: Eine Gruppe dominiert und überlagert eine andere.

Nehmen wir:

Zitat
Die Germanen waren Einwanderer nach Mittel- und Westeuropa und haben sich dort mit den Kelten vermischt. Diese Mischbevölkerung hat sich wiederum in Westeuropa (bis zum Limes) mit den Römern vermischt.



Das ist jetzt arg freundlich ausgedrückt. Ob man so generell von einer Mischung der Germanen und Kelten sprechen kann, erscheint mir - mit Ausnahme wieder der Gemengelage im Rheinland - fraglich. Vor allem haben sich die Germanen nicht sonderlich friedlich mit den Römern vermischt, sondern mehr doch die germanischen Provinzen von den Römern recht gewaltsam übernommen. Der archäologische Befund zeigt durch einen argen Rückgang in der Zivilisation und Kultur. Ein römisches Substrat ist geblieben, aber die zahlenmäßig überlegenen Germanen haben insgesamt dem Römischen Reich und der Römischen Kultur den Untergang gebracht. Der Grund ist hier die kulturelle Verschiedenheit. Wenn man selbst sich einer solchen Situation gegenübersieht, möchte man vielleicht doch seine eigene Kultur bewahren.

Yossarius Offline



Beiträge: 19

17.03.2010 22:33
#23 RE: Zitat des Tages: Demographie Antworten

Volle Zustimmung, Herr Gorgasal. Ich erlebe das gerade bei einem mir nahestehenden Menschen. Studium Chemie, Vordiplom- und Diplomarbeit für einen großen deutschen Chemiekonzern, anschließend Promotion in Weiterführung dieser Arbeiten, weiterhin für diesen Konzern, neues großes Labor, umfangreiche Mittel zur Verfügung, Zusammenarbeit mit französischen Wissenschaftlern....Vorträge, Veröffentlichungen und vieles mehr. Mo-Sa bis 20 Uhr und länger arbeiten. Und dann auch noch Blut geleckt. Glücklicherweise kann der mit ihr zusammenlebende Freund nicht maulen, denn er macht ähnliches im Fach Physik (durch).
Kinderwunsch? Ja.
Möglich? Wie ohne Gefährdung oder gar Abbruch der begonnenen Arbeiten?
Ihre Freundin wurde zeitgleich mit dem Chemiestudium fertig und hatte den "schweren Fehler" begangen, kurz danach zu heiraten. Es dauerte mehr als ein Jahr, bevor sie recht und schlecht eine Arbeitsstelle fand. Ihr wurde unverblümt bei Bewerbungsgesprächen ins Gesicht gesagt, dass der Verdacht einer nahen Schwangerschaft ihre Chancen sehr erschwere (Chemie ist da eben für Frauen sehr ungünstig). Das merkt sich, wer schlußfolgern kann.
Merke: So hat eben alles im Leben (s)einen Preis und ob der verstärkt aus bestimmten Schichten stammende Nachwuchs später Naturwissenschaften studiert, nun, das halte ich so wahrscheinlich wie die deutsche Fußballmeisterschaft durch Hertha BSC. But who cares, wenn dieser Nachwuchs so weit ist, dann steht die Erwähnung des Begriffes Chemie in Deutschland sowieso unter Strafe.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.03.2010 23:29
#24 RE: Kulturfremde? Antworten

Zitat von Gansguoter

Zitat
Ich schreibe das immer einmal wieder, weil ich den Eindruck habe, daß das Offensichtliche nicht immer gesehen wird: Alle europäischen Völker sind aus der Vermischung von "Angestammten" und "Kulturfremden" hervorgegangen.


Hier müssen wir wieder zwei Fälle unterscheiden:
Zum einen: Individuelle Wanderungsbewegungen hat es immer gegeben. (...) Ein ganz anderer Fall als die individuelle Wanderung einzelner ist m.E. die Wanderung ganzer Völker, die zwar auch zu einer Vermischung führen, aber mehr doch zu einer Substrat-/Superstrat-Situation: Eine Gruppe dominiert und überlagert eine andere.



Ich stimme, lieber Gansguoter, dieser Unterscheidung zu; allerdings beschreibt sie aus meiner Sicht eher die Pole einer Dimension als eine binäre Einteilung.

Am einen Pol befinden sich einzelne Personen, die es in ein anderes Land verschlägt; sagen wir, Settembrini nach Deutschland.

So ganz vereinzelt war Settembrini allerdings doch nicht; sondern er gehörte - wenn ich das richtig in Erinnerung habe - zu den Irredentisten, die aus Italien fliehen mußten. Solche Wanderungen verfolgter Gruppen lägen etwas weiter zum anderen Pol hin auf der Dimension; Beispiel Hugenotten. Dann größere Gruppen, die aus materieller Not wandern - die meisten Einwanderer in die USA bis Anfang des 20. Jahrhunderts, Menschen, die auf der Suche nach Arbeit aus dem Osten ins Deutsche Reich des 19. und frühen 20. Jahrhunderts einwanderten.

Das geht dann über in Vökerwanderungen aus Not; die so genannte "Völkerwanderung" gehört dazu. Da ist dann schon militärische Gewalt im Spiel; und das geht wiederum über in Wanderungen, die mit militärischen Eroberungen einhergehen, etwa die Wanderung von Römern in die eroberten Provinzen. Natürlich die Wanderungen der Araber in den Jahrhunderten nach der Begründung des Islam und im Gefolge der siegreichen Armeen. Die Wanderungen von Europäern nach Amerika, Australien, Neuseeland.

Zitat von Gansguoter
Nehmen wir:

Zitat
Die Germanen waren Einwanderer nach Mittel- und Westeuropa und haben sich dort mit den Kelten vermischt. Diese Mischbevölkerung hat sich wiederum in Westeuropa (bis zum Limes) mit den Römern vermischt.


Das ist jetzt arg freundlich ausgedrückt. Ob man so generell von einer Mischung der Germanen und Kelten sprechen kann, erscheint mir - mit Ausnahme wieder der Gemengelage im Rheinland - fraglich. Vor allem haben sich die Germanen nicht sonderlich friedlich mit den Römern vermischt, sondern mehr doch die germanischen Provinzen von den Römern recht gewaltsam übernommen.



Beides stimmt natürlich. Ich hatte mit "Vermischung" nicht gemeint, daß es keine militärische Eroberung gegeben hätte; es gab ja, gerade bei Kelten-Germanen, auch eine weitgehende Vernichtung der unterlegenen Kultur. Aber es entstand eben eine Kultur, die Elemente beider trägt. Wenn ich das richtig weiß, finden sich bis in Sagen und Märchen hinein noch heute keltische Elemente.

Zitat von Gansguoter
Der archäologische Befund zeigt durch einen argen Rückgang in der Zivilisation und Kultur. Ein römisches Substrat ist geblieben, aber die zahlenmäßig überlegenen Germanen haben insgesamt dem Römischen Reich und der Römischen Kultur den Untergang gebracht. Der Grund ist hier die kulturelle Verschiedenheit.


Toynbee bestreitet das Letzere. Er sieht die Ursache für den Untergang der römischen Kultur (wie auch anderer Kulturen) in deren eigenen Problemen (insbesondere der wachsenden Unfähigkeit der Eliten, sich Herausforderungen zu stellen); das erst hätte - meint Toynbee - die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Angreifer von außen erfolgreich sein konnten.

Ich kann nicht beurteilen, ob das nach dem heutigen Forschungsstand noch haltbar ist. Toynbee hat jedenfalls damals in A Study of History große Mühe und Akribie darauf verwandt, das nachzuweisen.

Daß die weitgehende Zerstörung einer Kultur wie der römischen einen, wie Sie schreiben, "argen Rückgang in der Zivilisation und Kultur" mit sich bringen kann, will ich auch gewiß nicht bestreiten.

Aber oft entsteht daraus ja bald etwas Neues. Im Frankreich der Spätantike vermischten sich gallische, römische und fränkische Elemente, und es entstand die Kultur des Frühmittelalters, die dadurch manche seltsame Züge trug; zum Beispiel, daß ein römischer Beamtenapparat mit den feudalen Strukturen der Franken koexistierte.

Ähnlich ist die arabische Kultur mit der byzantinischen verschmolzen. Da fanden beispielsweise in römischen Arenen arabische Reiterspiele statt. Gewiß gab es auch hier blutige militärische Eroberungen, aber ohne das reiche byzantinische Erbe hätte ein Wüstenvolk nicht binnen weniger Jahrhunderte eine blühende Hochkultur schaffen können.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

17.03.2010 23:31
#25 RE: Agitprop Antworten

Das entspricht dem Tenor in den Linksaußen-Blogs. Wie man überhaupt fasziniert beobachten kann, wie sich in diesem Spektrum gewöhnlich jeweils an einer bestimmten Stelle eine Aussage bildet und von da an konsequent von den meisten sich zugehörig Fühlenden übernommen wird. Mit dieser Methode erzeugt man unter sich einen Meinungskanon. Abweichler werden durch böswillige Wortverdrehungen, Hinzudichtungen und schlichte Beschimpfungen ausgegrenzt. In diesen Kreisen diskutiert man nicht, sondern man verurteilt und bekämpft.

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

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