Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  

ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 39 Antworten
und wurde 2.853 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.03.2010 16:06
Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Die Diskussion über sexuelle Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche hat sich in den letzten Wochen in zwei Phasen abgespielt. Erst ging es nur um Fälle im Bereich der katholischen Kirche. Da kam die Odenwaldschule hinzu.

Aber es gab da einen seltsamen Unterschied:

In der ersten Phase wurde fast stets der institutionelle Hintergrund in den Blick genommen. Man diskutierte weniger über die Schuld der einzelnen Täter als über den Zölibat, über die Verantwortung katholischer Bischöfe bis hin zum heutigen Papst, über die katholische Sexualmoral.

Die Diskussion über die ähnlichen Vorfälle an der Odenwaldschule wurde hingegen bisher ganz überwiegend auf der individuellen Ebene geführt. Als der Bischof Mixa (noch bevor die Odenwaldschule ins Zentrum der Diskussion geriet) auf die sexuelle Revolution der siebziger Jahre und deren Moral hinwies, wurde er als Depp dargestellt ("persönlich überfordert").

Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem, was in der Zeit der Achtundsechziger propagiert wurde, und dem, was Gerold Becker und andere Lehrern getan haben, doch auf der Hand. Tilman Jens schildert in seinem Artikel, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe - es lohnt sich für Nicht-Abonennten, deshalb morgen den "Spiegel" zu kaufen -, wie die Übergriffe, die jetzt (wieder) ans Licht gekommen sind, nur die Spitze eines Eisbergs waren.

Da hatte eine Lehrerin ein Verhältnis mit einem Schüler und turtelte mit ihm während des Unterrichts; die Note dieses Schülers durften die Mitschüler bestimmen, weil die Lehrerin sich für allzu befangen erklärte. Was man ja verstehen kann.

Da schlief die Frau eines Lehrers mit einem Schüler, und anschließend diskutierte man das mit dem Lehrer wochenlang selbstdritt aus. Da wurde Tilman Jens von seiner Freundin verlassen, weil diese es doch toller mit einem Lehrer fand. Da lebte ein homosexueller Lehrer in sexueller Gemeinschaft mit vier Schülern, die außer zum Unterricht kaum je seine Wohnung verließen.



Die Sexualmoral der katholischen Kirche wird zu Recht kritisch diskutiert. Wann beginnt die kritische Diskussion der Sexualmoral, unter der solche Zustände nicht nur möglich waren, sondern von der sie - anders als bei der katholischen Kirche - ausdrücklich bejaht wurden?

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.254

21.03.2010 22:11
#2 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Zettel
Wann beginnt die kritische Diskussion der Sexualmoral, unter der solche Zustände nicht nur möglich waren, sondern von der sie - anders als bei der katholischen Kirche - ausdrücklich bejaht wurden?

Wenn die Geschichtsschreibung eine wie ich glaube, Beschreibung der Tatsachen seitens der (momentanen) Sieger ist, dann beginnt die kritische Aufarbeitung frühestens dann, wenn die Protagonisten an Macht und Einfluss verloren haben werden; aber spätestens nach dem Tod derselben. Natürlich passiert bezüglich der 68er heute schon einiges (siehe Götz Aly), aber bis sich die MSM ehrlich und vorurteilsfrei mit dieser Zeit auseinandersetzen und dies somit die Hirne der Allgemeinheit penetrieren wird, werden grob geschätzt noch zwanzig Jahre ins Land gehen müssen.

P.S. Sie sind mit Ihrer Forderung etwas zu früh dran, lieber Zettel

--

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.03.2010 22:44
#3 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Uwe Richard
P.S. Sie sind mit Ihrer Forderung etwas zu früh dran, lieber Zettel


Ja, das mag sein. Das versuche ich ja auch mit den Informationen in meinen Artikeln.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

21.03.2010 23:16
#4 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Uwe Richard
P.S. Sie sind mit Ihrer Forderung etwas zu früh dran, lieber Zettel

Ja, das mag sein. Das versuche ich ja auch mit den Informationen in meinen Artikeln.


Ich möchte nur ergänzen, daß man mit der Wahrheit NIE zu früh dran sein kann. (Wenn mann natürlich bereit ist die persönlichen Folgen zu ignorieren, oder sich nicht erwischen läßt )

Gute Nacht, Ungelt

Hias Offline



Beiträge: 138

22.03.2010 01:45
#5 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat
Tilman Jens sagt dasselbe wie der Bischof Mixa, nur konkreter und aus eigener Erfahrung. Man darf gespannt sein, ob auf ihn, wenn der "Spiegel" morgen erschienen ist, ebenfalls eine solche Lawine der Kritik niedergehen wird.



Da gibt es einen wichtigen Unterschied, lieber Herr Zettel, den sie übersehen. Herr Mixta äußerte sich als ein Vertreter jener Organisation, die jahrzehntelang Missbrauch ihrer Angestellten verheimlicht und vertuscht hat, Herr Tilman dagegen als Opfer. In meinen Augen ist Herr Mixta jemand, der "Haltet den Dieb ruft" und auf einen anderen gezeigt hat, als er gerade beim Klauen erwischt worden ist. Das macht den anderen Dieb nicht besser, aber Herr Mixta hätte besser getan sich mit den eigenen Missständen zu beschäftigen, insbesondere deswegen, weil die Mißbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen weiter zurückgehen als bis zur sexuellen Revolution, wenn mich nicht alles täuscht.
Sie haben Recht, was die notwendige Diskussion über die Sexualmoral der Achtundsechziger angeht. Aber dafür Mixta als Zeugen zu nennen, finde ich gelinde gesagt, geschmacklos, gerade weil bei ihm seine Motivation so durchsichtig ist und er die gleiche Strategie zu verfolgen scheint, wie auch scheinbar auch der Regensburger Bischof Müller, der sich nicht entblödet einen Nazivergleich zu benutzen (siehe: http://www.bistum-regensburg.de/default.asp?op=show&id=4031).

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 04:57
#6 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Hias

Zitat
Tilman Jens sagt dasselbe wie der Bischof Mixa, nur konkreter und aus eigener Erfahrung. Man darf gespannt sein, ob auf ihn, wenn der "Spiegel" morgen erschienen ist, ebenfalls eine solche Lawine der Kritik niedergehen wird.


Da gibt es einen wichtigen Unterschied, lieber Herr Zettel, den sie übersehen. Herr Mixta äußerte sich als ein Vertreter jener Organisation, die jahrzehntelang Missbrauch ihrer Angestellten verheimlicht und vertuscht hat, Herr Tilman dagegen als Opfer.



Das erste stimmt; das zweite nicht. Tilman Jens (übrigens der Sohn von Walter Jens) hat jedenfalls in seinem Beitrag nicht zu erkennen gegeben, daß er sich als Opfer sieht. Er kannte die Zustände in der Odenwaldschule und hat sie damals offenkundig gebilligt; sonst wäre er nicht kurz nach dem Abitur als Zivildienstleistender freiwillig dorthin zurückgegangen.

Zitat von Hias
In meinen Augen ist Herr Mixta jemand, der "Haltet den Dieb ruft" und auf einen anderen gezeigt hat, als er gerade beim Klauen erwischt worden ist. Das macht den anderen Dieb nicht besser, aber Herr Mixta hätte besser getan sich mit den eigenen Missständen zu beschäftigen, insbesondere deswegen, weil die Mißbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen weiter zurückgehen als bis zur sexuellen Revolution, wenn mich nicht alles täuscht.



Ich sehe das anders. Mixta hat zu Recht darauf hingewiesen, daß das Problem nicht nur ein Problem der katholischen Kirche ist. Er hat das am 16. Februar getan, also bevor die Vorfälle an der Odenwaldschule (wieder) in die öffentliche Diskussion kamen. Das Bekanntwerden dieser Vorfälle hat ihn bestätigt.

Ich habe es, lieber Hias, von vornherein für verfehlt gehalten, die Debatte über pädophile Lehrer als eine Debatte über die katholische Kirche zu führen. Ob das Problem durch den Zölibat verschärft wird, ist schwer zu entscheiden. Sofern es sich um homosexuelle Päderasten handelt, spielt der Zölibat ohnehin keine Rolle.

Zitat von Hias
Sie haben Recht, was die notwendige Diskussion über die Sexualmoral der Achtundsechziger angeht. Aber dafür Mixta als Zeugen zu nennen, finde ich gelinde gesagt, geschmacklos


Darüber mag man streiten. Jedenfalls habe ich ihn nicht als Zeugen benannt, sondern nur darauf hingewiesen, daß er in anderer Form dasselbe konstatierte wie jetzt Tilman Jens. Der Zeuge ist dieser letztere.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.03.2010 12:38
#7 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Die Bloggerkollegen haben mit glasklarer statistischer Auswertung herausgefunden, daß der Mißbrauch auch seine guten Seiten hatte:
http://www.politplatschquatsch.com/2010/...mangelnden.html

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 14:59
#8 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Zettel
Tilman Jens schildert in seinem Artikel, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe - es lohnt sich für Nicht-Abonennten, deshalb morgen den "Spiegel" zu kaufen -, wie die Übergriffe, die jetzt (wieder) ans Licht gekommen sind, nur die Spitze eines Eisbergs waren.


Ein Kauf des Hefts ist nicht mehr unbedingt erforderlich. Der Artikel ist jetzt auch bei "Spiegel-Online" zu lesen.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

22.03.2010 18:51
#9 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat
auch der Regensburger Bischof Müller, der sich nicht entblödet einen Nazivergleich zu benutzen



Was heißt Nazivergleich? Der stimmt doch immerhin insofern, als der "Völkische Beobachter" in den späten 30er Jahren ebenfalls Missbrauchsfälle (ob tatsächliche oder erfundene, entzieht sich meiner Kenntnis) benutzt hat, um damit die katholische Kirche zu diskreditieren. So schlimm die Missbrauchsfälle sind, über die jetzt berichtet wird - in den wenigstens Fällen sind es aktuelle Fälle (wie oft heißt es, dass die Täter, teilweise schon seit Jahren, verstorben sind), und es ist doch geradezu widerlich, wie etwa der Spiegel gegen die Kirche und gegen den Papst hetzt. Man hat doch wirklich den Eindruck, dass in Hamburg einige Leute nur dafür abstellt sind, um irgendetwas gegen den Papst zu finden. Hat es im vorigen Jahr mit der Piusbrüder-Affäre nicht geklappt, so sucht man jetzt dem Papst mit den (ohne Zweifel furchtbaren) Missbrauchsfällen etwas anzuhängen - und sei es, dass man investigativ herausfindet, dass der Bruder des Papstes vor einigen Jahrzehnten, als es noch erlaubt war, Schüler geschlagen hat.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 19:23
#10 Pädophilie in der alten DDR? Antworten

Zitat von R.A.
Die Bloggerkollegen haben mit glasklarer statistischer Auswertung herausgefunden, daß der Mißbrauch auch seine guten Seiten hatte:
http://www.politplatschquatsch.com/2010/...mangelnden.html


Nach derselben Logik würde allerdings auch die Lektüre von ZR vor Hooligantum bewahren.

Aber im Ernst: Daß die dokumentierten Fälle von sexuellen Übergriffen durch Lehrpersonal sich überwiegend auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik finden, ist schon erklärungsbedürftig.

Daß ausgerechnet in der DDR mit ihren autoritären Strukturen und mit ihrem nachgerade endemischen Vertuschen und Verschweigen in allen Lebensbereichen solche Fälle nicht ebenso vorgekommen sein sollten, erscheint mir unwahrscheinlich. Warum also wurden sie bisher nicht dokumentiert?

Die pädophile Veranlagung ist nicht eine Frage des gesellschaftlichen Systems. Ob sie den Betreffenden dazu bringt, auch zum Täter zu werden, hängt teils von der Gewissensbildung im Verlauf seiner Erziehung ab, teils davon, ob er Gelegenheit bekommt, solche Taten unentdeckt, jedenfalls ohne Sanktionen, auszuführen. In beiden Punkten dürfte es in der DDR nicht besser gewesen sein als in der alten Bundesrepublik.

Herzlich, Zettel

Inger Offline



Beiträge: 296

22.03.2010 20:25
#11 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Tilman Jens kommt ganz schön schräg daher: Hätte er damals etwas gesagt, wäre er seinen Journalistenschein losgewesen. Und was sagt er jetzt so eigentlich?Becker war ein guter Lehrer, der ideell im Trend war, eben gegen bürgerliches Spießertum.

Wo bleiben eigentlich Volker Beck u. a., die schon 1979 Amnestie für Päderasten forderten?
Gruß,
Inger

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 21:48
#12 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Inger
Tilman Jens kommt ganz schön schräg daher


Das kommt mir auch so vor, liebe Inger. Amélie Fried hat einen klaren und glaubwürdigen Bericht geschrieben: Warum sie sich gern an die Odenwaldschule erinnert; was sie an problematischen Erinnerungen hat. Bei Tilman Jens hatte ich den Eindruck, daß er sich ziemlich erratisch zwischen übertriebenem Lob und einer für mich nicht sehr glaubwürdigen Verdammung bewegt.

Herzlich, Zettel

Pirx Offline



Beiträge: 92

22.03.2010 22:49
#13 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Inger
Tilman Jens kommt ganz schön schräg daher


Das kommt mir auch so vor, liebe Inger. Amélie Fried hat einen klaren und glaubwürdigen Bericht geschrieben: Warum sie sich gern an die Odenwaldschule erinnert; was sie an problematischen Erinnerungen hat. Bei Tilman Jens hatte ich den Eindruck, daß er sich ziemlich erratisch zwischen übertriebenem Lob und einer für mich nicht sehr glaubwürdigen Verdammung bewegt.
Herzlich, Zettel




Ich hatte beim Lesen das Gefühl, da schreibt jemand nostalgisch-verklärend über seine Schulzeit. Aber aus heutiger Sicht ekelt es ihn doch vor einigen Dingen, die er damals wohl nicht so wahrnahm oder bewusst darüber hinweg sah. Die er verdrängt oder anderweitig gerechtfertigt hat, um sein Bild von der "guten alten Zeit" nicht zu gefährden.

Hias Offline



Beiträge: 138

23.03.2010 23:26
#14 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Über die Kampagne des Völkischen Beobachters weiß ich nichts, aber soweit ersichtlich (http://www.mittelbayerische.de/index.cfm...6&pk=536582&p=1) hat sich Müller explizit auf die Auseinandersetzung um die Euthanasie bezogen und rudert jetzt zurück.
Aber ist die ganze Sache dann schlimmer, wenn es sich nicht um aktuelle Fälle handelt? Immerhin hat die katholische Kirche jahrzehntelang pädophile Priester regelrecht geschützt und zu den Mißbrauchsfällen geschwiegen. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Irland, USA und Österreich. Dass nach und nach mehr und mehr Mißbrauchsfälle rauskommen und dann darüber berichtet wird, das ist in der Tat widerlich, allerdings weniger die Rolle der Medien, sondern eher die Rolle, die die Kirche dabei gespielt hat.

Hias Offline



Beiträge: 138

23.03.2010 23:44
#15 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat
Ich sehe das anders. Mixta hat zu Recht darauf hingewiesen, daß das Problem nicht nur ein Problem der katholischen Kirche ist. Er hat das am 16. Februar getan, also bevor die Vorfälle an der Odenwaldschule (wieder) in die öffentliche Diskussion kamen. Das Bekanntwerden dieser Vorfälle hat ihn bestätigt.

Ich habe es, lieber Hias, von vornherein für verfehlt gehalten, die Debatte über pädophile Lehrer als eine Debatte über die katholische Kirche zu führen. Ob das Problem durch den Zölibat verschärft wird, ist schwer zu entscheiden. Sofern es sich um homosexuelle Päderasten handelt, spielt der Zölibat ohnehin keine Rolle.



Das große Problem, dass die katholische Kirche doch in dieser ganzen Sache hat, ist nicht, dass es nur durch Priester zu Kindesmißbrauch gekommen ist, sondern dass die katholische Kirche die Aufklärung behindert hat, die Täter geschützt und sogar so (euphemistisch formuliert) unglücklich agiert hat, dass bereits bekannte Pädophile in neue Pfarreien versetzt wurden und dort wieder Kinder mißbraucht haben (http://www.focus.de/panorama/welt/kindes...aid_235977.html). Es geht nicht um den Mißbrauch, sondern wie danach damit umgegangen worden ist, übrigens bis nach der Jahrtausendwende.

zu Mixta: Er hat eben nicht nur darauf hingewiesen, dass es woanders auch zu solchen Mißbräuchen gekommen war, sondern auch gleich den "Schuldigen" mitgeliefert. Und das obwohl die Fälle in der Odenwaldschule nicht bekannt gewesen sind. Das wirkte eben wie ein Ablenken vom eigenen Versagen und daher kam damals auch zurecht die Empörung und die Diskussion darüber.

Ob das Zölibat das Problem verschärft oder nicht kann ich nicht sagen. Ich tippe mal, dass es so oder so zu Mißbräuchen kommen würde, aber sich ein solch institutionelles Verheimlichen und Verschweigen wahrscheinlich eher schwerer durchhalten ließe.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

24.03.2010 05:51
#16 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Hias
Ob das Zölibat das Problem verschärft oder nicht kann ich nicht sagen. Ich tippe mal, dass es so oder so zu Mißbräuchen kommen würde, aber sich ein solch institutionelles Verheimlichen und Verschweigen wahrscheinlich eher schwerer durchhalten ließe.



Ich sehe die Diskussion über das Zölibat in diesem Zusammenhang willkommen für alte Kritiker der katholischen Kirche, aber nicht sehr passend. Das Besondere der katholischen Kirche ist das auch im Gesetz verankerte Beichtgeheimnis, das Priester daran hindert, ihr aus der Beichte erlangtes Wissen zur Anzeige zu bringen. Aus einigen Berichten entnehme ich, dass Täter die Beichte auch gezielt eingesetzt haben, um Priesterkollegen zum Schweigen zu bringen. Das erklärt auch die Schwierigkeiten bei der Beihilfe zur Aufklärung. Ratzinger hat das Problem 2001 wohl hier zu adressieren versucht: http://www.katholisch.de/42193.html

Gruß, Martin

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.03.2010 06:58
#17 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Martin
Das Besondere der katholischen Kirche ist das auch im Gesetz verankerte Beichtgeheimnis, das Priester daran hindert, ihr aus der Beichte erlangtes Wissen zur Anzeige zu bringen. Aus einigen Berichten entnehme ich, dass Täter die Beichte auch gezielt eingesetzt haben, um Priesterkollegen zum Schweigen zu bringen.


Ein interessanter Aspekt, lieber Martin. So hatte ich das noch gar nicht gesehen.

Zitat von Martin
Ratzinger hat das Problem 2001 wohl hier zu adressieren versucht: http://www.katholisch.de/42193.html


Ein Text, der mir aus zwei Gründen bedenklich vorkommt.

Erstens werden wirkliche Verbrechen wie sexuelle Übergriffe gegen Minderjährige zusammen mit reinen Verstößen gegen Glaubensvorschriften behandelt (z.B. "... die verbotene Konzelebration der Eucharistie zusammen mit Amtsträgern kirchlicher Gemeinschaften, die keine apostolische Sukzession haben und die sakramentale Würde der Priesterweihe nicht anerkennen"). Beides wird gleichermaßen zu "schwerwiegende Straftaten" erklärt!

Zweitens vermittelt das Dokument den Eindruck, daß die Kirche sich anmaßt, sexuelle Verfehlungen von Priestern in einer eigenen Gerichtsbarkeit zu ahnden, unter Umgehung der allgemeinen Gesetze:

Zitat von Schreiben des Vatikan zu schwerwiegenden Straftaten
An den bei den Bischöfen eingerichteten Gerichtshöfen dürfen für diese Strafverfahren nur Priester die Ämter des Richters, des Kirchenanwaltes, des Notars und des Strafverteidigers gültig wahrnehmen. Sobald der Fall vor Gericht wie auch immer beendet ist, sind die gesamten Akten des Verfahrens möglichst rasch von Amts wegen an die Glaubenskongregation zu übermitteln. Alle Gerichte der Lateinischen Kirche und der Katholischen Ostkirchen sind verpflichtet, die Rechtsvorschriften zu den Straftaten und Strafen sowie zum Strafverfahren jedes der beiden Kirchengesetzbücher einzuhalten zusammen mit den besonderen Vorschriften, die von der Glaubenskongregation für den Einzelfall herausgegeben und vollständig zur Durchführung gebracht werden müssen.

Prozesse dieser Art unterliegen der päpstlichen Geheimhaltung.


Das genau ist es ja, was man der Kirche vorwirft. "Vertuschung" ist nicht das richtige Wort; aber die Betreffenden werden eben doch nicht einfach der zuständigen Justiz übergeben, wo sie ja hingehörten.

Überhaupt vermittelt mir der Text wieder einmal einen Eindruck davon, in welchem Umfang diese Kirche ein eigenes Rechtssystem aufgebaut hat; so als gehe es nicht um Religion, sondern um eine Quasi-Staatlichkeit. Ähnlichkeiten zur Scharia sind da, scheint mir, schon zu erkennen.

Herzlich, Zettel

Martin Offline



Beiträge: 4.129

24.03.2010 07:51
#18 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Lieber Zettel,

im ersten Ansatz wollte ich die Quasi-Staatlichkeit gar nicht allzu stark betonen. Die Beichte von Sünden an einen dafür zugelassenen 'Beichtvater' ist Teil des katholischen Ritus, und der Staat hat der Kirche einen Vertrauenschutz gegeben (ähnlich anwaltlicher oder ärztlicher Schweigepflicht). Ohne Beichte hätte die Kirche - zumindest auf diesem Weg - keine Kenntnis von bestimmten Straftaten, und gäbe es den Vertrauensschutz nicht, würde in der Regel auch nicht gebeichtet. Insofern sehe ich keine Konkurrenz zum staatlichen Rechtssystem, das ja den Vertrauensschutz aus anderen Bereichen kennt.

Die Kirche hat aber ein wohl nicht leicht zu lösendes Problem, wenn das Beichtgeheimnis gezielt eingesetzt wird um Anzeigen zu verhindern. Auf der einen Seite steht die hohe Wertigkeit des Beichtgeheimnisses, auf der anderer Seite ein Mißbrauch desselben. Deshalb vermute ich, dass Ratzinger die innerkirchliche Aufklärung höchstmöglich angesetzt hat, um beiden Aspekten Rechnung zu tragen (er ist ja Stellvertreter Gottes). So weit ich weiß, dürfen gebeichtete Informationen von Priester zu Priester weitergegeben werden, also auch an den Bischof und den Papst, die ja allesamt dem Beichtgeheimnis verpflichtet sind.

In jedem Fall dokumentiert sich hier das große Spannungsfeld zwischen der 'non government organization' Kirche und den nationalen Regularien. Nebenbei: Die NGO Greenpeace hat sich meines Wissens in nationalen Zellen organisiert um auch Verfehlungen lokalisiert zu halten. Vielleicht sollte die katholische Kirche ein Beispiel daran nehmen.

Trotz allem zeigt das Beispiel der Odenwaldschule, dass auch ohne Beichtgeheimnis aus den Kreisen Betroffener nicht notwendigerweise Information an staatliche Stellen fließt. In diesem Zusammenhang hätte mich mal interessiert, ob 'Missbrauchsopfer' später ihre Kinder auch an diese Schule geschickt haben.

Gruß, Martin

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.03.2010 09:49
#19 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Lieber Martin,

ich habe den Text jetzt ein zweites Mal gelesen, um nach einem Zusammenhang zwischen dem Beichtgeheimnis und der Betrafung sexueller Übergriffe zu finden; aber ich habe ihn nicht gefunden - davon abgesehen, daß in dem Text drei Arten von Verstößen behandelt werden, nämlich 1. die Eucharistie betreffend, 2. die Beichte betreffend, und 3. Verstöße gegen das Sechste Gebot, also Sittlichkeitsverbrechen.

Ein Zusammenhang zwischen 2. und 3. wird nur insofern hergestellt, als ein Delikt genannt wird "das Verführen eines anderen zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs bei der Spendung des Bußsakramentes oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte, wenn dies zur Sünde mit dem Beichtvater führt"; aber das ist, glaube ich, eine andere Frage als die von Ihnen zu Recht aufgeworfene.

Erlaubt der Text es, daß ein Priester, der von einem sexuellen Übergriff in der Beichte erfährt, dieses Wissen an andere Priester weitergibt, so daß ein kirchliches Verfahren gegen den Täter eingeleitet werden kann? In dem Text finde ich dazu nichts; aber vielleicht erlaubt das Kirchenrecht das, ich kenne mich da nicht aus.

Wenn es so wäre, dann würde allerdings ein Priester, der solche Verfehlungen beichtet, sich ziemlich ungeschickt verhalten.

Zitat von Martin
So weit ich weiß, dürfen gebeichtete Informationen von Priester zu Priester weitergegeben werden, also auch an den Bischof und den Papst, die ja allesamt dem Beichtgeheimnis verpflichtet sind.


Ja, aber dürfen diese dieses Wissen nutzen, um gegen den Betreffenden mit einem Verfahren vorzugehen, wie es in dem Text geschildert wird?

Zitat von Martin
In jedem Fall dokumentiert sich hier das große Spannungsfeld zwischen der 'non government organization' Kirche und den nationalen Regularien. Nebenbei: Die NGO Greenpeace hat sich meines Wissens in nationalen Zellen organisiert um auch Verfehlungen lokalisiert zu halten. Vielleicht sollte die katholische Kirche ein Beispiel daran nehmen.


Ich halte alle solche "innerbetrieblichen" Verfahren gegen Personen für problematisch, die gegen Strafgesetze verstoßen haben bzw. denen das vorgeworfen wird. Natürlich kann man zusätzlich zur regulären Strafverfolgung gegen den Betreffenden vorgehen, wie das z.B. bei Disziplinarverfahren gegenüber Beamten geschieht. Aber diese laufen ggf. parallel zur ordentlichen Strafverfolgung und ersetzen diese keineswegs.

Zitat von Martin
Trotz allem zeigt das Beispiel der Odenwaldschule, dass auch ohne Beichtgeheimnis aus den Kreisen Betroffener nicht notwendigerweise Information an staatliche Stellen fließt. In diesem Zusammenhang hätte mich mal interessiert, ob 'Missbrauchsopfer' später ihre Kinder auch an diese Schule geschickt haben.


Jede Institution hat vermutlich die Neigung, Vieles "intern zu bereinigen", was eigentlich der Staatsanwaltschaft übergeben werden müßte. Daß geht bis zum Hoteldirektor, der einen Diebstahl durch Hotelpersonal lieber nicht anzeigt, weil er den Ruf des Hotels nicht gefährden will.

So war es offenbar auch in der Odenwaldschule; nur daß dort noch nicht einmal intern Sanktionen verhängt wurden. Aber auch dort hatte man Angst vor der Zerstörung des Rufs; berechtigte, wie sich jetzt zeigt. Ich glaube nicht, daß die Odenwaldschule ihren alten Ruf wieder herstellen kann.

Der Text von Tilman Jens, verquast wie er ist, läßt, wie mir scheint, durchblicken, daß er damals als Schüler die Vorgänge ganz in Ordnung fand. So mag es vielen gegangen sein. Man kann ja nicht generell davon ausgehen, daß es Jugendlichen, die schließlich in einem sexuell sehr aktiven Alter sind, unangehm sein muß, auch mit Älteren sexuelle Erfahrungen zu machen. Das ist ja auch immer wieder verarbeitet worden; von Julien Sorel und Mme Rênard bis zu Benjamin Braddock und Mr. Robinson.

Nur gibt es eben auch viele, die darunter leiden; und deshalb kann dergleichen nicht geduldet werden. Vor allem dann nicht, wenn es sich um Lehrer handelt, die ihre Machtposition ausnutzen, um eigene sexuelle Wünsche zu realisieren.

Herzlich, Zettel

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

24.03.2010 09:50
#20 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Martin
Deshalb vermute ich, dass Ratzinger die innerkirchliche Aufklärung höchstmöglich angesetzt hat, um beiden Aspekten Rechnung zu tragen (er ist ja Stellvertreter Gottes). So weit ich weiß, dürfen gebeichtete Informationen von Priester zu Priester weitergegeben werden, also auch an den Bischof und den Papst, die ja allesamt dem Beichtgeheimnis verpflichtet sind.



Nein, lieber Martin, das kanonische Recht schiebt hier der innerkirchlichen Aufklärung ebenfalls einen Riegel vor:

Zitat von can. 984 CIC § 2
Wer Autorität besitzt, kann eine Kenntnis von Sünden aus der Beichte, die er zu irgendeiner Zeit erlangt hat, in keiner Weise bei der äußeren Leitung verwenden



Das heißt, die Kirchenoberen (incl. Papst) dürfen auch die Informationen aus dem Beichtgespräch nicht als Begründung für Disziplinarmaßnahmen heranziehen. Was übrigens in dem Zusammenhang weniger an die Scharia erinnert als an die strenge amerikanische Rechtspraxis bei der Zulässigkeit von Beweismitteln.

Gruß Petz

Martin Offline



Beiträge: 4.129

24.03.2010 14:19
#21 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Lieber Zettel,

Zitat
Wenn es so wäre, dann würde allerdings ein Priester, der solche Verfehlungen beichtet, sich ziemlich ungeschickt verhalten.



Im Nachhinein schon; vielleicht musste der Prieseter vor 2001 aber nicht damit rechnen. So könnte aber jetzt die Vergangenheit besser aufgerollt werden. Immerhin, dass es aber eine gegenseitige Beichte und Absolution von Mittätern gegeben haben muss, lässt das erste Beispiel für eine seit 2001 formulierte Straftat "1. die Absolution des Mittäters bei einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs;" vermuten.

Zitat
Erlaubt der Text es, daß ein Priester, der von einem sexuellen Übergriff in der Beichte erfährt, dieses Wissen an andere Priester weitergibt, so daß ein kirchliches Verfahren gegen den Täter eingeleitet werden kann? In dem Text finde ich dazu nichts; aber vielleicht erlaubt das Kirchenrecht das, ich kenne mich da nicht aus.



Der Text nicht, aber nach meiner Erinnerung (katholisch erzogen), ist das so. Wie man sieht, sind die Gerichte auch nur aus Priestern zusammengesetzt, so dass das in dieser Runde kein Problem ist. Priester haben m.W. grundsätzlich die Erlaubnis als Beichtvater tätig zu sein.

Zitat
Ja, aber dürfen diese dieses Wissen nutzen, um gegen den Betreffenden mit einem Verfahren vorzugehen, wie es in dem Text geschildert wird?



Meister Petz zitiert aus dem kanonischen Recht, und meint, dass Disziplinarverfahren mit diesem Wissen nicht möglich sind. Das würde bedeuten, dass ein Täter mit einer Beichte jede Disziplinarmaßnahme von Seiten der Kirche blockieren könnte. Da bleibt die Frage, ob andere Maßnahmen (z.B. Nachforschungen) trotzdem erlaubt wären. Da bin ich aber an der Grenze meines Wissens über Kircheninterna.

Gruß, Martin

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

24.03.2010 14:45
#22 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Martin
Da bleibt die Frage, ob andere Maßnahmen (z.B. Nachforschungen) trotzdem erlaubt wären. Da bin ich aber an der Grenze meines Wissens über Kircheninterna.



Ich habe auch keine Ahnung, wie diese Vorschrift in der Praxis angewendet wird. Bei strenger Auslegung wäre wohl auch dieser Fall ausgeschlossen. Ich habe mich mal mit einem katholischen Geistlichen über das Thema unterhalten, wie er damit umgehen würde, wenn ihm jemand eine schwere Straftat beichtet. Er meinte, das einzige Mittel, das ihm bleibt, ist, ihm die Absolution zu verweigern, wenn er die Tat nicht öffentlich macht.

Das Beichtgeheimnis ist noch strenger als die ärztliche Schweigepflicht (bei der anwaltlichen weiß ich es nicht), von der ja der Patient den Arzt (z. B. in Gerichtsverfahren) entbinden kann. Nicht einmal mit der Erlaubnis des Beichtenden kann es gebrochen werden.

Gruß Petz

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

24.03.2010 16:58
#23 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat
Zweitens vermittelt das Dokument den Eindruck, daß die Kirche sich anmaßt, sexuelle Verfehlungen von Priestern in einer eigenen Gerichtsbarkeit zu ahnden, unter Umgehung der allgemeinen Gesetze: ... Das genau ist es ja, was man der Kirche vorwirft. "Vertuschung" ist nicht das richtige Wort; aber die Betreffenden werden eben doch nicht einfach der zuständigen Justiz übergeben, wo sie ja hingehörten.



Der Eindruck ist nicht richtig, dass das kirchliche Verfahren an die Stelle eines ordentlichen staatlichen Verfahrens treten würde. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Mit "De delictis gravioribus" wird geregelt, welche innerkirchlichen Sanktionen einen Täter treffen, der etwa sexuellen Missbrauch verübt hat. Über ein staatliches Verfahren wird darin schlicht nichts gesagt - ich denke, mit Blick darauf, dass es die kath. Kirche weltweit gibt, es also schwierig wäre, für alle rund 180 Länder der Welt Vorgaben zu machen, welche staatlichen Behörden einzuschalten sind. Gegen den Vorwurf des Vertuschens verweise ich auf folgenden Passus: "Wenn ein Bischof oder Hierarch *auch nur vage Kenntnis* von einer derartigen Straftat hat, muss er sie nach abgeschlossener Voruntersuchung an die Glaubenskongregation weitermelden ..."

Volltext unter
http://www.vatican.va/roman_curia/congre...delicta_lt.html
und
http://www.uni-tuebingen.de/uni/ukk/nomo...quellen/023.htm

Da es nur um ein rein innerkirchliches Verfahren geht, möchte ich Zettel zwar darin zustimmen, dass man hier sieht,

Zitat
in welchem Umfang diese Kirche ein eigenes Rechtssystem aufgebaut hat

;
Von "Quasi-Staatlichkeit" oder "Ähnlichkeiten zur Scharia" zu sprechen, das erscheint mir verfehlt.

Ich verweise auch auf die sicher nicht besonders kirchenfreundliche Wikipedia unter
http://de.wikipedia.org/wiki/De_delictis_gravioribus : "Streng zu unterscheiden von dieser kirchenrechtlichen Weisung ist die jeweilige Meldung an die Staatsanwaltschaft, die von dem Schreiben und vom Motu Proprio Sacramentorum sanctitatis tutela überhaupt nicht betroffen oder behindert ist."

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.03.2010 17:19
#24 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von Gansguoter
Von "Quasi-Staatlichkeit" oder "Ähnlichkeiten zur Scharia" zu sprechen, das erscheint mir verfehlt.


Sehe ich auch so.
Es gibt ja z. B. auch bei vielen großen Firmen Richtlinien, wie bei diversen Arten Fehlverhalten eines Angestellten zu verfahren ist. Da kommt auch keiner auf die Idee, das wäre ein privates Rechtssystem anstelle des staatlichen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.03.2010 17:44
#25 RE: Zitat des Tages: Die Odenwaldschule und die Ideologie der Achtundsechziger Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Gansguoter
Von "Quasi-Staatlichkeit" oder "Ähnlichkeiten zur Scharia" zu sprechen, das erscheint mir verfehlt.


Sehe ich auch so.
Es gibt ja z. B. auch bei vielen großen Firmen Richtlinien, wie bei diversen Arten Fehlverhalten eines Angestellten zu verfahren ist. Da kommt auch keiner auf die Idee, das wäre ein privates Rechtssystem anstelle des staatlichen.



Ich habe solche Fälle ja erwähnt, Beispiel Hoteldiebstahl. Sie zeigen, daß faktisch die interne Ahndung häufig an die Stelle der Anzeige tritt, auch wenn formal das eine das andere nicht ausschließt.

Ich habe selbst einen solchen Fall an einer Uni erlebt, an der eine Verwaltungsangestellte Gelder aus einer Kasse entnommen hatte, die sie aber nach eigener Aussage nur leihen und irgendwann wieder hineintun wollte. Eigentlich hätte das zu einer Anzeige wegen Diebstahls führen müssen, aber der Personalrat schaltete sich ein und plädierte auf Milde. Am Ende wurde die Betreffende ohne Anzeige versetzt - zum Personalrat!

Solche Regelungen erfolgen aber in der Regel ad hoc, ohne ein eigenes formales Rechtssystem der betreffenden Institution, wie es die katholische Kirche eben in Jahrtausenden entwickelt hat, insofern die Nachfolgerin des römischen Rechts-Staats.

Es mag stimmen, daß die interne Strafverfolgung der katholischen Kirche eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft nicht formal verbietet - vermutlich ist es so, denn ein solches Verbot wäre seinerseits vermutlich rechtswidrig -, daß faktisch aber dann, wenn eine interne Bestrafung erfolgt war, keine Anzeige erstattet wurde.

Herzlich, Zettel

Seiten 1 | 2
 Sprung  



Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.



Xobor Xobor Forum Software
Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz