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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 67 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 09:29
Zur momentanen Krise Antworten

Ein kleiner Tour d'horizon.

Hajo Offline



Beiträge: 440

16.06.2010 10:18
#2 "christlich-liberale Regierung" Antworten

Womöglich bin ich ja verblendet, aber was hat die schwarz-gelbe Regierung bisher geleistet, was sich als christlich oder liberal bezeichnen lassen würde? "Bürgerlich", gut... Da kann eh jeder hineingeheimnissen was er mag, aber "christlich" oder "liberal" verbinde ich mit relativ konkreten Vorstellungen, an die Union und FDP bestenfalls noch rhetorisch heranreichen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 10:43
#3 RE: "christlich-liberale Regierung" Antworten

Zitat von Hajo
Womöglich bin ich ja verblendet, aber was hat die schwarz-gelbe Regierung bisher geleistet, was sich als christlich oder liberal bezeichnen lassen würde? "Bürgerlich", gut... Da kann eh jeder hineingeheimnissen was er mag, aber "christlich" oder "liberal" verbinde ich mit relativ konkreten Vorstellungen, an die Union und FDP bestenfalls noch rhetorisch heranreichen.


Die Kennzeichnung von Koalitionen durch Farben, lieber Hajo, hat mir nie gefallen; auch wenn ich sie faute de mieux selbst benutze. Sie ist nichtssagend.

Die Koalitionen Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher hießen sozialliberale Koalitionen; darunter konnte man sich etwas vorstellen. Und ebenso möchte ich a bisserl dafür werben, die jetzige Koalition die christlich-liberale zu nennen, statt die schwarzgelbe.

So, wie es ja fast schon wie Stotterei klingt, wenn man von einer "rot-rot-grünen" Koalition spricht. Dann doch besser, aussagekräftiger und richtiger "Volksfront".

Über die Frage, die Sie aufwerfen, könnte man natürlich lange diskutieren. Inwiefern ist die GOP noch eine "republikanische" Partei? Ist die französische UMP noch "gaullistisch"? usw.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.06.2010 10:56
#4 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Die Analyse, lieber Zettel, die teile ich wohl.
Wir haben die beschriebenen Probleme. Und wir haben noch ein Problem mehr: Eine unfähige Kanzlerin.

Und damit meine ich nicht Merkels Schwierigkeiten in der öffentlichen Darstellung oder im emotionalen Umgang mit Menschen. Damit meine ich ihre eklatante Entscheidungsschwäche.

Es mag ja sein, daß Merkel besondere analytische Fähigkeiten besitzt (ihr beruflicher Werdegang läßt das vermuten). Aber ich habe noch nie eine Analyse von ihr gelesen oder gehört, die irgendwie hätte überzeugen können. Im Gegenteil sind ihre Ausführunge meist bemerkenswert oberflächlich, Fakten spielen nur eine Nebenrolle, Floskeln ersetzen die Argumente.

Und bei guter Analyse müßte sie ja auch überzeugende Lösungskonzepte vorlegen können. Und da erwarte ich nicht, daß die Massen oder Medien unbedingt begeistert sind - natürlich wird immer gemeckert. Aber es wurde ja gar nichts vorgelegt, was man begrüßen oder kritisieren könnte.
Eigentlich ist das Sparpaket die erste eigenständige Maßnahme dieser Regierung. Und auch höchstens als netter Anfang zu werten, mit vielen Unschärfen und Luftbuchungen.

Ansonsten aber hat sie sich immer treiben lassen. Hat reagiert auf die Vorstöße anderer, insbesondere außenpolitisch auf die von Sarkozy (der sie ja nun zum wiederholten Male über den Tisch gezogen hat).

Denn nicht zu vergessen: Diese Regierung ist nicht nur mit den beschriebenen Problemen gestartet, sondern auch mit einem deutlichen Wählervotum. Mit einer guten Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Das ist alles verspielt worden durch Untätigkeit und Kleingeistigkeit.

Die Schuld daran liegt natürlich nicht allein bei Merkel, viele andere haben da ebenfalls ihren Teil. Aber der Fisch stinkt eben immer vom Kopfe her - Merkel hätte führen müssen, und ist dazu eben nicht in der Lage, sie hat dazu weder die Persönlichkeit noch die Ideen.

Herr Offline




Beiträge: 406

16.06.2010 11:12
#5 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Lieber Zettel, danke für diesen ausführlichen und bedenkenswerten Beitrag, der uns auch Ihre in diesem Kreise oft schon hinterfragte Sympathie für Angela Merkel etwas verständlicher macht und sie zugleich in einem weiteren Horizont und differenzierter als sonst erscheinen lässt. Ja, das scheint mir ganz plausibel zu sein: die kühle Rationalität der Macht und die mangelnde Emotionalität. Die Frage bleibt trotzdem: Wofür steht Angela Merkel außer für den eigenen Machterhalt?

Seit der Bundestagswahl beschäftigt mich eine Beobachtung, die kaum irgendwo thematisiert worden ist: das Auftreten und die Aussagen Merkels in der "Elefantenrunde". Leider finde ich das nirgends dokumentiert. Aber sie sagte sinngemäß, man werde in der neuen Koalition weiter das Regierungsprogramm umsetzen. Auf den Hinweis, dass ein gemeinsames Regierungsprogramm ja erst noch zu entwerfen sei, sagte sie, es gäbe das Regierungsprogramm von 2005 und das gelte weiter. Bei mir haben da die Alarmglocken geläutet. Bei Westerwelle, der mit in der Runde saß, offenbar nicht.

Aber es ist tatsächlich so gekommen: Merkel hat versucht, weiter zu machen wie in der Großen Koalition, und das hat dem Funktionieren der "bürgerlichen" Koalition von Anfang an geschadet. Die FDP hat sich von Anfang an an der Sturheit der Union aufgerieben. Dazu kommt dann natürlich, dass sie niemanden hat, der in derselben politischen Liga spielt wie die Kanzlerin, Westerwelle jedenfalls nicht. So steht in der Konsequenz die FDP so da, wie sie da steht: gerade auf Grund ihres guten Wahlergebnisses vom Herbst jetzt politisch erpressbar: Wenn sie jetzt die Koalition scheitern lassen würde, wäre sogar ihre Wiederwahl gefährdet. So wird sie also weiter gute Mine zum bösen Spiel machen, und das Hickhack wird noch eine Weile so weiter gehen.

Herzliche Grüße!
Herr

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 11:16
#6 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von R.A.
Die Schuld daran liegt natürlich nicht allein bei Merkel


Ich sehe bei Merkel, lieber R.A., keine Entscheidungsschwäche. Lesen Sie die internationale Presse, da wird allenfalls ihre Durchsetzungsstärke kritisiert. Auch jetzt hat Sarkozy sie keineswegs "über den Tisch gezogen", sondern es war Sarkozy, der nachgegeben hat. Es wird keine europäische "Wirtschaftsregierung" als Institution geben, sondern man nennt einfach bestimmte Treffen so.

Ich kann auch keine Entscheidungsschwäche sehen, als es um die Nachfolge Köhlers ging. Ich kann keine Entscheidungsschwäche sehen, als die Kanzlerin im vergangenen Jahr die Weichen dafür gestellt hat, daß Deutschland (bisher) glimpflich durch die Krise gekommen ist.

Ich kann keine Schwäche der Kanzlerin sehen, wenn es darum geht, sich eindeutig auf die Seite Israels zu stellen und die transatlantische Beziehung zu pflegen. Ich kann keine Schwäche sehen, als es um das Sparprogramm ging, von dem jeder Beteiligte wußte, daß man es der Regierung um die Ohren schlagen würde.

Angela Merkel vermeidet, in dieser Hinsicht das Gegenteil von Gerhard Schröder, dröhnendes Auftreten. Ihr ist augenscheinlich wichtig, sich durchzusetzen, und nicht, als der große siegreiche Wullewatz dazustehen. Das wird ihr als Schwäche ausgelegt.

Mit dieser "Schwäche" hat sie ihre Konkurrenten ausmanövriert und sich ein internationales Ansehen erworben, wie es vor ihr nur drei Politikerinnen erreicht hatten: Golda Meir, Indira Ghandi und Margaret Thatcher.

Herzlich, Zettel

PS: Wen schlagen Sie als Nachfolger vor?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.06.2010 12:47
#7 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von Zettel
Lesen Sie die internationale Presse, da wird allenfalls ihre Durchsetzungsstärke kritisiert.


Bei welchen Punkten soll ihr das gelungen sein?
Ich sehe es noch nicht als "Durchsetzungsstärke", wenn sie bei einem Teil der von anderen eingebrachten Initiativen "Nein" sagt. Durchsetzungsstärke beweist man erst, wenn man eigene Ideen durchbringt. Aber dazu muß man erst einmal eigene Ideen haben.

Zitat
Es wird keine europäische "Wirtschaftsregierung" als Institution geben


Abwarten. Sarkozy hat sich nicht komplett durchgesetzt, sondern nur teilweise. Aber er hat eben ein paar weitere Salamischeiben geschafft, wo Merkel nur defensiv agiert. Und nächstes Jahr wird er wieder einen Teilerfolg haben, und dann übernächstes Jahr wieder. Weil Sarkozy eben Ziele verfolgt und Merkel nur reagiert.

Zitat
Ich kann auch keine Entscheidungsschwäche sehen, als es um die Nachfolge Köhlers ging.


Da geht es um eine Personalie bzw. um Merkels Machterhalt, nicht um Inhalte.

Zitat
Ich kann keine Entscheidungsschwäche sehen, als die Kanzlerin im vergangenen Jahr die Weichen dafür gestellt hat, daß Deutschland (bisher) glimpflich durch die Krise gekommen ist.


Sie hat keine Weichen gestellt. Sondern wie üblich nur reagiert. D.h. es kamen diverse Vorschläge unterschiedlicher Dummheit, von Steinbrücks "Bankenrettung" bis Steinmeiers "Abwrackprämie". Einen Teil dieser Vorschläge hat Merkel ausgebremst, die anderen wurden dann als Krisenrettung verkauft.

Zitat
Ich kann keine Schwäche der Kanzlerin sehen, wenn es darum geht, sich eindeutig auf die Seite Israels zu stellen ...


Hmmm ...
http://www.n-tv.de/politik/Israel-stuerm...icle896809.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-...r-mord-1.952600

Zitat
... und die transatlantische Beziehung zu pflegen.


Nett. Da muß sie ja auch nichts entscheiden.

Zitat
Ich kann keine Schwäche sehen, als es um das Sparprogramm ging


Das hatte ich ja auch explizit ausgenommen. Wobei man abwarten muß, wieviel davon wirklich durchgesetzt wird.

Zitat
Mit dieser "Schwäche" hat sie ihre Konkurrenten ausmanövriert ...


Genau das kann sie in der Tat hervorragend. Weswegen es ja auch immer schwerer wird, die Frage nach einem potentiellen Nachfolger zu beantworten.

Aber umgekehrt möchte ich Sie fragen: Können Sie mal ein Beispiel für Merkels angebliche Qualität beim Analysieren bringen?

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

16.06.2010 13:36
#8 RE: "christlich-liberale Regierung" Antworten

Zitat von Zettel
Die Kennzeichnung von Koalitionen durch Farben, lieber Hajo, hat mir nie gefallen; auch wenn ich sie faute de mieux selbst benutze. Sie ist nichtssagend.

Die Koalitionen Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher hießen sozialliberale Koalitionen; darunter konnte man sich etwas vorstellen. Und ebenso möchte ich a bisserl dafür werben, die jetzige Koalition die christlich-liberale zu nennen, statt die schwarzgelbe.


Insofern sich die Parteien alle zunehmend sozialdemokratisieren, christliche Elemente bei den C-Parteien nur noch mit der Lupe zu sehen sind, die FDP keine liberalen Anliegen durchbringt (mit eine Schuld der CDU/CSU) und umgekehrt jetzt auch "sozialer" werden will, finde ich die Bezeichnung mit nichtssagenden Chiffren gerade sinnvoll. Wenn wir nur vier Parteien hätten, dann könnten wir sie auch nach Kartenfarben bezeichnen, von mir aus wäre dann Merkel die Herzdame und Westerwelle der Pikkönig.

--
El liberalismo pregona el derecho del individuo a envilecerse, siempre que su envilecimiento no estorbe el envilecimiento del vecino. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Hajo Offline



Beiträge: 440

16.06.2010 14:19
#9 RE: "christlich-liberale Regierung" Antworten

Zitat von Zettel
Die Kennzeichnung von Koalitionen durch Farben, lieber Hajo, hat mir nie gefallen; auch wenn ich sie faute de mieux selbst benutze. Sie ist nichtssagend.



Nun, mir persönlich hat die Kennzeichnung durch Richtungsangaben nie zugesagt, aber von persönlichen Präferenzen abgesehen geht es doch darum, daß die Politik immer weniger "auf Mission" ist, also wert- oder ideengeleitete Entscheidungen trifft, sondern sich immer und immer und immer mehr am gedachten Applausometer der Journallie orientiert, und die ist stramm "links", "rot-rot-gründ" oder "Willy Brandt", wie immer man möchte Auf diesem Weg geht eben jedwede Wahlalternative, die über Marginalen hinausginge, verloren.

Die Väter des Grundgesetzes hätten für den Fall das eines Tages mal die komplette Medienlandschaft umkippt irgendetwas vorsehen müssen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 15:03
#10 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Lieber R.A.,

außer religiösen Überzeugungen scheint es kaum etwas zu geben, das so fest verankert ist wie das "Bild", das man von jemandem hat. Es ist ein Schema, in das hinzukommende Informationen augenscheinlich so eingefügt werden, daß sie dieses Schema nicht tangieren.

Die Kanzlerin wird machen können, was sie will - Sie werden es immer negativ interpretieren; innerhalb des Schemas, das Sie haben. Ich habe ein anderes Schema, und ich werde es anders interpretieren.

Wir streiten darüber seit ... ja wie lange? Ich glaube, es sind eher Jahre als Monate. Wir kommen keinen Schritt weiter. Belassen wir es also dabei.

Herzlich, Zettel

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

16.06.2010 15:13
#11 RE: "christlich-liberale Regierung" Antworten

Zitat
Und ebenso möchte ich a bisserl dafür werben, die jetzige Koalition die christlich-liberale zu nennen, statt die schwarzgelbe.



Das "christlich" hat sich in den letzten zwei oder drei Jahren erledigt, seit die CDU sich sukzessive vom christlichen Menschen- und Familienbild entfernt hat (woran v.d.Leyen mit dem HerumGendern einen gehörigen Anteil hat), seit die Kanzlerin es meinte im vorigen Frühjahr meinte nötig zu haben, dem Papst an den Karren zu fahren, und seit man im Januar in der "Berliner Erklärung" die kirchennahen Katholiken für "nicht mehr relevant" erklärt hat.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

16.06.2010 15:23
#12 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Lieber Zettel,

zur Zeit der großen Koalition hatte ich ein sehr positives Bild von Merkel. Eben wegen des ruhigen, sachlichen Regierungsstils. Das hat sich mittlerweile geändert. Können Sie sagen wofür Merkel steht? Wo sie hin will? Was während der großen Koalition wie Sachlichkeit aussah - mit der SPD wären größere Projekte ja kaum umzusetzen gewesen - ist in Wirklichkeit Orientierungslosigkeit. Oder gilt der Umkehrschluss, dass wenn die Analytikerin Merkel keine größeren Lösungskonzepte vorlegt, wir auch keine größeren Probleme haben?

Dann macht sie Zusagen, die sie nicht einhält und lässt sich, R.A. hat es schon gesagt, von Sarkozy über den Tisch ziehen (Als ob die Franzosen mit einem Austritt aus dem Euro drohen könnten) und attackiert die "Spekulanten".

Sie hat Westerwelle keine Rückendeckung gegeben als er zu Unrecht kritisiert wurde, obwohl sie als Kanzlerin dafür die Autorität gehabt hätte und sich nicht inhaltlich sondern - feige - von seinem "Duktus" distanziert. Eine inhaltliche Kritik hätte ja eigene Wähler verprellen können. (Den Stil und die Tonlage können Beobachter von aussen kritisieren, aber nicht Beteiligte selbst. Da sollte es - ganz sachlich - um Inhalte gehen.)

Und zu allem Überfluss wird jetzt Frau Köhler/Schröder dafür sorgen, dass wir eine Frauenquote in Unternehmen bekommen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 15:39
#13 RE: "christlich-liberale Regierung" Antworten

Zitat von Gansguoter
Das "christlich" hat sich in den letzten zwei oder drei Jahren erledigt, seit die CDU sich sukzessive vom christlichen Menschen- und Familienbild entfernt hat (woran v.d.Leyen mit dem HerumGendern einen gehörigen Anteil hat)


Dazu ein Zitat aus "Spiegel-Online", eine Programmankündigung von 2006:

Zitat von Spiegel-Online
Sie galt als Geheimwaffe der Konservativen, aber mit ihren Alleingängen hat sie auch das eigene Lager irritiert. Eifernd propagiert Ursula von der Leyen die Erziehung nach christlichen Werten, mit staatlichem Elterngeld will sie zudem die Geburtenrate erhöhen und Väter an die Wiege locken.


Von der Leyen entstammt einer protestantischen Familie. Sie ist gläubige Christin und hat beispielsweise auf dem Kirchentag 2005 in Hannover Bibelarbeit angeboten (zu Mk 10,13-16).

Sie hat offensichtlich ein anderes Verständnis vom Christentum als viele konservative Christen, als vielleicht Sie, lieber Gansguoter. Aber sind Sie sicher, daß nur Sie "das" christliche Menschenbild vertreten? Könnte es nicht sein, daß es viele Menschenbilder gibt, die mit dem Christentum vereinbar sind?

Ich möchte als Agnostiker das nicht näher zu bestimmen versuchen; aber wenn ich das NT lese - ich bin gerade wieder einmal dabei -, dann kann ich darin kein einheitliches Menschenbild entdecken.

Herzlich, Zettel

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

16.06.2010 15:49
#14 RE: "christlich-liberale Regierung" Antworten

Gender Mainstreaming ist, wie man es dreht und wendet, eine kranke Ideologie aus der Kiste "Wir schaffen den neuen Menschen" und steht in Widerspruch zu dem, was man gemeinhin unter einem christlichen Menschen- oder Familienbild versteht. Das steht ja nicht unbedingt in Widerspruch zur protestantische Herkunft von Frau v.d. Leyen, ja vielleicht ist das sogar mit eine Erklärung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.06.2010 15:59
#15 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von Zettel
außer religiösen Überzeugungen scheint es kaum etwas zu geben, das so fest verankert ist wie das "Bild", das man von jemandem hat.


Das glaube ich nicht. Mein Bild von Personen hat sich schon oft gewandelt.

Zum Beispiel das von Merkel! Es ist nämlich definitiv NICHT so, daß ich schon Jahre an ihr rumnörgeln würde. Sondern im Gegenteil hatte ich lange Zeit ein vielleicht diffuses, aber doch positives Bild von ihr. Und ich war nach der letzten Wahl recht optimistisch, daß sie diese Chance nützen würde.
Die folgenden Monate waren unerquicklich, aber noch schwer zu erkennen, wo eigentlich das Problem lag. Erst die letzten Wochen hat sich dann mein Bild von Merkel geändert - als direktes Resultat dessen, was sie getan, und noch schlimmer, unterlassen hat.

Zitat
Die Kanzlerin wird machen können, was sie will - Sie werden es immer negativ interpretieren ...


Nein.
Aber für eine positive Beurteilung braucht es Gründe. Die sehe ich nicht - und die liefern Sie auch nicht konkret.

Wo sind (außer der Personalie Wulff und vielleicht dem Sparpaket) politische Entscheidungen Merkels, wo sie nicht auf Vorlagen Anderer reagiert hat?
Wo sind die Analysen, deren Qualität sie rühmen?

Sie haben einen langen Beitrag geschrieben, aber Ihre Eindrücke nicht belegt. Da fehlt mir etwas.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 16:00
#16 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von dirk
Können Sie sagen wofür Merkel steht? Wo sie hin will?


Ich lese diese Frage immer wieder, lieber Dirk, und ich verstehe sie nicht. Ich verstehe sie wirklich nicht. Angela Merkel steht für die freiheitliche Demokratie, für die soziale Marktwirtschaft, für das Bündnis mit den USA und Israel, für ein Europa ohne die Türkei. Ja, was erwarten Sie denn noch? Diese Regierung ist das letzte Bollwerk gegen einen links regierten Gewerkschaftsstaat, der sich den Palästinensern mehr verbunden fühlen wird als Israel, der eine deutsch-russische Allianz anstreben, der uns in Riesenschritten in Richtung Öko-Diktatur bringen wird. Und sie fragen, wofür die Kanzlerin steht?

Wofür "stand" denn Helmut Schmidt mehr als für solche allgemeinen Werte? Er hat in den krisenhaften 70er Jahren seine Pflicht getan und Deutschland gut durch diese Zeit gebracht. Dasselbe tut Angela Merkel heute.

Nur hatte Schmidt eine freundliche Presse, und Merkel hat die Medien gegen sich, seit sie nicht mehr der Großen Koalition vorsteht. Der Wandel in Ihrem Bild von Merkel, den Sie beschreiben, lieber Dirk, spiegelt aus meiner Sicht, daß Merkel seit Oktober 2009 von den Leitmedien gemobbt wird, weil diese keine christlich-liberale Regierung wollen, sondern eine linke.

Zitat von dirk
Dann macht sie Zusagen, die sie nicht einhält und lässt sich, R.A. hat es schon gesagt, von Sarkozy über den Tisch ziehen


Wo haben Sie und R.A. das nur her? Ich vermute, aus eben jenen Medien, die Merkel fertigmachen wollen. Hier ist die Bewertung des Nouvel Observateur:

Zitat von Le Nouvel Observateur
Exit, donc, les réunions régulières des chefs d'Etat et de gouvernement de la zone euro, que Nicolas Sarkozy avait proposé en vain en 2008 et qu'il espérait pouvoir remettre à l'ordre du jour après la crise de la dette grecque et de l'euro.

Exit aussi le secrétariat général permanent dont la France souhaitait doter ce gouvernement économique de la zone euro.

Nicolas Sarkozy l'a confirmé quelques instants plus tard, en invoquant le "pragmatisme". Il s'est ainsi dit "convaincu", à l'instar d'Angela Merkel, que la solution aux problèmes de l'Europe ne résidait pas dans la création de nouvelles institutions. (...)

Reste que la France semble avoir fait une enjambée plus grande que l'Allemagne. Celle-ci en reste peu ou prou à ses positions de ces dernières semaines. Et son acceptation de réunions des chefs d'Etat et de gouvernement des Seize "en cas de nécessité" est une concession en trompe-l'œil, dans la mesure où c'est déjà ce qui se fait depuis la crise de 2008.


Sarkozy habe also seine Ziele nicht durchgesetzt. Deutschland sei bei seinen Positionen geblieben. Die Zustimmung zu Treffen der Regierungschefs der Sechzehn "bei Bedarf" sei in Wahrheit keine, denn solche Treffen hätte es schon seit 2008 gegeben.

In Frankreich sieht man das Berliner Treffen als einen Sieg von Merkel auf der ganzen Linie.

Herzlich, Zettel

Hajo Offline



Beiträge: 440

16.06.2010 16:34
#17 RE: "christlich-liberale Regierung" Antworten

Zitat von Zettel
Sie hat offensichtlich ein anderes Verständnis vom Christentum als viele konservative Christen, als vielleicht Sie, lieber Gansguoter. Aber sind Sie sicher, daß nur Sie "das" christliche Menschenbild vertreten? Könnte es nicht sein, daß es viele Menschenbilder gibt, die mit dem Christentum vereinbar sind?



Es gibt eben ein Christentum, das sich recht nah an Bibel und Tradition orientiert, während manche die Schrift eher für einen Rosinenkuchen halten, aus dem man sich herauspickt was einem gerade so passt. Womit Letztere die völlige Beliebigkeit ihrer Ansichten rechtfertigen möchten entzieht sich meiner Kenntnis.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

16.06.2010 16:37
#18 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von Zettel
Angela Merkel steht für die freiheitliche Demokratie

Das ist ja wohl das Mindeste.
[quote=] für die soziale Marktwirtschaft[/quote]
Und wo verteidigt sie sie? Bei Opel? Beim Angriff auf die bösen Spekulanten?

Zitat

für das Bündnis mit den USA und Israel

Fordert aber ein Ende der Blockade, dem mildest möglichem Kriegsmittel

Zitat
für ein Europa ohne die Türkei.

für was für ein Europa?

Gibt es irgendeine Reformidee von Frau Merkel? Irgendeine Richtung, in die sie hin möchte? Sie verwaltet und reagiert stets ein bisschen auf Kritik von aussen, um ihre Beliebtheit zu wahren. Ein bisschen Finanzsteuer, ein bisschen Konjunkturpaket ein bisschen Familienpolitik a la SPD usw. Nicht einmal für Atomenergie hat sie sich klar ausgesprochen.

Ich gebe Ihnen ja recht: Sigmar Gabriel und Co sind bei weitem schlimmer. Das ändert aber nichts an der Politik von Merkel, die übrigens genau darauf hinausläuft, dass Gabriel Kanzler wird.

Zitat
Der Wandel in Ihrem Bild von Merkel, den Sie beschreiben, lieber Dirk, spiegelt aus meiner Sicht, daß Merkel seit Oktober 2009 von den Leitmedien gemobbt wird, weil diese keine christlich-liberale Regierung wollen, sondern eine linke.



Das ist eine Unterstellung, die ich entschieden zurückweise. Alleine schon weil ich Merkel nicht von links aus kritisiere, kann man sehen, dass sie unzutreffend ist. Wie ist es denn mit Westerwelle. Ist es da nicht so, dass sie ihr Bild nur deswegen änderten, weil er von den Medien - übrigens weit mehr als Merkel - angeschossen wird?

Kann sie sich nicht etwa hinstellen und sagen "In der Gesundheitspolitik haben wir die und die Ziele. Herr Minister XYS arbeitet einen Reformvorschlag aus und wenn sich am Ende herausstellen sollte, dass den Zielen am besten mit einer Kopfpauschale gedient ist, dann machen wir die. "

Zitat

In Frankreich sieht man das Berliner Treffen als einen Sieg von Merkel auf der ganzen Linie.



Wieso ist es denn ein Sieg zu sagen, dass man bei etwas, zu dem man nicht gezwungen werden kann, nicht mitmacht? Einen Vorschlag nicht zu akzeptieren ist doch kein Sieg. Sie hat sich von Sarkozy beim Rettungspaket für Griechenland über den Tisch ziehen lassen. Wenn jemand drohen kann, den Euro zu verlassen, dann ist es Deutschland.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

16.06.2010 16:50
#19 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von dirk
Können Sie sagen wofür Merkel steht? Wo sie hin will?


Ich lese diese Frage immer wieder, lieber Dirk, und ich verstehe sie nicht. Ich verstehe sie wirklich nicht. Angela Merkel steht für die freiheitliche Demokratie, für die soziale Marktwirtschaft, für das Bündnis mit den USA und Israel, für ein Europa ohne die Türkei. Ja, was erwarten Sie denn noch? Diese Regierung ist das letzte Bollwerk gegen einen links regierten Gewerkschaftsstaat, der sich den Palästinensern mehr verbunden fühlen wird als Israel, der eine deutsch-russische Allianz anstreben, der uns in Riesenschritten in Richtung Öko-Diktatur bringen wird. Und sie fragen, wofür die Kanzlerin steht?



Wenn ich Sie richtig verstehe, dann erklären Sie, dass Merkel die weitere Entwicklung in Richtung linke Ökodiktatur verlangsamt oder verhindert. "Bollwerk" passt gut - sie steht der Entwicklung im Weg, bewegt sich aber selbst nur auf Druck von außen. Und das genügt Ihnen.

Den anderen Foranten scheint das nicht genug zu sein. Sie erwarten von einer bürgerlichen Koalition ein rollback der "Errungenschaften" der rot-grünen und der Großen Koalition, mithin eine Abkehr des Regierungsprogramms von 2005 (vide Herr). Wenn das nicht kommt, dann sind sie enttäuscht. Hier wurde ja schon mancherorts das Sparpaket als einziger Lichtblick genannt.

Trifft das die beiderseitigen Vorstellungen?

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dirk Offline



Beiträge: 1.538

16.06.2010 17:09
#20 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat
Trifft das die beiderseitigen Vorstellungen?



Meine in etwa. Merkel muss dabei gar nicht die rot grünen "Errungenschaften" umkehren. Es würde schon reichen, wenn die derzeitigen Probleme angegangen würden. Das Sparpakte ist ein -wenn auch spärliches- Beispiel. Das erste, nach einem drei-viertel Jahr. Die Gesundheitsprämie hätte eines seien können, wenn nicht ständig gegen sie geschossen würde - aus den eigenen Reihen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 17:22
#21 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von Gorgasal
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann erklären Sie, dass Merkel die weitere Entwicklung in Richtung linke Ökodiktatur verlangsamt oder verhindert. "Bollwerk" passt gut - sie steht der Entwicklung im Weg, bewegt sich aber selbst nur auf Druck von außen. Und das genügt Ihnen.
Den anderen Foranten scheint das nicht genug zu sein. Sie erwarten von einer bürgerlichen Koalition ein rollback der "Errungenschaften" der rot-grünen und der Großen Koalition, mithin eine Abkehr des Regierungsprogramms von 2005 (vide Herr). Wenn das nicht kommt, dann sind sie enttäuscht.


Ich erwarte, lieber Gorgasal, von einer Regierung, daß sie das Notwendige tut, und zwar so gut, wie es geht.

Ich kann dieser ganzen ideologischen Debatte immer schlechter folgen. Zu neunzig Prozent ist das, was eine Regierung zu entscheiden hat, überhaupt nicht die Frage einer Durchsetzung irgendwelcher Parteiprogramme, sondern es geht darum, anstehende Probleme pragmatisch in den Griff zu bekommen.

Helmut Schmidt hat das exakt so gehandhabt wie jetzt Angela Merkel. Er ist Sozialdemokrat, sie Christdemokratin. Er hätte vermutlich in der jetzigen Krise ähnlich gehandelt wie Merkel.

Die Ideologen links wollen die Gesellschaft verändern. Wir können froh sein, wenn sie so bleibt, wie sie ist. Dafür "steht" Merkel. Wem das nicht reicht, lieber Gorgasal, der muß eben eine ideologische Partei wählen. Die "Christliche Mitte" oder so. Da bekommt er dann Gesinnung in Reinkultur.

Mir reicht es, wie Merkel es pragmatisch macht. Ich sehe derart viele Probleme auf uns zukommen, daß das Beste, was man erwarten kann, die Erhaltung des Status Quo ist.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 17:24
#22 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat von dirk
Gibt es irgendeine Reformidee von Frau Merkel? Irgendeine Richtung, in die sie hin möchte?


Zum Glück nein, siehe meine Antwort an Gorgasal. Sie versucht den Laden zusammenzuhalten, und wenn einer das schaffen kann, dann sie.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.06.2010 17:36
#23 Westerwelle Antworten

Zitat von dirk
Wie ist es denn mit Westerwelle. Ist es da nicht so, dass sie ihr Bild nur deswegen änderten, weil er von den Medien - übrigens weit mehr als Merkel - angeschossen wird?


Aber ich habe, lieber Dirk, mein Bild von Westerwelle nicht geändert. Ich habe früher seine Stärken - klare Programmatik, überzeugendes Vermitteln dieser Programmatik - gesehen, und ich sehe sie noch heute. Ich habe damals seine Schwäche gesehen - Eitelkeit, Unsicherheit -, und ich sehe sie heute vielleicht deutlicher.

Nur daß bei einem Oppositionspolitiker die Programmatik wichtiger ist und bei einem Außenminister die Sachlichkeit und die Sicherheit. Westerwelle ist im falschen Ressort, und er hat zweitens noch nicht verstanden, daß man sich als Minister anders verhalten muß als dann, wenn man die Regierung aus der Opposition heraus kritisiert.

Er hat sich im Fall NRW-Amepel wieder einmal wankelmütig verhalten; aber so war er schon immer.

Herzlich, Zettel

Zoe Offline



Beiträge: 13

16.06.2010 18:13
#24 RE: Zur momentanen Krise Antworten

"Sie versucht den Laden zusammenzuhalten, und wenn einer das schaffen kann, dann sie."

Das ist der entscheidende Satz!
Hoffentlich schafft sie es gegen die mediale Oeffentlichkeit und die unterirdischen Angriffe von Gabriel, der ein NICHTS ist. Ich finde ihren Durchhaltewillen angesichts all der Probleme bewundernswert. Ich wuensche mir nur mehr Solidaritaet mit Israel und weiterhin eine strikte Ablehnung eines Tuerkei-Beitritts und eine deutliche Absage an zusaetzliche Offerten, wie jetzt von der EU angedacht.

Schade, dass das Trommelfeuer der Medien die Bevoelkerung dermassen beeinflusst.

Ihre Bemerkung zu Brown kann ich allerdings gar nicht nachvollziehen. Die Regierung Blair/Brown hat GB an den Rand des Abgrunds gefuehrt.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

16.06.2010 18:19
#25 RE: Zur momentanen Krise Antworten

Zitat
Ich wuensche mir nur mehr Solidaritaet mit Israel und weiterhin eine strikte Ablehnung eines Tuerkei-Beitritts und eine deutliche Absage an zusaetzliche Offerten, wie jetzt von der EU angedacht.



Aber hängt sie nichts gerade hier ihr Mäntelchen nach dem Wind oder nach was auch immer? Türkei-Beitritt: Mit der "privilegierten Partnerschaft" treibt sie den Beitritt voran statt einen klaren Schlussstrich zu ziehen. Nach dem Stopp der Terrorschiffern Netanyahu anzurufen und eine Aufhebung der Gaza-Blockade zu fordern, zeigt grundlegende Unkenntnis der Lage (Westerwelle ja noch viel schlimmer). Und kaltschnäuzig die Verträge zu brechen, mit denen uns der Euro schmackhaft gemacht worden ist - tja, was soll man zu einem Rechtsbruch noch sagen, zu einem Ausverkauf unserer Steuergelder?

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