Es handelt sich meines Erachtens nicht um eine Fehlfunktion der direkten Demokratie, sondern um eine mangelhafte Umsetzung des Grundgesetzes. Gemäss diesem Grundgesetz hat auch eine (Stimmen-)Mehrheit (und im Endeffekt der Staat) keine unbegrenzten Rechte. Sie werden nämlich durch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit eingeschränkt. Diesen Begriff der Verhältnismässigkeit findet man auch in der eidgenössischen Verfassung, und auch dort wird er immer wieder missachtet. Insbesondere natürlich auch bei den Rauchverboten und meiner Ansicht nach auch beim Minarettverbot.
Zitat Der Grundsatz des Verhältnismäßigkeit wird dem in Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten entnommen. Er hat daher Verfassungsrang und ist mittlerweile auch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Obwohl er gesetzlich nur vereinzelt geregelt ist, gilt er für das gesamte öffentliche Recht. [..] Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gliedert sich in folgende drei gedankliche Schritte:
* Geeignetheit: Geeignet ist eine Maßnahme, wenn der angestrebte Erfolg durch sie zumindest gefördert werden kann. Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg auch tatsächlich eintritt.
* Erforderlichkeit: Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein milderes, weniger belastendes Mittel den gleichen Erfolg erreichen kann. Ist nur ein geeignetes Mittel vorhanden, so muss es mangels Alternativen erforderlich sein.
* Angemessenheit (Proportionalität, Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne): Angemessen ist die Maßnahme, wenn der Nachteil für den Betroffenen und der erstrebte Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Zwischen dem Schaden des Einzelnen und dem Nutzen für die Allgemeinheit darf kein Missverhältnis bestehen (Abwägung der betroffenen Rechtsgüter). http://www.rechtslexikon-online.de/Verha...aessigkeit.html
Zum Thema, ob Rauchverbote in der Gastronomie verfassungsrechtlich zulässig sind, hat sich auch Prof. Andreas Auer (Professor für Staatsrecht an der Universität Genf) in einem Gutachten geäussert:
Zitat Zum Ersten stellt sich die grundsätzliche Frage, ob staatliche Massnahmen zum Schutz gegen Passivrauchen einen Eingriff in die Grundrechte der Raucher darstellen. Sie ist bisher weder vom Bundesgericht noch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden worden. Dagegen wird oft vorgebracht, dass Rauchen kein der persönlichen Freiheit zugeordneter «elementarer Ausdruck der menschlichen Person», sondern lediglich ein gesundheitsschädigendes und sozialversicherungsrechtlich kostspieliges Alltagsbedürfnis ist, das nicht in den Schutzbereich dieser Freiheit fällt. Nun kann aber kaum bestritten werden, dass der grundsätzliche oder gelegenheitsbedingte Entscheid, zu rauchen oder eben nicht zu rauchen, sich dementsprechend zu verhalten und die sich daraus ergebenden Folgen auch zu tragen, höchstpersönlicher Natur ist, bestimmt er doch weitgehend das gesellschaftliche Erscheinungsbild und die Selbsteinschätzung der betroffenen Person. Damit aber muss er der grundrechtlich geschützten Privatsphäre zugeordnet werden. Staatliche Schutzmassnahmen für Passivraucher schränken auch die wirtschaftliche Freiheit der Restaurant- und Hotelbesitzer ein, die nicht mehr selbst entscheiden können, ob sie rauchende Gäste bewirten oder abweisen wollen.
Dann kommt unweigerlich die Gegenfrage, wie es denn mit den Grundrechten der Nichtraucher bestellt sei. Haben sie einen verfassungsrechtlichen Anspruch, nicht durch fremden Rauch in ihrer Gesundheit geschädigt und in ihrem persönlichen Empfinden belästigt zu werden? Dazu genügt es, in Erinnerung zu rufen, dass sich die Grundrechte unmittelbar nur gegen den Staat und nicht gegen Dritte wenden. Der Raucher mag den Nichtraucher wohl stören, dessen Grundrechte aber verletzt er keineswegs, sowenig wie dies ein aufdringliches Parfum oder ein unangenehmer Körpergeruch zu tun vermag. Die Nichtraucher wären in ihrer persönlichen Freiheit erst eingeschränkt, wenn der Staat sie zum Rauchen verpflichten würde. Die Frage ist somit vielmehr, ob der Staat seine Pflicht, positive Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu ergreifen, verletzt, wenn er davon absieht, die Nichtraucher wirkungsvoll durch ein allgemeines Rauchverbot in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden zu schützen. Sie ist vom Strassburger Gerichtshof im Dezember 2004 negativ beantwortet worden. [...] Wie dem auch sei, unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit ist entscheidend, dass der Staat das Ziel, Nichtraucher zu schützen, durchaus auch mit weniger einschränkenden Massnahmen als einem umfänglichen und ausnahmslosen Rauchverbot in allen öffentlich zugänglichen Räumen zu erreichen vermag. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts hält eine gesetzliche Regelung, die ein bestimmtes, grundrechtlich geschütztes Verhalten untersagt, ohne irgendwelche Ausnahmen vorzusehen, vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip nur selten stand.
Die Minderheit der Verfolgten war nicht nur schwächer, sondern auch faul! In meinem Umkreis waren heute sehr viele (Raucher wie Nichtraucher), die absolut gegen das Verbot sind, trotzdem nicht bei der Abstimmung. Von allen, die mir gesagt haben, dass sie nicht zur Abstimmung gehen, war keiner ausdrücklich dafür, von denen die dafür waren, sind alle hingegangen. Und so muss es durch die Bank gewesen sein, immerhin hat nur ein einziger Landkreis (Wunsiedel) mehrheitlich dagegen gestimmt. Spitzenreiter bei Ja-Stimmen ist die Stadt Erlangen mit 73%. http://www.volksentscheid2010.bayern.de/taba4990.html
Ironie am Rande: Wieviele der Rauchverbotsbefürworter haben wohl in den letzten heißen Tagen ihre Nachbarn völlig legal und sozial akzeptiert mit Grillqualm belästigt, und zwar in einer Menge, wofür man eine ganze Trafik leerquarzen müsste?
Zitat von Meister PetzIronie am Rande: Wieviele der Rauchverbotsbefürworter haben wohl in den letzten heißen Tagen ihre Nachbarn völlig legal und sozial akzeptiert mit Grillqualm belästigt, und zwar in einer Menge, wofür man eine ganze Trafik leerquarzen müsste?
Wie wahr! Das Grillen sollte also auch schnellstens verboten werden.
Vivendi hat den wesentlichen Punkt bereits angesprochen. Gegen direktdemokratische Entscheidungen spricht es nicht grundsätzlich, daß u.U. mangels Interesse der Massen keine echte Mehrheit des Volkes dahinter steht. Solange die auf solchem Wege eingeführten Vorschriften die Grenzen der verfassungsmäßig garantierten Freiheiten einhalten. Was hier nicht der Fall ist. Das generelle Verbot, als privater Unternehmer Räumlichkeiten zum Tabakgenuß anzubieten und Gästen zugleich Getränke zu reichen, ist m.E. offenkundig mit Gewerbefreiheit, Eigentumsgarantie und allgemeiner Handlungsfreiheit nicht vereinbar. Dem einschlägigen Urteil des BVerfG, das dies anders sieht, fehlt m.E. jede tragfähige Begründung. Gegen diese Art von Institutionenversagen ist aber noch kein Kraut gewachsen.
So ärgerlich das Ergebnis dieses Volksentscheids auch sein mag, eine echte Katastrophe ist es nicht; kann doch die Regelung auf demselben Wege auch wieder geändert werden. Vielleicht lernen die vielen Desinteressierten ja etwas aus dem Vorgang, dann hätte das ganze auch etwas positives bewirkt.
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Ein bitterer Tag für unsere Freiheit. Toleranz und Augenmass haben die Gesellschaft verlassen. Leider war die viel beschworene Tabaklobby nicht präsent, es gab sie nicht. Nicht einmal wir [ein Online-Shop für Wasserpfeifen *)] haben auch nur ein einziges email erhalten, nicht von privat, nicht von Geschäftlich und auch nicht von irgendeiner Initiative. Raucher scheinen Einzelkämpfer zu sein. Eine Tabak Lobby gibt es nicht. Die Verbotsfantiker und ihr aufgehetzter Wahlmob werden sicher auch die schärferen Gesetze auf den Weg bringen, die nötig sein werden, um die neu kriminalisierte Gesellschaftsteile zu bestrafen die sich sicher nicht immer an größtenteils sinnlose Verboten halten werden. Viel Spass mit dem Rauchverbot wünsche ich auch den Anwohnern von Gaststätten und Diskotheken, und der Polizei, die das neue Prohibitionsgesetz durchsetzen muß.
*) Redigiert: der Link auf die Startseite eines Online-Shops wurde entfernt, da er gegen die Forumsregeln (s.u.) verstößt. [Kallias]
Vorab: Ich war als Nichtraucher auch gegen das Verbot, aus offensichtlichen liberalen Gründen.
Ansonsten: Die Kritik an der Institution Volksentscheid teile ich nicht.
Ja, es beteiligt sich nur eine Minderheit an der Abstimmung, denen das Thema wirklich am Herzen liegt. Aber ist das ein Problem? Auf diese Weise wird sozusagen eine Gewichtung erreicht: je wichtiger für eine Person ein Thema ist, desto eher wird er mitstimmen und desto höher ist sein Gewicht in der Abstimmung. It's not a bug, it's a feature würde ich da sagen. Warum soll auch jemand, dem das Thema egal ist, berücksichtigt werden? Seine Interessen sind so oder so nicht betroffen.
Natürlich sollte auch in einer Demokratie der Gesetzgeber nicht alles dürfen. Es darf ja wohl nicht sein, dass eine Mehrheit die Rechte einer Minderheit beliebig beschneidet. Die Nürnberger Rassegesetze sind verbrecherisch, auch wenn eine Mehrheit im Parlament diesen zustimmt. Um diesen Minderheitenschutz zu sichern, gibt es die Grundrechte. Es steht einem Betroffenen daher natürlich der Weg der Verfassungsbeschwerde gegen das Rauchergesetz offen.
Zitat von FlorianUm diesen Minderheitenschutz zu sichern, gibt es die Grundrechte. Es steht einem Betroffenen daher natürlich der Weg der Verfassungsbeschwerde gegen das Rauchergesetz offen.
Wie bereits in einem Kommentar erwähnt, stellen Raucher keine homogene Interessengruppe, sie verfügen über keine Lobby und keine namhaften Mittel. Der Gang ans Verfassungsgericht ist eine zu hohe Hürde für wenige Individuen. In der Schweiz wurde es auf Betreiben von zwei Politikern und mit deren finanzieller Hilfe trotzdem versucht, die Verfassungsmässigkeit vor dem Bundesgericht (es gibt keine Verfassungsgericht) anzufechten (meine Zitate von Prof. Auer stammen aus dieser Aktion). Der Rekurs wurde abgewiesen. Einer der sieben Bundesrichter begründete den Entscheid gegenüber der Presse: "Es steht fest, dass in der Schweiz jeden Monat etwa hundert Nichtraucher am Passivrauch sterben". Das ist das Ergebnis der gezielten, finanziell hervorragend ausgestatteten Lobbyarbeit und Propaganda des Anti-Tabak-Kartells. Inzwischen ist in der Schweiz eine weitere Volksinitiative, diesmal unterstützt aus Kreisen der Gastronomie, in Vorbereitung. Mit vermutlich wenig Aussichten auf Erfolg, dazu sind die Mehrheitsverhältnisse zahlenmässig zu einseitig. Im Kanton Genf wurde auch zweimal abgestimmt, beide Male überwogen die Stimmen für ein generelles Rauchverbot massiv.
Tja, wem wird es wohl als Nächstes an den Kragen gehen? Die Methode funktioniert ja anscheinend. So kann jede durchorganisierte pressure group ihre Ziele durchsetzen. Politiker und Bürokraten sind dankbar für jede neue Aufgabe, der sie ihren Stempel aufdrücken können, und die breite, dumpfe Masse sagt sich "Was geht mich die Freiheit der anderen an?".
Okay, die Glühlampenfreunde wurden schon überwunden, die Raucher werden stigmatisiert und kujoniert ... what's next? Vom Gefühl her würde ich auf die Autofahrer tippen, allerdings fürchtet man da noch den ADAC. Ansonsten würden sich sicherlich viele ökobewegte Großstadt-ÖPNV-Benutzer und Fahrradfahrer für ein flächendeckendes Tempolimit von 30 - 50 km/h aussprechen. Die Autofahrer könnten da kaum mitbestimmen, denn die sind ja ständig unterwegs.
Was bleibt? Die gesunde Ernährung, oder? An den Alkohol wird man zuletzt rangehen, weil dies einen Aufstand des Prekariats nach sich ziehen würde. Das widerspräche auch dem Prinzip "panem et circenses". Also Nahrung. Die Lebensmittel-Ampel ist ja schon greifbar nahe, und salz-, zucker- und fettreduzierter Kram wird ja heute schon massig beworben. Kaum ein Lebensmittel wird ja noch angepriesen, bei dem nicht auf ohne Konservierungsmittel und Geschmacksverstärker hingewiesen wird. Nebenbei, wenn sich mal sowas irrtümlich in unseren Einkaufskorb verirrt hatte (schicke Verpackung, hoher Preis) waren wir hernach grundsätzlich vom Geschmack gelangweilt, wenn nicht gar angeekelt.
Also ich tippe auf den nächsten Angriff bei Salz, Zucker, Fett, Konservierungsstoffen und Geschmacksverstärkern. Essen muss auch der doofe Otto Normalverbraucher - und wenn ihm ständig suggeriert wird, dass der Staat ja nur sein Bestes will, dann wird er sich schon, grummelnd, fügen. Es darf nur nicht sprunghaft geschehen, eher so wie beim Frosch im langsam hochkochenden Wasser.
Wenn ich über einen neuen Fall dieses allgemeinen Verbotsirrsinns informiert werde, muss ich immer an Martin Niemöller denken. Auch wenn ich jetzt 'nen Goodwin-Point kassiere:
Zitat von Martin Niemöller„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich nicht protestiert; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie die Juden holten, habe ich nicht protestiert; ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
" Der Gang ans Verfassungsgericht ist eine zu hohe Hürde für wenige Individuen. "
Na, so hoch ist die Hürde auch nicht. Und wenn es in ganz Bayern keine einzige Person geben sollte, die sich durch diesen Grundrechtseingriff so sehr gestört fühlen sollte, dass sie deswegen vor Gesricht gehen will, dann wird dieser Eingriff wohl kaum so schlimm sein.
(Im übrigen: RAUCHER werden m.E. in ihren Grundrechten auch gar nicht tangiert. Denn niemand hat ein Recht darauf, in fremden Räumen zu rauchen, wenn der Hausherr (hier: der Wirt) dies in seiner Hausordnung verbietet. Wirklich in ihren Rechten betroffen sind daher die WIRTE. Diese werden in der Nutzung ihrer eigenen Räume beschränkt. Und dass der Hotellerie- und Gaststättenverband kampagnenfähig ist, hat er ja erst jüngst mit seiner Aktion "7%" bewiesen.)
Der Widerspruch kommt heute von M.M. beim A-Team. Mit Blick auf die Schweiz: Dort ist die Wahlbeteiligung selten hoeher als 40% und die Mehrheiten sind aehnlich. Nicht zu unrecht wird darauf verwiesen, dass Meinungsumfragen mit einer Stichprobe von 1000 oder 2000 repraesentativ angesehen werden und 37% es dann wohl durchaus ebenfalls sind.
Zitat von CalimeroTja, wem wird es wohl als Nächstes an den Kragen gehen? Die Methode funktioniert ja anscheinend. So kann jede durchorganisierte pressure group ihre Ziele durchsetzen. Politiker und Bürokraten sind dankbar für jede neue Aufgabe, der sie ihren Stempel aufdrücken können, und die breite, dumpfe Masse sagt sich "Was geht mich die Freiheit der anderen an?". Okay, die Glühlampenfreunde wurden schon überwunden, die Raucher werden stigmatisiert und kujoniert ... what's next? Vom Gefühl her würde ich auf die Autofahrer tippen, allerdings fürchtet man da noch den ADAC. Ansonsten würden sich sicherlich viele ökobewegte Großstadt-ÖPNV-Benutzer und Fahrradfahrer für ein flächendeckendes Tempolimit von 30 - 50 km/h aussprechen.
Nicht nur die, sondern auch die ökobewegten "Selten-Autofahrer", die den VW Sharan nur am Wochenende aus der solarbedeckten Einzelgarage holen. Im Landkreis, wo ich früher gewohnt habe, gab es schon 1996, als ich den Führerschein gemacht habe, in einer Gemeinde ein flächendeckendes Tempo 30, das von den Einwohnern mit Begeisterung begrüßt wurde. Die haben sogar versucht, das auf der Ortsdurchfahrt durchzubekommen, die aber eine Staatsstraße ist.
Und Goodwin-Points habe ich gestern auch schon einige bekommen...
Zitat von DagnyNicht zu unrecht wird darauf verwiesen, dass Meinungsumfragen mit einer Stichprobe von 1000 oder 2000 repraesentativ angesehen werden und 37% es dann wohl durchaus ebenfalls sind. http://www.antibuerokratieteam.net/2010/...bayern-sagt-ja/
Sehr zu unrecht, wie ich finde: 1000 zufällig ausgewählte Bürger sind repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, die 37,7% überdurchschnittlich Interessierten sind es nicht.
Treffend finde ich hingegen Florians Argument:
Zitat von FlorianAuf diese Weise wird sozusagen eine Gewichtung erreicht: je wichtiger für eine Person ein Thema ist, desto eher wird er mitstimmen und desto höher ist sein Gewicht in der Abstimmung. It's not a bug, it's a feature würde ich da sagen.
Zitat von DagnyNicht zu unrecht wird darauf verwiesen, dass Meinungsumfragen mit einer Stichprobe von 1000 oder 2000 repraesentativ angesehen werden und 37% es dann wohl durchaus ebenfalls sind. http://www.antibuerokratieteam.net/2010/...bayern-sagt-ja/
Sehr zu unrecht, wie ich finde: 1000 zufällig ausgewählte Bürger sind repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, die 37,7% überdurchschnittlich Interessierten sind es nicht.
Völlig richtig. Das hat auch ein gewisser Gorgasal beim Antibürokratieteam angemerkt.
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von KalliasTreffend finde ich hingegen Florians Argument:
Zitat von FlorianAuf diese Weise wird sozusagen eine Gewichtung erreicht: je wichtiger für eine Person ein Thema ist, desto eher wird er mitstimmen und desto höher ist sein Gewicht in der Abstimmung. It's not a bug, it's a feature würde ich da sagen.
Und genau das finde ich eben nicht treffend. Es gibt eine ganz vorzügliche Institution, die exakt solch eine Gewichtung vornimmt und als Information an alle Beteiligten - Wirte, Gäste und so weiter - weiterträgt, dabei aber nicht mit dem Holzhammer eines allgemeinen Verbots vorgeht, sondern Platz für spezifische Lösungen, Nischen oder neue Herangehensweisen lässt: den Markt.
Wenn es jemandem unglaublich wichtig ist, dass er in ein rauchfreies Festzelt gehen kann, dann ist er ein guter Kunde für einen rauchfreien Festzeltbetreiber. Und wenn es genügend solche Leute gibt, dann wird es auf der Wiesn auch rauchfreie Festzelte geben.
Ein bisschen sehr zweifelhaft finde ich, jemandem besonders viel Relevanz zuzuschreiben, dessen Interesse für das Thema soweit geht, dass er seinen Mitmenschen das Passivrauchen in der Kneipe verbieten will - auch wenn er selbst möglicherweise seit Monaten nicht mehr in einer Kneipe war und nicht einmal einen Lieblingswirt hat, der jetzt in seiner Existenz bedroht ist.
Gegenbeispiel: sollen wir all den Klimaschutzhippies zusätzliche Wählerstimmen geben, wenn es um den Umweltschutz geht, weil das Thema ihnen so unglaublich wichtig ist?
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Zitat von FlorianAnsonsten: Die Kritik an der Institution Volksentscheid teile ich nicht.
Ihrer Argumentation ich mich anschließen. Nur sehe ich die Gefahr, dass Minderheitenschutz und die Einschränkungen des Gesetzgebers in einer direkten Demokratie schwieriger umzusetzen sind, denn ein Volksentscheid schafft erst einmal gefühlte Legitimität. Jedenfalls bei solchen, die für Verfassungsschranken nicht gerade sensibilisiert sind.
Auf der anderen Seite wäre die direkte Demokratie eine Chance den Sinn und die Notwendigkeit solcher zu kommmunizieren. Nur leider sind die lautestes Vertreter von Volksentscheiden keine glühenden Anhänger davon.
Zitat von Gorgasal Ein bisschen sehr zweifelhaft finde ich, jemandem besonders viel Relevanz zuzuschreiben, dessen Interesse für das Thema soweit geht, dass er seinen Mitmenschen das Passivrauchen in der Kneipe verbieten will - auch wenn er selbst möglicherweise seit Monaten nicht mehr in einer Kneipe war und nicht einmal einen Lieblingswirt hat, der jetzt in seiner Existenz bedroht ist. Gegenbeispiel: sollen wir all den Klimaschutzhippies zusätzliche Wählerstimmen geben, wenn es um den Umweltschutz geht, weil das Thema ihnen so unglaublich wichtig ist?
Ich könnte damit ganz wunderbar leben, in der Diskussion um die Kernenergie nur ausgewiesenen Physikern und Elektroingenieuren eine Stimme zu geben
Scherz beiseite, ich sehe Ihr Problem natürlich, aber ist die Übergewichtung radikalerer Meinungen nicht ein grundsätzliches Problem der Demokratie? Haben Sie Vorschläge, wie man das vermeiden könnte? Deswegen auf jede Form der direkten Demokratie zu verzichten bereitet mir um ehrlich zu sein etwas Magenschmerzen.
Zitat von energistScherz beiseite, ich sehe Ihr Problem natürlich, aber ist die Übergewichtung radikalerer Meinungen nicht ein grundsätzliches Problem der Demokratie? Haben Sie Vorschläge, wie man das vermeiden könnte? Deswegen auf jede Form der direkten Demokratie zu verzichten bereitet mir um ehrlich zu sein etwas Magenschmerzen.
In meiner persönlichen Traumwelt gäbe es mehr Vertrauen in den Markt und weniger Bevormundung durch den Staat. Denn auch direktdemokratische Bevormundung ist Bevormundung. Und den Kindern würde im Kindergarten nicht beigebracht, dass die Getränkedose böse ist, sondern dass zwischenmenschliche Interaktion zuerst einmal nicht Sache des Staates ist, egal wie direktdemokratisch legitimiert, und dass es sehr wenige Bereiche gibt, in die der Staat tatsächlich legitim eingreifen darf - dort können wir uns in mancherlei Hinsicht gerne über direkte Demokratie unterhalten. Aber mein Problem beim Rauchverbot ist nicht die direkte Demokratie an sich, sondern der völlig unfreiheitliche Eingriff des Staates in die Gewerbefreiheit der Wirte. Ob das durch eine Mehrheit der Abstimmenden im Volk oder im Landtag abgesegnet wird, ist mir egal.
Wie gesagt, meine persönliche Traumwelt...
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Es ist doch bei uns so: Normalerweise entscheiden einige wenige Repraesentanten fuer deren Wahlergruppe. Das kann die Bundesregierung fuer 80 Millionen sein, das kann der Kaninchenzuechtervereinsvorstand fuer seine 30 Mitglieder sein.
Die Entscheidungen dieser Gremien fallen nach gewissen Regeln, sie treffen auf Zustimmung oder Ablehnung bei der Wahlergruppe und sie werden u.U. nicht von der Mehrheit der Waehlergruppe unterstuetzt und gelten dennoch. Das sind die Regeln der repraesentativen Demokratie. Die Repraesentanten werden sich regelmaessig zur Wiederwahl stellen und oft genug mangels Alternative im Paket bestaetigt.
Manchmal gibt es Fragen, die zur Abstimmung an die Wahlergruppe gegeben werden oder wie im Volksentscheid aus der Waehlergruppe heraus geloest werden wollen. Es wird vorab uber das Anliegen informiert, es wird eine Kampange gefahren und es wird eine Entscheidung getroffen. Wiederum fuer alle gueltig, auch die wo nicht abgestimmt haben. Das Vorgehen unterscheidet sich hier nicht zwischen dem Bundesland Bayern und dem Kaninchenzuechterverein.
Man kann nun den Modus des Entscheidungsfinden per Mehrheitsbeschluss kritisieren. Da ist die liberale Position zu nennen, die Minderheiten- und Individuelle Rechte uber die Mehrheitsentscheidung stellt.
Das Verfahren 'Abstimmung der Waehlergruppe' zu kritisieren und gleichzeitig das Verfahren 'Entscheid der Repraesentanten' zu billigen, hinkt hingegen. Es hingt am mangelnden Vertrauen in die Wahlergruppe oder an zu viel Vertrauen in die Repraesentantengruppe.
Zitat von energistScherz beiseite, ich sehe Ihr Problem natürlich, aber ist die Übergewichtung radikalerer Meinungen nicht ein grundsätzliches Problem der Demokratie? Haben Sie Vorschläge, wie man das vermeiden könnte? Deswegen auf jede Form der direkten Demokratie zu verzichten bereitet mir um ehrlich zu sein etwas Magenschmerzen.
Das übliche Gegenmittel ist das Zustimmungsquorum.
Zitat von GorgasalEs gibt eine ganz vorzügliche Institution, die exakt solch eine Gewichtung vornimmt und als Information an alle Beteiligten - Wirte, Gäste und so weiter - weiterträgt, dabei aber nicht mit dem Holzhammer eines allgemeinen Verbots vorgeht, sondern Platz für spezifische Lösungen, Nischen oder neue Herangehensweisen lässt: den Markt.
Wo es sich nicht um Gemeinschaftsbelange handelt, sondern um persönliche Präferenzen, ist der Markt sicherlich das bessere Instrument. (Als stimmberechtigter bayrischer Staatsbürger hätte ich das Volksbegehren dementsprechend nicht unterschrieben.)
Florians Argument bezog sich jedoch auf die grundsätzliche Kritik an Volksabstimmungen, bei denen sich eine Minderheit gegen die Mehrheit von Abstentionierern durchsetzen kann.
Zitat von GorgasalGegenbeispiel: sollen wir all den Klimaschutzhippies zusätzliche Wählerstimmen geben, wenn es um den Umweltschutz geht, weil das Thema ihnen so unglaublich wichtig ist?
Die "Klimaschutzhippies" befürchten ja eher, dass die Demokratie das Überleben der Menschheit gefährdet, weil der dummen Mehrheit ihr Geldbeutel wichtiger ist als der so notwendige Klimaschutz.
Insofern heben sich die beiden Befürchtungen auf.
Abstimmende sind nunmal unterschiedlich stark interessiert, und es ergibt schon einen Sinn, wenn dieser Unterschied bei Entscheidungen eine Rolle spielt. Angenommen, drei Kumpels wollen eine Kneipe aufsuchen, wobei zwei die Kneipe A gegenüber B leicht bevorzugen, der Dritte hingegen A scharf ablehnt, während B sein Lieblingslokal ist. Da erscheint es doch naheliegend zu sein, zu B zu gehen, trotz der Zweidrittelmehrheit für A, nicht wahr?
Es wurde schon vorgeschlagen, in Ländern, wo es regelmäßig Volksabstimmungen gibt, den Stimmberechtigen befristete Stimmkontingente zu geben, also vielleicht 100 Stimmen pro Jahr, die sie dann auf die einzelnen Abstimmungen nach Belieben verwenden können. Auf diese Weise könnte die Stärke der Präferenzen zum Ausdruck kommen. Die einfache Lösung, bei verhältnismäßig unwichtigen Fragen zuhause zu bleiben, hat jedoch denselben Effekt, nur etwas gröber.
Obwohl Nichtraucher, bin auch gegen dieses Rauchverbot. Es sind dabei nicht nur grundsätzliche Erwägungen, sondern ich denke auch an die wirtschaftliche Existenz von Gaststättenbetreibern. In den letzten Jahren hatte ich immer mehr den Eindruck, dass Bierkneipenbesucher fast immer auch rauchen, was mich immer mehr davon abhielt diese Lokale zu besuchen.
Wenn jetzt die Raucher zu ihrem Bier nicht mehr rauchen dürfen, werden sie verstärkt zu Hause trinken. Die Anzahl der Raucher wird durch diese Regelung sicherlich nicht abnehmen, aber der Gastronomie, die schon seit Jahren Umsatzrückgänge hinnehmen musste, wird ein weiterer Schlag versetzt.
Die rechtlichen Probleme hat Vivendi bereits angesprochen. Ob die Regelung verfassungsmäßig ist, wird letztlich Karslruhe entscheiden. Es wird sich bestimmt ein Kläger finden, der die Ochsentour absolviert.
Warum das Ergebnis gegen die direkte Demokratie sprechen soll, erschließt sich mir auch nicht ansatzweise. Um zu dieser Schlußfolgerung zu gelangen, muß man die Augen vor den Mängeln der repräsentativen Demokratie - wie sie in der Bundesrepublik derzeit ausgestaltet ist- schon sehr fest verschließen.
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