Wenn ich einen Artikel wie diesen schreibe, dann bin ich mir oft unsicher, ob das eigentlich alles trivial ist oder zu spekulativ.
Vielleicht werden die einen finden, daß ich offene Türen einrenne; und die anderen, daß man "doch nicht so einfach die ganze Komplexität der Geschichte der Bundesrepublik in das Schema von drei Epochen pressen" dürfe.
Mag sein; das eine oder das andere (beides geht ja nicht gut). Aber was das Schema angeht, möchte ich zu bedenken geben: Manchmal werden Informationen erst dann verfügbar, wenn man vergröbert. Nehmen sie ein gepixeltes Gesicht. Wenn Sie es normal angucken, Sehen sie nur die Quadrate. Jetzt legen sie ein Blatt Pergament o.ä. darüber, oder Milchglas: Es erscheint ein Gesicht, wenn auch nicht sehr scharf.
Kurzsichtige können dasselbe sehen, wenn sie einfach die Brille abnehmen.
QED Oder um es mit einem üblen Anglizismus zu sagen: "you made my day"
Neulich las ich einen Internet-Forum einen interessanten Kommentar. "Roland Koch wird auf Granit beissen" hiess es dort. Gemeint war natürlich die Koch-Brenda-Affäre bzgl. politischer Einflussnahme auf das ZDF. "Er wird deshalb auf Granit beissen, da 80% der ZDF-Redakteure das Parteibuch der Grünen besitzen. Daran kann auch ein Roland Koch nichts ändern".
Ich hielt diesen Kommentar anfangs für (relativ stark) übertrieben. Angesichts der aktuellen öffentlich-rechtlichen Dauerindoktrination und geradezu unterirdischen Propaganda zum Thema Kernenergie muss ich mich wohl korrigieren. Die Aussage stimmt. Die Aussage stimmt insofern noch mehr, da tagesschau.de sämtliche Kommentarfunktionen zu und über Thilo Sarrazin abgeschaltet hat.
Es darf über alles mögliche auf tagesschau.de diskutiert werden... es ist uns großzügig erlaubt, die böse Atomenergie so böse zu finden wie wir wollen. Oder die dahinter stehenden Konzerne, die so böse sind, dass selbst Bokassa und Saddam Hussein dagegen verblassen.
Nur eines dürfen wir auf tagesschau.de nicht: über Herrn Sarrazin und sein Buch diskutieren. Das ist Policital-correctness-at-his-worst. Im ÖR sitzt die Alt68-er Gutmensch-Generation am Zensurknopf.
PS: falls sie mir nicht glauben dann rufen Sie doch bitte tagesschau.de auf und überzeugen sich selbst. Sie dürfen über alles mögliche diskutieren. Über Kernenergie, Deutsche-Bank-Ackermann und FDP-Steuerpläne... aber sie dürfen nicht über die Thesen von Thilo Sarrazin diskutieren.
Zitat von Reiner aus dem SaarlandNur eines dürfen wir auf tagesschau.de nicht: über Herrn Sarrazin und sein Buch diskutieren.
Und jeder, der sich dort äußern wollte - vielleicht ja sogar gegen Sarrazin -, wird nachdenklich werden.
Zensur funktioniert immer nur, solange Angst da ist. Es ist das Verdienst von Thilo Sarrazin, daß er sich dieser Methode der Zensur dadurch, daß man jemanden mit einer Diffamierungskampagne überzieht, nicht gebeugt hat.
Er hat auf der Pressekonferenz am 31. August gesagt, daß er wußte, was auf ihn zukommen würde und später, daß er es ohne seine psychische Robustheit nicht durchhalten würde.
Er war damit das Vorbild für andere, sich zu trauen. Zunächst nur in der Öffentlichkeit der Bürger, nicht derjenigen der Medien. Aber jetzt trauen sich auch schon Journalisten; siehe Zastrow.
Von den Politikern hat sich bisher nur Erika Steinbach getraut; und Leute wie Klaus von Dohnanyi, die keine Ambitionen mehr haben.
Steinbach soll jetzt ihrerseits fertiggemacht werden. Man wird sehen, ob das gelingt. Der CDU-Ortsverband Frankfurt hat sich bereits hinter sie gestellt.
Wenn meine These stimmt, dann wird es nicht gelingen. Der Geist ist aus der Flasche. Ich habe 1967/68 erlebt, wie schnell sich Meinungen ändern können, wie schnell Menschen auf einmal "politisiert" sind.
Zitat von ZettelVielleicht werden die einen finden, daß ich offene Türen einrenne;
Ganz im Gegenteil - gerade die Charakterisierung der rot/grünen Zeit als Restauration ist eine ebenso klare wie neue Beschreibung.
Zitat daß man "doch nicht so einfach die ganze Komplexität der Geschichte der Bundesrepublik in das Schema von drei Epochen pressen" dürfe.
Solche Beschränkung auf wesentliche Faktoren ist das Wesen von Geschichtsschreibung, nur so kann man sich überhaupt im Gewusel der Einzelfiguren und Ereignisse orientieren.
Lieber Zettel, das ist eine ganz hervorragende Analyse, vielen Dank dafür.
Zitat von ZettelVielleicht werden die einen finden, daß ich offene Türen einrenne;
Ganz im Gegenteil - gerade die Charakterisierung der rot/grünen Zeit als Restauration ist eine ebenso klare wie neue Beschreibung.
Neu ja, aber klar? Was genau sollte denn restauriert werden? Gut, die Meinungshoheit der Ökos gemahnt an die der katholischen Kirche der fünfziger Jahre, aber natürlich mit völlig anderen Grundlagen und Zielen, und ich halte es für recht gewagt, den 68ern nachzusagen, sie hätten sich bewusst darauf bezogen. Nein, "Restauration" finde ich hier sehr unglücklich. Viel mehr erinnert es mich an die Herrschaft des Wohlfahrtsausschusses, der auch ganz genau wusste, wie ein "vernünftiges" Leben aussah und wie man die Bürger am besten zu ihrem Glück zwingen konnte.
Zum Glück ist die Guillotine mittlerweile aus der Mode. Nur der öffentliche Pranger erfreut sich einer Renaissance, um den historischen Metaphern-Obstsalat zu vervollständigen
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Verwandt: Linke in den USA stellen fest, dass die Plebs nicht mit ihrer Weltanschauung übereinstimmt. Das kann natürlich nur an Unvernunft liegen!
Zitat von George Packer[T]he main fact of our lives is the overwhelming force of unreason. Evidence, knowledge, argument, proportionality, nuance, complexity, and the other indispensable tools of the liberal mind don’t stand a chance these days against the actual image of a mob burning an effigy, or the imagined image of a man burning a mound of books. ....
This is why Obama seems less and less able to speak to and for our times. He’s the voice of reason incarnate, and maybe he’s too sane to be heard in either Jalalabad or Georgia.
Aber gut, nicht nur Linke, sondern auch Liberale bezeichnen den Konservatismus gerne mit Epitheta wie "irrational ... Autoritarismus, das hierarchische Denken, die Kleinkariertheit, der Kollektivismus, die Brutalität..."
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von Die bunte Republik ...Die Farben und das Muster seien nicht allein ungewöhnlich schön, sondern die Kleider, die von dem Zeuge genäht würden, sollten die wunderbare Eigenschaft besitzen, daß sie für jeden Menschen unsichtbar seien, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei. ....
Zitat von Die Stimme der Unschuld"Aber er hat ja gar nichts an!" sagte endlich ein kleines Kind. "Hört die Stimme der Unschuld!" sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.
"Aber er hat ja gar nichts an!" rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ,Nun muß ich aushalten.' Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.
Zitat von ZettelWenn meine These stimmt, dann wird es nicht gelingen. Der Geist ist aus der Flasche. Ich habe 1967/68 erlebt, wie schnell sich Meinungen ändern können, wie schnell Menschen auf einmal "politisiert" sind.
Ich teile diese Einschätzung nicht, da es sich hier lediglich um eine virtuelle Politisierung der "unverzeihlich Dummen" handelt, die lediglich ausgehalten werden muss, dann geht sie auch wieder vorüber. Die Erfahrung der letzten Jahre gibt dem auch Recht, da das Mobilisierungspotential lediglich bei "linken" Themen oder Themen, die links besetzt wurden, vorhanden ist.
Zitat von GorgasalWas genau sollte denn restauriert werden?
Das ist hier tatsächlich ein schwieriger Begriff. Zettel schreibt ja auch, daß im Unterschied zu einer klassischen Restauration rot/grün ja gar keine vorherige Epoche hatten, die sie hätten restaurieren können. Eigentlich haben sie versucht eine Fiktion zu restaurieren - nämlich die 70er Jahre, die sie sich gewünscht hätten, wenn sie damals Macht gehabt hätten.
Die Schröder-Regierung war in der Tat eine merkwürdig rückwärts gewandte Zeit, es wurden Antworten auf Fragen versucht, die 20 Jahre vorher gestellt worden waren und längst nicht mehr aktuell waren.
Es ist auch kein Zufall, daß "Sozialabbau" seitdem DER Schlachtruf der Linken geworden ist. Denn das impliziert ja, irgendwann früher wäre alles viel besser gewesen, abbauen kann man nur, was mal aufgebaut war. Keiner der Linken wird konkret sagen können, wann genau vor dem "Sozialabbau" denn der Sozialstaat so viel besser als heute gewesen sein soll. Weil eben das Restaurationsbestreben sich nicht auf eine reale Epoche richtet, sondern auf eine Fiktion.
Nola
(
gelöscht
)
Beiträge:
14.09.2010 13:12
#9 RE: Geht die dritte Phase in der Geschichte der Bundesrepublik zu Ende?
eine sehr nachvollziehbare Beschreibung der "Epochen". Die etwas "Betagteren" unter uns, werden das eher nachempfinden können. Ich glaube auch, das die 3. Epoche schon mit der letzten Bundestagswahl zu Ende ging, insofern der Bürger mit Glauben an Veränderung diese Koalition gewählt hatte.
Leider haben es beide Koalitionspartner vermasselt. Sie hatten die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Jetzt ist die nächste Chance da und wieder tut sich die Koalition schwer ein "Großreinemachen" zu starten. Sie eiern - wie gehabt - um eigene Personalien und Selbstzerlegung ihrer Grundsätze.
Wem soll der Bürger sich noch anvertrauen, wem soll er glauben? Wählen und sich damit in Vertretung seiner Interessen und auch Weltanschauung wiederzufinden, kann man bis jetzt vergessen. Das Wahlversprechen hinter her nichts mehr taugen, hat man schon fast als normal inhaliert. Wir stellen uns nur noch gegen das kleinere Übel, statt etwas Besseres zu konzipieren. Die allgemeine Stimmung befindet sich im unteren Drittel, statt im Oberen. So kann kein Fortschritt im handeln und denken entstehen.
Was ist aber, wenn unsere Parteien und Politiker nur Scheingefechte ausführen, um den Bürger bis zur kompletten EU-Übernahme ruhig zu stellen. Das allerdings würde vieles erklären und möglicherweise die 4. Epoche einleiten.
Zitat von GorgasalWas genau sollte denn restauriert werden? Gut, die Meinungshoheit der Ökos gemahnt an die der katholischen Kirche der fünfziger Jahre, aber natürlich mit völlig anderen Grundlagen und Zielen, und ich halte es für recht gewagt, den 68ern nachzusagen, sie hätten sich bewusst darauf bezogen. Nein, "Restauration" finde ich hier sehr unglücklich.
Oh, dann haben Sie mich gründlich mißverstanden. Und wenn das Ihnen passiert, verehrter Gorgasal, dann muß ich den Artikel an dieser Stelle wohl a bisserl überarbeiten.
Diese Leute - diese Kohorte der um 1945 geborenen - repräsentieren das Denken der 70er Jahre. Die haben sie geprägt. Über die sind sie nicht hinausgekommen; außer daß sie in unterschiedlichem Maß zynisch geworden sind. Antiamerikanismus, Anti-AKW, Klassenkampf usw.
Als sie endlich - eine ganze Generation zu spät - an die Macht kamen, wollten sie diesen Geist der Siebziger restaurieren, wollten die damaligen Ideen neu beleben. Inwzwischen stand aber ganz Anderes auf der Tagesordnung.
Das machte die Sache so gespenstisch. Und deshalb mußte Schröder mit der Agenda 2010 das Ruder herumreißen, weil man sich irgendwann vor der Realität nicht mehr drücken konnte.
Das meinte ich mit Restauration, nicht etwa einen Rückbezug auf die Adenauer-Zeit.
Zitat von GorgasalWas genau sollte denn restauriert werden? Gut, die Meinungshoheit der Ökos gemahnt an die der katholischen Kirche der fünfziger Jahre, aber natürlich mit völlig anderen Grundlagen und Zielen, und ich halte es für recht gewagt, den 68ern nachzusagen, sie hätten sich bewusst darauf bezogen. Nein, "Restauration" finde ich hier sehr unglücklich.
Oh, dann haben Sie mich gründlich mißverstanden. Und wenn das Ihnen passiert, verehrter Gorgasal, dann muß ich den Artikel an dieser Stelle wohl a bisserl überarbeiten.
Die Frage nach dem Ende der dritten Phase habe ich Zettel in einem anderen Zusammenhang, die ideologiefreie Aufarbeitung der 68er betreffend, schon beantwortet. Damals meinte ich, Zettels Optimismus, den ich immer wieder bewundere, wäre verfrüht, um mindestens zehn Jahre verfrüht. Meinungen können sich schnell ändern oder umschlagen, Anschauungen (Weltbilder) schon sehr viel schwerer.
Zitat von C.
Zitat von ZettelWenn meine These stimmt, dann wird es nicht gelingen. Der Geist ist aus der Flasche. Ich habe 1967/68 erlebt, wie schnell sich Meinungen ändern können, wie schnell Menschen auf einmal "politisiert" sind.
Ich teile diese Einschätzung nicht, da es sich hier lediglich um eine virtuelle Politisierung der "unverzeihlich Dummen" handelt, die lediglich ausgehalten werden muss, dann geht sie auch wieder vorüber. Die Erfahrung der letzten Jahre gibt dem auch Recht, da das Mobilisierungspotential lediglich bei "linken" Themen oder Themen, die links besetzt wurden, vorhanden ist.
Ich kann Ihnen nur zustimmen. Die momentane Aufregung sitzt unsere Meinungs- oder Deutungshoheitselite auf einer Backe ab.
Ich halte es da mit Max Planck, dem zufolge sich neue Ideen nicht etwa dadurch durchsetzen, dass die Anhänger der alten Vorstellungen überzeugt werden, sondern dass es vielmehr so ist, dass die Vertreter der alten Schule aussterben müssen, um dem Neuen Platz zu machen.
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – Ingeborg Bachmann
Zitat von Uwe RichardIch halte es da mit Max Planck, dem zufolge sich neue Ideen nicht etwa dadurch durchsetzen, dass die Anhänger der alten Vorstellungen überzeugt werden, sondern dass es vielmehr so ist, dass die Vertreter der alten Schule aussterben müssen, um dem Neuen Platz zu machen.
Das sehe ich auch so (ich habe mein Abi ja auch an einem Max-Planck-Gymnasium gemacht ;-)
Aber beim "aussterben" reicht hier in der Regel der Abschied aufs Altenteil, damit der weitgehende Verlust der Möglichkeit, in der Öffentlichkeit Meinung zu machen. Die eigentlichen 68er sind aber schon fast alle pensioniert, bei ihren Epigonen (m. E. ohnehin die Schlimmeren) ist das im Gange. Siehe Joschka Fischer ... Oder um mal die journalistische Misere auf einen Punkt zu bringen: Heribert Prantl ist 57 und sein Abgang dürfte absehbar sein.
Natürlich sind auch die nachrückenden jüngeren Journalisten etc. fast alle links orientiert. Aber meistens doch weniger dogmatisch, und sie haben stärker als die alten Herren begriffen, daß es eine Öffentlichkeit außerhalb der Redaktionen gibt.
Ich sehe diese Restauration in der rotgrünen Zeit weniger. Die rotgrüne Bundesregierung hat vor allem zum Ende hin das ein oder andere Eisen angepackt, das zu reanimierten Träumereien aus den 70er Jahren nun überhaupt nicht passt - sei es die Beteiligung im Balkankonflikt, aufgrund derer sich u.a. Joschka Fischer als "Kriegstreiber" beschimpfen lassen musste. Oder sei es die von Ihnen zitierte Agenda 2010, die alles andere ist, nur keine Sozialstaatsromantik, sondern mit "Ich-AG" und ähnlichen Vokabeln eher Marketingsprech aus den 1980ern.
Ein eher bräsiges Weiter-so sah ich vielmehr vor allem in den letzten Jahren der Regierung Kohl. Hier fehlten tatsächlich die Impulse, die das Land benötigte. Es fehlte - abgesehen von Infrastrukturaufbau und Außenpolitik - auch jede Diskussion darüber, inwiefern sich Deutschland durch die Einheit verändert hatte.
Zitat von Uwe RichardIch halte es da mit Max Planck, dem zufolge sich neue Ideen nicht etwa dadurch durchsetzen, dass die Anhänger der alten Vorstellungen überzeugt werden, sondern dass es vielmehr so ist, dass die Vertreter der alten Schule aussterben müssen, um dem Neuen Platz zu machen.
Ich, lieber Uwe Richard, glaube eher Oswald Spengler: "Diese abstrakten Ideale ... werden zuletzt nicht etwa widerlegt, sondern langweilig".
Ich hatte das Zitat in Erinnerung, wollte es aber verifizieren, weil ich nicht mehr genau wußte, ob es "Ideen" oder "Ideologien" geheißen hatte. Richtig ist aber "Ideale". Und gefunden habe ich das Zitat ausgerechnet bei Adorno.
(Das Smilie gibt Adorno ganz gut wieder, so wie ich ihn erlebt habe).
Zitat von Thomas PauliIn der Tat beeindruckend, die Kommentare! Danke für den Fund!
Ja, das ist wirklich interessant, weil da ja offenbar Leute kommentieren, die sich mit der evangelischen Kirche auf die eine oder die andere Art verbunden fühlen.
Wenn ich mich recht erinnere, wurde anläßlich der Trunkenheitsfahrt berichtet, daß Käßmann in der Kirche keineswegs dasselbe Ansehen genießt wie in der Öffentlichkeit. Daß beispielsweise massive Kritik an ihrer Amtsführung geübt wurde. Diese Starallüren, diese selbstgerechte Art, mit der sie sich äußert, dürfte auch manchem Protestanten mißfallen.
Das ist die eine Seite. Die andere ist, daß Sarrazin ja wirklich etwas "Evangelisches" an sich hat. (Ich weiß nicht, ob Herr mir da zustimmt). Ich sage das nicht, weil er Nachkomme von Hugenotten ist. Sondern weil er diese charakterstarke, allein an der Wahrheit orientierte Haltung hat, wie sie im Protestantismus häufig war (und, wie man sieht, noch gelegentlich ist). Da ist bei ihm schon etwas von "hier stehe ich, ich kann nicht anders", auch wenn er Nachfahre von Calvinisten ist.
Ich könnte mir schon denken, daß ihm aus der evangelischen Kirche viel Sympathie entgegengebracht wird.
Zitat von Zetteldiese charakterstarke, allein an der Wahrheit orientierte Haltung hat, wie sie im Protestantismus häufig war (und, wie man sieht, noch gelegentlich ist)
Sie wissen schon, dass Katholiken nicht so ganz zustimmen können, wenn Sie diese Haltung jetzt hauptsächlich dem Protestantismus zuschreiben? Immerhin haben wir auch einen rechten Haufen an Märtyrern...
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von GorgasalSie wissen schon, dass Katholiken nicht so ganz zustimmen können, wenn Sie diese Haltung jetzt hauptsächlich dem Protestantismus zuschreiben? Immerhin haben wir auch einen rechten Haufen an Märtyrern...
Ach, aber wir können da ruhig ein Auge zudrücken. Immerhin kann man es als katholischer Märtyrer soweit bringen, dass eine Milliarde Katholiken einen Gedenktag feiern oder sogar den eigenen Vornamen in der Allerheiligenlitanei beten, da dürfen die Protestantischen Märtyrer ruhig ein bissl ein positives Image haben.
Aber Spaß beiseite, es wäre ja nicht das erste Mal, dass das Marketing der Protestanten (oder gerade ihr Verzicht darauf) die Bonhoeffers bekannter macht als die Reichsbischof Müllers, während die Rupert Mayers im Bekanntheitsgrad immer hinter den Pacellis und Torquemadas zurückstecken müssen. Da heißt es drüberstehen
Zitat von GorgasalSie wissen schon, dass Katholiken nicht so ganz zustimmen können, wenn Sie diese Haltung jetzt hauptsächlich dem Protestantismus zuschreiben? Immerhin haben wir auch einen rechten Haufen an Märtyrern...
Ach, aber wir können da ruhig ein Auge zudrücken. Immerhin kann man es als katholischer Märtyrer soweit bringen, dass eine Milliarde Katholiken einen Gedenktag feiern oder sogar den eigenen Vornamen in der Allerheiligenlitanei beten, da dürfen die Protestantischen Märtyrer ruhig ein bissl ein positives Image haben.
Zitat Aber Spaß beiseite, es wäre ja nicht das erste Mal, dass das Marketing der Protestanten (oder gerade ihr Verzicht darauf) die Bonhoeffers bekannter macht als die Reichsbischof Müllers, während die Rupert Mayers im Bekanntheitsgrad immer hinter den Pacellis und Torquemadas zurückstecken müssen. Da heißt es drüberstehen
Na, den Herrn Pacelli zu verunglimpfen wollen wir doch den Hochhuths dieser Welt überlassen, oder?
-- La función didáctica del historiador está en enseñarle a toda época que el mundo no comenzó con ello. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von Zetteldiese charakterstarke, allein an der Wahrheit orientierte Haltung hat, wie sie im Protestantismus häufig war (und, wie man sieht, noch gelegentlich ist)
Sie wissen schon, dass Katholiken nicht so ganz zustimmen können, wenn Sie diese Haltung jetzt hauptsächlich dem Protestantismus zuschreiben? Immerhin haben wir auch einen rechten Haufen an Märtyrern...
Ja, gewiß doch, lieber Gorgasal. Und auch wir Agnostiker, wenn ich an Giordano Bruno erinnern darf.
Ich habe ja auch nur vom Protestantismus gesprochen und mich zu uns Anderen gar nicht geäußert.
Zitat von GorgasalNa, den Herrn Pacelli zu verunglimpfen wollen wir doch den Hochhuths dieser Welt überlassen, oder?
Natürlich, ich brauchte nur ein Äquivalent zum Reichsbischof. Ich bin weit entfernt davon, Herrn Pacelli unkritisch zu verdammen, da er vor allem in innerkirschlichen Belangen ein großer Papst war. Problematisch finde ich bei ihm auch weniger sein Verhalten wärend des 3. Reiches, sondern eher seine Verwicklung in die Fluchthilfe für alte Nazis.
Btw, wenn es ans Differenzieren geht, war auch Herr Torquemada für seine Zeit ein durchaus fortschrittlicher kanonischer Jurist!
Nun, ich bin nur ein einfacher Mann und würde das so erklären: Konservativ bedeutet sich einzuschränken, man definiert Ziele (es sei mal dahingestellt, ob diese Ziele "moralisch", "rationell" oder - verallgemeinert - "positiv" sind, es sind aber Ziele, die nicht ohne Anstrengungen zu erreichen sind) als Visionen und akzeptiert Constraints um diese Ziele zu erreichen. Die jetzt in Politik und Medien vorherrschende rot-grüne Ideologie verspricht nahezu grenzenlosen Hedonismus ("grenzenlosen Spaß" wurde ich auch nicht als "Ziel" bezeichnen, im Gegenteil - eher als sich gehen lassen) bei gutem ökologisch-sozialem Gewissen (man ist sich sicher die Welt und alle "armen Menschen" retten zu wollen). Solange dieser Hedonismus (für die Mehrheit – Demokratie beruht ja auf Mehrheitsentscheidungen) bezahlbar ist, ist dieser Ideologie eigentlich fast nix entgegenzusetzen. Erst wenn die Bezahlbarkeit abnimmt, wird der Hedonismus in Frage gestellt. Dies geschieht halt jetzt.
Zitat von ZettelDas ist die eine Seite. Die andere ist, daß Sarrazin ja wirklich etwas "Evangelisches" an sich hat. (Ich weiß nicht, ob Herr mir da zustimmt). Ich sage das nicht, weil er Nachkomme von Hugenotten ist. Sondern weil er diese charakterstarke, allein an der Wahrheit orientierte Haltung hat, wie sie im Protestantismus häufig war (und, wie man sieht, noch gelegentlich ist). Da ist bei ihm schon etwas von "hier stehe ich, ich kann nicht anders", auch wenn er Nachfahre von Calvinisten ist.
Es ist ein bisschen wie es in der Schule war: So lange die anderen sich äußern und Ähnliches oder Besseres sagen, als ich sagen würde, brauche ich mich nicht zu Wort zu melden. Aber wenn ich aufgerufen werde ...
Ja, ich stimme Ihnen zu. Da ist etwas von der Geradlinigkeit und dem Wahrhaftigkeitspathos des aufgeklärten Neuprotestantismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Im Vergleich zum zitierten Luther freilich führt er eine eher feine Klinge. Das ist wohl dann eher preußisch-calvinistisch. In diese Richtung deutet auch seine Emphase für eigenverantwortliche Lebensführung und den persönlichkeitsbildenden Wert von Berufsarbeit.
Sarrazin ist fast ein Sinnbild für säkularisierten Protestantismus.
Zitat Ich könnte mir schon denken, daß ihm aus der evangelischen Kirche viel Sympathie entgegengebracht wird.
Typisch sicher ein junger Mann, der mir gestern sinngemäß schrieb: Was hältst du von dem Sarrazin-Buch? Ich will ja nicht in die rechte Ecke gestellt werden. Aber hat S. nicht recht?
Ich hatte den Eindruck, dass es mancher als befreiend empfunden hat, als ich mich letzten Sonntag pro Sarrazin geäußert habe. Widersprochen hat jedenfalls keiner.
Zitat von Predigt von Herr zum Thema 'Sorgen'... Oder die Familie, die von Hartz IV leben muss. Die muss sich wahrscheinlich schon Sorgen machen, wie sie zurecht kommt. – Aber dann gibt's auch ganz andere Leute. Die sitzen vielleicht in Ostanatolien und hören von ihrem Onkel in Deutschland, wie viel Geld man hier fürs Nichtsmachen bekommt. Die sagen: „Eure Sorgen, ihr lieben deutschen Hartz-IV-Empfänger, möchten wir auch gerne haben. So möchten wir auch leben. Und vielleicht lässt sich ja eine Heirat arrangieren, damit wir auch was davon haben können.“
Und da sind wir bei der aktuellen Debatte um Integration und den Zuzug von Ausl... äh Migranten. Und bei Thilo Sarrazin. Der macht sich auch Sorgen und bringt ganz offensichtlich die Sorgen von vielen in unserem Land auf den Punkt: Schafft sich Deutschland ab? Werden wir immer weniger, immer dümmer, werden wir Fremde im eigenen Land? – Ist das überzogen? Oder können wir es uns angesichts der Tatsachen überhaupt gar nicht leisten, uns keine Sorgen zu machen?
Ich mache mir Sorgen um die politische Kultur, um Freiheit und Demokratie in unserem Land. Wenn die Mainstream-Medien und die Mainstream-Politiker reflexartig über einen herfallen, der eine unbequeme Wahrheit ausspricht und dabei auch noch ein paar Wörter nebeneinander setzt, die man so nicht nebeneinander setzen darf: „Jude“ und „Gen“ zum Beispiel, oder „Vererbung“ und „Intelligenz“. Ich mache mir Sorgen, wenn nicht zugehört und argumentiert, sondern gegiftet und verunglimpft wird, und wenn einer, der eine unbequeme Meinung vertritt, aus seinem öffentlichen Amt gedrängt wird. (Hier die ganze Predigt.)
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