Roger Köppel von der Schweizer Weltwoche schätze ich außerordentlich. Ich hoffe, es wirkt nicht despektierlich, wenn ich einige seiner Bemerkungen in der Weltwoche ein wenig durch den Kakao ziehe, noch dazu, wo er uns Deutsche doch so sehr lobt. Die Frage, die ich dabei aufwerfe, ist jedoch ganz ernstgemeint: wie kann man überzeugend für eine liberale Staatsverkleinerung argumentieren, wenn doch unser etatistisch-privatwirtschaftlich gemischtes System insgesamt so erfolgreich ist?
Zitat von KalliasDie Frage, die ich dabei aufwerfe, ist jedoch ganz ernstgemeint: wie kann man überzeugend für eine liberale Staatsverkleinerung argumentieren, wenn doch unser etatistisch-privatwirtschaftlich gemischtes System insgesamt so erfolgreich ist?
ist es das? Ein System, in dem permanent Statistiken geschönt werden, um Probleme zu kaschieren und sich nicht mit ihnen beschäftigen zu müssen (nicht zu können mangels Kompetenz)? Mit ausufernder Staatsverschuldung? Wir sind eher in einer Situation, vor der noch Ludwig Erhard eindringlich gewarnt hat! Vor einiger Zeit hat Friedrich Merz im Handelsblatt (?) dargestellt, daß bereits das gesamte (!) Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland für Soziales und Zinsen draufgeht. Alles (!) andere wird bereits jetzt über neue Schulden finanziert. Zusätzlich werden noch andere Fragen wie die nach den Beamtenpensionen oder Veränderungen durch die demographische Entwicklung gar nicht beachtet. Auch sind die Summen für den Einstieg in die Transferunion noch nicht verbucht im Bundeshaushalt. Wielange kann eine solch unverantwortliche Politik gutgehen? Dauerhaft jedenfalls nicht, soviel ist sicher. "Griechenland" mag zwar noch nicht unmittelbar vor der Tür stehen, aber wir bewegen uns mit großen Schritten auf den Abgrund zu.
Zitat Vielleicht also hat der deutsche Etatismus am Ende jene Nachteile im Vergleich zur freien Schweiz gar nicht, die den Erfolg der Deutschen so staunenswert erscheinen lassen. Sind die Deutschen, und vor allem die Schwaben, so enorm produktiv nicht trotz, sondern vielleicht sogar ein stückweit wegen dieses deutschen Etatismus? Dieser im übrigen rein hypothetischen Betrachtung soll jetzt noch ein wenig nachgegangen werden.
Ja, die Deutschen könnten trotz oder wegen des Etatismus produktiv sein, oder es gibt überhaupt keinen Zusammenhang. Was Sie dazu weiter schreiben, überzeugt mich leider gar nicht:
Zitat Womöglich, so liesse sich weiterspekulieren, laufen die Deutschen ja gerade erst im Ringen mit den zahllosen Einschränkungen und Regulierungen zur Höchstform auf. Wer wird sich schon auf Dauer anstrengen, wenn ihm der Staat die wohlverdienten Fränkli zum Grossteil in der Tasche lässt? Und zu welcher Ingeniosität muss man sich erheben um gegen den deutschen Fiskus zu bestehen? An widrigen Umständen entfaltet sich erst das Genie und aus den rauhesten Gegenden kommen die härtesten Kämpfer.
Warum sind jene Kämpfer besonders hart? Aufgrund entsprechender Gegner, des Training, der Gewohnheit usw.? Und bei was genau hilft dem Kämpfer sein Hintergrund der rauhen Gegend? Natürlich beim Kampf! Aber lassen diese Erfahrungen ihn zu einem besseren Schachspieler werden oder backt er dadurch leckereren Kuchen? Nein, wieso sollte er auch? Wenn sich also analog dazu ein deutscher Unternehmer mit Umweltzonen, Beauftragten für jeden Quatsch oder kleinlichen Bauvorschriften rumplagt, dann führt das zu was? Er weiß in Zukunft besser, wie er mit Umweltzonen, Beauftragten für jeden Quatsch oder kleinlichen Bauvorschriften zurechtkommt. Aber was nützen ihm diese Kenntnisse im Hinblick auf den Erfolg in seiner Branche? Bringt ihn das vorwärts bspw. bei der Entwicklung eines neuen Automatikgetriebes? Nein, kein Stück. Sich mit den Dingen mehr als unbedingt nötig rumärgern zu müssen, die Roger Köppel aufgezählt hat, stört nur und bringt keinerlei Vorteil, weil diese "Kehrseite" eben nicht hilfreich für sein Geschäft ist.
Mit dem Genie sieht es ähnlich aus: das mag sich erst so richtig zeigen, wenn hohe Hürden zu überspringen sind. Wenn also z. B. eine Entwicklungsabteilung irgendein schwieriges Problem löst, so daß ein Wettbewerbsvorteil erlangt wird. Wenn einem aber wahllos Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, die mit der eigentlichen Tätigkeit nichts zu tun haben, dann schafft das ausschließlich Nachteile - besonders dann, wenn der ausländische Konkurrent gar nicht bspw. durch bestimmte Vorschriften behindert wird. Solange also die "widrigen Umstände", die zu überwinden einen Vorteil brächte, nichts mit dem Geschäftsfeld des Unternehmens zu tun haben, halten sie nur auf.
Zitat Johan Norberg hat einmal argumentiert, es komme gar nicht darauf an, ob der Staat viel oder wenig Steuern einkassiere, sondern ob die Gegenleistung in Form kostenloser öffentlicher Güter in einem günstigen Verhältnis dazu stehe. Ist demnach das Preis/Leistungsverhältnis Baden-Württembergs so gut wie das der Schweiz, brauchte man sich trotz höherer Steuern über die guten Wirtschaftsdaten der Schwaben gar nicht mehr so sehr zu wundern. (Wobei Ähnliches wie für die Steuern auch für die Regulierungen gelten dürfte.)
So pauschal betrachtet, mag das so sein. Der Markt aber ist ein Entdeckungsverfahren mit vielen Teilnehmern, die Vorschläge und Ideen haben, von denen vorher keiner weiß, welche sich am Ende durchsetzen werden. Woher aber weiß der Staat, welche Gegenleistungen am besten zu erbringen sind? Dieser Informationsverlust, den ein staatlicher Planer zwangsläufig gegenüber dem Markt hat, hat bislang noch jede Planwirtschaft zum Scheitern gebracht. Friedrich August von Hayek nannte das die Anmaßung von Wissen: http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_A...ssen_.281974.29 (Von Problemen wie bspw. dem, daß Menschen naturgemäß weniger sorgsam mit dem Geld anderer Leute als mit dem eigenen umgehen, wie es für die in den Ämtern gilt, noch gar nicht angefangen ...)
Zitat Es steht nicht gut um die Überzeugungskraft des Köppelschen Wirtschaftsdenkens, wenn er Verhältnisse, die den Etatisten vollkommen normal und kaum erklärungsbedürftig erscheinen, nämlich dass viel Staat viel Wohlstand bringt, als eine Sensation bezeichnet, auf die er sich folgerichtig keinen rechten Reim machen kann.
Ich fürchte, ich kann hier nicht ganz folgen. Um welchen Wohlstand geht es, den viel Staat bringt? Die GEZ, zwangsweise finanzierte Seifenopern im Parteienfunk, Landesfilmbewertungsstellen, Theater, das Bundesamt für Risikobewertung?
Leider weiß ich nicht, wer genau die Etatisten sind und was ihnen vollkommen normal erscheint. Daher möchte ich mich hiermit melden, daß bei mir nicht nur kaum, sondern ein großes Bedürfnis nach Erklärung besteht.
Mich überzeugt Roger Köppel jedenfalls weitaus mehr als Ihre Anmerkungen.
Zitat Letztlich verweist Köppels Staunen über die Deutschen auf eine Schwierigkeit, welche die Verbreitung liberaler Ansichten in den modernen Gesellschaften generell behindert: dass der Augenschein gegen sie spricht.
Um welchen Augenschein handelt es sich? Massenarbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen zu mindestens einem bedeutenden Teil durch staatliche Interventionen herbeigerufen, Reformunfähigkeit, ein "Steuersystem" wie aus dem Irrenhaus, kein einziges auch nur annähernd vernünftig geregeltes und zukunftsfähiges System, überschuldete Haushalte, Abgabe weitreichender Kompetenzen der Parlamente an eine EU mit erheblichen Demokratiedefiziten?
Zitat Wie steht es dann aber um den entgegengesetzten Gedanken, wonach die Beseitigung oder wenigstens radikale Verkleinerung der Staatstätigkeit die Produktivität beschleunigen würde wie den Sprinter, der die Bleiweste ablegt? Er trifft natürlich auf Zweifel.
Auf welche Zweifel? Das hat hier in Deutschland hervorragend funktioniert, ist als Soziale Marktwirtschaft eng mit Ordo- und Neoliberalismus verwandt und die Folgen dieser Politik sind als Wirtschaftswunder bekannt. Spätestens seit 1967 mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz bewegen wir uns davon weg. Wie sieht es bspw. mit den "Rogernomics" in Neuseeland in den 1980er Jahren aus, die den staatlichen Sektor radikal verkleinert haben und die wie befreiend wirkten? Es gibt viele positive Beispiele. Daß ich die Sektkorken knallen ließe, wenn wir endlich einmal eine Regierung bekämen, die Bürokratie, Steuern, Verschuldung und Bevormundung abbaute, nein, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.
Zitat Denn die pure Erfahrung zeigt einfach, dass Privateigentum und Bürokratismus Hand in Hand mit jener Wohlstandsrevolution gegangen sind, deren Früchte wir heute geniessen. Will man jemanden also davon überzeugen, dass nur einer dieser Faktoren für den Erfolg ursächlich sind, während der andere ihn gehemmt hat, braucht man eine erklärende Theorie; die es ja auch gibt, und sogar mehrere! Aber sich von einer Theorie zu überzeugen, die dem Augenschein widerspricht ist nun einmal viel schwieriger als das System insgesamt zu akzeptieren, erfreulich wie es im Ganzen nun einmal ist.
Mag ja alles sein, aber die Feststellung, daß wir bspw. zur Durchsetzung des Rechts usw. grundsätzlich nicht ohne Bürokratie auskommen, rechtfertigt deshalb noch lange nicht jedes bürokratische Monster. Genauso wie man zwar ab und zu etwas trinken muß, um nicht zu verdursten, kein Hinweis darauf ist, es sei in Ordnung, jeden Tag 10 Liter Rum in sich reinzuschütten. Darum erschließt sich mir auch nicht, wieso Ihre generelle Betrachtung dazu beitragen sollte, Umweltzonen, Auflagen zur Ersetzung von eckigen durch runde Bullaugen, Sonnenschirmrichtlinien, Dosenpfand, Gurtwarner, EU-Außenspiegelverordnungen, Quotenregelungen usw. usf. zu rechtfertigen.
Mein Eindruck ist, daß das System in der Schweiz noch weitaus erfreulicher ist. Zumindest wandern viele Menschen aus in die Schweiz - aber von einem Strom Schweizer, die wegen ihrer Steuerlast (bzw. eines besseren Verhältnisses von staatlichen Leistungen zu Steuern und Abgaben) nach Deutschland fliehen, ist mir nichts bekannt ...
Zitat Was die ökonomischen Laien vom Liberalismus überzeugen könnte, ist daher wohl nicht so sehr der Wert liberaler Wirtschaftsideen, sondern eher das Pathos der individuellen Freiheit. Zum Unglück der Freiheitsfreunde lieben die Deutschen heute jedoch das Pathos weniger als die handfesten Resultate, und auch das tut ihnen am Ende alles in allem gut.
Vielleicht ändern sich die Ansichten ganz schnell, wenn irgendwann die Zeche gezahlt werden muß für diese Politik, wie sie mittlerweile seit Jahrzehnten gemacht wird, ständig neue Staatsaufgaben zu erfinden und die Kosten auf zukünftige Generationen abzuwälzen?
Zitat von Kallias Die Frage, die ich dabei aufwerfe, ist jedoch ganz ernstgemeint: wie kann man überzeugend für eine liberale Staatsverkleinerung argumentieren, wenn doch unser etatistisch-privatwirtschaftlich gemischtes System insgesamt so erfolgreich ist?
Tim und Wim sind zwei Brüder. Tim studierte Philosophie, Soziologie und Linguistik und fährt jetzt Taxi. Wim machte eine kaufmännische Lehre und ist jetzt Millionär. Sagt Tim zu Wim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du auch noch studiert hättest.
Zitat von ZettelTim und Wim sind zwei Brüder. Tim studierte Philosophie, Soziologie und Linguistik und fährt jetzt Taxi. Wim machte eine kaufmännische Lehre und ist jetzt Millionär. Sagt Tim zu Wim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du auch noch studiert hättest. Hat Tim Recht?
Wer weiß. Hätte man in Island nie einen Staat gegründet und hätte man in Pennsylvanien niemals Steuern eingeführt, und hielten diese dann den Weltrekord an Produktivität, dann wüsste man es. So aber liefen überall Wohlstandsentwicklung und Bürokratisierung parallel, und daher ist es prima facie unplausibel, das eine als Hemmschuh für das andere anzusehen.
wer jemals erlebt hat, wieviel produktive Ernergie der Kampf gegen Bürokratie kostet und zu welch aberwitzigen "Optimierungen" bürokratische Vorschriften führen, der würde eher dazu neigen, ein vernichtendes Urteil abzugeben. Selbst wer anerkennt, daß die DIN Konstrukteuren und Technikern das Leben erleichtert, wird kaum verstehen, daß aufgrund geänderter Brandschutzbestimmungen perfekt sanierte Häuser erneut 'saniert' werden müssen.
Es ist wohl wie in der Medizin: Dosis sola venenum facit. Und wir hier im deutschen Teil der EU leiden längst an einer Überdosis!
Zitat von RexCramerWielange kann eine solch unverantwortliche Politik gutgehen?
Weiß ich nicht. Vielleicht noch sehr lange. Die Probleme, die Sie anführen (Staatsverschuldung, Beamtenpensionen, demographische Entwicklung), sind alle bereits in den 70er Jahren aufgetreten. Eine Generation lang hat das System sie inzwischen ausgehalten, warum nicht noch eine?
Zitat von RexCramerSolange also die "widrigen Umstände", die zu überwinden einen Vorteil brächte, nichts mit dem Geschäftsfeld des Unternehmens zu tun haben, halten sie nur auf.
Sie trainieren den Umgang mit komplexen Hindernissen. (An dieser Stelle meines Feuilletons überwiegt übrigens noch das spöttische Moment; immerhin geht es ja darum, eine angebliche Sensation zu erklären, was zu sensationell-verstiegenen Erklärungsversuchen geradezu einlädt.)
Zitat von RexCramerWoher aber weiß der Staat, welche Gegenleistungen am besten zu erbringen sind? Dieser Informationsverlust, den ein staatlicher Planer zwangsläufig gegenüber dem Markt hat, hat bislang noch jede Planwirtschaft zum Scheitern gebracht.
Das gilt für Planung, die ins Blaue hinein erfolgt, wie etwa Stalins Kanalbauten oder Stahlwerke. Bei marktnaher Infrastruktur kommt doch genügend Information bei den Planern an; wird der Verkehr auf einer Straße immer dickflüssiger, baut man sie aus, wird eine Eisenbahnverbindung kaum noch genutzt, legt man sie still, usw.
Ich sehe die Begründungspflicht allerdings mehr bei jenen, die mit Köppel meinen, die Wirtschaft müsste eigentlich unter den heutigen Belastungen durch den Staat in die Knie gehen, ohne daß sie das bis jetzt erkennbar tut.
Zitat von RexCramerIch fürchte, ich kann hier nicht ganz folgen. Um welchen Wohlstand geht es, den viel Staat bringt? Die GEZ, zwangsweise finanzierte Seifenopern im Parteienfunk, Landesfilmbewertungsstellen, Theater, das Bundesamt für Risikobewertung?
Kann es wirklich sein, daß Sie die Argumente der Staatsfreunde nicht kennen? Verkehr, Bildung, Notdienste; all die "sozialisierten Kosten" der "privaten Gewinne". Schauen Sie sich einfach mal linke Theorien an (ohne staatliche Eingriffe und gewerkschaftlichen Kampf hätten wir eine winzige Kaste von Superreichen und eine Masse, die gerade einmal subsistiert, usw.) Nicht daß ich all das plausibel finde - im Gegenteil; ich finde es lediglich unplausibel, die scheinbare Unschädlichkeit des Staates damit wegzuerklären, daß ohne ihn alles noch sehr viel besser wäre.
Zitat von RexCramerMich überzeugt Roger Köppel jedenfalls weitaus mehr als Ihre Anmerkungen.
Das ist sehr schön für Sie. Denken Sie bitte nicht, es würde mir Spaß machen, an solchen freiheitsfreundlichen Ansichten herumzuzweifeln.
Zitat von RexCramerUm welchen Augenschein handelt es sich? Massenarbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen zu mindestens einem bedeutenden Teil durch staatliche Interventionen herbeigerufen, Reformunfähigkeit, ein "Steuersystem" wie aus dem Irrenhaus, kein einziges auch nur annähernd vernünftig geregeltes und zukunftsfähiges System, überschuldete Haushalte, Abgabe weitreichender Kompetenzen der Parlamente an eine EU mit erheblichen Demokratiedefiziten?
Zum Beispiel, daß es einem heutigen Arbeitslosen in vielerlei Hinsicht besser geht als einem Millionär in den 1920er Jahren - das ist doch evident. Daß sich die Lebenserwartung im 20. Jh. verdoppelt hat. Usw. Solange Sie auf den Staat sehen, erblicken Sie viel Übles. Sehen Sie darauf, wie die Menschen heute leben, erkennen Sie die Fortschritte.
Im Streit mit den Öko-Apokalyptikern verweisen Liberale zurecht gerne auf die globalen Verbesserungen, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. 1980 nagte jeder dritte Mensch am Hungertuch, heute jeder siebente; die Häufigkeit von Kriegen hat abgenommen usw. Doch das alles ereignete sich nicht im Rahmen einer freien Marktwirtschaft, sondern eines halb kapitalistischen, halb bürokratischen Systems.
Zitat von RexCramerDarum erschließt sich mir auch nicht, wieso Ihre generelle Betrachtung dazu beitragen sollte, Umweltzonen, Auflagen zur Ersetzung von eckigen durch runde Bullaugen, Sonnenschirmrichtlinien, Dosenpfand, Gurtwarner, EU-Außenspiegelverordnungen, Quotenregelungen usw. usf. zu rechtfertigen.
Gar nicht, und das tue ich auch nicht. Das ist ja der Punkt auf den ich hinauswollte: alle diese Gängelungen ärgern mich gewaltig; nur scheinen sie der Wirtschaft nicht so viel auszumachen.
Denn Köppels Punkt ist ja gerade, daß all das die Wirtschaftskraft Deutschlands (Baden-Württembergs) im Vergleich zur Schweiz kaum schmälert. Er findet das "sensationell", das heißt, er ist der Ansicht, es müßte eigentlich die Wirtschaftsleistung beeinträchtigen; tut es aber nicht und Köppel weiß offenbar nicht, woran das liegt - es sei denn, man würde sein nettes Kompliment an die Deutschen für bare Münze nehmen.
Zitat von Thomas PauliEs ist wohl wie in der Medizin: Dosis sola venenum facit. Und wir hier im deutschen Teil der EU leiden längst an einer Überdosis!
Warum stehen wir dann nicht schlechter da als die niedriger dosierten anderen Teile der EU?
Zitat Warum stehen wir dann nicht schlechter da als die niedriger dosierten anderen Teile der EU?
Vielleicht, weil zusätzliche Gängelungen im schon vorher hoch regulierten Deutschland nur als marginale Verschlechterung empfunden werden, während sie im Ausland stärkere Auswirkungen haben.
Zitat von RexCramerSolange also die "widrigen Umstände", die zu überwinden einen Vorteil brächte, nichts mit dem Geschäftsfeld des Unternehmens zu tun haben, halten sie nur auf.
Sie trainieren den Umgang mit komplexen Hindernissen. (An dieser Stelle meines Feuilletons überwiegt übrigens noch das spöttische Moment; immerhin geht es ja darum, eine angebliche Sensation zu erklären, was zu sensationell-verstiegenen Erklärungsversuchen geradezu einlädt.)
Vermutlich haben die Unternehmen, die solche Hinternisse überwinden können auch keine oder geringere Probleme mit rein wirtschaftlichen Problemen und meistern die in schwierigeren Zeiten entsprechend einfacher und erfolgreicher. Der Rest bleibt das leider auf der Strecke, da er bereits vorher die Segel gestrichen hat, weil ihm die Hinternisse zu unüberwindbar erschienen oder weil er es erst gar nicht versucht hat. Fragt sich wieviel wirtschaftlicher Erfolg so bereits im Keim erstickt wurde. Insgesamt wäre mir "Gängelung" durch den Konsumenten und der Konkurrenz lieber als Gängelung durch den Staat, da mir ersteres eher produktiverer Natur erscheint und letzteres eher destruktiv verhindernd. (Als wirtschaftlicher Laie nehme ich mir heraus beides ohne fundierte Beispiele im Raum stehen zu lassen und berufe mich auf meinen hoffentlich gesunden Menschenverstand )
Zitat von Kallias Die Frage, die ich dabei aufwerfe, ist jedoch ganz ernstgemeint: wie kann man überzeugend für eine liberale Staatsverkleinerung argumentieren, wenn doch unser etatistisch-privatwirtschaftlich gemischtes System insgesamt so erfolgreich ist?
Tim und Wim sind zwei Brüder. Tim studierte Philosophie, Soziologie und Linguistik und fährt jetzt Taxi. Wim machte eine kaufmännische Lehre und ist jetzt Millionär. Sagt Tim zu Wim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du auch noch studiert hättest. Hat Tim Recht? Herzlich, Zettel
Falsche Situation. Die richtige Situation ist: "Tim und Wim sind zwei Brüder. Wim machte eine kaufmännische Lehre und ist jetzt Millionär. Tim studierte Philosophie, Soziologie und Linguistik und ist jetzt auch Millionär. Sagt Wim zu Tim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du auch noch von Wirtschaft Ahnung hättest. Hat Wim Recht?" Herzliche Grüße, Diskus.
Wer die Schädlichkeit des deutschen Etatismus ausgerechnet am Fallbeispiel Baden-Württemberg demonstrieren will, der liefert natürlich jedem Etatisten eine Steilvorlage. Besonders sinnvoll ist eine solche Betrachtung nicht.
Baden-Württemberg ist zwar kein libertäres Eldorado, aber die Politik ist doch ausgesprochen bürgerlich-mittelständisch geprägt. Der Glaube an die Allmacht eines gestaltenden Wohlfahrtsstaates ist hier zweifellos geringer als in den meisten anderen Regionen der Bundesrepublik. (Gibt es da nicht sogar das Etikett vom "Stammland des Liberalismus"? Kommen die realistischsten Realo-Grünen nicht aus Ba-Wü?)
Wer die echte deutsche Staatsgläubigkeit studieren will, der muss sich anderswo umsehen: Im preußisch-sozialistischen Nordosten, in den nordwestlichen Herzkammern der Sozialdemokratie oder im Land des VEB Volkswagen. Und natürlich in Berlin, wo es arm, rot und sexy ist. Dort wird der politische Ton für die Republik gesetzt.
Es mag sein, dass der Etatismus auch in Ba-Wü auf dem Vormarsch ist, das kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Aber wenn die ganze Bundesrepublik so ticken würde wie der Südwesten, dann sähen die Debatten über Liberalismus in Deutschland völlig anders aus.
Im Grunde müsste es doch sogar Sozialdemokraten peinlich sein, ihre politische Vision ausgerechnet mit dem Beispiel Baden-Württemberg zu verteidigen.
Zitat von Kallias Die Frage, die ich dabei aufwerfe, ist jedoch ganz ernstgemeint: wie kann man überzeugend für eine liberale Staatsverkleinerung argumentieren, wenn doch unser etatistisch-privatwirtschaftlich gemischtes System insgesamt so erfolgreich ist?
Tim und Wim sind zwei Brüder. Tim studierte Philosophie, Soziologie und Linguistik und fährt jetzt Taxi. Wim machte eine kaufmännische Lehre und ist jetzt Millionär. Sagt Tim zu Wim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du auch noch studiert hättest. Hat Tim Recht? Herzlich, Zettel
Falsche Situation. Die richtige Situation ist: "Tim und Wim sind zwei Brüder. Wim machte eine kaufmännische Lehre und ist jetzt Millionär. Tim studierte Philosophie, Soziologie und Linguistik und ist jetzt auch Millionär. Sagt Wim zu Tim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du auch noch von Wirtschaft Ahnung hättest. Hat Wim Recht?"
Oder auch: "Tim und Wim sind zwei Brüder. Wim machte eine kaufmännische Lehre und ist jetzt Millionär. Er heiratet zweimal, bekommt Kinder und läßt sich zweimal scheiden. Jetzt fährt er Taxi. Tim studierte Philosophie, Soziologie und Linguistik, zieht in eine Kommune auf Gomera und heiratet dort ein Mädchen, das bald darauf zehn Millionen erbt. Jetzt ist er Millionär. Sagt Tim zu Wim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du was von Frauen verstehen würdest. Hat Tim Recht?"
Richtig ist, daß eine "anstrengende" Umwelt fordert und - bei vorhandener Leistungsbereitschaft zu höherer Systemleistung durch Anpassung führt. Indes: Einmal gibt es eine Trennlinie zur Überforderung, die sich lähmend auswirkt. Deswegen ist der Effekt nicht beliebig steigerbar. Zweitens: Bürokratielasten kosten Zeit und Geld. Man kann aber jeden Euro nur einmal ausgeben. Die Wohlstandsabsaugung durch Bürokratie sorgt also dafür, daß dieser Ertragsanteil nicht anderweit ausgegeben werden kann, etwa in Form höherer Löhne oder verstärkter Investitionen oder auch nur als Rücklage (Eigenkapitalbildung). Allerdings kann man in der Tat nicht wissen, ob die Anstrengungsrendite ohne bürokratische "Produktivitätspeitsche" ebensohoch ausfiele. Das ist aber kein Grund, die Bürokratielast so zu belassen.
Zitat von ZettelSagt Tim zu Wim: Und wie weit hättest du es erst gebracht, wenn du was von Frauen verstehen würdest. Hat Tim Recht?"
Ja. Leider war Ihr zweites Beispiel aber auch nicht so richtig geeignet, die Thesen des Weltwocheartikels auf den Punkt zu bringen. Meine kleine Modifikation war da schon besser, meine ich.
Zitat von KalliasWeiß ich nicht. Vielleicht noch sehr lange. Die Probleme, die Sie anführen (Staatsverschuldung, Beamtenpensionen, demographische Entwicklung), sind alle bereits in den 70er Jahren aufgetreten. Eine Generation lang hat das System sie inzwischen ausgehalten, warum nicht noch eine?
Sie haben den Hinweis gemacht, unser System sei "erfolgreich". Klar können die Probleme noch lange durchgehalten werden, aber meine Frage war eben, ob eine solche Politik auf Dauer gutgehen kann. Meiner Ansicht nach eindeutig nicht, wenn weiterhin die Verschuldung viel schneller als die Wirtschaft wächst. Wenn das nun aber nur sehr begrenzt (einige Generationen womöglich) funktioniert, dann ist das System eben nicht erfolgreich.
Schauen Sie sich einmal an, zu welchen Mitteln man bereits gegriffen hat zur Bekämpfung der Finanzkrise. Da werden internationale Verträge einfach ignoriert, Bilanzierungsrichtlinien werden immer weiter gelockert, auf Sand gebaute Garantien in gigantischer Größenordnung abgegeben, Zentralbanken nehmen Schrott in ihre Bilanzen, der nie wieder daraus verschwinden wird, es werden Grenzen überschritten und finden Dammbrüche statt, aber was erreicht man damit? Statt Gewinn und Risiko wieder (näher) zusammenzubringen und dafür zu sorgen, daß endlich Entscheidungen und Übernahme von Verantwortung wieder zusammenkommen, befeuert der Staat Moral Hazard noch stärker als vorher. Aber wird draus gelernt? Nein, nichts. Noch nicht einmal die Landesbanken werden endlich stillgelegt. Was soll eigentlich in der nächsten Krise passieren? Neustart und jeder bekommt 40 Mark in die Hand gedrückt?
Und dann ist da natürlich noch die Frage, auch wenn das System solche Belastungen noch aushalten kann, ob man das denn will? Ich könnte bspw. Müll einfach in meinem Auto liegenlassen und trotzdem noch fahren, aber möchte ich das? Genauso könnte natürlich der arbeitende Teil der Bevölkerung seine Ansprüche auf Hartz-IV-Niveau zurückschrauben, seine Bemühungen verstärken oder direkt am Arbeitsplatz schlafen. Auszuhalten wäre das, aber wer will das und wieso? Wir kommen doch an der Erkenntnis nicht vorbei, daß es Grenzen der Belastbarkeit gibt und bereits jetzt viele Menschen keine Lust mehr haben, mehr als die Hälfte ihres Einkommens beim Staat abzugeben, damit sich andere in irgendwelchen Ämtern einen Lenz machen können, von denen sie noch nie auch nur gehört haben.
Zitat von KalliasDas gilt für Planung, die ins Blaue hinein erfolgt, wie etwa Stalins Kanalbauten oder Stahlwerke. Bei marktnaher Infrastruktur kommt doch genügend Information bei den Planern an; wird der Verkehr auf einer Straße immer dickflüssiger, baut man sie aus, wird eine Eisenbahnverbindung kaum noch genutzt, legt man sie still, usw.
Da braucht man gar nicht bis zu Stalin zu gucken, sondern alleine ein Blick auf die ganzen Investitionsruinen aufgrund der "Sonderabschreibung Ost" reicht vollkommen aus. Sehen Sie hier einen substanziellen Unterschied zu Ihren Beispielen?
Können Sie auch nur ein einziges Beispiel nennen, daß bei den Planern die Information angekommen ist, daß sie selbst überflüssig (geworden) sind und ihr eigenes Amt daraufhin abgeschafft haben? Meine Erfahrung ist, daß wir eine einmal eingeführte Bürokratie nie wieder vom Hals kriegen und sie sich notfalls ihre Aufgaben selbst sucht ...
Zitat von KalliasIch sehe die Begründungspflicht allerdings mehr bei jenen, die mit Köppel meinen, die Wirtschaft müsste eigentlich unter den heutigen Belastungen durch den Staat in die Knie gehen, ohne daß sie das bis jetzt erkennbar tut.
Sie meinen, das täte sie nicht? Was ist mit dem Millionenheer von Arbeitslosen, die kaum noch eine Chance haben, aus ihrem Leben was zu machen? Wenn das kein großes Problem wäre, warum müssen dann ständig Statistiken "frisiert" werden und schotten sich Arbeitsplatzbesitzer über allerlei Regulierung vor Arbeitslosen ab, indem Wettbewerb möglichst verhindert wird? Ganze Industrien, die vor allem einfache Arbeitsplätze angeboten haben, sind doch längst abgehauen, verjagt worden oder hier nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Genau an der Arbeitslosigkeit sieht man doch, was schon alles in die Knie gegangen ist und - viel wichtiger - wofür kein Ersatz entstanden ist.
Um es auf den Punkt zu bringen, was an Ihrem Argument schlecht ist: Mal angenommen, wir hätten eine Arbeitslosigkeit in Höhe von 80 % und man betrachtete nun die Unternehmen, die noch existierten. Was ließe sich über sie sagen? Natürlich, daß sie nicht "in die Knie" gegangen, sondern wettbewerbsfähig sind, denn sonst gäbe es sie ja nicht mehr. Wie wäre es im Extremfall, wenn es nur noch ein einziges Unternehmen in Deutschland gäbe bei 99 % Arbeitslosigkeit? Wollten wir dann auch aus der Tatsache, daß dieses Unternehmen international hervorragend aufgestellt sei, den Schluß ziehen, daß insgesamt alles in Ordnung ist?
Nein, Ihr Kriterium taugt nichts, denn ein Blick auf die Unternehmen, die (noch) da sind, sagt über die Gesamtsituation herzlich wenig aus. Man muß vor allem auch darauf achten, was nicht zu sehen ist.
Sie glauben, das könnte man so oder so sehen und hat nun nicht unbedingt mit der Größe des Staates etwas zu tun? Nun, der "Erfolg des Systems" läßt sich schließlich messen. Nehmen wir dazu die Kriterien, die von den Etatisten selbst ins o. g. Stabilitäts- und Wachstumsgesetz geschrieben wurden und die als "Magisches Viereck" bekannt sind. Wie sieht es dbzgl. aus? Als noch die Väter der Sozialen Marktwirtschaft das Sagen hatten, wurden diese Ziele erfüllt, aber schon kurze Zeit nachdem die Etatisten das Ruder übernahmen, wurden sie bis heute nie wieder erreicht.
(Abgesehen davon haben Politiker Interventionen zu begründen, nicht umgekehrt. Und da sieht es reichlich dünn aus. Wenn nun Gabriel und Nahles, ein Lehrer und eine Frau, die noch nie irgendwas geleistet hat, sich hinstellen und Wechselkurse beeinflussen wollen, ohne die geringste Ahnung vom Thema zu haben, wird Ihnen da nicht auch ganz anders?)
Zitat von KalliasKann es wirklich sein, daß Sie die Argumente der Staatsfreunde nicht kennen? Verkehr, Bildung, Notdienste; all die "sozialisierten Kosten" der "privaten Gewinne". Schauen Sie sich einfach mal linke Theorien an (ohne staatliche Eingriffe und gewerkschaftlichen Kampf hätten wir eine winzige Kaste von Superreichen und eine Masse, die gerade einmal subsistiert, usw.) Nicht daß ich all das plausibel finde - im Gegenteil; ich finde es lediglich unplausibel, die scheinbare Unschädlichkeit des Staates damit wegzuerklären, daß ohne ihn alles noch sehr viel besser wäre.
Das ist mir alles zu pauschal. Nur weil es notwendige Regulierung gibt, ist nicht alle Regulierung gut; nur weil es unsinnige Regulierung gibt, ist nicht alle Regulierung schlecht. Es kommt auf das Maß an und man muß eben im Einzelfall genau hingucken. Und da bin ich eben der Meinung, daß an die Leistung der Bürger immer mehr Unsinn drangehangen wird in Form von höheren Steuern und Abgaben und Verschuldung. Oder können Sie auch nur für eins der Beispiele, die ich genannt habe, begründen, warum es wichtig ist für die Entwicklung unseres Wohlstandes?
Zitat von KalliasDas ist sehr schön für Sie. Denken Sie bitte nicht, es würde mir Spaß machen, an solchen freiheitsfreundlichen Ansichten herumzuzweifeln.
Nein, natürlich nicht. Ich weiß doch, daß Sie kein beinharter, merkbefreiter Linker sind. Aber ich reagiere eben durch die ständige Ausweitung der Bevormundung zunehmend humorloser auf dieses Thema.
Zitat von KalliasZum Beispiel, daß es einem heutigen Arbeitslosen in vielerlei Hinsicht besser geht als einem Millionär in den 1920er Jahren - das ist doch evident. Daß sich die Lebenserwartung im 20. Jh. verdoppelt hat. Usw. Solange Sie auf den Staat sehen, erblicken Sie viel Übles. Sehen Sie darauf, wie die Menschen heute leben, erkennen Sie die Fortschritte.
Ich möchte mal stark bezweifeln, daß wir das ausschließlich dem Staat zu verdanken haben. Eher Erfindern und Entwicklern. Es gibt Wachstumsmodelle (von Nobelpreisträgern), die das Wirtschaftswachstum ausschließlich vom technischen Fortschritt abhängig machen und in meinen Augen ziemlich plausibel sind. Natürlich wird das begünstigt oder behindert, wie eine Gesellschaft organisiert ist. Gibt es bspw. Eigentumsrechte und werden diese durchgesetzt? In diesem Sinne sollte genau das der Staat machen: Rahmenbedingungen setzen, damit ein friedliches Miteinander entstehen und Wohlstand gedeihen kann. Aber der Staat, der an sich die Regeln aufstellen und kontrollieren sollte, versucht sich heute immer mehr als Mitspieler. Das ist das Problem.
Zitat von KalliasIm Streit mit den Öko-Apokalyptikern verweisen Liberale zurecht gerne auf die globalen Verbesserungen, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. 1980 nagte jeder dritte Mensch am Hungertuch, heute jeder siebente; die Häufigkeit von Kriegen hat abgenommen usw. Doch das alles ereignete sich nicht im Rahmen einer freien Marktwirtschaft, sondern eines halb kapitalistischen, halb bürokratischen Systems.
Wie gesagt: Das ist alles schön und gut, aber ich kann nicht sehen, wie so eine pauschale Betrachtung jeden Mist rechtfertigt, mit dem mir Bürokraten auf den Wecker gehen.
Zitat von KalliasGar nicht, und das tue ich auch nicht. Das ist ja der Punkt auf den ich hinauswollte: alle diese Gängelungen ärgern mich gewaltig; nur scheinen sie der Wirtschaft nicht so viel auszumachen.
Was ist "nicht viel"? Kein Mensch behauptet, wir befänden uns demnächst wieder im Mittelalter, wenn Umweltzonen nicht abgeschafft werden sollten. Aber gucken Sie sich bspw. die Reallohnentwicklung an in den letzten Jahren. Wie sieht die aus im Vergleich zu anderen europäischen Ländern? In anderen Ländern bekommt man eine Lohnerhöhung, während hier mit diesen Mitteln immer neue Gleichstellungs- und Klimabeauftragte u. ä. Unsinn finanziert werden muß. Ich habe es gründlich satt, daß ständig neuer Blödsinn erfunden wird, nur damit die Parteien ihren Leuten schöne Versorgungsposten bereitstellen können, den ich dann bezahlen darf.
Zitat von KalliasDenn Köppels Punkt ist ja gerade, daß all das die Wirtschaftskraft Deutschlands (Baden-Württembergs) im Vergleich zur Schweiz kaum schmälert. Er findet das "sensationell", das heißt, er ist der Ansicht, es müßte eigentlich die Wirtschaftsleistung beeinträchtigen; tut es aber nicht und Köppel weiß offenbar nicht, woran das liegt - es sei denn, man würde sein nettes Kompliment an die Deutschen für bare Münze nehmen.
Um auch einmal so pauschal wie Sie zu argumentieren: Seit die Etatisten das Geschehen bestimmen, sind die Wachstumsraten deutlich niedriger als vorher.
Nun, das ist doch alles relativ. Tatsache ist doch, daß wir (noch) gut aussehen, was die absolute Höhe angeht, wir aber zurückfallen. Man kann das auch umdrehen: Wieviele Unternehmen gibt es alleine in Baden-Württemberg, die weltbekannt sind und in ihrer Branche zur Spitze weltweit gehören, aber warum ist der Lebensstandard nicht deutlich höher als in den umliegenden Ländern? Wir wissen nicht, wie es aussähe, wenn die Umgebung nicht so wirtschaftsfeindlich wäre. Vielleicht müßten wir dann nicht darüber reden, daß die Wirtschaftskraft relativ zur Schweiz sich "kaum schmälert", sondern wir könnten dann von den "armen Schweizern" sprechen.
Herrscht in Deutschland ein "wirtschaftsfeindliches Klima"? Nun, mal sehen. Wo genau hat Deutschlands Wirtschaft seine Stärken und was exportieren wir? Autos und Maschinen! Und worum handelt es sich dabei? Um Erfindungen aus dem 19. Jahrhundert. Seitdem perfektionieren "wir" diese Produkte immer weiter. Aber in welchem Umfeld sind die ganzen Unternehmen entstanden - vor allem die mittelständischen, auf die wir immer so stolz sind -, die heute so erfolgreich sind? Nicht in der heutigen Zeit unter den heutigen Bedingungen. Finden Sie es nicht absurd, hohe Steuern zu kassieren, damit auf der anderen Seite hohe Subventionen gewährt werden können? Man kann ja noch nicht einmal theoretisch zeigen, daß dieser Umweg über staatliche Ämter und den damit verbundenen Reibungsverlusten überhaupt unterm Strich positive Effekte haben kann - auf lange Sicht. Wir haben Glück, daß man nicht mal eben mit einer ganzen Branche umziehen kann. Sicher tragen auch Clusterbildung usw. dazu bei, daß man Unternehmen hier allen möglichen Quatsch aufdrücken kann, ohne daß diese sofort ihre Koffer packen. Aber auch hier sollten wir vielleicht mal einen Blick darauf richten, worauf ich oben schon hingewiesen habe: was man nicht sieht. Wie bewährt sich unser System mit nahezu unendlichen Genehmigungsverfahren, hohen Hürden und überbordender Bürokratie bzgl. der Ansiedlung neuer Unternehmen, Branchen und Technologien? Fällt Ihnen da was ein? Im gesamten IT-Bereich wäre als Unternehmen von Bedeutung nur SAP zu nennen, sonst gibt es da nicht viel. Infineon konnte nur mit aberwitzigen Subventionen angelockt werden. Für Gentechnik sind die Auflagen hinderlich. Kernkraft wird aus ideologischen Gründen verjagt. Wo sollen die Arbeitsplätze entstehen für die Millionen Arbeitslosen? Auf dem Acker durch immer neue Regulierung wie das Entsendegesetz? Wo sind Schröders Inder? Wie wäre es, statt sich elendig lange damit aufzuhalten, wieder neue Regelungen zu konstruieren, sich mal damit zu befassen, warum die gar nicht nach Deutschland kommen wollen?
Sie können den Murks, den Etatisten verzapfen, in jeder politischen Gesprächsrunde im Parteienfunk beobachten, in der auch mal ein Unternehmer sitzt - es ist immer gleich: Der Unternehmer beklagt sich über unsinnige Bürokratie, aber wenn der Politiker gefragt wird, was er tun will, dann habe ich noch nie gehört, daß er etwas abschaffen möchte. Sondern der Politiker kommt mit immer neuen Förderprogrammen u. ä. Unfug (womit also neue Versorgungsposten entstehen) - wieder ein neues Amt, wo der Unternehmer Anträge stellen und Formulare ausfüllen soll. Wo er also genau das machen soll, wovon er die Faxen dicke hat und was ihn von seinem Job abhält.
Ein kleiner Tip: Statt sich Gedanken zu machen, wie es Menschen und Unternehmen geht, die hier trotz der übertriebenen staatlichen Gängelung gut zurechtkommen, sollten Sie sich lieber mit denen beschäftigen, die hier keinen Job bekommen, auswandern oder gar nicht erst herkommen wollen. Wenn Ihr Auto kaputt ist, repariert es sich auch nicht durch zahlreiche Hinweise auf die Dinge, die in Ordnung sind, sondern man muß sich schon mit den defekten Teilen befassen - so wie Roger Köppel.
Es ist tatsächlich keine von vornherein entschiedene Frage, welches System besser ist: liberale kapitalistische Marktwirtschaft oder unser deutsches, halbstaatliches Wirtschaftssystem.
Warum sage ich "halbstaatlich"?
Dafür reicht ein Blick ins monatliche Info-Blättchen der eigenen Kommune. Man stellt fest, daß die Stadt für sämtliche Investitionen auf staatliche Förderung angewiesen ist. Egal, ob es um Straßen, Sportplätze, Abriß von Bauruinen, Ansiedlung neuer Industrie, Betrieb von Museen, Erhalt von Baudenkmälern oder sonstwas geht: es läuft immer und überall nur über Fördermittel. Die Förderquote beträgt meist um die 80%, manchmal auch mehr.
Das heißt, es sitzt irgendwo (bei irgendwelchen Landesämtern?) eine Bürokratie, die über die Vergabe unserer Steuermittel entscheidet, und somit eine marktwirtschaftsfreie, der Planwirtschaft ähnliche Wirtschaftsorganisation darstellt.
In noch stärkerem Maße trifft das auf den sozialen Sektor zu. Es entstehen und vergehen alle möglichen Einrichtungen, Maßnahmeträger, Vereine allein aufgrund staatlicher Fördermaßnahmen. Ohne 100% Finanzierung vom Staat gäbe es all dies nicht.
Dazu kommen noch die unendlichen Weiten des Bürokratiedschungels, die Kommissionen, Ämter, Behörden, Aufsichten und Kontrollgremien. Man kann eigentlich kaum noch von einer freien Marktwirtschaft sprechen (dabei habe ich den Bereich der Subventionen noch gar nicht erwähnt).
Dennoch funktioniert die Wirtschaft recht gut, was eigentlich erstaunt.
Vielleicht kann man sich das Phänomen tw. so erklären, daß der Staat durch die Umverteilung von großen Steuermitteln in die Hände von Behörden, Kultureinrichtungen, Ämtern oder "sozialen Einrichtungen" eine Art Kaufkrafterhöhung schafft (die vielen unproduktiven Leute haben ja zumindest Geld in der Tasche und fragen damit Wirtschaftsleistung nach)? In einem System, wo der Staat auf all diesen Schnickschnack verzichtet, gäbe es zwar den großen Wasserkopf nicht, aber sehr viele unproduktive Leute hätten dann auch keine Verdienstmöglichkeiten und keine Kaufkraft...(vllt. wäre die USA so ein Beispiel, wo m.E. im sozialen Bereich der Staat sich eher raushält).
Dazu eine klitzekleine Anmerkung, lieber Thanatos, und auch an alle: In den Forumsregeln heißt es dazu:
Zitat von ForumsregelnEigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden.
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Nicht erlaubt ist nur, daß jemand einen Beitrag inhaltlich ändert oder Passagen anfügt, ohne das zu kennzeichnen. Das ist erforderlich, weil man sonst nicht vernünftig diskutieren kann - es steht ja dann auf einmal nicht mehr das da, worauf sich der Diskussionspartner möglicherweise bezog, sondern etwas anderes.
Grundsätzlich nicht erlaubt ist es, einen Beitrag komplett durch einen anderen zu ersetzen ("in seiner Substanz zu ändern") oder ihn zu löschen. Wenn jemand sich entschlossen hat, etwas zu posten, dann muß er auch dazu stehen.
lassen Sie mich zwei mögliche Positionen unterscheiden:
1 Der Staat soll auf wenige zentrale Funktionen zurückgebaut werden (sagen wir grob, Rechtsstaat und Verteidigung). 2 Am besten fährt man, wenn es ein Gleichgewicht zwischen Staat und Privatwirtschaft gibt - das natürlich immer wieder neu austariert werden muss.
Im Rahmen von Position 2 würden sich grundsätzlich auch sehr viele Ihrer sehr berechtigten Forderungen verwirklichen lassen, wie die Abschaffung der Klimabeauftragten, der aberwitzigen Subventionen, der ideologisch motivierten Hemmnisse usw. Es stimmt ja nicht, daß noch nie etwas entstaatlicht wurde: das gesamte Post- und Bahnbeamtentum vom Schaffner bis zum Staatsekretär im Postministerium ist zum Beispiel abgeschafft worden.
Ich vertrete eigentlich Position 1, meine jedoch, daß die Position 2 ebenfalls einige Überzeugungskraft besitzt. Für jemanden, der Freiheit als einen schönen Wert unter anderen ansieht, liegt es sogar näher, über das Wirtschaftssystem in dieser Weise zu denken, als sich auf die hierzulande doch etwas exotischen liberalen Theorien einzulassen.
Köppels seltsame Bleiwesten-Spekulation zeigt für mich, wie schwer sich liberale Denker damit tun, den wie auch immer relativen, aber doch sichtbaren Erfolg des bestehenden Systems zu erklären.
Ich werde Sie freilich nicht davon überzeugen können, daß hier ein Mangel vorliegt!
Zitat von ThanatosWarum sage ich "halbstaatlich"? Dafür reicht ein Blick ins monatliche Info-Blättchen der eigenen Kommune. Man stellt fest, daß die Stadt für sämtliche Investitionen auf staatliche Förderung angewiesen ist.
Richtig, die Entflechtung von Staat und Wirtschaft zum Zweck der Entbürokratisierung wäre eine Riesenaufgabe, so intensiv wie die Durchdringung der beiden Bereiche inzwischen geworden ist.
Zitat von Thanatos Dennoch funktioniert die Wirtschaft recht gut, was eigentlich erstaunt. Vielleicht kann man sich das Phänomen tw. so erklären, daß der Staat durch die Umverteilung von großen Steuermitteln in die Hände von Behörden, Kultureinrichtungen, Ämtern oder "sozialen Einrichtungen" eine Art Kaufkrafterhöhung schafft (die vielen unproduktiven Leute haben ja zumindest Geld in der Tasche und fragen damit Wirtschaftsleistung nach)?
Das würde voraussetzen, daß die Wohlhabenden das Geld, das ihnen zum Zweck der Umverteilung weggenommen wird, weniger produktiv einsetzen würden als die staatlich geförderten Personen. Das mag schon so sein, ist aber eine etwas riskante These.
Zitat von ZephirRichtig ist, daß eine "anstrengende" Umwelt fordert und - bei vorhandener Leistungsbereitschaft zu höherer Systemleistung durch Anpassung führt. Indes: Einmal gibt es eine Trennlinie zur Überforderung, die sich lähmend auswirkt. Deswegen ist der Effekt nicht beliebig steigerbar
Der Nettoeffekt durch das Training an künstlich geschaffenen Hindernissen dürfte in der Tat nicht sehr groß sein. Ist aber immer noch eine bessere Erklärung für das Phänomen als Köppels Idealisierung der Schwaben als gefesselte Superleister.
In ihrem Roman "Atlas shrugged" diskutiert Ayn Rand ebendiese Frage: die Unternehmer, gewohnt, Schwierigkeiten aller Art zu überwinden, nehmen auch die Auswüchse der Bürokratie als Herausforderung an. Damit, so Rand, befinden sie sich aber in einem grundsätzlichen Irrtum: denn die Hindernisse, welche die Natur den Zielen des Menschen in den Weg stellt, werden durch den kreativen Einsatz des Menschen immer kleiner - die Schwierigkeiten, die die Bürokratie den Unternehmern macht, werden dagegen immer größer, je besser der Unternehmer die bisherigen Probleme meistert: weil gerade bei den erfolgreichsten Unternehmen umso mehr zu holen ist. Unter Aufbietung ihrer außergewöhnlichen Kräfte schaufeln sich die Unternehmer somit ihr eigenes Grab, wenn sie der Bürokratie willfahren.
Ein interessanter literarischer Gedanke ist das, der die Grundlage für eine großartige Satire auf den Wohlfahrtsstaat bildet. Etwas klüger scheint mir der heutige Staat indessen zu sein; z.B. beziehen sich die meisten Steuererhöhungspläne auf Privateinnahmen und -vermögen, während man Firmen lieber verschont. Ein guter Parasit achtet nämlich auf die Gesundheit des Wirts und daher ist das Randsche Untergangsszenario auch nicht so realistisch.
Abschaffung und Entstaatlichung sind verschiedene Dinge. Daß noch nie etwas entstaatlicht worden wäre, habe ich schließlich nicht behauptet. Ihr Beispiel paßt leider auch nicht, denn bezogen auf Roger Köppel ging es um Dinge, die einen Klotz am Bein darstellen. Es dürfte aber niemand dadurch behindert werden, daß es Post und Bahn gibt. Deshalb ist hier die Privatisierung auch kein Problem gewesen, denn die Nachfrage ist dafür ja vorhanden. Wie aber sähe es aus, wenn ein Unternehmen die Einrichtung privater Umweltzonen oder weiterer Seilbahnvorschriften anböte, denen man sich freiwillig gegen Entgelt unterwerfen könnte? Glauben Sie, solche Offerten zögen Kunden an?
Warum Sie die zweite der von Ihnen dargestellten Positionen näher an der Freiheit verorten, ist mir nicht klar. Ich sehe die Sache so: Wer für eine starke/stärkere Staatstätigkeit eintreten möchte, kann das gerne tun. Dann erwarte ich aber mehr als Vergleiche oder Analogien. Nur der Hinweis auf Wohlstand bei gleichzeitiger überbordender Bürokratie reicht mir genauso wenig wie der eines Politikers, daß es in Norwegen Frauenquoten gibt, die Menschen dort glücklich seien und das schon Rechtfertigung genug sei, auch welche bei uns einzuführen. Wenn der Staat mir mehr Geld aus der Tasche ziehen will, um damit sonstwas zu finanzieren, dann hat er das den Bürgern sauber zu begründen. Was das angeht, sieht es aber leider ganz schlecht aus. Und was Sie bisher ins Feld geführt haben, ist auch reichlich dünn.
Roger Köppel macht auf Probleme aufmerksam, die real vorhanden und schon lange bekannt sind. Ich finde, darauf kann man gar nicht genug verweisen - bis sich endlich was ändert. Wir können uns sicher über seine Art und Weise streiten, aber ich denke, im Kern hat er recht - und spricht gerade vielen Unternehmern aus der Seele.
Zitat 2 Am besten fährt man, wenn es ein Gleichgewicht zwischen Staat und Privatwirtschaft gibt - das natürlich immer wieder neu austariert werden muss.
Lieber Kallias,
ja, das wäre tatsächlich schön, wenn's denn gelänge! Ich habe ja schon darauf hingewiesen, daß Bürokratie durchaus sinnvoll sein kann, etwa in Gestalt des Kartellamtes oder bei der Normung. Nur geht das Austarieren scheinbar immer nur in eine Richtung, wobei die Privatisierung von Post und der Bahn insofern aus dem Rahmen fällt, als es produzierende Branchen betrifft, nicht regulierende! Und jeder, der die finsteren Anfänge der Datenübertragung miterlebt hat, kann bestätigen, daß sich dadurch eine unglaubliche Verbesserung eingestellt hat. (Was die Bahn betrifft, kann ich nicht mitreden.)
Wenn der Staat also schon eingesehen hat, daß das Produzieren nicht zu seinen Kompetenzen zählt, so verhält sich das mit dem Regulieren alledings ganz anders. Falls Sie jemals versucht haben, einen Baum auf Ihrem Grundstück in dieser Stadt zu beschneiden, dann würden Sie sich wundern: Machen Sie's einfach. Das Grünflächenamt (jawoll, sowas haben wir) wird Ihnen mitteilen, daß sie keine Mittel und kein Personal haben, Ihren Antrag zu bearbeiten oder die Durchführung zu kontrollieren!
Merke: Selbst wenn der Bürokratie Mittel entzogen werden, wird sie einfach die Leistungen reduzieren, niemals aber sich selbst.
Für mich ist klar, daß der Default mode bezüglich Bürakratie die Bekämpfung ist. Dann ist es vielleicht möglich, sie im Zaume zu halten!
Zitat von RexCramerWarum Sie die zweite der von Ihnen dargestellten Positionen näher an der Freiheit verorten, ist mir nicht klar.
Das liegt daran, daß ich das ja gar nicht tue. Wer Freiheit als einen Wert unter anderen sieht und etwa "soziale Gerechtigkeit" als gleichwertig ansieht, der wird sich dieser zweiten Position sehr leicht anschließen. Wer dagegen Freiheit als zentralen Wert schätzt, wird eher der ersten Position zuneigen, die dem staatlichen Zwang eine sehr viele kleinere Rolle gibt.
Zitat von RexCramerNur der Hinweis auf Wohlstand bei gleichzeitiger überbordender Bürokratie reicht mir genauso wenig wie der eines Politikers, daß es in Norwegen Frauenquoten gibt, die Menschen dort glücklich seien und das schon Rechtfertigung genug sei, auch welche bei uns einzuführen. Wenn der Staat mir mehr Geld aus der Tasche ziehen will, um damit sonstwas zu finanzieren, dann hat er das den Bürgern sauber zu begründen.
Ich glaube, wir reden seit längerem aneinander vorbei. Liberale werden zurecht vom Staat eine spezifische Begründung verlangen, wenn er neue Steuern und neue Regulierungen einführen will (und diese dann normalerweise als unzulänglich zurückweisen ); allgemeine Redensarten wie die vom Wohlstand bei intensiver Staatsaktivität reichen nicht aus: da gebe ich Ihnen völlig recht.
Ich spreche dagegen von der Situation, in der man als Liberaler (Angehöriger einer Minderheit von 3-5% der Bürger) einen Mitbürger aus jenen 95%-97% Nicht- oder Wenigliberalen überzeugen will, daß ein gründlicher Rückbau des Staates vonnöten wäre. Die erste verwunderte Rückfrage lautet dann nach meiner Erfahrung: "Wieso denn? So schlecht geht's uns ja nicht mit dem Staat. Sicher, die mecklenburgische Seilbahnverordnung ist Schwachsinn. Aber deswegen gleich so radikale liberale Forderungen erheben: wieso muss das denn sein?"
Die Geschichte der Bundesrepublik ist nun einmal eine Erfolgsgeschichte des Staates, und unter der Oberfläche des allgegenwärtigen Jammerns und Kopfschüttelns gibt es nach meinem Eindruck eine tiefsitzende Systemzufriedenheit, die gegen die Vorstellung liberaler Experimente immunisiert.
Was ich nun meine ist, daß diese Systemzufriedenheit nicht einfach nur als Irrtum oder gar Dummheit diagnostiziert werden kann, sondern daß sie aus einer mehrere Generationen umfassenden Erfahrung legitimiert ist.
Während die Prognose, der Übergang zu einer freien Marktwirtschaft würde die Wirtschaftsleitung dramatisch anwachsen lassen, auf theoretischen Betrachtungen beruht, die sich in der Praxis erst einmal als richtig erweisen müssten.
Ich würde den Württembergern schweizer Verhältnisse ja von Herzen wünschen (und mir als Berliner wären schon württembergische Verhältnisse recht ) - weil sie dann weniger gegängelt und besteuert würden. Darauf, daß sie dann die Schweizer wirtschaftlich überflügeln, würde ich allerdings keine Wette abschließen.
Zitat von Kalliaswie kann man überzeugend für eine liberale Staatsverkleinerung argumentieren, wenn doch unser etatistisch-privatwirtschaftlich gemischtes System insgesamt so erfolgreich ist?
Sie haben die scare quotes rund um "erfolgreich" vergessen
Ich würde argumentieren, dass der "Erfolg", der auf staatliche Eingriffe zurückzuführen ist, im wesentlichen auf Pump finanziert ist. Die Entwicklung der Schulden des Bundes, der Länder und der Gemeinden finden Sie hier (1950-1990) sowie hier (1991-2009). Selbst wenn man die Inflation herausrechnet, ist der Anstieg von nominal 190 EUR pro Einwohner 1950 auf 20.701 EUR pro Einwohner 2009, sagen wir, beeindruckend. Wenn mir meine Bank 60 Jahre lang einen unbegrenzten Kredit einräumt, dann kann ich auch "erfolgreich" sein - oder mir zumindest einen Ferrari, Bioprodukte und unproduktive Ämter leisten.
Und offen gestanden sehe ich nicht Liberale in der Erklärungsnot, warum sie das einbremsen wollen, sondern Etatisten: soll, kann und wird das so weitergehen? Immerhin sind die "weiter so"-Etatisten häufig gerade diejenigen, die über die furchtbaren Lasten jammern, die wir ungeborenen Generationen mit unseren Atomkraftwerken hinterlassen - warum scheren die sich nicht um die öffentliche Verschuldung?
-- Civilización es la suma de represiones internas y externas impuestas a la expansión informe de un individuo o de una sociedad. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von KalliasDie Geschichte der Bundesrepublik ist nun einmal eine Erfolgsgeschichte des Staates, und unter der Oberfläche des allgegenwärtigen Jammerns und Kopfschüttelns gibt es nach meinem Eindruck eine tiefsitzende Systemzufriedenheit, die gegen die Vorstellung liberaler Experimente immunisiert.
alles schön und gut, was Sie sagen, aber dem Punkt, auf dem Sie Ihre Argumentation aufbauen, nämlich indem Sie immer wieder auf den Erfolg unseres Staates abstellen, kann ich auch weiterhin nicht zustimmen. Sie sagen, Deutschland sei erfolgreich und das läge auch (oder sogar vor allem) am Staat. Wie schon gesagt: Mir ist das zu pauschal, denn der Staat hat sich schließlich laufend verändert. Und der heutige Staat hat mit dem des Wirtschaftswunders nur noch wenig gemein. Seit die Etatisten das Ruder übernommen haben, geht es zwar langsam, aber stetig bergab. Muß ich wieder die hohe Staatsverschuldung erwähnen? Die Frage ist doch: Wie sieht es mit dem Erfolg aus, wenn der Staat so bleibt, wie er jetzt ist? Und da sieht es leider so aus, daß wir auf den Abgrund zulaufen. Wenn wir dauerhaft erfolgreich sein wollen, dann sind erhebliche Änderungen notwendig.
Es kommt auch drauf an, welchen Staat man erlebt. Sie sagen, Sie seien als Berliner schon mit baden-württembergischen Verhältnissen zufrieden. Nun, wir hier in Bremen haben ununterbrochen seit dem Zweiten Weltkrieg einen Regierungschef von der SPD, verbunden mit permanenter "Volksbeglückung". Sie können sich deshalb vielleicht vorstellen, daß ich auf pauschale Lobeshymnen auf den Staat besonders empfindlich reagiere und der Widerspruch dbzgl. schon schußbereit in allen Rohren steckt. Denn diese "rauhe Gegend" der staatlichen Bevormundung und übermäßigen Bürokratie hat mich zu einem besonders zähen "Kämpfer" dagegen werden lassen.
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