Im Grunde muß man denen dankbar sein, die auf ihre unqualifizierte Weise Thilo Sarrazin angreifen. Jeder, der sich durch eigenen Augenschein - in diesem Fall durch das eigene Abhören eins Mitschnitts - davon überzeugt, wie unfair ein großer Teil der deutschen Medien mit Sarrazin umgeht, ist ein potentieller weiterer Leser seines Buchs.
Zitat Hätte er sie, dann wäre ihm schwerlich der nachgerade groteske Fehler unterlaufen, Sarrazins Satz "The brightest people get the fewest babies" (Die klügsten Menschen bekommen die wenigsten Babys) als "The whitest people get the fewest babies" (Die weißesten Menschen ...) zu transskribieren; inzwischen wurde das korrigiert.
Wirklich "nur" ein grotesker Fehler? Ich habe da so meine Zweifel...
Es ist schon interessant, daß die Journaille angeblich schlechte Englisch-Kenntnisse so gerne zur Diffamierung verwendet. Oettinger, Westerwelle, Sarrazin ...
Mal abgesehen davon, daß das mindestens in den letzten beiden Fällen schlicht gelogen war - es offenbart sich in solchen Versuchen ein elitärer Dünkel, der überhaupt nicht zum linken Anspruch paßt. Und der peinlich kontrastiert zu den vielen Fehlübersetzungen, die diese Journalisten häufig produzieren.
Und es ist auch ein recht niedrig-klassiger Dünkel. Denn Englisch-Kenntnisse sind ja so etwas Besonderes nicht.
Zitat von R.A.Es ist schon interessant, daß die Journaille angeblich schlechte Englisch-Kenntnisse so gerne zur Diffamierung verwendet. Oettinger, Westerwelle, Sarrazin ...
Mal abgesehen davon, daß das mindestens in den letzten beiden Fällen schlicht gelogen war - es offenbart sich in solchen Versuchen ein elitärer Dünkel, der überhaupt nicht zum linken Anspruch paßt.
Und der peinlich kontrastiert zu den vielen Fehlübersetzungen, die diese Journalisten häufig produzieren.
Es ist, lieber R.A., nach meinem Eindruck schlicht ein Aspekt der Strategie, den Andersdenkenden auch persönlich zu diffamieren.
Das ist kommunistische Strategie. Die anständige Linke - die Sozialdemokraten, die Linksliberalen - hat das niemals gemacht.
Daß das in unsere Medien eindringen konnte, ist aus meiner Sicht dem generellen Eindringen dieser Art von Freund-Feind-Denken in den Journalismus geschuldet, wie er vor allem durch die taz vermittelt wird, die - ich sage es immer mal wieder - sehr viele Journalisten durchlaufen haben, die dann in den großen Medien ankamen.
Der Klassenfeind muß bekämpft werden, statt daß man mit ihm diskutiert. Das ist die Haltung, die solche Artikel hervorbringt wie den von Volkery. In diesem Kampf ist (fast) jedes Mittel erlaubt.
Zitat von ZettelDaß das in unsere Medien eindringen konnte, ist aus meiner Sicht dem generellen Eindringen dieser Art von Freund-Feind-Denken in den Journalismus geschuldet, wie er vor allem durch die taz vermittelt wird, die - ich sage es immer mal wieder - sehr viele Journalisten durchlaufen haben, die dann in den großen Medien ankamen.
Dabei hat die taz eine Auflage wie ein Provinzblättchen (etwas über 50.000)
Zitat Der Klassenfeind muß bekämpft werden, statt daß man mit ihm diskutiert. Das ist die Haltung, die solche Artikel hervorbringt wie den von Volkery. In diesem Kampf ist (fast) jedes Mittel erlaubt.
Ich bremse zwar auch für Linke, aber ich diskutiere nicht mehr mit ihnen. Desweiteren bin ich es auch leid, diesen Käse zu lesen, deswegen meide ich ZEIT, SpOn, Stern, FR, FAZ, die Süddeutsche und das öffentlich-rechtliche Fernsehen, WELT und Focus sind zwar auch nicht das Gelbe vom Bio-Ei, aber für die Grundversorgung ausreichend, indymedia, taz und telepolis müssen allerdings sein, da weiß ich vorher was mich erwartet.
Zitat von notquiteIch finde die Bewertung dieses letzten Absatzes seltsam. Sarrazin scheint da einfach eins zu eins aus dem Deutschen ins Englische übersetzt zu haben.
Seit wann gilt das als Ausweis passabler Kenntnisse einer Fremdsprache?
Was haben Sie daran auszusetzen, lieber notquite? Es handelt sich, wie gesagt, um freie Rede im Gespräch, nicht um einen schriftlichen Text, an dem man feilen kann.
Sagen Sie, wo die Fehler stecken. Mir sind keine aufgefallen, obwohl ich mein Englisch einigermaßen passabel nennen würde.
Lieber Zettel, ich muss grundsätzlich widersprechen: Sarrazin's englisch ist nicht gut. Das ist das englisch eines Fachidioten (ich erinnere mich an Referate chinesischer Kommilitonen in der Uni, die einige Fachbegriffe kennen und ansonsten nicht zu verstehen sind). Ich habe beruflich täglich mit Leuten auf der ganzen Welt zu tun, viele davon in Südostasien und Indien. Selbst das schlechteste Englisch, das ich jemals einen Inder habe sprechen hören (grammatikalisch herausfordernd und phonetisch eine Katastrophe) war um Längen besser verständlich als Sarrazin im BBC-Talk.
Was die Sache noch schlimmer macht ist, dass er ja selbst in seiner Muttersprache nicht frei 'reden kann', sondern immer rumstottert... er ist halt ein Volkswirt, kein Politiker.
Der Gegner Sarrazins deutsch-türkischer Herkunft (ich hab keine Ahnung, wer das ist) hat ihn m.E. in die Tasche gesteckt, weil er flüssiges, gutes englisch spricht... auch wenn er nur Unsinn verzapft hat. Sarrazin hat sich damit mMn keinen Gefallen getan.
P.S.: Bin ich eigentlich der einzige, dem immer wieder auffällt, dass die Multi-Kulti Fürsprecher mit türkischem Background ausnahmslos gut ausgebildete, intelligente Leute sind? Das ist in etwa so, als würde man Max Weber als Interessengruppenvertreter niederbayerischer Stammtische auftreten lassen.
Zitat von F.AlfonzoDer Gegner Sarrazins deutsch-türkischer Herkunft (ich hab keine Ahnung, wer das ist) hat ihn m.E. in die Tasche gesteckt, weil er flüssiges, gutes englisch spricht...
Hm, sind Sie da sicher? Er hat eine ganze Reihe Fehler gemacht, bei Sarrazin habe ich nur kleine Ungeschicklichkeiten entdeckt.
Sein Akzent ist schauerlich, zugegeben. Aber haben Sie mal Thomas Mann in einer seiner Ansprachen an die Deutschen gehört? Der Akzent ist das eine, korrekte Grammatik und Wortwahl etwas ganz Anderes.
Auch an Sie die Frage, lieber F. Alfonzo, die ich an notquite gestellt habe: Welche Fehler haben Sie bei Sarrazin entdeckt? Mir ist nur in Erinnerung, daß er einmal "at" gesagt hat, wo "to" richtiger gewesen wäre.
Wenn es Sie interessiert, suche ich gern die dicken Fehler dieses Deutschen türkischer Abstammung heraus. Er hat einen ausgezeichneten Akzent, er beherrscht Floskeln - aber er kann nicht besonders gut Englisch.
Kleine Anmerkung: Hab nur etwa 6 der 10 Minuten gehört.
Mag sein, dass der 'Gegner' auch nicht perfektes englisch spricht (kam mir vielleicht nur im Vergleich zu Sarrazin so vor), aber er hat sich klar, schnell und grammatikalisch (einigermaßen) korrekt ausdrücken können.
Zu Sarrazin:
M.E. ist der Akzent das geringste Problem. Arnold Schwarzenegger spricht englisch mit einem fürchterlichen Ösi-Akzent*, aber ansonsten 100%ig korrekt, und flüssig. Sarrazin macht Fehler, die jeder Gymnasiast in der 9ten Klasse nicht mehr machen würde, bspw. Artikel vor Land. 'The Germany'? Wo lernt man sowas?
...und, wie gesagt, das wäre alles noch erträglich, wenn er darüber hinaus nicht noch ein furchtbar schlechter Redner wäre.
Das Witzige an der ganzen Sache ist übrigens: Sarrazin selbst scheint das alles völlig wurst zu sein. Er ist also kein Selbstdarsteller und alleine schon deshalb in meiner Gunst über jedem Politiker.
Grüße, Alfonzo
EDIT: * Alternativ-Buch für 'The Terminator': 'It is not human, it feels no pain, it can't be reasoned with... and it speaks Austrian!'
Zitat von F.AlfonzoLieber Zettel, ich muss grundsätzlich widersprechen: Sarrazin's englisch ist nicht gut. Das ist das englisch eines Fachidioten (ich erinnere mich an Referate chinesischer Kommilitonen in der Uni, die einige Fachbegriffe kennen und ansonsten nicht zu verstehen sind). Ich habe beruflich täglich mit Leuten auf der ganzen Welt zu tun, viele davon in Südostasien und Indien. Selbst das schlechteste Englisch, das ich jemals einen Inder habe sprechen hören (grammatikalisch herausfordernd und phonetisch eine Katastrophe) war um Längen besser verständlich als Sarrazin im BBC-Talk.
Lieber F.Alonzo,
ich bin auch ganz gut in der Welt herumgekommen, und kann Ihre Erfahrung nicht ganz nachvollziehen. Die fürchterlichste Englisch-Erfahrung habe ich mit den Japanern (Grammatik, Vokabilar, Aussprache) gemacht, und bei einer kürzlichen Telefonkonferenz mit Indern war deren Akzent sehr hinderlich. Wobei speziell beim Akzent sich die verschiedenen Nationalitäten untereinander weniger schwer zu tun scheinen, als zwischen den Nationalitäten. Wenn Sie den chinesischen 'Fachidioten' also schwer verstehen, dann kann es durchaus sein, dass ihn andere Chinesen gut verstehen, so wie ich Thilo Sarrazin auch ganz gut verstehen konnte.
Zitat Was die Sache noch schlimmer macht ist, dass er ja selbst in seiner Muttersprache nicht frei 'reden kann', sondern immer rumstottert... er ist halt ein Volkswirt, kein Politiker.
Ich will das mal etwas anders ausdrücken: Ich erlebe das oft speziell bei Fachgesprächen, dass beim Sprechen noch viel gedacht wird, was zuweilen den Redefluss massiv stören kann. Kommt dann noch die Fremdsprache dazu verstärkt sich diese Tendenz. In dem Interview waren die Fragen eher small talk Qualität, während Sarrazin bei den Antworten wie auch im Deutschen immer um eine gewisse Präzision bemüht war. Dieses Bemühen geht bei ihm auf Kosten der Spracheleganz. So ist das halt.
Kritik an Sarrazins englischem Vokabular und Grammatik ist jedenfalls nicht haltbar, es sei denn, man will 'Korinthen kacken'. Seine Sprechweise ist nicht gerade ästhetisch, und ich vermute, dass sich die Kritiker letztlich nur in den Mangel dieser Ästhetik verbeissen. Schrecklich, wieder ein Deutscher mit fürchterlichem Englisch. Wir verweigern uns zwar gerne dem gemeinsamen Stolz auf Deutsches, aber sind wohl schnell bei der Scham, wenn sich einer aus dem Lande scheinbar blamiert. In anderen Ländern ist man da gelassener und macht Inhalte auch nicht so leicht an der Ästethik fest.
ich stimme Ihrer Gesprächsanalyse weitgehend zu. Ich meine aber darüber hinaus, dass Sarazzin sich bei der Intelligenzdiskussion etwas vergallopiert hat. Dass sich unterschiedliche Nationalitäten unterschiedlich gut integrieren und unterschiedlich gut zum Erfolg unseres Landes beitragen ist sicher richtig. Gene (oder Allene) und correlierend dazu unterschiedliche Ergebnisse von Intelligenztests als Ursache ins Spiel zu bringen ist sehr hypothetisch. Und dass Juden in Intelligenztests besser abgeschnitten haben hat mit Sicherheit nichts damit zu tun, dass sie in Deutschland in so großer Zahl in gehobeneren Berufen vertreten waren (und umgekehrt Türken häufig Gemüsehändler sind und von Sozialhilfe leben). Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich Sarrazin seit seiner Aussage zu jüdischen Genen in der Defensive wähnt und seither unnötige erklärende Exkursionen unternimmt.
Hintergründe im Zusammenhang mit Kultur und Unterschicht sind viel plausibler. Darauf sollte sich Sarrazin eher konzentrieren.
Gruß, Martin
Nonkonformist
(
gelöscht
)
Beiträge:
21.01.2011 08:11
#13 RE: Notizen zu Sarrazin (11): BBC und "Spiegel-Online"
Ich möchte hier mal eine grundsätzliche Frage stellen. Soweit mir bekannt, wurde Sarrazin an einem Akustikusneurinom operiert, wobei möglicherweise einige Gesichtsnerven geschädigt wurden. Rühren seine Sprechstörungen daher oder war er schon immer "Stotterer"? Auf jeden Fall ist seine Selbstdisziplin und sein Mut bei dieser Behinderung an die Öffentlichkeit zu gehen bewundernswert. Mit bestem Gruß!
Zitat von Martinn dem Interview waren die Fragen eher small talk Qualität, während Sarrazin bei den Antworten wie auch im Deutschen immer um eine gewisse Präzision bemüht war. Dieses Bemühen geht bei ihm auf Kosten der Spracheleganz. So ist das halt.
So habe ich das auch wahrgenommen. Sarrazins Englisch ist nicht colloquial; es fehlen die Floskeln und Füller. Er drückt sich einfach, exakt und schnörkellos aus. So, wie der Mann eben ist.
Ich muß zugeben, daß ich über diese schauderhafte Aussprache auch erst erschrocken war und über ein paar anfängliche Unsicherheiten, die glaube ich seiner Aufgeregtheit zuzuschreiben sind. Dazu gehört meines Erachtens das von F. Alfonzo gerügte "the Germany", was ja noch nicht mal ein Germanismus wäre. Ich denke, es war eine Kontamination; er hatte etwas anderes sagen wollen und fuhr dann mit "Germany" fort.
Die Deutschen und das Englische, das ist, lieber Martin, ein Kapitel für sich. Sie sprechen von Mangel an Gelassenheit; genau das ist es. Man verrenkt fast seine Zunge, nur damit es so klingt, wie man meint, daß Englisch klingen muß. Am th wird nicht gespart, sicherheitshalber also auch dort lispeln, wo es gar nicht hingehört. (Nur unterscheiden wenige Deutsche zwischen der stimmlosen und der stimmhaften Variante, was einen Teil des deutschen Akzents ausmacht).
Sarrazin macht diese Verrenkungen nicht; so wenig wie Thomas Mann und Henry Kissinger. Schwarzenegger habe ich nur einmal in einem kurzen Redeausschnitt gehört; das klang mir passabel. Kein Vergleich jedenfalls mit Thomas Mann und Sarrazin.
Zitat Was haben Sie daran auszusetzen, lieber notquite? Es handelt sich, wie gesagt, um freie Rede im Gespräch, nicht um einen schriftlichen Text, an dem man feilen kann.
Sagen Sie, wo die Fehler stecken. Mir sind keine aufgefallen, obwohl ich mein Englisch einigermaßen passabel nennen würde.
Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt. Es ist richtig, dass Sarrazin ein mehr als ausreichendes Vokabular hat, um einen deutschen Satz fast fehlerfrei eins zu eins in die englische Sprache zu übersetzen. Wenn man sich nun aber überlegt, dass schon Sarrazins Deutsch fernab jeder Eleganz ist, dann kommt in der Summe ein Englisch dabei heraus, das ein Muttersprachler zwar verstehen kann, im Zweifel aber auch als "eckig" oder "verkrampft" ansehen wird. Sein Englisch ist im Wortsinne "passabel", d.h. er wird in einer Prüfung nicht durchfallen, aber auch keine Punkte mit seinem Ausdrucksvermögen machen. Und das ist ja noch die Ebene, die weit vor seiner Aussprache liegt, die so schlecht und im Wortsinne peinlich ist, dass ich nach wenigen Minuten den Browser geschlossen habe.
In Artikeln über Sarrazin kann man immer wieder lesen, dass er fachlich eigentlich schon lange vor seiner Berliner Zeit hätte Minister werden können, wenn da nicht die persönliche Ebene wäre. Dass bzw. wie dieses Interview geführt wurde, sagt meiner Meinung nach eine Menge über diese Ebene aus. Warum überhaupt dieses Interview mit der BBC? Was war da der angedachte Mehrwert? Es ist ja nicht so, dass da inzwischen eine englischsprachige Ausgabe zu verkaufen gewesen wäre. Anscheinend hat er nur gedacht "BBC, seriös, machen wir" und das war es dann. Wieso nach dieser Entscheidung dann ein Live-Interview inklusive Diskussion? Warum nicht ein gerne langes Hintergrundgespräch für ein relativ kurzes Feature, in dem einige wenige zentrale Sätze zitiert werden? Anscheinend verzichtet Sarrazin nach wie vor auf jede Beratung in PR-Fragen. Er macht es seinen Gegnern damit sehr, sehr einfach. Dieser Fehler reiht sich ein in eine lange Liste von anderen Fehlern. Man könnte es mediales Analphabetentum nennen.
Zitat von MartinIch meine aber darüber hinaus, dass Sarazzin sich bei der Intelligenzdiskussion etwas vergallopiert hat. Dass sich unterschiedliche Nationalitäten unterschiedlich gut integrieren und unterschiedlich gut zum Erfolg unseres Landes beitragen ist sicher richtig. Gene (oder Allene) und correlierend dazu unterschiedliche Ergebnisse von Intelligenztests als Ursache ins Spiel zu bringen ist sehr hypothetisch. Und dass Juden in Intelligenztests besser abgeschnitten haben hat mit Sicherheit nichts damit zu tun, dass sie in Deutschland in so großer Zahl in gehobeneren Berufen vertreten waren (und umgekehrt Türken häufig Gemüsehändler sind und von Sozialhilfe leben). Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich Sarrazin seit seiner Aussage zu jüdischen Genen in der Defensive wähnt und seither unnötige erklärende Exkursionen unternimmt.
Ich beurteile das, lieber Martin, eher wie Sarrazin; vielleicht, weil ich diese Literatur, mit der er sich offenbar eingehend beschäftigt hat, auch einigermaßen kenne.
Es geht, wie er ja schon einen Tag später richtiggestellt hat (nur hat es fast niemand gedruckt), nicht um "ein Juden-Gen"; es geht um Gensequenzen, und zwar deren Allele, also unterschiedliche Ausprägungen.
Dazu gibt es - ich habe es in der Serie im zweiten Artikel zur Intelligenz beschrieben - zwei umfangreiche aktuelle Untersuchungen; beide 2010 erschienen, beide unter wesentlicher Beteiligung israelischer Wissenschaftler. Das Ergebnis ist eine erstaunliche Homogenität des Genoms von Juden; die naheliegende Erklärung ist, daß sie aufgrund ihrer kulturellen Eigenart die Vermischung mit anderen Völkern weitgehend vermieden haben.
Das festzustellen hat mit Rassismus nichts zu tun. Der israelische Anrufer bei der BBC war ehrlich genug, zu sagen, daß er von dieser Forschung keine Ahnung hat; der Moderator drängte ihn dann mehr oder weniger dazu, doch seine Besorgnis zu Protokoll zu geben, als Nachfahre von Holocaust-Opfern.
Kultur und Gene interagieren eben. Nach meiner Kennntnis ist die weit überdurchschnittliche Intelligenz amerikanischer Juden (mittlerer IQ ungefähr 115) nur für Aschkenase nachgewiesen, nicht für Sephardim. Sarrazin weist sehr zu Recht auf die Heiratspraxis der Aschkenase hin: Für die Tochter des reichen Händlers war es eine Ehre, einen armen Rabbi zu heiraten; diesem konnte der Schwiegervater viele Kinder finanzieren. Es fand also über die Jahrhunderte eine Selektion nach Intelligenz statt; ähnlich, wie übrigens z.B. in der Chinesischen Oberschicht.
Der arme Dr. Sigmund Freud heiratete die Tochter der reichen Rabbinerfamilie Bernays; unter den Nachfahren dieses Paars sind bedeutende Kulturträger wie Anna und Lucian Freud. Ähnliche Familien von Hochbegabten über die Generationen hinweg gibt es im deutschen Bürgertum; in Schwaben zum Beispiel die v. Weizsäckers.
Was die Erblichkeit von Intelligenz angeht, hat Sarrazin vollkommen Recht. Niemand, der die Literatur kennt, wird seine Darstellung bestreiten; es sei denn, er tut das böswillig. Stets interagieren Genetik und Kultur. Das mittlerweise klassische Beispiel ist die Zunahme des durch Vererbung aufgeklärten Varianzanteils im Lauf des Lebens: In einer freien Gesellschaft suchen sich die Menschen die ihrer hereditären Intelligenz adäquate Umgebung aus; das ergibt einen Verstärkungseffekt.
Ein Extrembeispiel ist Arno Schmidt. Er wuchs in ungünstigen Verhältnissen auf; weder sein Vater, ein Polizist, noch seine Mutter waren an Kultur interessiert. Aber er las aufgrund seiner angeborenen Intelligenz schon als Kind wie ein Besessener, er schuf sich eine eigene Welt der Bücher. Ähnlich Marcel Reich-Ranicki, auch wenn dieser aus großbürgerlichen Verhältnissen kommt.
Zitat von notquiteWarum überhaupt dieses Interview mit der BBC? Was war da der angedachte Mehrwert? Es ist ja nicht so, dass da inzwischen eine englischsprachige Ausgabe zu verkaufen gewesen wäre. Anscheinend hat er nur gedacht "BBC, seriös, machen wir" und das war es dann. Wieso nach dieser Entscheidung dann ein Live-Interview inklusive Diskussion? Warum nicht ein gerne langes Hintergrundgespräch für ein relativ kurzes Feature, in dem einige wenige zentrale Sätze zitiert werden?
Das hat, lieber notquite, alles wohl wenig mit Sarrazin zu tun. Die BBC hat dieses Sendeformat "World have your say"; und nach diesem Format lief die Sendung ab. Eine ganze Serie wurde aus Berlin gesendet; und da hat man offensichtlich auch Sarrazin eingeladen. Warum hätte er absagen sollen?
Übrigens kenne ich wenige Life-Interviews von deutschen Politikern auf Englisch. Ich bezweifle, daß sehr viele sich zu solch einer Sendung wie "World have your say" bereitfinden würden, wo man mit unerwarteten Fragen von Anrufern konfrontiert wird. Die Kanzlerin, Guttenberg; vielleicht noch Schäuble. Joschka Fischer hätte das gekonnt, auch wenn sein Englisch weit schlechter war als das Sarrazins. Zu seiner Zeit als Außenminister, vielleicht ist es jetzt besser, nachdem er an einer amerikanischen Uni war.
Sarrazin hat eine Zeitlang beruflich bedingt in Amerika gelebt; daher wohl sein gutes Englisch. Daß er nicht an seiner Aussprache "gearbeitet" hat, paßt halt zu dem Mann.
Das hat alles sehr viel mit Sarrazin zu tun. Das Format war bekannt und ein aktueller Anlass für dieses Interview in einer Fremdsprache bestand nicht. Eine schlichte Absage hätte ihm keinerlei Nachteile gebracht. Und dennoch hat er sich und uns dieses Interview angetan. Das spricht nicht für ihn.
Was die anderen genannten Politiker angeht: Merkel könnte das mit Sicherheit nicht; von Schäuble liegt ein entsprechendes Interview auf economist.com vor (das bekannte Interview, in dem er eine zukünftige Abgabe jeglicher Haushaltsrechte des Bundestages an eine europäische Ebene für nicht undenkbar hält), das dem Sarrazins sehr ähnlich ist, wenn auch das Akzent nicht ganz so brutal ist; von Guttenberg könnte das ohne Zweifel. Wie kommen Sie zu der Einschätzung in Sachen Fischer? Können Sie das belegen?
Dieser Vergleich sagt über Sarrazins Entscheidung aber ohnehin nicht viel. Es war ja eben keine "Amtspflicht", dieses Interview zu geben. Es war eine freie (und meiner Meinung nach dumme) Entscheidung eines Privatiers.
Zitat von notquiteDas hat alles sehr viel mit Sarrazin zu tun. Das Format war bekannt und ein aktueller Anlass für dieses Interview in einer Fremdsprache bestand nicht. Eine schlichte Absage hätte ihm keinerlei Nachteile gebracht. Und dennoch hat er sich und uns dieses Interview angetan. Das spricht nicht für ihn.
Hm, entschuldigen Sie meine Beharrlichkeit, lieber notquite: Ein Erfolgsautor wird eingeladen, sich in einer solchen Sendung zu seinem Buch zu äußern und Fragen zu beantworten. Warum in aller Welt sollte er das ablehnen?
Haben andere Bestseller-Autoren das denn getan? Ich kenne kein Beispiel.
Zitat von ZettelIch beurteile das, lieber Martin, eher wie Sarrazin; vielleicht, weil ich diese Literatur, mit der er sich offenbar eingehend beschäftigt hat, auch einigermaßen kenne.
Lieber Zettel,
ich bezweifle nicht den Stand der Technik, dafür bin ich nicht qualifiziert. Ich bezweifle aufgrund eigener Lebenserfahrung aber die Bedeutung der Intelligenztestergebnisse auf den gesellschaftlichen Erfolg, insbesondere unter Einbeziehung von Faktoren die nicht durch Intelligenztests erfasst werden. Das will ich auch nicht an Einzelbeispielen von Genialität festmachen, das Problem Deutschland ist ja erst mal ein Massenphänomen.
Ich hatte beim Studium Kontakte und Freundschaften zu Vietnamesen, Indonesiern inklusive solcher chinesischer Abstammung, Türken (vom Sohn eines Istambuler Ingenieurs bis zu Gastarbeitersöhnen), Arabern (Irak, Jordanien, Agypten), Israelis, Jugoslawen, usw. und erlaube mir einen Überblick jenseits einzelner Studienergebnisse. Dazu kommt natürlich auch ein bisschen Überblick aus der Schulzeit / Bundeswehrzeit, als ich mit einigen Leuten zufällig zusammengewürfelt war, und nicht so sehr selektiert, wie das im beruflichen Leben der Fall ist.
Ich will mal auf eine alte 'Weisheit' zurückgreifen, die besagt, dass der Erfolg zu 10% von der Inspiration, und zu 90% von der Transpiration abhängt. Meine sehr einfache conclusio: Die Bereitschaft, sich auf den Hosenboden zu setzen und etwas in den Kopf zu trichtern ist sehr stark von Kultur, Familie und Lebensumständen abhängig, und hat nicht viel mit Intelligenz zu tun. Studenten aus unterschiedlichen Ländern waren bei uns entweder weil sie die besten Abgänger an ihren heimischen Schulen waren (Stipendiaten), oder weil sich die Eltern das Auslandsstudium leisten konnten. Dabei gab beispielsweise durchaus eine Korrelation von Reichtum zu Faulheit. Ich habe auch drei Brüder erlebt, bei denen der erste super fleißig und erfolgreich war, der Jüngste das Gegenteil: Der Jüngere war zuhause schon in Wohlstand geboren, der Älteste hatte auch noch schlechtere Zeiten erlebt. Die türkischen Gastarbeitersöhne haben damals studiert, weil ihre Eltern das wichtig fanden. Und genau das galt in der Regel auch für deutsche Arbeiterkinder, die aufs Gymnasium gingen: Die Eltern haben zuhause dafür gesorgt, dass die Kinder zur Schule gehen, und am Mittag ihre Hausaufgaben machen.
Gäbe es diese Voraussetzung bei der Mehrheit der muslimischen Migranten, dann gäbe es nicht die Gen- und Intelligenzdiskussion. Da bin ich absolut sicher.
Dazu kommt sicher die berufliche Perspektive, die früher meist vom Elternhaus geprägt war, und heute wohl von 'Gute Zeiten, schlechte Zeiten'. Auch früher war die akademische Karriere des Arbeitersohns eher in Richtung Ingenieurswesen, als Arzt oder Rechtsanwalt. Einfach, weil der Ingenieur eher im Horizont des Fabrikarbeiters lag. Irgendwann war dann die Betriebswirtschaft ganz vorne.
Ich meine hier lediglich, dass wenn man die Sarrazin'schen Auswertungen über Migranten per Pareto-Ansatz abarbeiten wollte, dann stünden die Intelligenzfragen eher am Ende. Das Hindernis in unserer Politik an einer effektiven Abarbeitung ist nämlich verwandt mit dem Hindernis, das die muslimischen Migranten zu haben scheinen: Die Mentalität passt (noch) nicht.
Zitat Hm, entschuldigen Sie meine Beharrlichkeit, lieber notquite: Ein Erfolgsautor wird eingeladen, sich in einer solchen Sendung zu seinem Buch zu äußern und Fragen zu beantworten. Warum in aller Welt sollte er das ablehnen?
Man könnte jetzt sarrazinisch argumentieren und sagen, dass die Kosten dieses Interviews seinen Nutzen weit übersteigen. Der deutsche Medienpöbel wird ja nun immer schreiben, dass er den Türken schlechte Deutsch-Kenntnisse vorwerfe, selber aber auf Englisch radebreche wie es die wenigsten Abiturienten noch tun. Ich habe ja oben schon geschrieben, dass ich das eher verstehen würde, wenn eine englischsprachige Ausgabe vorliegen würde. Laut amazon.co.uk gibt es keine und es ist auch keine zur Veröffentlichung annociert.
Zitat Sarrazin hat eine Zeitlang beruflich bedingt in Amerika gelebt; daher wohl sein gutes Englisch. Daß er nicht an seiner Aussprache "gearbeitet" hat, paßt halt zu dem Mann.
Ich vermute, dass Sie von Horst Köhler sprechen. Diese Verwechslung liegt ja auch nahe. Sarrazin selbst hat beruflich noch nie deutschen Boden verlassen. Der Typus Sarrazin, wie ich ihn einschätze, würde nach einem beruflichen Aufenthalt in den USA auch nicht mehr so sprechen.
Zitat von notquiteSarrazin selbst hat beruflich noch nie deutschen Boden verlassen.
Zitat von Biographie erstellt von Caroline HinrichVon 1975 bis 1978 arbeitete Sarrazin als Referent im Bundesministerium für Finanzen, war jedoch von April bis Oktober 1977 zum IWF nach Washington abgeordnet. Im Jahre 1978 folgte der Wechsel in das Bundesministerium für Arbeit- und Sozialordnung, dort war Sarrazin als Referatsleiter tätig
Zitat von notquiteEntschuldigung. Ich sehe gerade, dass es auch im Artikel der Wikipedia erwähnt wird.
Wird bei wikipedia tatsächlich mal was Richtiges behauptet, ohne dass sich die Autoren gleich zu zerfleischen?
Allerdings sind 6 Monate vor 33 Jahren vermutlich nicht entscheidend. Jeder Brite oder Ami bekommt beim Betreten deutschen Bodens einen Stöpsel ins Ohr und ein Mikro ans Sakko montiert und eine fleißige Uschi schwatzt über den O-Ton hinweg. Warum kämpfen sich Deutsche im Ausland zur Schadenfreude nichtsnutziger Volontäre mit Englisch ab? In London soll es auch Simultandolmetscher geben.
Zitat von notquiteDas hat alles sehr viel mit Sarrazin zu tun. Das Format war bekannt und ein aktueller Anlass für dieses Interview in einer Fremdsprache bestand nicht. Eine schlichte Absage hätte ihm keinerlei Nachteile gebracht. Und dennoch hat er sich und uns dieses Interview angetan. Das spricht nicht für ihn.
Die Absage hätte den Nachteil gebracht, daß seine Botschaft weniger unter die Leute kommt. Und genau um diese Botschaft geht es ihm doch zentral!
Er hätte sich den ganzen Ärger sparen können. Es war doch völlig klar, daß dieses Buch nicht die Zustimmung der Medien finden würde, daß er sich damit nicht beliebt macht. Und das war ihm egal - er sah es als seine Pflicht an, seine Warnungen zu verbreiten. Und das tut er weiterhin.
Bei den BBC-Hörern hat er m. E. Punkte gemacht. Und daß die linke Journaille ihn ein weiteres Mal beleidigt - das ist ihm halt egal und deswegen schadet es auch niemandem.
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