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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 37 Antworten
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 Pro und Contra
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.07.2006 23:36
Gewaltenteilung und Parteienherrschaft Antworten

Als Antwort auf diesen Beitrag von Sparrowhawk:

Lieber Sparrowhawk,

sicher hast du schon gesehen, daß ich teilweise auf deinen Beitrag in Form eines Blogs in Zettels Raum geantwortet habe. Deine Meinung dazu würde mich sehr interessieren.

Ich habe einen Hinweis auf diesen Blog-Beitrag hier im Forum in den Bereich mit Themen aus Zettels Raum gestellt. Wenn du magst und Zeit hast, könntest du also hier darauf antworten.

Zu den anderen Punkten in deinem interessanten und provokativen Beitrag hier ein paar Anmerkungen.

In Antwort auf:
"....es geht darum, aufzudecken, daß die Selbständigkeit der Gerichte in Deutschland ein Schein ist, hinter dem eine andere rechtliche und oft auch tatsächliche Wirklichkeit steht. Dieser Schein ist historisch entstanden. Man hat sich an ihn gewöhnt....Die Gewaltentrennung im heutigen staatsrechtlichen Sinne besagt, daß Legislative, Exekutive und Rechtsprechung von verschiedenen Organen wahrzunehmen sind. Daraus folgt zunächst, daß diese Organe selbständig sein müssen, d. h. ihr Eigenleben in sich tragen, ohne in ihrem Seinsbestand von einer der anderen Gewalten abzuhängen.... Diese [die deutsche] Justizverwaltung ist aber....im wesentlichsten Teil, nämlich in der Spitze, den Gerichten entzogen und in die Hand der Exekutive gelegt. Das hebt....den Seinsbestand der Dritten Gewalt auf und macht ihn zur Fiktion trotz Anerkennung im Grundgesetz und in den Landesverfassungen...."
Zur Quelle; das Zitat ist von Paulus van Husen. Derjenige welche war Jurist, gehörte während des 3. Reiches dem Kreisauer Kreis (und somit dem Widerstand) an und war nach dem Krieg Präsident des Oberverwaltungsgerichts in NRW. Mehr zu van Husen.

Ich vermute, van Husen bezieht sich auf den Umstand, daß Richter von der Justizverwaltung eingestellt und auch befördert bzw. eben nicht befördert werden. Und es stimmt natürlich, daß damit indirekt Einfluß auf sie genommen werden kann. Völlig frei ist ein Richter nur, wenn er seine Freiheit über seine Karriere stellt.

Nur - wie soll man es anders machen? Vielleicht könnte man an Richterwahlausschüsse denken. Aber auch die könnten ja wieder die Unabhängigkeit der Richter in Frage stellen, wenn sie zB nach der Art der Rundfunkräte zusammengesetzt wären.

In Antwort auf:
Die Gewaltenteilung wird hingegen langsam abgebaut; zwar nicht de iure, aber de facto.

Das sehe ich auch so für die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive, aber nicht für Judikative/Exekutive. Da hat sich, soweit ich sehe, die Situation seit Bestehen der Bundesrepublik nicht geändert.

In Antwort auf:
Und mündige Bürger ? Die mag es woanders geben, aber nicht in Deutschland, wo der Bürger nur alle paar Jahre als Stimmvieh herhalten darf, um den demokratischen Anstrich zu wahren, hinter dem sich die hiesige Partei-Oligarchie verbirgt.

Das kann ich nicht sehen. Die Macht der Parteien ist in Deutschland nicht größer als in allen Ländern mit einem Listenwahlrecht. Nur unter einem Persönlichkeitswahlrecht haben die Parteien eine sehr viel geringere Macht, weil nicht sie darüber entscheiden, wer ins Parlament kommt, sondern allein der Wähler.

Das ist einer der zahlreichen Gründe, aus denen ich ein entschiedener Verfechter des Mehrheitswahlrechts bin.

In Antwort auf:
Im Vergleich zu Weimar ist der Bürger ja sogar noch beschnitten worden in seiner Möglichkeit der demokratischen Partizipation, z.B. darf der Bürger ja sein Staatsoberhaupt nicht mehr direkt wählen, sondern das macht die Bundesversammlung, und wer ist dort maßgebend ? Wieder einmal die Parteien, deren Allmacht fast schon an den Ostblock erinnert, (noch) mit dem einen, aber wichtigen Unterschied, daß es hierzulande mehr als eine Partei gibt.

Diesen Vergleich kann ich nicht nachvollziehen. Die Macht der herrschenden Partei in einer totalitären Diktatur ist in keiner Hinsicht den Einflußmöglichkeiten von Parteien in einem demokratischen Rechtsstaat ähnlich. Es gibt keine "Allmacht" der Parteien, weil die Macht eben auf mehrere Parteien verteilt ist; erst recht in einem föderalen System. Und weil die Opposition, die Gerichte, die Presse diese Macht beschneiden und kontrollieren.

Mir kommen solche Gleichsetzungen, wie du sie vornimmst, lieber Sparrowhwak, immer sozusagen frivol vor. Ungefähr so, wie wenn jemand, der einen Schnupfen hat, sich mit einem Todkranken vergleicht und ständig klagt, wie schlecht es ihm mit seiner laufenden Nase geht. Oder wie wenn jemand, der sich nicht täglich Kaviar leisten kann, sich mit einem Verhungernden vergleicht.

In Antwort auf:
Fragt sich nur, wann der auch noch fallen wird. Jedenfalls ist es bezeichnend, daß die Parteien, egal wer es ist, in der Opposition erst groß herummeckern und motzen, aber dann, kaum sind sie selbst in der Regierungsverantwortung, am gleichen, vorher ach so heftig kritisiertem, Brett weiterbügeln. Wo also ist da, de facto, noch ein Unterschied zwischen den Parlamentsparteien im demokratischen Spektrum ? Ich sehe keinen; es könnte ebenso eine Einheitspartei geben, es würde kaum einen Unterschied machen.

Es würde einen massiven Unterschied machen: Den zwischen totalitärer Demokratie und demokratischem Rechtsstaat.

In Antwort auf:
Sicher, besser als in irgendwelchen Bananenrepubliken ist´s hierzulande noch allemal. Allerdings sind wir durch unser System des Partei-... ich bin fast geneigt zu sagen "Partei-Absolutismus," auf bestem Wege dorthin, denn Gewaltenteilung und Rechtstaat werden durch Parlaments-Absolutismus, Partei-Oligarchie, Verflechtung der Gewalten untereinander und durch verfassungswidrige Umstände wie den Fraktionszwang langsam und schleichend beseitigt. Da aber die Parteien inclusive ihrer Fürsten bei einer Reform auf ihre faktische Allmacht verzichten müßten, werden sie sich weigern, hier Reformen anzustreben.

Lieber Sparrowhawk, viele Tendenzen siehst du sicher richtig; und sie wurden und werden ja von Kritikern seit Jahrzehnten beschrieben. Aber deine Bewertung erscheint mir so sehr überzogen, daß das Richtige an dem, was du schreibst, dadurch gewissermaßen zugedeckt wird.

Schau, die Weimarer Republik ist genau daran zugrundegegangen - daß sie in Grund und Boden kritisiert wurde, von rechts wie von links. Und es waren ja nicht nur die Extremisten, die das gemacht haben, sondern auch linke und rechte Demokraten haben an diesem Staat immer nur seine Unzulänglichkeiten gesehen.

Wahrscheinlich ist dieser Gedanke an Weimar eines der Motive dafür, daß ich so wenig verständnisvoll auf radikale Kritik an unserem Staat reagiere.

Ja, er könnte besser sein, aber er ist gut. Er ist gut im Vergleich mit allen Staaten um uns herum. Er ist gut erst recht im Vergleich mit allem, was unser Land in seiner Geschichte erlebt hat.

Lieber Sparrowhawk, ist das denn nichts?

Herzlich, Zettel



Sir John Offline



Beiträge: 13

08.07.2006 08:25
#2 RE: Gewaltenteilung und Parteienherrschaft Antworten

An zu vielen Diskussionen wird unser Staat sicher nicht zugrunde gehen. Die Proletarisierung des Kleinbürgertums im Zuge der Vertiefung einer neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik scheint mir wesentlich mehr geeignet, die Wurzeln unseres demokratischen Gemeinwesens zu beschädigen.
Was die politischen Flügel und insbesondere die Ränder betrifft, stellen sie so lange keine Gefahr dar, wie sie lediglich als mögliches Schreckgespenst erscheinen und wirksam werden.
Die große Koalition läuft allerdings Gefahr, an bräsiger Überheblichkeit und mangelnder Volksnähe zu scheitern. Der Prozeß permanenter "Reformen" zerstört jedes Vertrauen in die Verläßlichkeit der Politik und der jeweils geltenden Rechtslage. Dieses fehlende Vertrauen in die Berechenbarkeit der staatlichen Zukunft ist der tiefere Grund, weshalb überall nur noch Attentismus zu beobachten ist, angefangen bei den Bankkonten bis hin zu den Ehebetten.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.07.2006 13:57
#3 RE: Gewaltenteilung und Parteienherrschaft Antworten

In Antwort auf:
An zu vielen Diskussionen wird unser Staat sicher nicht zugrunde gehen. Die Proletarisierung des Kleinbürgertums im Zuge der Vertiefung einer neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik scheint mir wesentlich mehr geeignet, die Wurzeln unseres demokratischen Gemeinwesens zu beschädigen.

Eigentlich, lieber Sir John, ist in den Staaten mit einer neoliberalen Wirtschaftspolitik - Irland, Finnland, Australien, Neuseeland, Kanada usw. - eher das Umgekehrte zu beobachten: Da die Wirtschaft boomt, findet mehr eine Verkleinbürgerlichung des Proletariats als eine Proletarisierung der Kleinbürger statt. Hast du kürzlich im Spiegel das Streitgespräch zwischen Grass und Döpfner gelesen, von Bissinger moderiert? Da hat Döpfner genau das gesagt, was ich dazu denke.

In Antwort auf:
Was die politischen Flügel und insbesondere die Ränder betrifft, stellen sie so lange keine Gefahr dar, wie sie lediglich als mögliches Schreckgespenst erscheinen und wirksam werden.

Für die Rechtsextremisten sehe ich das auch so; wobei latent immer die Gefahr besteht, daß sie in einer tiefgreifenden Krise Zulauf bekommen könnten. (Auch die NSDAP war ja eine kleine Sekte, solange es den Menschen einigermaßen gut ging).

Auf der extremen Linken sieht es aber anders aus. Hier ist die PDS sozusagen der Transmissionsriemen zwischen der extremen, offen demokratiefeindlichen Linken und der gemäßigten Linken. Eine Partei, die zugleich in zwei Landesregierungen sitzt und vom Verfassungsschutz beobachtet wird!

Eine Partei, in der die Stalin-Freunde von der Kommunistischen Plattform von der Mehrheit der Mitglieder unterstützt werden (sie wählen zB regelmäßig Sarah Wagenknecht mit großer Mehrheit in den Vorstand), und die gerade erst ihre Solidarität mit dem Castro-Regime erklärt hat. Und zugleich stellt man Minister.

Da funktioniert die Abgrenzung gegen den Extremismus augenscheinlich nicht, ganz anders als auf der Rechten.

In Antwort auf:
Die große Koalition läuft allerdings Gefahr, an bräsiger Überheblichkeit und mangelnder Volksnähe zu scheitern. Der Prozeß permanenter "Reformen" zerstört jedes Vertrauen in die Verläßlichkeit der Politik und der jeweils geltenden Rechtslage. Dieses fehlende Vertrauen in die Berechenbarkeit der staatlichen Zukunft ist der tiefere Grund, weshalb überall nur noch Attentismus zu beobachten ist, angefangen bei den Bankkonten bis hin zu den Ehebetten.

Dem stimme ich vollkommen zu. Es war verhängnisvoll, daß es im September 2005 nicht zu einem wirklichen Regierungswechsel gekommen ist.

Aber besser als Rotgrün erscheint mir die Große Koalition allemal. Als sie entstand, habe ich im Schrippe-Forum von "zwei Skorpionen im Glas" geschrieben. Die ersten Monate schien sich das nicht zu bestätigen, aber jetzt scheint es zunehmend Wirklichkeit zu werden:

  • Der CDU sitzt die FDP im Nacken, und der SPD die PDS. Machen sie eine vernünftige, pragmatische Politik, dann laufen viele ihrer Wähler zu diesen jeweiligen Oppositionsparteien über. Also ist die Große Koalition ein ständiger Clinch, ein Profilierungskampf.

  • Die Frage ist natürlich, was kommt, wenn sie zerbricht. Für wirkliche, also neoliberale, Reformen scheint Deutschland immer noch nicht reif zu sein.

    Herzlich, Zettel

    Sir John Offline



    Beiträge: 13

    08.07.2006 16:45
    #4 RE: Gewaltenteilung und Parteienherrschaft Antworten

    Gerade die neoliberalen "Reformen", die doch bei Lichte betrachtet kaum mehr als reine Streich- und Kürzungsorgien hinein in die wohl erworbenen Besitzstände der Bürger sind, lähmen doch derzeit jeden Konsumwillen der unteren Mittelschicht. Attentismus eben, man kauft keinen neuen Wagen; wer weiß schon, was man nächstes Jahr auf dem Konto hat.

    Die Bedrohung des Kleinbürgertums geht so weit, daß auch die mit sicheren Jobs kaum Neigung verspüren, Geld auszugeben.

    In einer Zeit solch gravierender Umbrüche, wie wir sie gegenwärtig durch die wachsende Konkurrenz von Niedriglohnstandorten erleben, wäre es Aufgabe und Verpflichtung des Staates, für Berechenbarkeit und Verläßlichkeit zu sorgen. Aber selbst jenen, die ganz auf Gedeih und Verderb angewiesen sind auf eben diesen Staat, die Rentner nämlich, deren Erwerbsleben hinter ihnen liegt und die altersbedingt keine Chance mehr haben, auf die veränderten Bedingungen durch eigene Anstrengung zu reagieren, streicht man munter in ihre Besitzstände hinein. So jedenfalls erzeugt man kein Klima des Vertrauens. Die Zerstrittenheit und Fahrlässigkeit bei der Gesetzgebung vermittelt nur eine Botschaft: Dieser Staat weiß heute noch nicht, was er morgen seinen Bürgern anzutun gedenkt. Management by panic, das ist die message.

    Daß der Bürger dabei verschüchtert und vorsichtig agiert, ist nur logisch.

    Die besondere Unberechenbarkeit und Verwahrlosung der politischen Klasse offanbart sich u.a. an der Gestaltung einer privaten Altersvorsorge. Einerseits predigt man den Menschen, sie sollen für das Alter vorsorgen. Tun sie es (beispielsweise in Form von Lebensversicherungen oder durch die Anlage von Aktiendepots), wartet der Staat von Hartz IV bis zur Einkommensteuererklärung mit "Strafen" (ätsch, jetzt müßt Ihr erst alles verbrauchen oder ätsch, dafür knöpfen wir Euch Steuern ab). Da sitzen sozusagen Arbeitslose und Gutverdiener in einem Boot, überall zeigt der Staat, daß man ihm nicht trauen kann und daß ihm jeder Taschenspielertrick zuzutrauen ist.

    Von d o r t droht unserem Gemeinwesen Gefahr. Viel mehr Gefahr als von Glatzen oder Wagenknechten.

    Sparrowhawk ( Gast )
    Beiträge:

    08.07.2006 19:34
    #5 RE: Gewaltenteilung und Parteienherrschaft Antworten
    Sir John:

    In Antwort auf:
    Gerade die neoliberalen "Reformen", die doch bei Lichte betrachtet kaum mehr als reine Streich- und Kürzungsorgien hinein in die wohl erworbenen Besitzstände der Bürger sind, lähmen doch derzeit jeden Konsumwillen der unteren Mittelschicht. Attentismus eben, man kauft keinen neuen Wagen; wer weiß schon, was man nächstes Jahr auf dem Konto hat.

    Das hat auch damit zu tun. Ein anderer Faktor ist halt die Frage "Habe ich nächstes Jahr noch meinen Arbeitsplatz ?" und dann ist es nur natürlich, daß man erstmal lieber spart, falls es zum Arbeitsplatzverlust kommt, damit man in diesem fall nicht gleich in die finanzielle Bredouille kommt.

    Unter dem Begriff "neoliberale Reformen" wird ja vieles gefaßt. In einem Punkt bin da übrigens durchaus für eine Streichunsorgie. Undzwar in Sachen Bürokratie-Abbau. Damit meine ich nicht unbeding Personalabbau im Öffentlichen Dienst, sondern ganz einfach eine längst fällige Überarbeitung von Gesetzen und Verordnungen.
    Diese müssen auf den Prüfstand und vereinfacht werden, und was überflüssig ist, wird gestrichen. Das geht bei der Steuergesetzgebung los, aber auch z.B. bei viele Genehmigungsverfahren (z.B. bei Baugenehmigungen... was hat es die Kommune zu interessieren, ob ich in meinem eigenen Haus das Fenster verbreitere ?)


    Zettel:

    In Antwort auf:
    Das kann ich nicht sehen. Die Macht der Parteien ist in Deutschland nicht größer als in allen Ländern mit einem Listenwahlrecht. Nur unter einem Persönlichkeitswahlrecht haben die Parteien eine sehr viel geringere Macht, weil nicht sie darüber entscheiden, wer ins Parlament kommt, sondern allein der Wähler.

    Das ist einer der zahlreichen Gründe, aus denen ich ein entschiedener Verfechter des Mehrheitswahlrechts bin.


    Ich auch. Außerdem wird, da die Überhangmandate wegfallen, der ohnehin viel zu große Bundestag verkleinert, und auf Dauer wird nicht gerade wenig Geld eingespart, das an anderer Stelle viel sinnvoller ausgegeben werden kann (Bildung, Straßenbau, Soziales...).
    Allerdings wird es dazu nicht kommen. Denn die Parteien verlören damit einen beträchtlichen Teil ihrer Macht (zumal der Fraktionszwang wegfiele), und deshalb nimmt auch die Große Koalition keine Wahlrechtsänderung vor.

    Was andere Länder mit Listenwahlrecht betrifft: werden die Bürger dort auch von ihren Parteien geknebelt (kein Referendum z.B. zur EU-Verfassung) ? Bestimmen die Parteien in einer Art Postengeschacher das Staatsoberhaupt (abgesehen von Erbmonarchien; dort ist die Tradition eine andere) ?

    Genau das stinkt nicht gerade wenigen Bürgern. Sie "dürfen" nur alle paar Jahre Stimmvieh und Mehrheitsbeschaffer für die Parteien sein und haben, wenns nach den Regierenden geht, die Klappe zu halten. Deshalb boykottieren viele die Wahl, denn das ist im Prinzip die einzige mündige Wahlfreiheit, die einem noch geblieben ist.


    In Antwort auf:
    Und weil die Opposition, die Gerichte, die Presse diese Macht beschneiden und kontrollieren.

    Die Opposition ist nicht glaubwürdig. Denn das, was heute als Opposition die Regierungspläne verteufelt, wird genau das gleiche tun, wenn sie selbst wieder in der Regierung ist. Was da kommt und nicht, ist vorher längst in den parlamentarischen Ausschüssen ausgekungelt worden; die abschließenden Bundestagsdebatten sind daher nichts weiter als Showcatchen.

    Die Presse will leider gern selbst Politik machen, von daher ist sie nicht neutral, auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht.

    Die Gerichte, das ist richtig, haben einen gewissen Spielraum in Sachen Kontrolle, vor allem das Bundesverfassungsgericht, das ja schon einige Gesetze gekippt hat.


    In Antwort auf:
    In Antwort auf:

    es könnte ebenso eine Einheitspartei geben, es würde kaum einen Unterschied machen.

    Es würde einen massiven Unterschied machen: Den zwischen totalitärer Demokratie und demokratischem Rechtsstaat.



    Naja, naja... das ist, äußerlich, sicher richtig. Aber so gesehen gabs ja auch in der DDR ein Mehrparteiensystem, und diese war von einem demokratischen Rechtstaat weiter entfernt als der Andromeda-Nebel von der Erde *g*.

    Inhaltlich ist es tatsächlich einerlei... worin liegt der Unterschied, ob Rotgrün die Steuern und Abgaben erhöht oder neue einführt, oder ob es Schwarzgelb tut oder Schwarzrot oder Rotgelb ? Worin iegt der Unterschied zwischen einem Wahlbetrug der CDU und der SPD ? Worin liegt der Unterschied, ob Rotgrün, Schwarzrot, Rotgelb oder Schwarzelb sich die Diäten erhöht ? Worin liegt der Unterschied, ob eine CDU- oder eine SPD-geführte Regierung das Volk auch weiterhin verdummt und unmündig hält ?
    Ich sehe keinen...


    In Antwort auf:
    Schau, die Weimarer Republik ist genau daran zugrundegegangen - daß sie in Grund und Boden kritisiert wurde, von rechts wie von links. Und es waren ja nicht nur die Extremisten, die das gemacht haben, sondern auch linke und rechte Demokraten haben an diesem Staat immer nur seine Unzulänglichkeiten gesehen.

    Hm... die Republik war noch jung und ungewohnt... und nicht gerade wenige wünschten sich den Kaiser zurück, z.B. die Erzkonservatiben aus der DNVP. Das Ganze fand ja sein Sinnbild auch darin, dem Präsidenten weitreichende Möglichkeiten über Artikel 48 (Notverordnung) zu geben; nicht umsonst war ja vom "Ersatzkaiser" die Rede.

    In Antwort auf:
    Ja, er könnte besser sein, aber er ist gut. Er ist gut im Vergleich mit allen Staaten um uns herum. Er ist gut erst recht im Vergleich mit allem, was unser Land in seiner Geschichte erlebt hat.

    Lieber Sparrowhawk, ist das denn nichts?


    Es ist, da gebe ich dir recht, mehr als nichts. Aber es ist nicht genug.
    Und schon HG Wells sagte ja schon... daß wir den Fortschritt den Nörglern verdanken... *g*
    Einen "perfekten" Staat gibt es nicht und wird es nicht geben... aber man kann das, was man hat, verbessern.... auch wenns schon nicht schlecht ist. Nur.. daran ist den Politikern hierzulande offenbar nicht gelegen.

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    09.07.2006 16:10
    #6 Neoliberale Reformen Antworten

    In Antwort auf:
    Gerade die neoliberalen "Reformen", die doch bei Lichte betrachtet kaum mehr als reine Streich- und Kürzungsorgien hinein in die wohl erworbenen Besitzstände der Bürger sind, lähmen doch derzeit jeden Konsumwillen der unteren Mittelschicht. Attentismus eben, man kauft keinen neuen Wagen; wer weiß schon, was man nächstes Jahr auf dem Konto hat.

    Das war in Deutschland ja gerade in den letzten Jahren der rotgrünen Regierung so. Und die Hauptursache war, daß das Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft fehlte.

    In Staaten mit erfolgreichen neoliberalen Reformen ist es ja aber gerade nicht so. Die Namen solcher Staaten habe ich ja schon genannt; die USA habe ich gar nicht erwähnt, weil sie das offensichtlichste Beispiel sind.


    Es gehört, lieber Sir John, zu den aus meiner Sicht bedenklichsten Entwicklungen in der Zeit von Rotgrün, daß der Begriff "neoliberal" negativ besetzt wurde, und zwar bis weit über die Linke hinaus.

    Schlimmer als in Deutschland ist das unter den Staaten, die ich a bisserl kenne, nur in Frankreich; siehe hier.

    In Antwort auf:
    Und die altersbedingt keine Chance mehr haben, auf die veränderten Bedingungen durch eigene Anstrengung zu reagieren, streicht man munter in ihre Besitzstände hinein.

    Welche Alternative dazu siehst du? Es ist ein demographisches Problem, gegen das keine Regierung etwas machen kann.

    In Antwort auf:
    Die besondere Unberechenbarkeit und Verwahrlosung der politischen Klasse offanbart sich u.a. an der Gestaltung einer privaten Altersvorsorge. Einerseits predigt man den Menschen, sie sollen für das Alter vorsorgen. Tun sie es (beispielsweise in Form von Lebensversicherungen oder durch die Anlage von Aktiendepots), wartet der Staat von Hartz IV bis zur Einkommensteuererklärung mit "Strafen" (ätsch, jetzt müßt Ihr erst alles verbrauchen oder ätsch, dafür knöpfen wir Euch Steuern ab).

    Das sehe ich genauso. Aber das sind ja Bestimmungen aus der rotgrünen Zeit. Kapitalbildung breiter Schichten haben die Sozialdemokraten immer kritisch gesehen, jedenfalls nicht gefördert. Schon Ludwigs Erhards "Volksaktie" stieß seinerzeit auf heftige Kritik aus der SPD.

    Aus meiner Sicht wird es entscheidend für unsere Zukunft sein, ob es gelingt, daß - wie in den USA - jeder Normalbürger ein Kapitalvermögen besitzt. Zumindest in Form von Fondsanteilen zur Altersversorgung.

    Herzlich (und Dank für deinen interessanten Beitrag!),

    Zettel

    Sparrowhawk ( Gast )
    Beiträge:

    09.07.2006 18:48
    #7 RE: Neoliberale Reformen Antworten

    "Aus meiner Sicht wird es entscheidend für unsere Zukunft sein, ob es gelingt, daß - wie in den USA - jeder Normalbürger ein Kapitalvermögen besitzt. Zumindest in Form von Fondsanteilen zur Altersversorgung."


    Das allerdings kann ja nun gegenwärig in Deutschland nicht für Hartz IV Empfänger gelten... denn wie allgemein bekannt sein dürfte, muß, bevor man empfangsberechtigt ist, fast alles Privatvermögen aufgebraucht sein (außer 200 Euro pro vollendetem Lebensjahr, die man haben darf,wenn ich mich nicht irre), und dazu zählt eben auch die Altersvorsorge... und damit auch die Altersversorgung, wenn man erstmal in diesem Alter ist.

    Sparrowhawk


    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    01.08.2006 20:44
    #8 Leben wir noch in einer Demokratie? Antworten


    Dieser Beitrag von Sparrowhawk scheint mir wichtig genug zu sein, um ihn etwas ausführlicher zu beantworten. Ich tue das in diesem Thread, weil er thematisch hineinpaßt.

    In Antwort auf:
    Na, wenn ich sehe, was das Volk heutzutage noch demokratisch mitbestimmen darf, und wie die Parteien immer am gleichen Brett weiterbügeln, sich also folglich nichts ändert

    "Was das Volk heute noch demokratisch mitbestimmen darf" schreibst du, lieber Sparrowhawk. Das läßt vermuten, daß du meinst, irgendwann habe "das Volk" in Deutschland mehr mitbestimmen dürfen.

    Welche Zeit meinst du? Die Weimarer Republik? Da kann ich das überhaupt nicht sehen. Die Bundesrepublik in einer früheren Phase? Das kann ich eigentlich auch nicht sehen:

  • In der Adenauer-Zeit regierte immer dieselbe Seite, mit nur leicht wechselnden Koalitionen. Mitbestimmung "des Volks" gab es, soweit ich sehe, sicher nicht mehr als heute.

  • In der sozialliberalen Koalition hatte "das Volk" vielleicht sogar besonders wenig mitzubestimmen; sondern es waren die Parteitage der SPD, die, mehr oder weniger gebremst durch die FDP, die Richtung der Reformen bestimmten.

  • In der Kohl-Zeit kann ich auch keine ausgeprägte Mitbestimmung "des Volks" erkennen.

  • Und in der rotgrünen Epoche hatte "das Volk" so wenig zu sagen, daß beide Legislaturperioden von miserablen Umfragewerten der Regierung begleitet wurde

  • "... sich also folglich nichts ändert", schreibst du weiter. Aber warum soll sich etwas ändern? Das ist eine Frage, die ich mir schon oft gestellt habe: Warum eigentllich viele Menschen erwarten, hoffen, vielleicht gar fordern, daß sich etwas ändert.

    Aus meiner Sicht sollte sich, was die Verfassung und die Verfassungswirklichkeit angeht, nichts ändern. Oder genauer gesagt: Das, was ich für änderungswürdig halten würde (Einführung des Mehrheitswahlrechts zum Beispiel, die strikte Trennung zwischen Legislative und Exekutive) hat in der deutschen Verfassungsgeschichte keine Tradition; deshalb sind solche Änderungen nicht durchsetzbar.

    Man müßte dann, damit es in sich stimmig ist, im Grunde die gesamte US-Verfassung übernehmen. Das hätte man 1949 tun können, und wahrscheinlich wäre uns das gut bekommen. Aber die USA als die führende westliche Besatzungsmacht waren eben so demokratisch gesonnen, daß sie uns ihre Verfassung nicht aufdrängen wollten. So wenig, wie sie das jetzt im Irak getan haben.

    In Antwort auf:
    dann fällt mir nur folgender Ausspruch ein: "Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben. So ist es ja praktisch auch bei uns... alle Macht den Parteien. Was darf das Volk?

    Wer ist "das Volk"? 82 Millionen Menschen können doch nicht an der Regierung oder der Gesetzgebung oder an der Rechtsprechung mitwirken. Wir hatten ja kürzlich eine interessante Diskussion über die attische Demokratie. Schon bei der Größe einer Polis von einigen zehntausend Vollbürgern stieß das System der Direkten Demokratie an seine Grenze. Wie soll das bei 82 Millionen funktionieren? Wo würdest du "das Volk" beteiligt sehen wollen, und wie?

    In Antwort auf:
    - Frei seine Meinung sagen ? Nur teilweise, siehe u.a. §130 StGB.

    Ja sicher, das ist eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, über die wir uns ja einig sind. Aber es ist doch - in Relation zu dem Spektrum an Meinungen, die "im Volk" vorkommen - eine minimale Einschränkung. Betroffen von ihr sind fast nur Feinde unseres demokratischen Rechtsstaats

    Sie ist dennoch eines demokratischen Rechtsstaats nicht würdig, der eben stark genug ist, auch seinen Feinden die Freiheiten zu garantieren, die sie selbst zu beseitigen trachten. Aber dergleichen gibt es in vielen Demokratien, von Frankreich bis Kanada, denen man deshalb doch nicht ihre demokratische Qualität absprechen würde.

    In Antwort auf:
    - Demonstrieren ? Müssen genehmigt werden, da kann man auch schon quasi eine Art Vorabzensur betreiben (hinsichtlich der Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung).

    Nein, das stimmt nicht. Eine Nichtgenehmigung unterliegt der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte, notfalls des BVG. Und diese haben bisher noch immer das Demonstrationsrecht außerordentlich hoch bewertet; gerade auch das von Rechtsextremisten. Das Demonstrationsrecht ist bei uns in keiner Weise gefährdet. Notfalls setzt ja die Polizei das Demonstrationsrecht von Rechtsextremisten gegen Störungen durch Linksextremisten durch.

    In Antwort auf:
    - Politisch partizipieren ? Von wegen. Die Parteien und ihre Politiker haben alles an sich gerissen. Das Volk darf, außer alle 4, 5 Jahre mal als Stimmvieh und Wahlkampfkostenerstattungsfaktor herzuhalten, in dieser Hinsicht gar nichts.

    So, wie überall auf der Welt. Lieber Sparrowhawk, welche Verfassung stellst du dir denn vor? Kannst du vielleicht mal skizzieren, wie für dich eine Demokratie aussehen würde, die du so zu nennen bereit wärst? (Die der Schweiz? Das sind fast immer fast alle Parteien in der Regierung!)

    In Antwort auf:
    Wahl des Staatsoberhauptes ? - Parteiengeschacher.

    Was meinst du mit "Geschacher"? Das klingt ziemlich abwertend. Aber wie anders als dadurch, daß man sich verständigt und nach Kompromissen sucht, soll denn so etwas funktionieren? - Mir scheint, daß es gerade bei der Wahl des Präsidenten bisehr (mit einer Ausnahme, Lübke) immer sehr gut funktioniert hat.

    In Antwort auf:
    Mitbestimmung bei wichtigen Entscheidungen wie der EU-Verfassung oder dem Euro ? - Parteiengeschacher. Und so weiter.

    Dieselbe Antwort wie oben. Bist du wirklich für mehr Volksentscheide? Dann hätte "das Volk" sehr wahrscheinlich 1986 die sofortige Stillegung aller AKWs beschlossen.

    In Antwort auf:
    Es ist wie o.Z. Ausspruch... es sieht demokratisch aus, aber die Parteien haben alles in der Hand.

    Jeder, der damit nicht einverstanden ist, kann eine Partei wählen, die dieses System beseitigen will - die PDS, die NPD, die DVU. Und wem die nicht gefallen, der kann zusammen mit Gleichgesinnten eine Partei gründen, die das will, was, sagen wir, du willst (nur weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, welche Verfassung du willst).

    In Antwort auf:
    Ach ja... o.g. Zitat gehört, lt. Wolfgang Leonhard, zu Walter Ulbricht. Daß er mit diesem Ausspruch auch mal die Bundesrepublik treffend beschreiben würde, hätte er wohl nicht gedacht... und Willy Brandt rotiert gleichermaßen im Grab, denn nicht mehr Demokratie wird gewagt, sondern so gut wie keine... bis auf ein paar Rudimente, damit es demokratisch aussieht.

    Ach, lieber Sparrowhawk: Fast überall auf der Welt würden sich die Menschen nach unseren Zuständen sehen, in denen du nur noch "ein paar Rudimente" einer Demokratie entdeckst.

    Ich wünsche dir und deiner Generation nicht, daß ihr jemals in einem Staat leben müßt, in dem es wirklich nur noch Rudimente einer Demokratie gibt. Ich wünsche dir nicht, daß du dich einmal danach sehnen wirst, an einer freien Wahl teilnehmen zu dürfen, vor einer Geheimen Staatspolizei sicher zu sein, dein Recht vor unabhängigen Gerichten suchen zu können, nicht der Willkür von Behörden ausgeliefert zu sein.

    Herzlich, Zettel


    Turbofee Offline



    Beiträge: 329

    01.08.2006 21:57
    #9 RE: Leben wir noch in einer Demokratie? Antworten
    x

    Turbofee Offline



    Beiträge: 329

    01.08.2006 22:04
    #10 RE: Leben wir noch in einer Demokratie? Antworten
    x

    Sparrowhawk ( Gast )
    Beiträge:

    01.08.2006 23:40
    #11 RE: Leben wir noch in einer Demokratie? Antworten
    "Ist das Volk eigentlich noch der Souverän, oder nicht?"

    Laut Papierform ja, es steht ja im Grundgesetz. Was dies aber wert ist... naja, manche Paragraphen können auch gestrichen werden, es würde, gemessen an der verfassungswirklichkeit keinen Unterschied machen.

    "The sovereign is the court jester of those
    Employed by the sovereign"

    Das Zitat ist authentisch, ich zitiere nämlich mich selbst.


    "Da fragt es sich schon, wo unsere demokratischen Grundsätze der freien Meinungsäußerung und überhaupt der Freiheit in der Entscheidung in ganz banalen Alltagsfragen bleiben."

    Weg sind sie. Die absolute krönung ist ja, wenn ich das ADG/AGG richtig verstehe, daß ein Eckpfeiler des demokratischen Rechtstaats praktisch in privaten Dingen komplett abgeschafft wird. Die Beweislast liegt ja normalerweise immer bei demjenigen, der die beschuldigung ausspricht... unschuldig bis zum Beweis der Schuld (vereinfacht gesprochen). Das ADG/AGG handhabt das aber anders, denn da soll wohl der Beschuldigte nachweisen, daß er nicht dagegen verstoßen hat... also schuldig, bis zum Beweis der Unschuld. Da wünsche ich den Anwälten viel Spaß mit der Flut ihrer neuen Klienten...


    PS: Zettel, ich antworte zu einer anderen Zeit auf deine Frage, aber das braucht mehr Zeit. Ich bin aber noch ein wenig on air und muß mich um meine Hörer kümmern.

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    01.08.2006 23:56
    #12 RE: Leben wir noch in einer Demokratie? Antworten

    Zitat von Turbofee
    In Antwort auf:
    Betroffen von ihr sind fast nur Feinde unseres demokratischen Rechtsstaats

    Soso. Ich habe eben im Internet ein bißchen gestöbert - das tun wir ja alle zweitwilig - und bin durch Zufall darüber gestolpert, wie gegen den rechtspolitischen Sprecher der CDU Anzeige erstattet wurde wegen seiner freien Meinungsäußerung. Und gegen den Erzbischof von Köln auch. Zwar wurden beide nicht verurteilt - der eine ist jedoch ganz eingeknickt, und der andere ein bißchen.

    Ja, da gebe ich dir Recht (recht?). Solche Paragraphen bergen immer die Gefahr, daß aus purer Angst vor ihnen die Schere im Kopf tätig wird.

    Es sind ja auch - die Paragraphen 130 und 189 StGB - schlimme Paragraphen, eines demokratischen Rechtsstaats unwürdige Paragraphen. Ich habe das immer wieder geschrieben, bei Infotalk und im alten Schrippe-Forum. In diesem kann man ja nun leider nicht mehr nachsehen; aber bei Infotalk habe ich das eben mal schnell getan. Drei Beispiele aus vielen dafür, wie ich dieses "eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig" geradezu formelhaft in Bezug auf diese beiden Paragraphen verwendet habe, sind dieser, dieser und dieser Beitrag.


    Also, ich bin der sehr bestimmten Überzeugung, daß diese beiden Paragraphen - die zB in den USA und GB keine Entsprechungen haben - in einem liberalen Rechtsstaat systemwidrig sind; Relikte des Obrigkeitsstaats. Aber eben systemwidrig und Relikte. Sie machen diesen Staat nicht zu einem undemokratischen oder einem Unrechtsstaat. So wenig, wie - sagen wir - ein Leberfleck aus einem schönen Gesicht ein häßliches macht.

    In Antwort auf:
    Aber daß überhaupt solche Anzeigen erhoben werden, ist schon bezeichnend. Nur zwei Beispiele. Diese beiden Herren Feinde unseres demokratischen Rechtsstaats

    Daß unberechtigt Anzeigen erstattet werden, wird man natürlich nie vermeiden können; das geschieht auch aufgrund von Paragraphen wie denen gegen Verleumdung, Beleidigung usw.. Entscheidend ist, wie die Gerichte urteilen. Aber wie gesagt, es besteht die Gefahr einer Schere im Kopf. Beim Kampf für mehr Liberalität wirst du mich immer an deiner Seite finden!

    In Antwort auf:
    Das neue ADG - es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann der Bundespräsident es unterzeichnet - wird dies noch verschärfen.

    Ja, das sehe ich auch mit Sorge und habe ja auch hier dagegen gewettert; es ist unter dem neuen Namen "Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz" alter Wein in neuen Schläuchen.

    In Antwort auf:
    Da fragt es sich schon, wo unsere demokratischen Grundsätze der freien Meinungsäußerung und überhaupt der Freiheit in der Entscheidung in ganz banalen Alltagsfragen bleiben.

    Demokratische Freiheit muß, davon bin ich überzeugt, immer wieder neu bewahrt und gesichert werden. Nur - und das ist mein Dissens mit Sparrowhawk - geht das mit friedlichen, gesetzeskonformen Mitteln eben überhaupt nur innerhalb eines bestehenden und funktionierenden demokratischen Rechtsstaats.

    Wenn man einen Staat als einen sieht, der gar kein demokratischer Rechtsstaat mehr ist, dann impliziert das ja, daß er auch nicht mehr die Möglichkeit zur Sicherung - und möglichst Erweiterung - der Freiheit des Einzelnen bietet.

    Dann kann man ihn eigentlich, wenn man konsequent ist, nur noch in toto ablehnen. Und dafür, liebe Turbofee, sehe ich bei unserem Staat keinen Anlaß. Auch wenn er nicht so liberal ist, wie wir ihn uns wünschen würden.

    Herzlich, Zettel

    Turbofee Offline



    Beiträge: 329

    02.08.2006 00:21
    #13 RE: Leben wir noch in einer Demokratie? Antworten
    x

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    02.08.2006 00:43
    #14 Etatismus und Liberalismus Antworten

    Zitat von Turbofee
    In Antwort auf:
    Wenn man einen Staat als einen sieht, der gar kein demokratischer Rechtsstaat mehr ist, dann impliziert das ja, daß er auch nicht mehr die Möglichkeit zur Sicherung - und möglichst Erweiterung - der Freiheit des Einzelnen bietet. Dann kann man ihn eigentlich, wenn man konsequent ist, nur noch in toto ablehnen. Und dafür, liebe Turbofee, sehe ich bei unserem Staat keinen Anlaß. Auch wenn er nicht so liberal ist, wie wir ihn uns wünschen würden.

    Deine Schlußfolgerung ist falsch. Zum einen haben wir ja noch Ansätze eines demokratischen Rechtsstaats, sogar über weite Strecken hinweg, sogar mehr als Ansätze. Man muß es relativ sehen.


    Mehr als Ansätze, ja. Nämlich einen funktionierenden demokratischen Rechtsstaat - mit den Schwächen, die jeder Staat auf der Welt hat.

    In Antwort auf:
    Wie gesagt - die Freiheit muß in jeder Demokratie immer wieder aktiv bewahrt und gesichert werden.
    Das liegt schlicht daran, daß Macht eine Versuchung ist. Wer sie "erobert" hat, wenn auch nur auf Zeit und nur in den Grenzen der Regularien des demokratischen Rechtsstaats, der wird immer dazu neigen, sie auszuweiten.

    Selbst ein so überzeugter Demokrat wie Adenauer hat das versucht; und schon zu seiner Zeit gab es diese Befürchtungen, daß es mit der Demokratie zu Ende gehe. (Das Wort "Demokratur" habe ich damals zum ersten Mal gehört - von einem Onkel, der selbst ein ziemlich hoher, aber in Opposition zu Adenauer stehender Regierungsbeamter war ).


    Etatistische Tendenzen gibt es in allen demokratischen Rechtsstaaten. In fast allen sind sie schlimmer als in Deutschland. Auch in den USA gibt es sie, und zwar links wie rechts. Wie überhaupt diese Tendenzen nicht der Linken oder der Rechten zuzuordnen sind. Und es ja auch von uns Liberalen, die dagegen stehen, die linke wie die rechte Variante gibt.

    Je komplexer das System "Staat" wird, umso größer ist nun einmal die Gefahr, daß die Bürokratie Kompetenzen an sich zieht, die ihr in einem liberalen Staat nicht zustehen.

    Sie tut das überall unter dem Vorwand, uns freie Bürger zu schützen (vor Kriminalität, vor Terrorismus, vor Diskriminierung und Ungleichbehandlung, vor dem atomaren Gau und bissigen Hunden) und uns zu helfen (damit wir glücklicher, zufriedener, gebildeter usw. sind).

    Was sie manchmal auch tut, die Bürokratie. Vor allem aber tut sie eines: uns bevormunden.

    Herzlich, Zettel


    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    02.08.2006 14:43
    #15 RE: Leben wir noch in einer Demokratie? Antworten

    Zitat von Sparrowhawk
    "Ist das Volk eigentlich noch der Souverän, oder nicht?"

    Laut Papierform ja, es steht ja im Grundgesetz. Was dies aber wert ist... naja, manche Paragraphen können auch gestrichen werden, es würde, gemessen an der verfassungswirklichkeit keinen Unterschied machen.


    Lieber Sparrowhawk, ich bin gespannt auf deine Antworten auf meine Fragen. Hier speziell: War das Volk in Deutschland irgendwann mehr der Souverän als heute? Wo auf der Welt ist es das mehr als in Deutschland, sieht man von den USA und GB ab? Und vor allem: Ist es eigentlich erstrebenswert, es mehr "zum Souverän zu machen", wenn das die Einführung von Elementen einer plebiszitären Demokratie bedeutet?

    Ist Frankreich zB demokratischer, weil es dort das Institut des Referendum gibt?


    Auf lokaler Ebene übrigens halte ich Referenden für sehr sinnvoll; so wie das in den USA ja der Fall ist, bis hin zur State-Ebene. Wenn zB die Wähler in Kalifornien zur Wahl gehen, dann stimmen sie über die Energieversorgung, die Höchstgeschwindigkeit und alles mögliche andere ab.

    In Antwort auf:
    "Da fragt es sich schon, wo unsere demokratischen Grundsätze der freien Meinungsäußerung und überhaupt der Freiheit in der Entscheidung in ganz banalen Alltagsfragen bleiben." Weg sind sie.

    Hm, die meisten Deutschen, die du fragst, werden nicht diesen Eindruck haben. Und diejenigen, die es in der DDR erlebt haben, wie es ist, wenn wirklich keine Meinungsfreiheit existiert, werden wahrscheinlich den Kopf schütteln.

    Schade, daß hier niemand mitschreibt, der das erlebt hat, wie es in der DDR hinsichtlich der Meinungsfreiheit war. Vielleicht liest ja jemand mit und schreibt dazu etwas ins Gästebuch.

    In Antwort auf:
    Das ADG/AGG handhabt das aber anders, denn da soll wohl der Beschuldigte nachweisen, daß er nicht dagegen verstoßen hat... also schuldig, bis zum Beweis der Unschuld. Da wünsche ich den Anwälten viel Spaß mit der Flut ihrer neuen Klienten...

    Ja, das fürchte ich auch. Wenn ich es richtig verstanden habe, muß der Klagende glaubhaft machen (so oder so ähnlich ist das formuliert), daß er diskriminiert wurde. Und dann muß der Beklagte das Gegenteil beweisen. Und das kann er nur, wenn er alle Details des betreffenden Vorgangs (Einstellung, Vermietung, was immer) dokumentiert.

    Die schlimmste Folge dieses schlimmen Gesetzes wird also sein, daß sich der Verwaltungsaufwand, wenn jemand Personal einstellt usw., ungeheuer ausweitet. Ich kenne das von Uni-Berufungsverfahren und habe das, glaube ich, auch schon mal beschrieben. Jedes Unternehmen, das so seine Leitenden Angestellten einstellt, wie das die Unis mit ihren Professoren tun (müssen), wäre bald pleite; jedenfalls würde sein Aktienkurs drastisch sinken.

    In Antwort auf:
    PS: Zettel, ich antworte zu einer anderen Zeit auf deine Frage, aber das braucht mehr Zeit. Ich bin aber noch ein wenig on air und muß mich um meine Hörer kümmern.

    Das wollte ich immer schon mal fragen: Bist du eigentlich zu empfangen? Ich meine, im Internet oder über Satellit?

    Herzlich, Zettel

    Sparrowhawk ( Gast )
    Beiträge:

    02.08.2006 15:15
    #16 Radio Antworten
    @ Radio: Dazu antworte ich dir in einem anderen Thread.


    Anmerkung von Wamba: Ich habe das Thema in/auf die Pinwand verschoben, weil ich finde, daß es da sehr gut hinpaßt.

    Für einen Tag bleibt es aber auch noch im hiesigen Unterforum, damit niemand es für vermißt hält

    Sparrowhawk ( Gast )
    Beiträge:

    03.08.2006 19:25
    #17 RE: Radio Antworten

    Joa´n anderer Thread war ja auch angebracht


    So, lieber Zettel, nun zur dem, was du geschrieben hast:

    Solange es die Bundesrepublik gibt, so lange hat das Volk fast nichts zu entscheiden; zu Weimarer Zeiten konnte es wenigstens noch sein Oberhaupt selbst wählen. Das war zwar auch nicht viel mehr, aber immerhin ein wenig. Heute ? Alle paar Jahre Kreuzchen machen, das wars. Nichtmal das Oberhaupt darf das Volk noch selbst wählen.

    Warum sich etwas ändern sollte... na, wenn die Opposition doch immer so sehr gegen das von der Regierung Vorgebrachte wettert, dann ist es doch ganz normal, daß man Änderungen erwartetet, wenn die Opposition erstmal in der Regierung ist. Doch nichts davon ist zu sehen. Sogenannte "faits accomplits" wie der NATO-Doppelbeschluß sind da eher die Ausnahme als die Regel.
    Bildlich gesprochen hat man bei der Wahl heutzutage die Wahl zwischen folgenden Pferden:

    Extremisten: Diomedische Rösser in Braun und Rot (kleine Anspielung auf die mythischen Pferde des Thraker könig Diomedes... deren bevorzugte Speise Menschenfleisch gewesen sein soll... ich finde es bezüglich der Blutrünstigkeit von Nationalsozialismus (Braun) und Kommunismus (Rot) nicht unpassend)-

    Demokraten: Lahme Gäule in Gelb, Rot, Grün und Schwarz, nach Belieben... nur noch für den Abdecker gut.

    Macht der eine was, wiehern die anderen... damit suggerieren sie, daß sie es anders machen würden, wenn sie das Heft in den Hufen hielten. Und was machen sie anders, wenn sie endlich in der Position sind ? Nichts. Daß sie es anders machen würden, war nichts als Suggestion, nichts als Illusion. Deshalb ist es egal, welches dieser Pferde an den Regierungstrog gelassen wird.

    Das beste Beispiel ist ja das ADG / AGG. Es ist keineswegs ein "Fait accomplit," jedenfalls nicht in seiner jetzigen Form. Es gibts zwar Vorgaben aus der EU, die umgesetzt werdenmüssen, das ist richtig. Aber das, was darüber hinausgeht, kann zurechtgestutzt werden. Aber auch in einer schwarzgeben Regierung würde es nicht dazu kommen.

    Du hattest vorgeschlagen, eventuell eine eigene Partei zu gründen... da werden die Pferde ganz schnell aktiv und fangen an, zu bocken und auszuschlagen... und ihre Helferlein, die Maulesel aus der Presse, machen noch fröhlich mit beim Ausschlagen... eine gewisse Kölner Stadträtin, die wir beide kennen, wird dir dazu einiges sagen können.


    In Antwort auf:
    Aus meiner Sicht sollte sich, was die Verfassung und die Verfassungswirklichkeit angeht, nichts ändern. Oder genauer gesagt: Das, was ich für änderungswürdig halten würde (Einführung des Mehrheitswahlrechts zum Beispiel, die strikte Trennung zwischen Legislative und Exekutive) hat in der deutschen Verfassungsgeschichte keine Tradition; deshalb sind solche Änderungen nicht durchsetzbar.

    Es wird deshalb nicht kommen, weil den Politikern nicht daran gelegen ist, diese Änderungen vorzunehmen. Denn Mehrheitswahlrecht und Trennung der Gewalten würde einen immensen Machtverlust für die Parteien bedeuten. Schon allein das verfassungswidrige Prinzip des Fraktionszwangs wäre damit weitegehend ausgehebelt; Abstimmungen wie die fingierte Mißtrauensklamotte gegen Schröder wären weitaus schweiriger zu bekommen.
    Was außerdem dringendst nötig wäre, wären Politiker, die sich ein mehr an den bekannten Satz Friedrichs des Großen hielten.. "Ich bin der erste Diener meines Staates." Stattdessen herrscht eher die Mentalitität "Ich bin der erste Diener meiner Partei." Dann wären auch Ändeurngen wie das Wahlrecht denkbar. Aber so... null Chance.

    Mehr Volksbeteiligung würde ich durchaus befürworten. Aber wie soll das gehen, wenn Bürgerbegehren einfach mal im Alleingang abgeschmettert werden wie in dem einen Stadtteil in Berlin, als es ein Bürgerbegehren gegen den Bau einer Moschee geben sollte ?
    Mit anderen Worten: wenns den Politiker-Gutsherren paßt, hat der Bürger nix zu begehren, also wirds mal nebenbei abgeschmettert.
    Partizipationsmöglichkeit: zero.

    Die Wahl des Staatsoberhauptes sollte wieder in die Hände der Bürger gelegt werden. Natürlich ist die Ernennung des Bundespräsidenten ein Parteiengeschacher, nichts weiter. Das war zuletzt bei Köhler so. Wie sieht es denn derzeit aus ? Die Bundesversammlung kommt zusammen. Wer ist da drin ? Der Bundestag. Die gleiche Anzahl der Sitze steht dem Bndesrat zu, wen dieser reinschickt, bleibt ihm überlassen (ist dann praktisch, wenn die Zahl der Sitze die Anzahl der Bundesratsangehörigen übersteigt... dann kommen auch ab und an mal Nichtpolitiker rein, i.d.R. irgendwelche Promis). Die Sitzverteilung ist aber analog der im Bundestag, so daß, wenn die Regierungspartei einen Kandidaten hat, den auch, zur Not mit Hilfe des Koalitionspartners, bekommt. Also eben doch Parteiengeschacher, noch dazu ein völlig unnötiges.

    Mehr Volksabstimmungen würde ich ebenfalls befürworten. Natürlich geht das nicht bei jedem Gesetz und bei jeder Verordnung, das ist klar. Dazu, d´accord, sind wir zu viele. Es müßte dann abgewogen werden, wo Volksentscheide gemacht werden sollten und wo nicht. Ich würde zum Beispiel sagen, daß Referenden zu wichtigen EU-Entscheidungen nötig sein müssen. Maastricht, Euro, EU-Verfassung, das wären Chancen gewesen, um es mit Brandt zu sagen "mehr Demokratie zu wagen." Aber da unseren Parteien nicht daran gelegen ist, kam das nicht. Ebenso würde ich einen Volksentscheid für neue EU-Beitrittskandidaten befürworten. Wird es aber auch nicht geben. Warum ? Ich sag nur "Partei."
    Die Kompetenz, einen Volksentscheid einzuberufen, sollte beim Bundespräsidenten liegen. Dem traue ich da mehr über den Weg als dem Parteientag... ähm... dem Bundestag. Da swäre, wenn ich nicht irre, dann analog zum französischen Président de la République.


    Ist es eigentlich erstrebenswert, es mehr "zum Souverän zu machen", wenn das die Einführung von Elementen einer plebiszitären Demokratie bedeutet?

    -> Ja, ich finde schon. Denn ansonsten kann man das Grundgesetz vollkommen ändern und den Passus, daß alle Souveränität vom Volk ausgeht, streichen. Wie souverän ist denn ein Volk, das nichts zu entscheiden hat und seinen Politikern und Parteien ausgeliefert ist ?


    Ist Frankreich zB demokratischer, weil es dort das Institut des Referendum gibt?

    -> Ich kenne die anderen Aspekte des französischen Systems nicht, deshalb fehlt mir die Vergleichsbasis.
    Vom Stadpunkt des Referendums aus gesehen und aufgrund der Tatsache, daß deren Präsident nicht in einer Versammlung, sondern vom Volk gewählt wird, würde ich die Frage erstmal, aber dennoch unter Vorbehalt (siehe den ersten Satz in dieser Antwort) bejahen.


    In Antwort auf:

    Und diejenigen, die es in der DDR erlebt haben, wie es ist, wenn wirklich keine Meinungsfreiheit existiert, werden wahrscheinlich den Kopf schütteln.

    Die schütteln den Kopf, weil sie sich Meinungsfreiheit nicht vorstellen können, deshlab wählen sie ja auch immer schön weiter die altbekannte Honeckerpartei.


    Zum ADG / AGG: ich habe gerüchteweise vernommen, daß Bundespräsident Köhler sich weigert / weigern wird, das Gesetz zu unterzeichnen. Weiß jemand dazu Näheres ?


    Edit: um es mal ganz klar zu machen.. ich habe nicht im Sinn, den demkratischen Rechtstaat abzuschaffen. Ich lehne aber entschieden seine schrittweise Aushöhlung durch die Parteien von innen heraus ab. Um das zu verhindern müssen dem Volk mehr Kompetenzen zuteil werden als diejenigen, die es derzeit hat... (wobei: wären es weniger Kompetenzen, wären wir in einer Diktatur, will sagen: was wir an Demokratie haben, ist das Minimum, das das jetzige System von einer Diktatur abgrenzt).


    PS: ich sehe gerade in einem deiner angegebenen Links - http://f24.parsimony.net/forum60488/messages/22447.htm - schreibst du, der §130 StGB wäre in seiner jetzigen Form schon 1960 eingeführt worden, ich zitiere:

    In Antwort auf:
    Es sind übrigens Delikte, gegen deren Einführung Liberale und Demokraten aus allen Parteien, auch viele Juden, vehement gekämpft haben. Die jetzige Form des Paragraph 130 wurde beispielsweise gegen den heftigen Widerstand der FDP und vieler Mitglieder des Zentralrats der Juden in Deutschland 1960 eingeführt

    Da muß ich dich korrigieren. Der Volksverhetzungsparagraph an sich ist in der Tat 1960 eingeführt worden, aber nicht in seiner jetzigen Form, denn Absatz 3 kam erst 1994 hinzu, undzwar vom damaligen Justizminister Engelhard, FDP.
    Dazu Folgendes (steht bei Wiki unter dem Stichwort "Volksverhetzung"):

    In Antwort auf:
    Kritik gegen die Vorschrift äußerte der deutsche Historiker Ernst Nolte. Er forderte, eine „Versachlichung der Geschichte herbeizuführen" und lehnte vorgegebene „Dogmen" oder „offenkundige Wahrheiten" ab. Geschichte - so der Historiker, sei kein Rechtsgegenstand. In einem freien Land sei es weder Sache des Parlaments noch der Justiz, geschichtliche Wahrheiten zu definieren.

    Regina hatte ja auch schonmal was dazu gesagt, und da stimme ich ihr vollkommen zu: nämlich (sinngemäß) dahingehend, daß es egenlitch nur 2 Möglichkeiten geben kann: entweder den Absatz wieder zu streichen oder aber den Gebrauch anderer verfassungsfeindicher Symbole (Hammer und Sichel / Zirkel) auch zu verbieten, ebenso die Leugnung und Verharmlosung der Verbrechen der Stasi / SED und/ oder anderer kommunistischer / sozialistischer Regimes.

    Da ich Meinungsverbote aber, ebenso wie du, eines demokratischen Rechststaats für unwürdig halte, lieber Zettel, bin ich selbstverständlich für die Streichung.

    Turbofee Offline



    Beiträge: 329

    03.08.2006 20:00
    #18 RE: Stichwort Bürgerbegehren Antworten
    x

    Wamba Offline



    Beiträge: 295

    03.08.2006 20:47
    #19 RE: Stichwort Bürgerbegehren Antworten

    Liebe Turbofee,

    ich habe mich erinnert, daß in deinem vermißten Beitrag von "Unterschriften" die Rede war und daß er erst ein paar Tage alt ist. Also habe ich diesen Suchbegriff eingegeben und die Suche auf 10 Tage begrenzt.

    Das hat innerhalb von Sekunden zu deinem jetzigen Beitrag geführt sowie zu diesem. Das war doch der, den du gesucht hast, oder?

    Und wenn wir beide zusammensäßen, dann würde ich jetzt mit dir auf diesen Sucherfolg anstoßen

    Herzlich, Wamba


    Turbofee Offline



    Beiträge: 329

    03.08.2006 21:17
    #20 RE: Stichwort Bürgerbegehren Antworten
    x

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    03.08.2006 21:45
    #21 Demokratie in Deutschland Antworten

    In Antwort auf:
    Aber eigentlich ist es sowieso egal, weil Du nichts dazu sagst. Sondern wahrscheinlich irgendwann wieder, daß wir in einer famosen Demokratie leben.

    Ja, das tun wir, liebe Turbofee.

    Ich finde es immer noch erstaunlich, daß wir Deutschen angesichts unserer früheren Schwierigkeiten mit der Demokratie diesen Staat Bundesrepublik Deutschland hinbekommen haben.

    Es ist, hochtrabend ausgedrückt, ein Geschenk der Geschichte. Vielleicht auch nur ein Zufall der Geschichte. Es hätte ja auch anders kommen können, zwischen 1945 und 1950.


    Demokratien sind zwar damals fast überall in Westeuropa entstanden, wo es sie zuvor nicht gegeben hatte (außer zunächst auf der iberischen Halbinsel) - aber wie schlecht waren die, im Vergleich zur deutschen!

    In Frankreich das blanke Chaos der Vierten Republik, gefolgt von der halbdemokratischen Autokratie de Gaulles. In Italien das blanke Chaos der Nachkriegsrepublik, gefolgt von den zwar etwas stabileren, aber auch nicht gerade musterdemokratischen Zuständen unter D'Alema, Prodi, Berlusconi und jetzt wieder Prodi. In Griechenland das blanke Chaos, gefolgt von der Diktatur der Obristen.

    Und in Deutschland - eine demokratische Verfassung, die auf Anhieb funktioniert hat und die uns jetzt fast sechzig Jahre der Rechtsstaatlichkeit und einer stabilen Demokratie gebracht hat. Geradezu eine Singularität in der deutschen Geschichte, und eine Seltenheit in Relation zur Geschichte anderer Länder.


    Ich weiß, liebe Turbofee, du willst, daß ich mich zur Berichterstattung über Bürgerbegehren äußere. Aber ich kann dazu nicht mehr sagen, als daß das nicht eine Frage der demokratischen Verfassung und des Rechtsstaats ist.

    Ich bin entschieden dafür, daß die Presse unparteiisch berichtet und habe ja schon manche Kritik an parteilicher Berichterstattung losgelassen. Aber das ist nicht eine Frage der Verfassung eines Staats, nicht eine Frage seiner Rechtsstaatlichkeit.

    Gerade ein liberaler Rechtsstaat kann keinen Zeitungsverleger zwingen, irgendetwas zu berichten oder irgendetwas nicht zu berichten. Beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk ist das etwas anderes. Der ist zur Ausgewogenheit verpflichtet; aber ich weiß nicht, wieweit es justiziabel ist, wenn man sich dort nicht daran hält.

    Der WDR ist in den vielen Jahren der roten und rotgrünen Regierung leider derart politisch einseitig geworden, daß ich ihn als Nachrichtenquelle überhaupt nicht nutze. Er hat mein Vertrauen in seine Unparteilichkeit vollkommen verspielt. Und da man RedakteurInnen ja nicht einfach auswechseln kann, wird es lange dauern, bis er wieder zu dem Sender geworden ist, der er einmal gewesen ist, als Liberale wie von Bismarck, von Sell und vor allem Werner Höfer ihn geprägt haben.

    Herzlichen Gruß
    von Zettel


    Turbofee Offline



    Beiträge: 329

    03.08.2006 22:32
    #22 RE: Demokratie in Deutschland Antworten
    x

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    05.08.2006 19:14
    #23 RE: Radio Antworten

    Lieber Sparrowhawk,

    da ich dich gerade online sehe, nur kurz zu diesem Beitrag von dir: Ich habe ihn mir schon gestern gespeichert, um ihn zu beantworten. Dauert a bisserl, weil so viel anderes auch zu tun ist.

    Kommt aber, wenn auch stückchenweise.

    Herzlich, Zettel

    Sparrowhawk ( Gast )
    Beiträge:

    05.08.2006 19:56
    #24 RE: Radio Antworten

    Kein Problem, es gibt ja schließlich auch ein Leben außerhalb des www. ;-)

    Zettel Offline




    Beiträge: 20.200

    07.08.2006 02:23
    #25 Demokratische und andere Pferde Antworten
    Lieber Sparrowhawk,

    verspätet jetzt meine Antwort, Teil eins (Ich antworte in Scheibchen, weil es sonst unhandlich würde und ich mir so das Schreiben auch besser einteilen kann):

    In Antwort auf:
    Solange es die Bundesrepublik gibt, so lange hat das Volk fast nichts zu entscheiden; zu Weimarer Zeiten konnte es wenigstens noch sein Oberhaupt selbst wählen. Das war zwar auch nicht viel mehr, aber immerhin ein wenig. Heute? Alle paar Jahre Kreuzchen machen, das wars. Nichtmal das Oberhaupt darf das Volk noch selbst wählen.

    Alle vier Jahre, wie überall auf der Welt, wie in den meisten Demokratien. Manchmal auch alle fünf Jahre. Was erwartetst du stattdessen? Eine ständige Politisierung? "Basisdemokratie"? Die führt überall und immer zu einer Diktatur der AktivistInnen. Die einzige wirkliche Demokratie ist die repräsentative Demokratie. Jedenfalls in einem modernen Staat.

    (Übrigens ein Nachgedanke zu unserer Diskussion über die attische Demokratie: Eine von deren wesentlichen Voraussetzungen war, neben der geringen Zahl der Vollbürger in einer Polis, deren Muße. Bürger zwar, aber in einer Sklavenhaltergesellschaft eben mit soviel Freizeit fürs Politisieren wie sonst nur Aristokraten)


    "Oberhaupt"? Den Präsidenten direkt zu wählen, macht nur Sinn, wenn er auch mächtig ist; wie in den USA, wie in Frankreich.

    Der jetzige Modus in Deutschland hat den großen Vorteil, daß der Präsident nicht aus einem Wahlkampf hervorgeht und es dadurch viel leichter hat, der Präsident aller Deutscher zu werden. Wie ein konstitutioneller Monarch, nur eben auf Zeit.

    In Antwort auf:
    Warum sich etwas ändern sollte... na, wenn die Opposition doch immer so sehr gegen das von der Regierung Vorgebrachte wettert, dann ist es doch ganz normal, daß man Änderungen erwartetet, wenn die Opposition erstmal in der Regierung ist. Doch nichts davon ist zu sehen. Sogenannte "faits accomplits" wie der NATO-Doppelbeschluß sind da eher die Ausnahme als die Regel.

    Man will nichts grundsätzlich ändern; zum Glück. Nur Extremisten wollen den ganzen Laden umkippen und etwas Neues auf die Beine stellen. Nur dann, wenn die Demokratie gescheitert ist, haben sie damit eine Chance.

    Es ist geradezu das Merkmal einer reifen Demokratie, daß sich nichts Grundsätzliches ändert, wenn die Opposition an die Macht kommt. Sie will ja im Prinzip dasselbe wie die vorausgehende Regierung; nur mit anderer Akzentsetzung, mit anderen Instrumenten vielleicht.

    Demokratie: Das bedeutet Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Schutz gegen die "Übermut der Mächtigen". Demokratie bedeutet nicht, daß alle ständig in der Politik mitmischen. Demokratie bedeutet noch weniger, daß jede Stimmung im Volk, jede Mode, die gerade kursiert, sich in politische Entscheidungen umsetzen sollte.


    Oft kann allerdings eine Opposition, an die Macht gekommen, in der Tat nicht das machen, was sie im Wahlkampf versprochen hat. Wie jetzt die CDU, weil sie halt die SPD als Klotz am Bein hat. Hans-Olaf Henkel hat das im Spiegel-Gespräch im Heft der letzten Woche sehr klar gesagt: Die Kanzlerin hat sehr genau verstanden, was in der Wirtschaftspolitik eigentlich nötig wäre. Aber ihr sind die Hände gebunden.

    In Antwort auf:
    Bildlich gesprochen hat man bei der Wahl heutzutage die Wahl zwischen folgenden Pferden:

    Extremisten: Diomedische Rösser in Braun und Rot (kleine Anspielung auf die mythischen Pferde des Thraker könig Diomedes... deren bevorzugte Speise Menschenfleisch gewesen sein soll... ich finde es bezüglich der Blutrünstigkeit von Nationalsozialismus (Braun) und Kommunismus (Rot) nicht unpassend)-

    Demokraten: Lahme Gäule in Gelb, Rot, Grün und Schwarz, nach Belieben... nur noch für den Abdecker gut.

    Macht der eine was, wiehern die anderen... damit suggerieren sie, daß sie es anders machen würden, wenn sie das Heft in den Hufen hielten. Und was machen sie anders, wenn sie endlich in der Position sind ? Nichts. Daß sie es anders machen würden, war nichts als Suggestion, nichts als Illusion. Deshalb ist es egal, welches dieser Pferde an den Regierungstrog gelassen wird.


    Hübsche Metapher. Nur, warum glaubst du, daß die demokratischen Gäule lahmen? Sie sind halt keine Zirkuspferde, sondern eben Arbeitsgäule. Sie drehen keine Pirouetten, sondern ziehen den Karren. (So hat, glaube ich, Herbert Wehner mal seine Tätigkeit beschrieben. Dem ich, nebenbei, offenbar Unrecht getan hatte. Ich war ziemlich sicher gewesen, daß er ein Mann des MfS gewesen war; jetzt ist er entlastet, und zwar offenbar gründlich).

    Soviel erst mal, lieber Sparrowhawk. Wird fortgesetzt!

    Herzlich, Zettel

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