Eigentlich wollte ich es mit Kommentaren zu Guttenbergs Plagiaten erst einmal gut sein lassen; aber was ich heute Vormittag bei GuttenPlag Wiki gesehen habe, das hat mich doch auf die Palme gebracht, also in die richtige Stimmung für eine Meckerecke.
Auf 62,8 Prozent aller Seiten sind inzwischen Plagiate entdeckt worden! Und die Suche geht munter weiter; offenbar wird nicht nur gegoogelt, sondern es werden auch die Dokumentationssysteme von Unis durchforstet.
Also habe ich aus dem Material, das ich zuerst nur hier im kleinen Zimmer für einen Beitrag verwendet hatte, diese Meckerecke gemacht.
Während ich vor gut einer Stunde den fertigen Text publizieren wollte, kam eine dieser Routine-Anfragen von Google zur Eingabe des Paßworts; und dann ein Popup, das mich einladen wollte, zur Sicherheit auch meine Handynummer anzugeben.
Das führte - fragen Sie mich nicht, wie - dazu, daß ein großer Teil der Datei, die mitten im Vorgang der Publikation war, zerschossen wurde. Der Artikel war deshalb kurze Zeit als Torso publiziert, bevor ich ihn wieder herausnahm und dann rekonstruiert habe. Ich bitte um Entschuldigung.
Immerhin hatte das den Vorteil, daß inzwischen die neue Wasserstandsmeldung bei GuttenPlag Wiki vorlag; dadurch hat sich auch der Titel des Artikels geändert.
Nachtrag: Der Link führte nicht zur Meckerecke, sondern zu GuttPlag Wiki. Ist jetzt korrigiert.
Zitat von ZettelEigentlich wollte ich es mit Kommentaren zu Guttenbergs Plagiaten erst einmal gut sein lassen; aber was ich heute Vormittag bei GuttenPlag Wiki gesehen habe, das hat mich doch auf die Palme gebracht, also in die richtige Stimmung für eine Meckerecke.
Zitat Eine Arbeit mit solchen gravierenden Mängeln kann zwar nach normalen akademischen Maßstäben nicht mehr mit summa cum laude oder auch nur magna cum laude oder cum laude bewertet werden - also "ausgezeichnet", "sehr gut" oder "gut"; aber ein rite (befriedigend) ließe sich vertreten.
Wie man die traditionellen lateinischen Noten in Schulnoten übersetzt, liegt nicht auf der Hand und wird auch unterschiedlich gehandhabt. Manchmal wird "summa cum laude" als "sehr gut", manchmal auch "magna cum laude" als "sehr gut" verstanden. Die für zu Gutternberg einschlägige Promotionsordnung der Uni Bayreuth legt sich allerdings (im Gegensatz zu anderen Ordnungen) in § 10 eindeutig fest: Ein "summa cum laude" ist einfach eine "1". Immherin haben ihm die Gutachter damit lediglich eine "sehr gute" Leistung attestiert, nicht eine "ausgezeichnete". Peinlich genug ist es für alle Beteiligten natürlich trotzdem.
danke für die informativen Artikel zum Fall Guttenberg. Auch wenn ich politisch eher in der entgegengesetzten Ecke zu finden bin, lese ich hier doch immer wieder gerne. Was den Fall Guttenberg betrifft, bin ich Ihrer Meinung, auch wenn ich (noch) nicht für einen Rücktritt bin. Aber was mich interessieren würde, wären die Auswirkungen, die diese Sache für die Uni Bayreuth hat. Denn dies ist meines Erachtens nach der eigentliche Skandal. In einer Doktorarbeit mit über zweihundert ungekennzeichneten und nicht oder nur leicht abgewandelten Zitaten müssten doch jede Menge Brüche in der Argumentation oder im Schreibstil sein. Und dafür bekommt KTG dann ein Summa cum Laude, das ist schon ne Frechheit.
Ich habe gestern lange mit einem Freund darüber diskutiert, der meinte, dass die Universität KTG den Doktortitel nicht aberkannen wird, weil man sich dann eingestehen müsste, betrogen worden zu sein und nicht genau hingeschaut zu haben. Auf der anderen Seite bleibt ihnen (auch aufgrund der Öffentlichkeit, auch dank dem Guttenplag-Wiki) eigentlich nichts anderes übrig. Wie ist Ihre Einschätzung, welche Auswirkungen dieser Fall für die Uni Bayreuth hat und ob man KTG den Titel aberkennen wird?
Als kleine zusätzliche Information für alle die die Universität Bayreuth nicht kennen: Sie hat eigentlich einen relativ guten Ruf als kleine aber feine Universität, insbesondere einige Fakultäten, die in manchen Nischen hervorragende Arbeit leisten. Dies wurde übrigens auch durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder bestätigt: http://www.uni-bayreuth.de/exzellenzinitiative/index.html
Zitat Eine Arbeit mit solchen gravierenden Mängeln kann zwar nach normalen akademischen Maßstäben nicht mehr mit summa cum laude oder auch nur magna cum laude oder cum laude bewertet werden - also "ausgezeichnet", "sehr gut" oder "gut"; aber ein rite (befriedigend) ließe sich vertreten.
Wie man die traditionellen lateinischen Noten in Schulnoten übersetzt, liegt nicht auf der Hand und wird auch unterschiedlich gehandhabt. Manchmal wird "summa cum laude" als "sehr gut", manchmal auch "magna cum laude" als "sehr gut" verstanden. Die für zu Gutternberg einschlägige Promotionsordnung der Uni Bayreuth legt sich allerdings (im Gegensatz zu anderen Ordnungen) in § 10 eindeutig fest: Ein "summa cum laude" ist einfach eine "1". Immherin haben ihm die Gutachter damit lediglich eine "sehr gute" Leistung attestiert, nicht eine "ausgezeichnete". Peinlich genug ist es für alle Beteiligten natürlich trotzdem.
Ja, die Übersetzung in Schulnoten ist nicht eindeutig (und ja auch nicht nötig).
Ich habe ziemlich lange an einer Uni gelehrt, die im Zug der Abschaffung des Muffs von tausend Jahren auch die lateinischen Prädikate abschaffte; da war es so, wie ich es übersetzt habe: summa war "mit Auszeichnung", magna "sehr gut" usw.
Irgendwann wurden dann die lateinischen Bezeichnungen bei einer Revision der Promotionsordnung wieder eingeführt, und zwar genau wegen des Problems, das Sie ansprechen: Weil nur die lateinischen Prädikate von Uni zu Uni vergleichbar sind.
Als ich dann einmal einem Doktoranden, der auf ein summa gehofft hatte (eine Note, die ich nur ganz selten vergeben habe) ein magna gab, war dieser sehr enttäuscht und auch nicht damit zu trösten, daß ich ihm erklärte, das sei doch ein "sehr gut". Er war aber bald wieder fröhlich und hat inzwischen längst seine Professur.
Die Prädikate sind übrigens in der Promotionsordnung der Bayreuther Fakultät so definiert:
Zitat summa cum laude = 1 = eine ganz hervorragende Leistung; magna cum laude = 2 = eine besonders anzuerkennende Leistung; cum laude = 3 = eine den Durchschnitt überragende Leistung; rite = 4 = eine Leistung, die den durchschnittlichen Anforderungen genügt; insufficienter = 5 = eine an erheblichen Mängeln leidende, insgesamt nicht mehr brauchbare Leistung.
Das scheint mir für meine Interpretation zu sprechen, denn wenn eine Leistung "den durchschnittlichen Anforderungen genügt", dann ist das nach jedenfalls meinem Verständnis der Schulnoten kein "ausreichend", sondern ein "beriedigend".
Während es mir etwas seltsam vorkäme, ein "befriedigend" als eine "den Durchschnitt überragende Leistung" zu definieren.
Zitat von HiasWie ist Ihre Einschätzung, welche Auswirkungen dieser Fall für die Uni Bayreuth hat und ob man KTG den Titel aberkennen wird?
Das kann ich, lieber Hias, nicht beurteilen, weil ich diese Uni nicht kenne; außer von gelegentlichen Gastvorträgen und Konferenzen.
Ich kann Ihnen aber sagen, wie man nach meinen Erfahrungen an den meisten Unis verfahren würde:
Weder der Doktorvater noch der zweite Berichterstatter sind in der Promotionskommission; der eine längst emeritiert, der andere an einer anderen Uni.
Die Promotionskommission wird also - sie sollte jedenfalls - externe Gutachter einschalten. Und zwar sagen wir zwei Personen, die erstens auf dem Gebiet des Verfassungsrechts ausgewiesen sind und die zweitens einen untadeligen Ruf genießen. Bis deren Gutachten vorliegen, wird einige Zeit vergehen. Dann wird man - so wäre es jedenfalls üblich - nach Gutachtenlage verfahren. Sollten die beiden Gutachter zu abweichenden Urteilen kommen, dann wird man möglicherweise noch einen dritten einschalten.
Es hängt aber natürlich sehr davon ab, wie Guttenberg sich verhält. Aus meiner Sicht ist seine Lage ausweglos. Wenn so etwas geduldet würde, dann könnte man überhaupt niemandem mehr wegen Plagiats den Doktorgrad entziehen.
Vielleicht ist er klug und mutig und "gesteht". Vielleicht stellt sich ja auch doch noch heraus, daß er das überwiegend gar nicht selbst angerichtet hat, sondern daß jemand ihm zumindest zugearbeitet hat, dem er vertraut hat.
An der Aberkennung des Doktortitels (genauer: Der nachträglichen Feststellung, daß die Prüfung nicht bestanden wurde) würde das natürlich nichts ändern.
Ich bin jetzt zu faul, es zu kontrollieren, aber beim Reinschauen gestern meine ich gesehen zu haben, dass zu Guttenberg aus Standartwerken von Stern und Maurer wörtlich abgeschrieben hat. Das sind Werke, die den Profs eigentlich sehr genau bekannt sein müssten, so dass es mich wundert, dass das nicht auffiel. Über einen FAZ oder Zeit Artikel, der vor zehn Jahren erschien, muss man nicht stolpern, selbst wenn man ihn gelesen hat, dass aber keinem auffiel, dass zu Guttenberg von Stern und Maurer abschrieb, wundert mich schon. Ebenso mit Coudenhove-Kalergi. Das ist der Vater des Gedanken der EU. Den müssen doch Verfassungsrechtler gelesen und sich eingehender damit beschäftigt haben. Dass nicht jeder hier etwas wiedererkennt ist klar, aber keiner von der Kommission. Denn andernfalls wäre die Benotung nicht gerechtfertigt.
Zitat von StefanieIch bin jetzt zu faul, es zu kontrollieren, aber beim Reinschauen gestern meine ich gesehen zu haben, dass zu Guttenberg aus Standartwerken von Stern und Maurer wörtlich abgeschrieben hat. Das sind Werke, die den Profs eigentlich sehr genau bekannt sein müssten, so dass es mich wundert, dass das nicht auffiel.
Ja, das wundert mich auch, liebe Stefanie.
Ich habe eigentlich nur eine sozusagen psychologische Begründung anzubieten: Wonach man nicht sucht, das findet man nicht. Man geht an jeden Text mit einem "Lesemodell" heran. Vermutlich hat keiner der beiden Gutachter auch nur im Traum daran gedacht, ausgerechnet bei dem Freiherrn zu Guttenberg nach Plagiaten zu suchen.
Man sieht manchmal das Offensichtliche nicht, wenn man das falsche Modell hat.
das hat jetzt zwar nichts mehr direkt mit dem Fall Guttenberg zu tun, aber es ist trotzdem ein interessanter Punkt.
Zitat Irgendwann wurden dann die lateinischen Bezeichnungen bei einer Revision der Promotionsordnung wieder eingeführt, und zwar genau wegen des Problems, das Sie ansprechen: Weil nur die lateinischen Prädikate von Uni zu Uni vergleichbar sind.
Die lateinischen Prädikate suggerieren eine Vergleichbarkeit und verschleiern damit, daß es hier Abweichungen von einer ganzen Notenstufe geben kann. Z.B. gilt bei den Juristen in Hamburg:
Zitat summa cum laude (ausgezeichnet), magna cum laude (sehr gut), cum laude (gut), rite (genügend), non rite (nicht ausreichend)
In Osnabrück (wiederum Jura) hingegen sieht es so aus :
Zitat rite (ausreichend), satis bene (befriedigend), cum laude (vollbefriedigend), magna cum laude (gut), summa cum laude (sehr gut)
Die "Hamburger Variante" dürfte die üblichere sein, aber ohne Kenntnis der jeweiligen Promotionsordnung sagt ein "summa cum laude" noch nicht viel aus. Bei Bayreuth ist die Sache ein bißchen schwieriger: die deutschen Paraphrasen ("eine ganz hervorragende Leistung") unterstützen zwar Ihre Interpetation, aber zusätzlich finden sich dort ja auch noch die aus der Schule bekannten Zahlen zwischen eins und fünf, die es eher nahelegen, ein "summa cum laude" als "sehr gut" augzufassen.
Ich habe eigentlich nur eine sozusagen psychologische Begründung anzubieten: Wonach man nicht sucht, das findet man nicht. Man geht an jeden Text mit einem "Lesemodell" heran. Vermutlich hat keiner der beiden Gutachter auch nur im Traum daran gedacht, ausgerechnet bei dem Freiherrn zu Guttenberg nach Plagiaten zu suchen.
Man sieht manchmal das Offensichtliche nicht, wenn man das falsche Modell hat.
Herzlich, Zettel
Sein Doktorvater legt diese Sichtweise ja im Interview nahe:
Zitat „Die Arbeit ist kein Plagiat. Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert. Herr zu Guttenberg war einer meiner besten Seminaristen und Doktoranden!“
Die Kette geht ja weiter. Der ausgewiesene wissenschaftliche Fachverlag hat wohl gedacht, dass er nichts kontrollieren müsste, weil ein renommierter Jurist die Arbeit schließlich mit "summa cum laude" bewertet hat. Und der Rezensent in der "Öffentlichen Verwaltung" hat das Buch wohl auch nicht richtig gelesen, weil das Buch ja schließlich in einem renommierten Verlag erschienen und von einem renommierten Professor betreut worden war. Anders kann man seine aus heutiger Sicht extrem peinliche Rezension* wohl kaum erklären. Wenn unser ausgewiesener Linksaußen aus Bremen nicht aus welchen Gründen auch immer die Bühne betreten hätte, wüssten wir wohl immer noch nichts davon. Das hat schon was vom "Kaiser ohne Kleider" ...
Zitat von ZettelVermutlich hat keiner der beiden Gutachter auch nur im Traum daran gedacht ...
Das ist eine schöne Beschreibung eines nicht-professionellen Vorgehens. Ein professionelles Vorgehen hat für eine Standardaufgabe eine einfache To-Do-Liste und da wird Punkt für Punkt abgehakt. Der Check auf Plagiate gehört dazu. Und wenn nicht, dann ist das keine Sache von 'Peinlichkeit'. Sondern ein eklatantes professionelles Versagen.
Zitat von HiasAber was mich interessieren würde, wären die Auswirkungen, die diese Sache für die Uni Bayreuth hat. Denn dies ist meines Erachtens nach der eigentliche Skandal. In einer Doktorarbeit mit über zweihundert ungekennzeichneten und nicht oder nur leicht abgewandelten Zitaten müssten doch jede Menge Brüche in der Argumentation oder im Schreibstil sein. Und dafür bekommt KTG dann ein Summa cum Laude, das ist schon ne Frechheit.
(...)
Als kleine zusätzliche Information für alle die die Universität Bayreuth nicht kennen: Sie hat eigentlich einen relativ guten Ruf als kleine aber feine Universität, insbesondere einige Fakultäten, die in manchen Nischen hervorragende Arbeit leisten. Dies wurde übrigens auch durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder bestätigt: http://www.uni-bayreuth.de/exzellenzinitiative/index.html
Lieber Hias,
diese Frage rückt für mich auch zusehends in den Mittelpunkt, zumal meines Wissens auch die juristische Fakultät deutschlandweit mit zur Gruppe der Besseren gezählt wurde. Das und die Tatsache, dass man gerade bei den Juristen immer gerne öffentlich die eigenen vermeintlich hohen Standards herauskehrt, finde ich extrem bemerkenswert, wenn gleichzeitig eine Kompilation aus mehr oder weniger zitierfähigen Textpassagen inhaltlich mit summa cum laude bewertet wird.
Ich persönlich sehe ein Problem darin überhaupt "neutrale" Gutachter zu finden, immerhin geht es um die Diss eines Politiker im Amt (mit der - theoretischen - Möglichkeit auf ein weiteres bzw. höheres Staatsamt).
Und bei Politikern ist man selten Neutral: man bevorzugt bestimmte Personen, Partein, Inhalte, Ideen etc. oder lehnt eben diese ab. Würde ein eher politisch konservativer Gutachter bestellt hätte das ganze etwas von einer politischen Gefälligkeit, bei einem eher links verorteten Gutachter stände der Vorwurf einer Hexenjagd im Raum.
Aber selbst wenn man nicht so weit gehen will. Es ist unbestritten, dass diese Gutachter ein Stück Bundesdeutsche Geschichte schreiben werden, denn so oder so es geht um die Zukunft eines Mannes, der bis vor kurzem noch als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt werden kann. Damit wird jeder Gutachter fast automatisch zum Kandidatenmacher im kleinen. Und wer von uns könnte in diesem kleinen Moment der Macht von sich wirklich sagen er wäre unanbhängig?
Ich gebe es ehrlich zu, ich würde mich schwer mit dieser Verantwortung tun.
Zitat von ZettelMan sieht manchmal das Offensichtliche nicht, wenn man das falsche Modell hat.
Herzlich, Zettel
Wieso das falsche Modell? Es wird nicht nur bei den Juristen so sein, dass es außerhalb der reinen Wissenschaft Punkte gibt, welche dazu führen, dass der eine mehr und der andere weniger gefördert wird, der eine bessere, der andere schlechtere Noten für die Diss bekommt von seinem Doktorvater, als Erstbewerter. Und das muss nichts mit einem Grafentitel oder der vermuteten Fähigkeit als Wissenschaftler zu tun haben. Das können auch ganz schnöde Punkte sein wie, der Prof ließ den Doktoranden an Aufsätzen mitarbeiten und hat keine Lust, dass sein Renommee darunter leidet, dass ausgerechnet seine Mitarbeiter schlechte Noten bekommen.
Die Kette geht ja weiter. Der ausgewiesene wissenschaftliche Fachverlag hat wohl gedacht, dass er nichts kontrollieren müsste,
Da denke ich schon länger drüber nach.
Lieber Zettel, Sie werden aus dem Stehgreif wissen, was erfüllt sein muss, dass eine Diss als veröffentlicht gilt, so dass ich nicht nachschauen muss. Ich meine, es reicht ein Exemplar an der Uni, an der man promoviert und noch irgend etwas anderes.
Abgesehen von denen, die in der Wissenschaft tätig sein wollten, kenne ich bei den Juristen keinen, der mehr als das das Minimum dessen, was man tun muss, dass die Diss als veröffentlich gilt, getan hat. Die Dissertationen verschwinden dann in einem Disserationsraum, in den sich kaum einer verirrt.
Hätte ich nun geschummelt, dann würde ich doch alles vermeiden, was dazu führen könnte, dass es rauskommt. Den Ball würde ich so etwas von flach halten. Der Gute zu Guttenberg hat aber seine Diss in einer - 400? - Auflage über einen Fachverlag drucken lassen. Selbst wenn ich mich irre, was dieses eine Belegexemplar anbelangt - irgend was weiteres war da noch, Zettel wird das wissen -, eine 400 Auflage ist doch absolut selten und auch der Vertrieb in Buchhandlungen, wie es ja bei zu Guttenberg geschah. Die Diss lag im Handel.
Daher, entweder ist der wirklich der Auffassung, er habe nicht geschummelt oder er ist sehr risikofreudig.
Ich habe eigentlich nur eine sozusagen psychologische Begründung anzubieten: Wonach man nicht sucht, das findet man nicht. Man geht an jeden Text mit einem "Lesemodell" heran. Vermutlich hat keiner der beiden Gutachter auch nur im Traum daran gedacht, ausgerechnet bei dem Freiherrn zu Guttenberg nach Plagiaten zu suchen.
Man sieht manchmal das Offensichtliche nicht, wenn man das falsche Modell hat.
Herzlich, Zettel
Sein Doktorvater legt diese Sichtweise ja im Interview nahe:
Zitat „Die Arbeit ist kein Plagiat. Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert. Herr zu Guttenberg war einer meiner besten Seminaristen und Doktoranden!“
Die Kette geht ja weiter. Der ausgewiesene wissenschaftliche Fachverlag hat wohl gedacht, dass er nichts kontrollieren müsste, weil ein renommierter Jurist die Arbeit schließlich mit "summa cum laude" bewertet hat. Und der Rezensent in der "Öffentlichen Verwaltung" hat das Buch wohl auch nicht richtig gelesen, weil das Buch ja schließlich in einem renommierten Verlag erschienen und von einem renommierten Professor betreut worden war. Anders kann man seine aus heutiger Sicht extrem peinliche Rezension* wohl kaum erklären. Wenn unser ausgewiesener Linksaußen aus Bremen nicht aus welchen Gründen auch immer die Bühne betreten hätte, wüssten wir wohl immer noch nichts davon. Das hat schon was vom "Kaiser ohne Kleider" ...
Zitat von ReaderWenn hier nicht Konsequenzen gezogen werden, sieht es um den Ruf deutscher Universitäten schlecht aus.
Nunja, der Ruf der Unis hängt aber nicht wirklich von Guttenberg ab. Der Ruf hängt doch momentan daran, wie kam es dazu, dass jemand so viel abgeschrieben hat und dennoch die Bestnote bekam.
Dafür gibt es genau zwei Möglichkeiten:
1.) Die Kommission insbesondere der Doktorvater sind nicht hinreichend ihren Verpflichtungen im Bewertungsverfahren nachgekommen und garantieren deshalb nicht für eine solide Wissenschaft sei aus Unfähigkeit sei es aus mangelnder Gewissenhaftigkeit oder Motivation.
2.) Die wollten 1.) nicht nachkommen.
1.) Je nach Fakultät ist das mehr oder weniger verbreitet. 2.) Ist auch keine Ausnahme, hängt aber auch ein bisschen von der Fakultät ab.
Beides schließe ich aus Erzählungen und Beobachtungen in meinem Umfeld. Die Abhängigkeit der Fakultät liegt z.B. daran, wenn für eine Diss technische Einrichtungen wie z.B. ein Labor genutzt werden müssen, wird der Lehrstuhlinhaber viel mehr darauf achten, dass keiner unnötig hier einen Platz wegnimmt, als wenn der Doktorrand z.B. nur Bücher nutzen muss, die sich irgend wo ausleihen kann, sei es in der Fakultätsbibliothek und sich der Prof auch ansonsten nicht wirklich um den Doktoranden kümmern muss.
Wie auch immer, nicht zu Guttenberg war in der Verantwortung, dass dafür gesorgt wird, dass nur redliche Arbeiten durchkommen und angemessen benotete wird. Das ist die Verantwortung der Prüfungskommission gewesen. Deshalb handelt es sich hier in meinem Augen nicht mehr um einen Skandal um zu Guttenberg, sondern um einen der Uni Bayreut, in dem zu Guttenberg nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, nämlich der, bei dem rauskam, dass die Uni nicht sauber gearbeitet hat bzw. ein Lehrstuhl der Uni. Weiß nicht, wo die beiden anderen Prüfer herkamen. Aber primär verantwortlich ist der Doktorvater.
Zitat von LeibnizDas ist eine schöne Beschreibung eines nicht-professionellen Vorgehens. Ein professionelles Vorgehen hat für eine Standardaufgabe eine einfache To-Do-Liste und da wird Punkt für Punkt abgehakt. Der Check auf Plagiate gehört dazu. Und wenn nicht, dann ist das keine Sache von 'Peinlichkeit'. Sondern ein eklatantes professionelles Versagen.
Sintemalen bei der inzwischen bekannten Dichte an Plagiaten doch eigentlich auch jeder Prof, der in seinem Gebiet ein kleines bisschen drin ist, auch ganz ohne Google hätte hellhörig werden müssen.
Zitat BERLIN - Führende Koalitionskreise gehen davon aus, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die 2006 eingereichte Doktorarbeit trotz gegenteiliger Beteuerungen „nicht selbst geschrieben hat“. Das erfuhr der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Kreisen von Union und FDP. Diese Vermutung lege sowohl das Ausmaß der plagiierten Stellen als auch die Tatsache nahe, dass die Einleitung des 475-Seiten-Werkes schon mit einem Plagiat beginne, heißt es. Schließlich sei „die Einleitung das Persönlichste überhaupt“. Guttenberg selbst hatte in seiner ersten Erklärung zu der Affäre am Mittwoch noch behauptet: „Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung." Sollte man ihm das Gegenteil nachweisen können, so die Einschätzung in der Koalition, werde der CSU-Politiker auf jeden Fall zurücktreten müssen.
Es wird ja immer wieder darauf hingewiesen, dass Guttenberg den Titel nur zur Beförderung seiner politischen Karriere wollte. Wieso um Himmels willen hat er dann, als er dieses Ziel auf dubiosem Wege erreicht hatte, nicht ALLES dafür getan, dass diese Arbeit nur in sehr geringer Auflage verbreitet würde? Wer nicht vom akuten Cäsarenwahn befallen ist, wird doch allenfalls seine drei Pflichtexemplare drucken lassen und womöglich noch dafür sorgen, dass diese in der Universitätsbibliothek unter "Verlust" verbucht werden ...
Das ist meiner Meinung nach der Knackpunkt an dieser Geschichte. Die Schummelei, die Verschlagenheit - das wird man noch so verbuchen können, dass das zu einer politischen Karriere nicht schädlich ist. Aber ein derartiger ZOCKER in einem sehr wichtigen sicherheitspolitischen Amt?
Zitat von StefanieLieber Zettel, Sie werden aus dem Stehgreif wissen, was erfüllt sein muss, dass eine Diss als veröffentlicht gilt, so dass ich nicht nachschauen muss. Ich meine, es reicht ein Exemplar an der Uni, an der man promoviert und noch irgend etwas anderes.
Das hängt von der Promotionsordnung der jeweiligen Universität ab. In Bayreuth (ich weiß nicht, ob zu Guttenberg der Fassung vom 5.3.2007 unterlag, aber die relevanten Unterschiede zu einer früheren Fassung sind sicherlich minimal):
Zitat von Promotionsordnung der Universität Bayreuth, §17(1) auszugsweiseNach Bestehen des Kolloquiums hat der Bewerber beim Dekan binnen eines Jahres unentgeltlich gegen Quittung abzuliefern: 1. Pflichtexemplare - 60 gedruckte oder druckähnlich vervielfältigte Exemplare der Dissertation oder - 15 Exemplare, sofern die Dissertation als selbständige Veröffentlichung im Buchhandel beziehungsweise als Monographie in einer Schriftenreihe erscheint oder über die Universitätsbibliothek in elektronischer Form im Internet veröffentlicht wird.
Typischerweise druckt man in diesem Falle 60 Exemplare aus und lässt sie billigst binden oder lässt die Dissertation von der UB elektronisch verbreiten und gibt 15 Exemplare ab. Bei Ambitionen auf eine weitere wissenschaftliche Karriere (und einer ausreichend guten Note) denkt man über die Veröffentlichung als Buch nach.
-- Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April
Zitat von StefanieLieber Zettel, Sie werden aus dem Stehgreif wissen, was erfüllt sein muss, dass eine Diss als veröffentlicht gilt, so dass ich nicht nachschauen muss. Ich meine, es reicht ein Exemplar an der Uni, an der man promoviert und noch irgend etwas anderes.
Das hängt von der Promotionsordnung der jeweiligen Universität ab. In Bayreuth (ich weiß nicht, ob zu Guttenberg der Fassung vom 5.3.2007 unterlag, aber die relevanten Unterschiede zu einer früheren Fassung sind sicherlich minimal):
Zitat von Promotionsordnung der Universität Bayreuth, §17(1) auszugsweiseNach Bestehen des Kolloquiums hat der Bewerber beim Dekan binnen eines Jahres unentgeltlich gegen Quittung abzuliefern: 1. Pflichtexemplare - 60 gedruckte oder druckähnlich vervielfältigte Exemplare der Dissertation oder - 15 Exemplare, sofern die Dissertation als selbständige Veröffentlichung im Buchhandel beziehungsweise als Monographie in einer Schriftenreihe erscheint oder über die Universitätsbibliothek in elektronischer Form im Internet veröffentlicht wird.
Typischerweise druckt man in diesem Falle 60 Exemplare aus und lässt sie billigst binden oder lässt die Dissertation von der UB elektronisch verbreiten und gibt 15 Exemplare ab. Bei Ambitionen auf eine weitere wissenschaftliche Karriere (und einer ausreichend guten Note) denkt man über die Veröffentlichung als Buch nach.
Vielen Dank, das wusste ich nicht, dass es so viele Exemplare sind, die man abzuliefern hat. Dachte, das seien vielleicht drei oder so. Was ich allerdings auch mitbekam, dass Leute selbst druckten und in der Tat ganz günstig binden ließen und dann für Freunde und Familie manchmal etwas luxuriösere Einbände, insbesondere an die, welche mithalfen...dies auch aus Kostengründen.
Ob jetzt 60 oder 400, das erhöht natürlich sehr viel weniger das Risiko als drei zu 400 Exemplaren. Bei 60 Exemplaren ist das Risiko deutlich höher, als wenn es nur drei Auflagen gebe, bei denen man dann ja sogar überlegen könnte, wenn die Nerven durchdrehen ob der Angst vor Entdeckung, dass man die verschwinden lässt...
Wie werden diese 60 Exemplare denn verteilt? Ist es, wie es bei mir an der Uni war, so, dass man davon ausgehen kann, die verschwinden in einem Dissertationsraum und verschimmeln dort, wenn nicht zufällig mal jemand drüber stolpert? Dennoch, bei 60 Exemplaren besteht schon ein Risiko, wenn es sich um einen Prominenten handelt, dass jemand mal reinguckt. Es aber dann noch in den Buchhandel zu bringen, wäre ein zusätzlicher Nervenkitzel, wenn man sich bewusst sein sollte, dass man geschummelt hat.
Ich bin mir relativ sicher, dass viele Dissertation auch ganz gut aufgehoben sind an Orten, bei denen man davon ausgehen kann, es guckt keiner mehr rein. Ich gehe auch davon aus, wäre die Diss nicht von zu Guttenberg, da keiner rein geguckt hätte und das Geheimnis der Arbeit mit ihr im Dunklen verschwunden wäre - wie bei sicher vielen anderen auch....
Auch hätte er vermutlich nicht verhindern können, auch wenn er die Diss nicht in 400 Auflage hätte verbreiten lassen in den Buchhandel, dass sich jemand mal die Diss schnappt, um zu gucken, ob man zu Guttenberg hier ein Bein stellen kann. Dennoch, es ist natürlich wirklich Chuzpe, die Diss in den Handel zu bringen. Dies allerdings nur, wenn man wirklich davon ausgeht, dem war bewusst, wie er geschummelt hat.
Daher, ich kann mir wirklich nur schwer vorstellen, dass jemand bewusst so risikofreudig ist. Ich weiß, alles deutet darauf hin, ich kann es aber nur ganz schwer nachvollziehen. Eher könnte ich nachvollziehen, dass er erwischt wurde, wie er systematisch Exemplare seiner Diss aus Unis stiehlt, um sie zu vernichten.
Zitat von notquiteDer ausgewiesene wissenschaftliche Fachverlag hat wohl gedacht, dass er nichts kontrollieren müsste, weil ein renommierter Jurist die Arbeit schließlich mit "summa cum laude" bewertet hat. Und der Rezensent in der "Öffentlichen Verwaltung" hat das Buch wohl auch nicht richtig gelesen, weil das Buch ja schließlich in einem renommierten Verlag erschienen und von einem renommierten Professor betreut worden war.
Bei dieser Verkettung von Umständen, unter denen man „nur das finden kann, wonach man auch sucht“, sollte das eigentlich nicht überraschen. Möglicherweise hat der Fachverlag aber auch einfach nur seinem Motto vertraut (siehe Logo links oben auf der Seite), nach dem früher oder später ohnehin die Wahrheit ans Licht kommen wird.
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
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