Beispiele für ebenso dreiste wie offensichtliche Lügen:
Uwe Barschel: "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort." Gregor Gysi: "Ich hab nie für die Stasi spioniert." Wolfgang Thierse: "Ich habe nur Zivilcourage gezeigt." (OK, Thierse muß man wohl zugutehalten, daß er vermutlich nicht bewußt gelogen hat, sondern daß er seine Lüge wohl tatsächlich selber glaubt.)
Oder die Bestechung von Reiner Pfeiffer durch Björn Engholm, die Rollen von Manfred Kanther und Wolfgang Schäuble in der Spendenaffäre der CDU, die "Vergesslichkeit" von Hans Filbinger bzgl. diverser Todesurteile durch ihn als Marinerichter im dreitten Reich...
Das sind nun nur die Fälle, die mir jetzt grad aus dem Stehgreif eingefallen sind, die Liste ist mit Sicherheit nicht vollständig. Zurückgetreten ist längst nicht jeder der aufgelisteten (genauer: nur 4 von 7).
Bei Fischer wurde auch nicht so nachgesetzt wie jetzt bei zu Guttenberg. Er hat genau wie zu Guttenberg abgestritten, dass er nämlich Steine auf Menschen geworfen und auf Polizisten getreten habe obwohl es Aufzeichnungen darüber gab.
Und die anderen Sachverhalte passen nicht, weil alle in Ausübung des Amtes und dass Sie es vergleichbar finden, dass jemand auf einem Ministerbogen für private Unternehmen wirbt mit einem einzigen Schreiben an die Uni wegen des Doktortitels, ist schlichtweg nicht mehr nachzuvollziehen.
Zitat von Stefanie und dass Sie es vergleichbar finden, dass jemand auf einem Ministerbogen für private Unternehmen wirbt mit einem einzigen Schreiben an die Uni wegen des Doktortitels, ist schlichtweg nicht mehr nachzuvollziehen.
Bei Möllemann war das harmloser. Denn es handelte sich um eine routinemäßige Empfehlung aus seinem Ministerium, die er lediglich unterschrieben hat. Das Ministerium war an sich berechtigt, solche Empfehlungen auf amtlichem Briefbogen auszusprechen; es wurde nur eben gerügt, daß es sich hier um einen angeheirateten Vetter gehanelt hatte.
Guttenberg hat den Briefbogen des Ministeriums mißbraucht, um in einer ausschließlich persönlichen Angelegenheit einen Brief zu schreiben. (Auch wenn sie politische Konsequenzen haben sollte, ist es doch keine Angelenheit seines Ministeriums; und allein für diese darf der amtliche Briefbogen verwendet werden).
Was das juristisch ist, mögen die Juristen beurteilen. Ein Dienstvergehen dürfte es sein.
Ich versuche mir vorzustellen, ich hätte in meiner Amtszeit als Dekan den offiziellen Briefbogen des Dekans der Fakultät benutzt, um einen Brief in einer privaten Angelegenheit zu schreiben. Ich hätte sofort ein Disziplinarverfahren am Hals gehabt.
Aber so ist das halt bei Guttenberg. Die kleine Verfehlung steht sozusagen im Schatten der großen.
Zitat von ZettelUnd wenn jemand derart schamlos lügt, dann darf er kein Amt haben, in dem er Verantwortung trägt. Er hat im Fall Kundus zwei honorige Männer schäbig behandelt, um sich selbst zu exkulpieren. Er hat den Kapitän der Gorch Fock schäbig behandelt. Dieser Tartuffe wird immer nur sein eigenes Interesse sehen und ihnen andere Menschen rücksichtslos opfern.
Manchmal gibt es eben den Augenblick der Wahrheit, in dem ein Mensch zeigt, wie er wirklich ist.
Eben. Ich verstehe es ganz ehrlich nicht, warum noch irgendjemand diesen Menschen in seinem Amt behalten möchte. Wirklich, es ist mir unerklärlich. Ganz abgesehen davon, dass ich an zu Guttenbergs Stelle vor Scham im Boden versunken wäre und nicht nachvollziehen kann, wieso der Mann seinen Gesichtsverlust einfach so locker verkraftet - warum, um Himmels Willen, soll der Mann weiter Minister bleiben? Weil er der Merkel-Union als "Mann mit Stil" noch nützen kann? Weil das Wahlvolk ihn jetzt als "menschlicher" empfindet? Eine Kosten-Nutzen-Abwägung, nach der auch ein komplett desavouierter Guttenberg noch besser ist als irgendein Nullgesicht aus der zweiten Reihe?
Sorry, der Mann hat menschlich auf ganzer Linie versagt. Er zeigt mit dem Betrug und seiner "ach sorry, vergessen wirs"-Show seinen Charakter, also quasi seine persönliche Operationsbasis. Sie haben völlig recht, lieber Zettel - so einem kann man nicht trauen. Und man kann ihm auch guten Gewissens niemanden anvertrauen. Er taugt nicht zum Minister. Und als Lichtgestalt bürgerlicher Politik taugt er auch nicht mehr.
Eine Kollegin meinte gestern, dass so ein Gesichtsverlust in einem anderen Kulturkreis durchaus harakiriwürdig wäre.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat von GansguoterDie scheibenförmige Erde behauptete noch vor zwei Jahren die Neubearbeitung des Geschichtsbuches "Zeiten und Menschen", Ausgabe NRW, Neubearbeitung für G8, Bd. 2 (Schöningh-Verlag). Erst auf Intervention von Geschichtslehrern, darunter meine Wenigkeit, wurde dies korrigiert. In einer Reihe von Geschichtsbüchern habe ich diese falsche Darstellung gefunden.
Au weia.
Kleine Geschichte eines Irrtums:
Zitat von wikipediaHistorian Jeffrey Burton Russell says the flat earth error flourished most between 1870 and 1920, and had to do with the ideological setting created by struggles over evolution.
So kam er in die Geschichtswissenschaft:
Zitat von wikipediaThen, in 1837, the English philosopher of science William Whewell first identified, in his History of the Inductive Sciences, two minimally significant characters named Lactantius (245-325, also mocked by Copernicus' in De revolutionibus of 1543, as someone who speaks quite childishly about the Earth's shape, when he mocks those who declared that the Earth has the form of a globe) and Cosmas Indicopleustes, who wrote his "Christian Topography" in 547-549. Whewell pointed to them as evidence of a medieval belief in a Flat Earth, and other historians quickly followed him, even though it was hard to find other examples.
Verschwand aus ihr aber lange vor Krüger:
Zitat von wikipediaThe misconception has had no currency in historical scholarship since at least 1920, but it persisted in popular culture and also in some school textbooks into the 1960s.
Einer hat's noch nicht gemerkt:
Zitat von wikipediaIn a 2008 speech at Google, Salman Rushdie describes popular Western European perceptions fifty years before Columbus: that a ship sailing west would find first ship-eating monsters, then mud replacing the waters, and finally, the edge of the world.
danke für die Illustration traditioneller wissenschaftlicher Aufrichtigkeit. In den Geistes- und Sozialwissenschaften ist es auch nicht anders gewesen. Heutzutage muß man aber bei jedem Diskussionsbeitrag auf einem Kongreß darauf achten, daß man nicht alle Ideen ausplaudert. Und gar nicht so selten findet man Wortbeiträge und Ideen eines Kollegen später in Veröffentlichugnen anderer Kollegen, die auf der Tagung gar nichts gesagt haben!
Zitat von Zephirdanke für die Illustration traditioneller wissenschaftlicher Aufrichtigkeit. In den Geistes- und Sozialwissenschaften ist es auch nicht anders gewesen. Heutzutage muß man aber bei jedem Diskussionsbeitrag auf einem Kongreß darauf achten, daß man nicht alle Ideen ausplaudert. Und gar nicht so selten findet man Wortbeiträge und Ideen eines Kollegen später in Veröffentlichugnen anderer Kollegen, die auf der Tagung gar nichts gesagt haben!
"Traditionell" in dem Sinn, lieber Zephir, in dem man im Elsaß traditionell choucroute garnie ißt; also nach wie vor.
Es gibt Fälle wie die von Ihnen geschilderten und hat sie immer gegeben; ich habe ja in dem Artikel auch einen beschrieben, der mich betroffen hatte. Aber sie bestimmen nicht das Bild; jedenfalls nach meiner Erfahrung nicht.
Und es gibt eine Grauzone. Ideen für Experimente liegen oft in der Luft. Wenn einer das macht, was ein anderer sich überlegt und wovon er berichtet hatte, dann muß er das nicht unbedingt abgekupfert haben.
Aber es stimmt schon: Ich war damals naiv; später habe ich auch nicht mehr überall stolz erzählt, was für tolle Experimente ich plane.
Es ist auch eine Frage des Abwägens. Diejenigen, die auf Kongressen immer die Karten ganz eng an die Brust gedrückt halten, sind selten gute Wissenschaftler. Sie haben in der Regel ein so schlechtes Blatt, daß sie es jedem auch offen zeigen könnten. Man muß frei miteinander diskutieren können; nur das bringt die Wissenschaft voran.
Es gibt andererseits diejenigen, die immer naiv bleiben. Einer meiner Kollegen; ein glänzender, innovativer Experimentator, sprudelte nur so von Ideen, und er hat das immer alles freimütig gesagt. Viele seiner Ideen haben dann andere realisiert.
Er selbt freilich hätte das gar nicht gekonnt. Er war das Gegenteil eines Karrieristen. Mit Heiterkeit sah er zu, wie andere das realisierten, wozu er gar nicht die Drittmittel gehabt hätte, und sagte nur: Egal, wer es publiziert; jedenfalls hat es die Wissenschaft vorangebracht.
Zitat Aber das waren eben die Gelehrten. Daß die Kugelgestalt der Erde im MA allgemein bekannt war, halt ich eher für unwahrscheinlich.
Es kommt darauf an, was man meint, wenn man sagt, etwas sei "allgeim" bekannt. Wenn man heute etwas für "allgemein bekannt" hält, ist nicht ausgeschlossen, dass Lieschen Müller dies gerade nicht weiß. So doch auch für das Mittelalter: Wenn man etwas für im Mittelalter "allgemein bekannt" hält, meint man doch wohl diejenigen, die eine gewisse (schulische) Bildung erfahren haben, denn nur über diese Menschen können wir etwas aussagen. Was der Max Musterbauer oder Karl Standardknecht im 13. Jahrhundert über die Welt gedacht hat oder ob er überhaupt darüber nachgedacht hat, wissen wir nicht. Wir können aber sagen, vgl. Simek, dass die Standardliteratur, die im Studium der Artes liberales verwendet wurde, die Kugelgestalt der Erde als bekannt voraussetzt bzw. Belege dafür anführt. Darunter auch diesen, den Sie als irrig bezeichnen:
Zitat Dagegen war es irrig, als Beweis gelten zu lassen, daß man von einem Schiff am Horizont nur noch die Masten sieht.
Gerade dieser "Beweis" findet sich in mittelalterlichen Handschriften auch durch Zeichnungen illustriert. Der Beweis mag irrig sein, zeigt aber, dass man von der Kugelgestalt der Erde ausging.
Also, unter denen, die Zugang zu Bildung hatten, war die Kugelgestalt allgemein bekannt; über den Rest können wir nur wenig sagen. Es gibt allerdings aus dem 13./14. Jahrhundert volkssprachliche Predigten, in denen ebenfalls die Kugelgestalt der Erde erklärt wird; auch der lese- und schreibunkundige Mensch des Mittelalters - eher in den Städten als auf dem Land - hatte eine Chance, von der Kugelgestalt zu erfahren.
Zitat Deshalb bin ich auch nicht sicher, daß die Ebstorfer Weltkarte als Planprojektion einer Kugeloberfläche gedacht war. Es ist die naive Weltsicht eines Frommen, für den Jerusalem in der Mitte der Welt liegt
Nicht so naiv, wie Sie denken. Die Ebstorfer Weltkarte ist ein bekanntes Beispiel für die T-O-Karten des Mittelalters. Wie Simek ausführlich darlegt, sind sie a) beschränkt auf den als bewohnt angenommenen Teil der Erde und b) eine Projektion der Kugelgestalt der Erde auf einen Kreis.
Meine Schüler habe ich folgendes Experiment machen lassen: Google Earth - auf Jerusalem zentrieren - heranzoomen auf den Ausschnitt, den auch T-O-Karten zeigen - das Ganze osten - das Ergebnis ist frappierend (siehe unten). Die Londoner Psalterkarte hier: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/co...r_world_map.jpg
Natürlich mischt sich hier christliches Weltbild mit geographischen Vorstellungen; aber "naiv" und "fromm" mag ich hier nicht gelten lassen.
Und dieser geniale Experimentator und Ideengeber wird dann als abschreckendes Beispiel eines erfolglosen schlechten Professors gelten, der die Uni im Ranking nach unten drückt und dem man besser nicht nacheifern sollte. So ist die Wissenschaft.... ;)
Zitat von BlubUnd dieser geniale Experimentator und Ideengeber wird dann als abschreckendes Beispiel eines erfolglosen schlechten Professors gelten, der die Uni im Ranking nach unten drückt und dem man besser nicht nacheifern sollte. So ist die Wissenschaft.... ;)
Er war, inzwischen pensioniert, Akademischer Oberrat.
In diesem Mittelbau der Langzeitler tummeln sich sehr unterschiedliche Menschen. Es gibt die, die an der Uni hängengeblieben sind, die aber nie das Zeug zum Wissenschaflter hatten. Es gibt diejenigen, die aus irgendeinem Grund sich nicht habilitieren konnten oder die, habilitiert, keinen Ruf bekommen haben. Sie werden dann irgendwann verappelt.
Und dann gibt es aber auch die wie dieser Kollege, der den meisten Habilutierten fachlich überlegen war, der aber einfach nicht in die Karriere-Tretmühle wollte. Er hatte seine Familie, viele Freunde, viele Interessen. Daß Jüngere an ihm vorbeizogen, machte ihm nichts aus. Er saß am Rechner und bastelte an seinen tollen Ideen; übrigens nicht nur für Experimente, er war zugleich ein ausgezeichneter Theoretiker.
Zitat von ZettelNein, kein weiterer Artikel zu Guttenberg. Wohl aber ein Artikel zu einem Thema, das mich schon lange beschäftigt, auf das die Guttenberg-Affäre aber einmal mehr hinweist: Wie kommt die irrige Meinung zustande, Wissenschaft sei überwiegend - oder auch nur in einem erheblichen Umfang - von Interessen abhängig?
Lieber Zettel,
Zitat von ZettelDie meisten Deutschen scheinen an dem Verhalten des früheren Doktors zu Guttenberg, das nach allen akademischen Maßstäben skandalös ist, weiter nichts zu finden.
Ich hatte schon an anderer Stelle angemerkt, dass ich das für eine Unterstellung halte. Selbstverständlich sehen "die meisten Deutschen" das Verhalten skandalös an, aber nicht als skandalös genug, um seinen Rücktritt einzufordern. Es wurden bereits eine Reihe von plausiblen Gründen genannt, ich möchte hinzufügen, dass das Ansehen von Politikern in Deutschland schlechter ist als das Ansehen von Wissenschaftlern und Guttenberg als Politiker und nicht als Wissenschaftler wahrgenommen wird.
Mir war zwar vor der Aufdeckung der Patchworkpromotion bekannt, dass er promoviert wurde, allerdings war es mir neu, dass es sich um einen Juristen handelt. Es hat mich einfach nicht interessiert. Als Entschuldigung kann ich nur vortragen, dass ich mich daran gewöhnt habe, dass in der Politik andere Qualifikationen eine Rolle spielen als ausgerechnet Fachkompetenz.
Ich sehe keinen Widerspruch zu Deiner Eingangsthese, weil es für mich keinen Zusammenhang mit dem Fall Guttenberg gibt. Tatsächlich gibt es speziell ein Misstrauen gegenüber Wissenschaftlern, weil unterstellt wird, dass die Industrie "mehr und mehr Einfluss" ausübt. Das hat mich überrascht, weil ich zuerst gefühlsmäßig antworen wollte, dass es doch gar nicht so schlecht um das Ansehen bestellt ist, aber das Eurobarometer "Science and Technology" hat mich geläutert, zumindest was die Förderung durch die Industrie angeht.
Zitat von Eurobarometer2.3 Science and the influence of private funding - Europeans tend not to trust scientists who depend on money from industry.
...
When looking at the influence of private funding, we see that Europeans tend to agree that scientists can be unduly influenced if their work is funded by industry15. Close to three in five Europeans (58%) agree that “we can no longer trust scientists to tell the truth about controversial scientific and technological issues because they depend more and more on money from industry” while only 16% of respondents at the EU27 level disagree. The figure below shows that there are countries where respondents express a stronger view, with Cyprus in the lead at 72%. In Finland, Germany and Slovenia, seven out of ten respondents agree with the statement, also considerably higher than the EU27 average of 58%.
Allerdings sollte dieses Ergebnis nicht zu dem Schluss verleiten, dass es in Deutschland generell schlecht um das Ansehen der Wissenschaft bestellt ist. Das geben die anderen Daten nicht her. Die Deutschen halten wie die anderen Europäer auch Wissenschaftler für weitaus besser geeignet die Auswirkung von wissenschaftlichen Zusammenhängen zu erklären als beispielsweise Politiker oder Journalisten.(Seite 91 ff. Close to two out of three Europeans believe scientists are the best qualified to explain the impact of science – )
Guttenberg wird nicht als Wissenschaftler gesehen, somit wird er auch nicht für seine wissenschaftliche Nichtleistung verurteilt, die aus der Übernahme und Aneinanderreihung von fremden geistigen Eigentum besteht, weil hier gesamtgesellschaftlich ein generelles Unrechtsbewusstsein fehlt, um vielfaches verstärkt durch das "Alles Gratis und zwar sofort" - Internet.
Bei meinen ersten Gehversuchen im Internet vor 12 Jahren hatte ich mich einmal hochgradig empört, weil ein Forant mit einem Beitrag glänzte, den er dezidiert als seine eignen ausgab, aber ihn von einer anderen Seite geklaut hatte, was damals mittels Altavista leicht festzustellen war. Ich war erstaunt, dass meine Empörung über diesen Blender keine Resonanz fand, sondern für meine "Entdeckung" wüste Beschimpfungen erntete. Die hatte ich vermutlich auch verdient, denn ich hatte keinerlei Hemmungen mir während dieser Diskussion über Kazaa zehn Songs herunterzuladen.
Der Diebstahl geistigen Eigentums ist in der real erlebten Welt ein Normalfall, manchmal sogar eine Kunstform. Wenn Guttenplag Teile von Guttenbergs Dissertation ohne ausdrücklichem Einverständnis des Autoren und des Verlags ins Netz stellt, ist das ein Verstoß gegen das Copyright, trotz der hehren Absichten. Wenn die taz ihren Lesern empfiehlt, "Deutschland schafft sich ab" kostenlos irgendwo herunterzuladen, zeugt dass auch nicht von Rechtbewusstsein, zumal es bei Journalisten gelegentlich auch vorkommt, dass sie sich bei anderen ungefragt bedienen. Wenn ich einen Gebrauchsmusterschutz für "krude" und "Rechtspopulist Wilders" hätte, bräuchte ich einen Anlageberater.
Nachtrag: Es handelt sich hierbei um einen Erklärungsversuch, nicht um eine Rechtfertigung.
Zitat von hoegi19738. Bei vielen normalen Arbeitnehmern würde sowas wohl ebenfalls für einen Skandal sorgen, aber die wenigsten würden deswegen wohl ihren Job verlieren. Höchstens dann, wenn die Promotion Einstellungsvoraussetzung war.
Wenn so ein Betrug bei einem meiner Mitarbeiter auffliegen würde, wie soll ich dann jemals wieder seinen Ergebnissen glauben? Vielleicht hat er einfach nur nette Zahlen in eine Präsentation hineingeschrieben? Ich würde mein bestes tun, um ihn loszuwerden.
-- Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April
Ich stimme Ihnen in Ihrer Darstellung zu, dass viele Studenten (ich bevorzuge dieses Wort gegenüber dem politisch korrekten "Studierende") im Studium allenfalls am Rande erfahren, was Wissenschaft bedeutet. Für viele ist das Studium eine Art Verlängerung der Oberstufe; man lernt Stoff um Stoff, gibt das Gelernte brav in Klausuren und Prüfungen wieder und bekommt am Ende ein Examen. Das sind dann die jungen Kollegen, die kopfschüttelnd fragen: "Was soll denn das mit dem Guttenberg? Eine Dissertation zu schreiben heißt doch, 100 Bücher zu lesen und daraus das 101. zu machen."
Der Grund für diese Haltung ist nicht nur das schlechte Zahlenverhältnis von Professoren zu Studenten. Es gibt dafür weitere Gründe:
a) Viele Studenten studieren heute nicht aus einem wissenschaftlichen Interesse heraus, sondern weil sie für ihren angestrebten Beruf ein Examen brauchen. Wissenschaft im engeren und eigentlichen Sinne interessiert sie nicht.
b) Die universitäre Wissenschaft untergräbt selbst den Glauben an die Wissenschaft.
In meiner Zeit als Wiss. Mitarbeiter war ich an Abschlussprüfungen beteiligt. Da habe ich selbst mehrfach Fälle erlebt wie diesen: Prof. A vertritt schwerpunktmäßig die jeweils aktuellen Moden des Faches wie "Gender und Literatur" und dergleichen. Ein Student schreibt zur gerade aktuellen Mode (Gender, Körper, Dekonstruktivismus ...) eine Magisterarbeit und bekommt ein enthusiastisches Gutachten und ein "sehr gut". Der Zweitgutachter, ein traditionell ausgerichteter wirklicher Literaturwissenschaftler (textimmanente Analyse, Textkritik, ...) bewertet dieselbe Arbeit mit "ausreichend" und moniert: Ansatz unwissenschaftlich; fast nur Paraphrase; keine Eigenständigkeit; Fragestellung unklar und so fort.
Was soll nun der betroffene Student noch von dieser Wissenschaft halten, in der sich zwei C4-Professoren selbst nicht einig sind, was wissenschaftlich ist? Er muss doch zu dem Ergebnis kommen, dass Wissenschaft etwas Beliebiges ist, dass man alles für gut oder schlecht, für wissenschaftlich oder unwissenschaftlich halten kann. Andere Fälle habe ich genannt, die verfeindeten Lehrstuhlinhaber, die mehrfach und wiederholt dem Examenskandidaten des einen eine schlechte Note reingedrückt haben, die sogar versucht haben, Dissertation, die der jeweils andere betreut hat, zu blockieren.
Was soll man davon halten, wenn Berufungen auf Lehrstühle nicht danach gehen, wer der beste Mann, die beste Frau für diesen Lehrstuhl ist, sondern wenn in der Kommission Aspekte erörtert werden wie: "Der ist so jung und schon habilitiert; das geht nicht mit rechten Dingen zu. Den nehmen wir lieber nicht." "Der soll im persönlichen Umgang schwierig sein." Wenn unterschwellig bei einigen Mitgliedern der Kommission offenbar die Angst ist, einen Bewerber zu berufen, der möglicherweise fachlich besser ist als sie selbst. Wenn am Ende derjenige genommen wird, dessen Habilitationsbetreuer mit mehreren Kommissionsmitgliedern bekannt ist, und wenn es heißt: "Der ist ja auch nett und passt hierher." Bei so etwas, da sehe ich das Prinzip, dass allein die wissenschaftliche Leistung zählt, ganz erheblich verletzt. Ich habe weitere Vorfälle dieser oder ähnlicher Art erlebt, die mich (nach immerhin sechs Jahren als Wiss. Mitarbeiter und vorher mehreren weiteren Jahren als Stud. und Wiss. Hilfskraft) zu der Überzeugung gebracht haben, dass ein Lehrstuhlinhaber nicht unbedingt der beste Mann, die beste Frau im Fach sein muss, sondern auch (oder v.a.) über bestimmte andere Fähigkeiten verfügt - über Förderer, über Verbindungen, über die Gabe, sich strategisch geschickt zu präsentieren und zu positionieren, im Fach niemals anzuecken, keine unbequemen Fragen zu stellen, keinen anderen im Fach vor den Kopf zu stoßen ...
Mag sein, dass Sie mich in der Luft zerreißen werden, lieber Zettel, aber dies ist meine Erfahrung in einer Reihe von Jahren an der Uni, war für mich ein Grund, diesem System den Rücken zuzukehren.
Zitat von GansguoterNicht so naiv, wie Sie denken. Die Ebstorfer Weltkarte ist ein bekanntes Beispiel für die T-O-Karten des Mittelalters. Wie Simek ausführlich darlegt, sind sie a) beschränkt auf den als bewohnt angenommenen Teil der Erde und b) eine Projektion der Kugelgestalt der Erde auf einen Kreis.
Danke, lieber Gansguoter, für diesen - im besten Sinn - lehrreichen Beitrag. Sie wissen darüber weit mehr als ich, und ich freue mich, wieder etwas gelernt zu haben.
Zu den Schiffen am Horizont sollte ich noch sagen, daß die Erklärung mit der Kugelgestalt im Prinzip schon richtig ist, daß man nur wegen der Refraktion (wie bei der Fata Morgana aufgrund der unterschiedlichen Temperatur der verschiedenen Luftschichten) zu falschen Schätzwerten des Erdradius kommt.
Die Methode von Eratosthenes ist hingegen nicht nur genial erdacht, sondern auch außerordentlich präzise. Man kennt nicht genau den Wert eines Stadion, so wie er es verwendet hat, in km; aber er dürfte nah an einen Erdumfang von 40.000 km herangekommen sein.
Grundsätzlich stimme ich Ihnen übrigens zu, daß man die Wissenschaft des Mittelalters nicht unterschätzen sollte. Ich habe dazu vor Jahrzehnten einmal das Buch von Crombie gelesen, der sich u.a. ausführlich mit der Optik befaßt.
Nur daß die Ebstorfer Weltkarte die Planprojektion einer Kugel sein soll, das hätte ich nicht gedacht. Ich habe damals lange davorgestanden, mir auch ein schönes Buch mit einem großen Faksimilie gekauft und sie immer wieder studiert, mit Jerusalem in der Mitte und diesen wunderbaren Fabelwesen im Süden. Ich habe sie bisher als eine schöne Illustration der Idee von einer scheibenförmigen Erde gesehen.
Zitat von hoegi1973die "Vergesslichkeit" von Hans Filbinger bzgl. diverser Todesurteile durch ihn als Marinerichter im dreitten Reich...
Zettel hat einige Artikel zu Filbinger geschrieben, die ich sehr zur Lektüre empfehle.
-- Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April
Zitat von LeibnizNun, Bundesbildungsministerin Annette Schavan dürfte wohl kaum in der marxistisch-feministisch-ökologistischen Tradition stehen. Welcher Entwicklung ist dann ihre Sicht auf die Dinge zu verdanken?
Zitat von Stuttgarter ZeitungAls die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) auf der Messe Didacta in Stuttgart beispielsweise gefragt wurde, ob der Verteidigungsminister nicht ein schlechtes Vorbild für Schüler und Studenten sei, antwortete sie: "Man wird nicht Minister, weil man promoviert ist, sondern Kompetenz hat im Politischen
Entweder gibt es noch eine andere Aussage oder Herr Lepsius interpretiert sehr viel hinein:
Zitat von Herr Lepsius"Wenn sie [Bundesbildungsministerin Annette Schavan] sagt, es sei egal, ob und wie jemand promoviere, vergrößert das den Skandal. Man kann nur entsetzt sein."
Wie bei vielen Themen von Ihnen gibt es eine grosse Anzahl von Kommentaren. Ich schaffe es heute nicht, diese zu lesen, es kann also sein, dass schon jemand vor mir meine Meinung aufgeschrieben hat; man möge es mir nachsehen. Also, ich glaube bei diesem Thema ging mit Ihnen, verehrter Zettel, Ihre Abneigung gegen die Linken und Ihre Einschätzung, dass ihr Wirken sich tief in die deutsche Seele eingefressen hat, mit Ihnen durch. Ich glaube, dieses Gleichgültigkeit der Deutschen gegenüber dem Plagiat zu Guttenbergs hat einen ganz anderen Grund: Wenn ein Deutscher an Wissenschaft oder Forschung denkt, denkt er erst an die klassischen Naturwissenschaften – Physik, Biologie, Chemie. Wenn er den Kreis etwas weiter dehnt vielleicht auch noch Medizin, Mathematik und noch weiter die Sozial- und Geisteswissenschaften. Was ihm nie in den Sinn kommen würde sind Jura (und auch BWL). Daraus folgt direkt, dass Forschung (und damit ein Dr.) eine vollständig andere Konnotation bekommt, abhängig vom Fachgebiet. Um es direkt zu sagen: einem Dr. in Jura (oder auch BWL) wird kein wissenschaftlicher Wert beigemessen, er ist der reinen Eitelkeit oder Karrieresucht geschuldet. Wenn bei unserem Verteidungsminister dieses Plagiat nicht auf seine Füsse fällt, liegt das also daran, dass die Deutschen glauben, dass er sich etwas erschlichen hat, was so oder so keinen Wert hatte. Es bleibt zwar eine Unart, aber ihm wird kein so grosser moralischer Wert beigemessen, wie es notwendig wäre. Weswegen sich die Deutschen dabei nicht getäuscht fühlen hat einen anderen Grund: kaum einer wusste, dass zu Guttenberg einen Doktor-Grad hält, es gab also keine Täuschung die auffliegen konnte.
Ein schöner Artikel der für mich einige Fragen aufwirft. Die lassen sich aus dem Urlaub einfacher stellen als Antworten zu geben und wenn ich von Guttenberg eines gelernt habe...
Was halten Sie - im Hinblick auf den Artikel - von der Vereinheitlichung der Studiengänge als Ergebnis des "bologna-Prozess"?
Das ist die wichtigste. Ich frage das deswegen weil ich das als eine der "wissenschaftstötenden" Faktoren erlebt habe. Das Interesse an Forschung und Ergebnisoffenem Wissen-Schaffen ist, in meiner Wahrnehmung, bei jungen Studenten gesunken seit es so etwas wie einen "Berufsqualifizierenden Abschluss" gibt und der wichtigste Grund "den Master" zu machen der ist, dass man dann "mehr Geld am Anfang" verdienen kann.
Ansonsten vielleicht noch die Anmerkung dass nicht alles was schlimm ist um "1970" erfunden wurde. Auch wenn ich an einer Uni in einem Fachbereich studieren, an dem ich vieles selbst darauf zurückführe. Bei alles Sympathie für viele der Ereignisse damals.
Was die Studiengebühren angeht bin ich nur bedingt Ihrer Meinung. Ich habe an einer Uni mit Gebühren studiert und noch immer dort viel zeit verbracht als die Gebühren wieder abgeschafft wurden. Geändert hat sich nichts. Weder für mich, noch für die Studenten nach mir. Warum soll ich also für etwas *mehr* bezahlen wenn ich gar nich *mehr* bekomme? Und warum soll ich für etwas bezahlen, dass mir beim Bestellen noch kostenlos angeboten wurde? Solange Studiengebühren so undurchdacht und so offensichtlich aus rein finanziellen Gründen verlangt werden bin ich auch ein entschiedener Gegner.
Ihr furoristisches Wissenschafts-Plädoyer sollte eigentlich in den maßgeblichen Zeitungen Deutschlands immer wieder veröffentlicht werden, aber leider vertreten Sie wohl eine Minderheitenmeinung von vorvorgestern. Leider.
Zitat von Dr. Oliver Marc HartwichDie zentrale Erkenntnis aus den bisherigen Bewerbungsgesprächen lässt sich so zusammenfassen, dass der Grad der formalen Qualifikation in der Regel negativ mit der Eignung für unsere Stellen und das wirkliche Leben korreliert.
Wir hatten tatsächlich einige Kandidaten, die nicht nur Wirtschaftswissenschaft studiert hatten, sondern dort auch noch promoviert waren. Zu Wirtschaftsexperten machte sie dies allerdings nicht.
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat von vielleichteinlinkerWas halten Sie - im Hinblick auf den Artikel - von der Vereinheitlichung der Studiengänge als Ergebnis des "bologna-Prozess"?
Als das vor Jahren zur Diskussion stand, habe ich mich dafür eingesetzt und war auch einmal in einer Kommission, die sich damit befaßt hat. Ich habe dann die Realität erlebt und meine Meinung geändert.
Daß Problem ist nicht, daß die Umgestaltung des Studiums nach - beispielsweise - amerikanischem Vorbild an sich falsch wäre, sondern daß deutsche Universitäten nicht die Voraussetzungen dafür haben. Man kann Vorlesungen mit 200 Hörern halten; aber man kann nicht einen Kurs mit 200 Teilnehmern veranstalten, denen alle nach bestimmten Kriterien credits gegeben werden. Das geht einfach nicht.
Zweitens hätte eine sorgsame Einführung des Bologna-Systems eine grundlegende Umgestaltung des gesamten Lehrangebots verlangt. Ein mühsamer Prozeß, der Jahre gebraucht hätte. Man hätte für jeden Studiengang ein System von Kursen schaffen müssen, die sinnvoll aufeinander aufbauen. Das hätte auch viel Überzeugungsarbeit bei den Hochschullehrern verlangt, die es gewohnt waren, selbst zu entscheiden, welche Lehrveranstaltungen sie anbieten.
Statt das alles in Jahren vorzubereiten, hat man die Umstellung aber prestissimo vorgenommen; mit katastrophalen Ergebnissen.
Das alte deutsche System war aufgrund des Instituts der Massenvorlesung mit einem schlechten Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden einigermaßen durchzuhalten. Das neue System ist es nicht. Die Folge ist eine weitere Verschulung, weil anders die Lehrbelastung gar nicht mehr zu bewältigen ist.
Die Unis brauchen also mehr Geld, viel mehr Geld. Und das geht nur über nichtstaatliche Finanzierung. Die guten US-Unis finanzieren sich auch aus Studiengebühren, die aber nur einen relativ kleinen Teil des Etats ausmachen. Wichtiger sind Spenden und Drittmittel; am wichtigsten sind die Einnahmen aus dem Vermögen, das die Uni im Lauf der Jahre angesammelt hat (endowments). Ich habe das hier vor gut zwei Jahren am Beispiel von Harvard erläutert; Sie finden in diesem Artikel die Gründe, warum ich das US-System außerordentlich schätze.
Wie überall ist das schlecht, was der Staat macht und das besser, was Private machen.
Zitat Was die Studiengebühren angeht bin ich nur bedingt Ihrer Meinung. Ich habe an einer Uni mit Gebühren studiert und noch immer dort viel zeit verbracht als die Gebühren wieder abgeschafft wurden. Geändert hat sich nichts. Weder für mich, noch für die Studenten nach mir. Warum soll ich also für etwas *mehr* bezahlen wenn ich gar nich *mehr* bekomme? Und warum soll ich für etwas bezahlen, dass mir beim Bestellen noch kostenlos angeboten wurde? Solange Studiengebühren so undurchdacht und so offensichtlich aus rein finanziellen Gründen verlangt werden bin ich auch ein entschiedener Gegner.
Ich befürworte sie nicht nur zur Finanzierung der Universitäten, sondern auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit.
Wie kann man denn begründen, daß die Ausbildung zur Ärztin kostenlos ist, die zur MTA aber bezahlt werden muß? Daß man als Kaufmännischer Lehrling für seine Ausbildung arbeiten muß (die ja in die Lehrlingsvergütung eingepreist ist), während man kostenlos Diplom-Kaufmann werden kann?
There is no free dinner. In einem System mit Studiengebühen bezahlen diejenigen für eine Leistung, die sie in Anspruch nehmen; wenn auch nicht den vollen Gegenwert. Ohne Studiengebühren bezahlt auch der Arbeiter, der Lohnsteuer entrichtet, die Ausbildung des Professorensohns zum gutverdienenden Mediziner. Was daran sozial gerecht sein soll, habe ich nie verstanden.
Zitat von Gansguotera) Viele Studenten studieren heute nicht aus einem wissenschaftlichen Interesse heraus, sondern weil sie für ihren angestrebten Beruf ein Examen brauchen. Wissenschaft im engeren und eigentlichen Sinne interessiert sie nicht.
Das ist ja auch in Ordnung. Genau für diese Leute sind die Bachelor-Studiengänge da.
Wer den Master machen will, der muß sich aber mit Wissenschaft befassen. Wer promovieren will, der muß selbst Wissenschaft produzieren.
Ich habe gerade vielleichteinlinker auf seine Frage zum Bologna-Modell geantwortet. Einer der Gründe, warum ich grundsätzlich dafür bin, ist, daß man eben damit die rein berufsbezogene Ausbildung von dem wissenschaftlichen Studium trennen kann. Es wäre richtig, in einem weiteren Schritt die Fachhochschulen in die Unis zu intergrieren und sie mit der Bachelor-Ausbildung zu beauftragen. So, wie das in den USA ist, wo das Undergraduate College eben etwas ganz anderes ist als die Uni, die Masters- und Doctoral Programs anbietet. Dazwischen liegen Welten.
Zitat b) Die universitäre Wissenschaft untergräbt selbst den Glauben an die Wissenschaft.
In meiner Zeit als Wiss. Mitarbeiter war ich an Abschlussprüfungen beteiligt. Da habe ich selbst mehrfach Fälle erlebt wie diesen: Prof. A vertritt schwerpunktmäßig die jeweils aktuellen Moden des Faches wie "Gender und Literatur" und dergleichen. Ein Student schreibt zur gerade aktuellen Mode (Gender, Körper, Dekonstruktivismus ...) eine Magisterarbeit und bekommt ein enthusiastisches Gutachten und ein "sehr gut". Der Zweitgutachter, ein traditionell ausgerichteter wirklicher Literaturwissenschaftler (textimmanente Analyse, Textkritik, ...) bewertet dieselbe Arbeit mit "ausreichend" und moniert: Ansatz unwissenschaftlich; fast nur Paraphrase; keine Eigenständigkeit; Fragestellung unklar und so fort.
Ich kenne solche Sachen auch, wenngleich sie in den Naturwissenschaften eine geringere Rolle spielen (siehe aber beispielsweise Oda Becker). Ich sehe darin aber eher eine Mode. Feminism has had its time. Alice Schwarzer wird von den heutigen jungen Frau als ein Fossil bestaunt und nicht mehr ernstgenommen; siehe die Reaktionen auf ihre Schröder-Kritik.
Zitat Was soll nun der betroffene Student noch von dieser Wissenschaft halten, in der sich zwei C4-Professoren selbst nicht einig sind, was wissenschaftlich ist? Er muss doch zu dem Ergebnis kommen, dass Wissenschaft etwas Beliebiges ist, dass man alles für gut oder schlecht, für wissenschaftlich oder unwissenschaftlich halten kann.
Er muß sich seine Meinung bilden.
Daß auch schlechte Wissenschaft gelehrt wird, das war nie anders. Die guten Wissenschaftler müssen halt die Studenten auf ihre Seite bringen; mit guten Argumenten. Ich habe, lieber Gansguoter, Habilitierte erlebt, die die kuriosesten Theorien hart am Rande der Pseudowissenschaft vertreten haben; und das war vor 1970. Wir Studenten haben uns über sie amüsiert, und das war's dann.
Zitat Was soll man davon halten, wenn Berufungen auf Lehrstühle nicht danach gehen, wer der beste Mann, die beste Frau für diesen Lehrstuhl ist, sondern wenn in der Kommission Aspekte erörtert werden wie: "Der ist so jung und schon habilitiert; das geht nicht mit rechten Dingen zu. Den nehmen wir lieber nicht." "Der soll im persönlichen Umgang schwierig sein." Wenn unterschwellig bei einigen Mitgliedern der Kommission offenbar die Angst ist, einen Bewerber zu berufen, der möglicherweise fachlich besser ist als sie selbst. Wenn am Ende derjenige genommen wird, dessen Habilitationsbetreuer mit mehreren Kommissionsmitgliedern bekannt ist, und wenn es heißt: "Der ist ja auch nett und passt hierher." Bei so etwas, da sehe ich das Prinzip, dass allein die wissenschaftliche Leistung zählt, ganz erheblich verletzt.
Ja, das habe ich auch alles erlebt; obwohl es jedenfalls in den Sitzungen meist nicht so offen gesagt wird; es könnte gegen den Betreffenden verwendet werden.
Es ist das Problem der Selbstrekrutierung. Ist eine Fakultät nur mittelmäßig, dann wird sie sich keine Spitzenleute holen; sie könnten ja die anderen in den Schatten stellen. Jede Fakultät tendiert dazu, Leute zu berufen, die dem eigenen Niveau entsprechen.
Dagegen gibt es aus meiner Sicht nur ein Mittel; ich habe es gerade in der Antwort an vielleichteinliner genannt: Privatisierung.
Warum machen das eigentlich die Vorstände von Unternehmen nicht genauso? Weil sie Geld verdienen wollen; also den Besten nehmen, den sie bezahlen können. Wenn die Hochschullehrer in einer Fakultät wissen, daß ihr Gehalt - das an privaten Unis ja frei verhandelbar ist - von der Finanzlage der Uni abhängt, und diese wiederum davon, daß gute neue Leute berufen werden, dann würde sich ihr Entscheidungsverhalten ganz anders darstellen als jetzt.
Zitat Mag sein, dass Sie mich in der Luft zerreißen werden, lieber Zettel, aber dies ist meine Erfahrung in einer Reihe von Jahren an der Uni, war für mich ein Grund, diesem System den Rücken zuzukehren.
Ich würde heute jedem Wissenschaftler, der dafür qualifiziert ist und bei dem keine anderen Gründe entgegenstehen, raten, in die USA zu gehen. Wenn er gut ist, wird er dort unter weitaus besseren Bedingungen arbeiten können als in Deutschland.
Zitat Statt das alles in Jahren vorzubereiten, hat man die Umstellung aber prestissimo vorgenommen; mit katastrophalen Ergebnissen.
Eben das gleiche Muster habe ich bei den Einführungen diverser Studiengebühren beobachtet.
Zitat Die Unis brauchen also mehr Geld, viel mehr Geld. Und das geht nur über nichtstaatliche Finanzierung. Die guten US-Unis finanzieren sich auch aus Studiengebühren, die aber nur einen relativ kleinen Teil des Etats ausmachen. Wichtiger sind Spenden und Drittmittel; am wichtigsten sind die Einnahmen aus dem Vermögen, das die Uni im Lauf der Jahre angesammelt hat (endowments). Ich habe das hier vor gut zwei Jahren am Beispiel von Harvard erläutert; Sie finden in diesem Artikel die Gründe, warum ich das US-System außerordentlich schätze.
Sehr schön dargestellt, auch wenn ein wichtiger Aspekt fehlt den ich hier schön
dargestellt finde. Harvard hat "in der Krise" die gleichen Fehler gemacht wie viele andere. Und dafür bezahlt.
Im Grunde verdient Harvard daher sein Geld am besten mit der Forschung und Lehre. Deren Qualität lässt sich, an "Einlagen" und "Spenden" messen. Das kann eine solche Uni aber nur solange sie frei über einige Dinge entscheiden kann. Etwa die Studenten die sie aufnimmt oder die Stellen die sie neu besetzt. Oder die Gebühren die sie erhebt. Und mindestens Letzteres war bei den bisherigen Gebührenmodellen nicht der Fall.
Verfolgen Sie, was das angeht, die TU Darmstadt?
(Ich weiß, Fragen über Fragen. Wenn's genug ist, sagen Sie's einfach)
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