Bei mir (Geburtsjahr 1980) war es zwar nicht "Die Wolke", dafür aber ein anderes Werk von Pausewang, nämlich die "Kinder von Schewenborn". Dort ist die Ausgangssituation kein Super-GAU, sondern ein Atomkrieg, ich kann mich aber ganz gut erinnern wie ich damals in der 7. Schulklasse Probleme mit dem Einschlafen hatte, als im Roman de Geburt eines völlig missgebildeten Kindes beschrieben wurde (welches danach vom Vater getötet wird).
Richtig, die "Kinder von Schewenborn" ist etwas früher erschienen. Seither ist Osthessen für mich immer mit "Atomkrieg" assoziiert, und als Kind habe ich mich bei einem Familienurlaub am Vogelsberg extrem unwohl gefühlt, wusste ich doch, dass das Städtchen Schlitz das Vorbild für "Schewenborn" war. Die ganzen Ferien ging mir die Atomkriegsgeschichte nicht aus dem Kopf.
Hmm, da muss es das Schicksal mit mir (Jg. 87) gut gemeint haben... Kernkraft kam bei uns nur im Erdkundeunterricht vor und wurde auch dort relativ sachlich behandelt, soweit ich mich erinnern kann, und das obwohl es an Altachtundsechzigern im Lehrerkollegium weiss Gott nicht mangelte.
Es geht also auch anders... Ein Hoch auf das humanistische Gymnasium?
"Denn zum ersten Mal in ihrer 55-jährigen Geschichte druckt die Bravo ein politisches Poster. So liegt der Zeitschrift am morgigen Donnerstag ein großes "Atomkraft, nein danke"-Plakat bei." Q: http://meedia.de/nc/details-topstory/art..._100033932.html
Zwar etwas offtopic aber dennoch interessant:
"Die Bayerische Staatskanzlei hat im Herbst mit einem Pilotprojekt begonnen, das Grundschülern Medienkompetenz beibringen soll:" Verglichen wird die Berichterstattung eines Internetblogs mit der einer Tageszeitung.
"Welcher Schritt fehlt bei dem Nachrichtenweg ins Internet im Vergleich zum Weg in die Zeitung? Antwort: Es ist die Überprüfung der Information. Der Journalist hat bei der Polizei nachgefragt, die Fakten gesammelt und erst dann veröffentlicht. (…) Beim Blog-Text werden die Informationen ungeprüft ins Netz gestellt. Vielleicht hat Bernd einiges missverstanden oder erinnert sich nicht mehr genau. Fakt aber ist, dass seine Informationen nicht geprüft sind. An dieser Stelle bietet sich auch der Vergleich zu dem Spiel “Stille Post” an. Auch da gehen Informationen auf dem Weg der Übermittlung verloren. Natürlich können auch Journalisten etwas falsch verstehen. Deshalb können in einer Zeitung ebenfalls fehlerhafte Informationen stehen. Sollte dies vorkommen, werden dort in der Regel aber Falschmeldungen korrigiert."
Zuletzt wird das gelernte via Quiz abgefragt: [img]http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wp-content/medienfuehrerschein2.gif[/img]
Tja, Lehrer sind halt auch nur ziemlich gewöhnliche Menschen und geben meist nur das wieder, was sie selbst täglich von den Medien eingetrichtert bekommen. Zu anderen Zeiten hätten sie die lieben Kleinen halt zu Kaisertreue, Rassereinheit oder Bruderschaft zur Sowjetunion angehalten. Die heutigen Werte sind halt: Mehrheit (meist "Demokratie" genannt; Ansichten wie Schillers "Mehrheit ist der Unsinn" werden dabei schamvoll unterschlagen), sofern deren Ansicht keine anderen Werte verletzt (siehe Sarrazin); Gleichberechtigung der Geschlechter (Frauen sind mindestens so gut wie Männer; falls dem nicht so ist, ist dies ein Zeichen ihrer Unterdrückung) sowie der Homosexuellen mit den Heterosexuellen; Ablehnung des Nationalsozialismus nur noch in Form von Superlativen (schließt ein Relativierungsverbot mit ein); Antirassismus; Bekenntnis zum Wohlfahrtsstaat; Ablehnung von "Spekulation", "Marktradikalität" und allgemein wirtschaftlichen Zusammenhängen, die man nicht versteht; und alles, was man irgendwie unter "sozial" und "Gesellschaft" subsumieren kann (soziale Kälte/Gerechtigkeit; Schere zwischen Arm & Reich; Prekariat; Generation Praktikum usw.).
Daraus lassen sich wunderbare Arbeiten für Politik/Gesellschaftskunde/Sozialkunde (die Bezeichnungen wechseln je nach Zeit und Bundesland), aber auch Erdkunde (ein Zeitungsausschnitt darüber, dass die Sisalbauern in Hinterindien wegen der bösen Spekulanten hungern müssen; Aufgabe: Erörtern sie die Lage der Bauern) und Deutsch (die Ausgangstexte sollten von deutschen Schriftstellern der Gruppe 47 kommen, die zwar vom Thema erkennbar keine Ahnung haben, aber bei ihrer Propaganda halt auch nicht an wissenschaftliche oder auch nur journalistische Standards gebunden sind) zimmern, vielleicht sogar Religion (Jesus & die Zöllner; Aufgabe: Finden Sie aktuelle Beispiele für Zöllner ).
Die Anhänger der herrschenden Ideologien halten sich normalerweise nicht für Ideologen, sondern für Pragmatiker, die einfach nur ihrem gesunden Menschenverstand folgen: Ob man die Kinder nun vor Rückenmarksschäden durch Masturbation oder dem Fegefeuer durch zu seltenes Beten bewahrt, stets hat der Lehrer nur ihr Bestes im Sinn - ganz unideologisch.
Vielleicht bilden die zu Selbständigkeit, Denkklarheit und Wahrheitsliebe erziehenden Leute nicht die Mehrheit, aber sie wirken auf lange Sicht. Außerdem sind Heranwachsende keine passiven Objekte; sie leben auch in anderen Kreisen.
Warum sollte man den Lehrern etwas verübeln, wofür Eliten mit Lob und Preisen geehrt werden. Die Lehrerschaft wird wohl in einer Mehrheit stets in etwa dort stehen wollen, wie der Dienstherr meint, daß man dort stehen sollte. Über die Frage "Kann ich das jetzt eigentlich noch innerhalb der Schule sagen?" wirkt die Selbstzensur sehr erfolgreich. Mit einer ausufernden Projektitis wird zudem noch zusätzlich fragwürdige Ideologie, oft von Außen, in die Schulen getragen. Es gibt da ja mittlerweile regelrechte Wanderprediger für das neue Green-New-Thinking. Die recht große Anhängerschaft unter den Lehrern für alternative Heilmethoden, Öko-Food, Magnetmatratzen, Meditation und Blumengießen bei Vollmond, treibt mich zur Frage, wieviel und wird den eigentlich noch hinterfragt?
Beste Grüße B.
---------------------------------------------------- Bibliotheken sind eine gefährliche Brutstätte des Geistes
Den Beitrag habe ich noch um einen Gedanken ergänzt, inwieweit die heutige Berichterstattung in Deutschland selbst durch Bücher wie die "Die Wolke" beeinflusst sein könnte.
Der zitierte Bericht, wie angegeben, aus Berlin. "Die Wolke" mit 1,5 Mio. verkauften Exemplaren und Unterrichtsmaterial der "großen" Schulbuchverlage bundesweit. Vermutung: Eher im Westen.
Zitat könnte es sein, daß es diesbezüglich noch marginale Unterschiede zwischen Ost und West gibt?
(Hausmann)
Ich denke, diese Unterschiede gibt es. Im Unterricht meines Sohnes (4.Klasse) waren jedenfalls weder die Naturkatastrophe in Japan noch die Probleme in Fukushima auch nur am Rande Thema. Ich bin 45 und habe - DDR-sozialisiert - "Die Wolke" nie gelesen.
Cora Stephan äußerte aber gestern im "Politischen Feuilleton" des Deutschlandradio Kultur noch einen anderen Gedanken, der erklären kann, weshalb die Ängste eben doch ein gesamtdeutsches Phänomen sind, auch wenn die heute Erwachsenen in ihrer Jugend ganz unterschiedlicher ideologischer Beeinflussung ausgesetzt waren:
Zitat Man ist hierzulande offenbar noch immer gewohnt, in jeder Katastrophe, die anderen geschieht, den Vorboten des eigenen Untergangs zu erblicken. Zugegeben, das war zu Zeiten des Kalten Kriegs nicht ganz unrealistisch, als jeder kleine Funke den Weltenbrand auszulösen vermochte, der, so sahen es die Militärstrategen vor, über Deutschland niederregnen würde. Dieses Szenario erklärt vielleicht das besondere Verhältnis zum "Atom" und zum Krieg: die Deutschen sind nicht nur durch zwei Weltkriege, sondern auch durch das Atomkriegsszenario des Kalten Kriegs offenbar gründlich traumatisiert.
Über die Stuttgart 21 Proteste war zu lesen, dass ganze Schulklassen daran teilgenommen hätten. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass alle Schüler einer Klasse gegen den Bau des neuen Bahnhofs waren und ebenso wenig, dass alle Eltern die Proteste befürworteten.
Wenn ich richtig liegen sollten, dass nicht von 100 % der Kinder und deren Eltern das Anliegen der Stuttgart 21 Proteste geteilt wurden, dann bedeutete das, dass Schüler an Demonstrationen teilnehmen mussten - sei es auch nur deshalb, weil sie sich vielleicht nicht trauten, zu sagen, ich habe nichts gegen den neuen Bahnhof -und Eltern zulassen mussten, dass Lehrer ihre Kinder auf Demos schleppen, die sie nicht befürworten.
Selbst wenn 100 % der Beteiligten diese Teilnahme gut fanden, es kann einfach nicht sein, dass an deutschen Schulen in der Form politische Einmischung betrieben wird, dass Lehrer mit ihren Schülern zu Demos gehen. Auf irgendeinem der Öffentlich Rechtlichen kam dies in der Moderation unter der Fahne, friedliche Proteste ohne dass kritisch bemerkt wurde, dass es nicht sein darf, dass die Teilnahme an Demos sozusagen Schulstoff ist. Wir reden hier nicht über eine Demo gegen Schulreformen oder etwas anderes, was unmittelbar betrifft. Ich fand es daher ein starkes Stück und wunderte mich, dass jedes Bewusstsein dafür fehlt, dass so etwas nicht geht; dass Schulen politisch neutral zu sein haben.
Ich habe übrigens die Wolke nicht gelesen. Dafür aber Kurzgeschichten von Pausewang und die waren schön ;-)
Zitat von lukasKindern in Japan wird das ganze so (YouTube-Video, japanisch mit englischen Untertiteln) erklärt.
Kindern in Deuschland wird das so erklärt:
Zitat von ZEITAntonia sitzt auf ihrem Platz in der zweiten Reihe und starrt auf einen Mann und ein Kind mit erhobenen Händen. Der Mann trägt einen aufgeblähten weißen Schutzanzug und hält dem Kind einen Apparat hin, als wollte er es damit einschüchtern.
Ein Foto, schwarz-weiß. Mit diesem Foto wird das Grauen auch hier sichtbar, im Klassenzimmer der Klasse 7.2, Gottfried-Keller-Gymnasium, Berlin.
»Wie fühlt ihr euch damit?«, fragt der Lehrer, Herr Achterberg. Er wirkt aufgewühlt, so hat Antonia ihn noch nicht erlebt. Er redet auch nicht über Geschichte, wie sonst montags um diese Zeit, sondern über die Katastrophe in Japan, die Antonia schon das ganze Wochenende beschäftigt hat, seit am Samstag, dem 12. März, dieses Reaktorgebäude explodierte.Achterberg hat die Folie mit dem Zeitungsfoto auf den Projektor gelegt – es zeigt diesen Mann mit einem Geigerzähler. Er prüft, ob das Kind radioaktiv verstrahlt ist.
Und jetzt will der Lehrer wissen, wie sich die Schüler fühlen.
»Unsicher«, sagt ein Junge, »man hat Angst, es kommt hierher.«
»Es hieß doch, die besten Kraftwerke werden in Japan gebaut.«
»Man bekommt Angst um die Menschen dort.«
»Man hat Angst vor dem eigenen Tod. Dass man nicht mehr existiert.«
...
Jörg Burger von der ZEIT träumt schon von der "Generation Fukushima", mir macht diese Vorstellung mehr Sorgen als jedes Kernkraftwerk. Es ist nicht die Aufgabe von Lehrern Panik zu ideologischen Zwecken zu verbreiten und Kinder zu manipulieren.
Sicher, es ist keine offizielle Verlautbarung, aber doch ein ernstgemeinter Versuch, Kindern zu erklären, was im Atomkraftwerk los ist, und wie sie die verstörenden Nachrichten zu verstehen haben. Dabei werden auch die Gefahren nicht verschwiegen, aber es ist alles ganz unaufgeregt. Dass der SZ das nicht gefällt... Geschenkt.
Zitat von lukasSicher, es ist keine offizielle Verlautbarung, aber doch ein ernstgemeinter Versuch, Kindern zu erklären, was im Atomkraftwerk los ist, und wie sie die verstörenden Nachrichten zu verstehen haben.
Darauf hätten einige Schüler weinend den Raum verlassen. Eine Mutter sagte: "Mein Sohn kam käseblass nach Hause. Er schläft seitdem schlecht, hat lange Zeit nichts gegessen."
Dass ein Kaninchen aus pädagogischen Gründen im Unterricht geschlachtet wurde, löste inzwischen einen Sturm der Entrüstung und Kritik aus Ein Sprecher des Kieler Bildungsministeriums sagte "Welt Online": "Das war pädagogisch höchst problematisch."
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