Zitat von Capitalism and Freedom Wieso stellt ein Nachkomme der Täter eben diese als geschundene Generationen dar?
Lieber David, Sie meinen wahrscheinlich mich. Ich bin aber kein "Nachkomme der Täter". Ich verwahre mich gegen dieses Wort, und zwar entschieden.
Ich bin sehr wahrscheinlich jüdischer Abstammung, habe aber diesen Gentest, mit dem man das ja jetzt herausfinden kann, bisher nicht gemacht. Es gibt aber auch unabhängig davon starke Indizien.
Meine Eltern und Großeltern haben unter den Nazi-Verbrechern gelitten; ich habe das ja ein wenig geschildert.
Arno Schmidt hat unter ihnen gelitten; gehörte der denn auch zu den "Nachkommen der Täter"? Willy Brandt, war der denn ein "Nachkomme der Täter"? Helmut Schmidt, der sogar Leutnant oder Oberleutnant in Hitlers Wehrmacht war? Auch er jüdischer Abstammung, bekanntlich.
Diese Einteilung in "die Täter" und "die Opfer" ist falsch. So einfach ist das eben nicht. Das sind nicht die richtigen Kategorien.
Es kann sein, daß ich Sie jetzt verletzt habe. Das muß ich in Kauf nehmen.
Zitat Die Täter mögen fast alle tot sein, ihr Terror ist in den Opferfamilien noch immer am Wirken;
Das sehe ich auch so. Wenn Familienmitglieder fehlen, weil sie ermordet worden sind, oder wenn deren Leben durch Todesangst geprägt ist, prägt das auch Kinder und Enkel. - Es gilt übrigens auch für die "andere Seite": Die Verdrängung und das Verheimlichen der Täter spielt (in unterschiedlichem und nicht vergleichbarem Maße) auch eine Rolle in den Familien von deren Kindern und Enkeln.
Zitat Da die Täter-Generation sich nie (oder besser gesagt äußerst selten) auf individueller Ebene für ihr tun bei den Opfern entschuldigte, sondern in der Masse nur leugnete, überhaupt etwas von den Verbrechen zu wissen, geschweige denn aktiv daran teilgenommen zu haben, kam es auch nie zur Aufarbeitung des deutschen Antisemitismus und damit auch nicht zu seiner Beseitigung.
Dem ersten Teil stimme ich Ihnen zu. Dem zweiten Teil eher nicht. Ungeachtet von Gegenbeispielen, ungeachtet Ihrer persönlichen Erlebnisse möchte ich Deutschland heute nicht als antisemitisches Land bezeichnen. Es kommt Antisemitismus vor (dessen Träger heute gerade oft keine Deutschen sind ...), aber D. ist nicht davon geprägt. Meiner Ansicht nach ist es auch nicht richtig, von "den Deutschen" zu sprechen. Es geht um Individuen (die im Dritten Reich deutsche Individuen waren), nicht um Nationalitäten. Es haben genügend Nicht-Deutsche mit den Nazis kollaboriert. Unter anderen historischen Umständen hätte etwas wie das "Dritte Reich" auch in einer anderen Nation auftreten können. Von daher ist es auch falsch, die Deutschen heute als "NAchkommen der Herrenmenschen" zu bezeichnen. Solche rassischen, rassistischen Ideologien waren in Europa weit verbreitet, nicht nur in Deutschland; in Deutschland hat diese Rassen- und Herrenmenschenideologie 12 Jahre regiert. Die Ideen dahinter waren auch anderen Ländern nicht fremd. Entsprechend ist es m.E. auch falsch, von "den Deutschen", "der deutschen Geschichte" etc. zu sprechen. Das hilft uns auch nicht. Die Frage ist, wie entstehen totalitäre und antisemitische Strukturen. Das ist in jeder Gesellschaft, Nation möglich. - Ich finde es richtig, dass in Yad VaShem stärker auf Individuen als Täter abgehoben wird und gerade nicht auf "die Deutschen".
hätte eine einfache Richtigstellung ihrer Familiengeschichte nicht gelangt? Anscheinend habe ich mich da geirrt, es tut mir Leid.
Gruß David
---------------------------------------------------- "Those who would give up essential Liberty to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety." - Benjamin Franklin
hätte eine einfache Richtigstellung ihrer Familiengeschichte nicht gelangt? Anscheinend habe ich mich da geirrt, es tut mir Leid.
Finde ich gut. Wenn Zettels Vorfahren Verbrecher gewesen wären, dann wäre Zettel ein Verbrecher. Da aber seine Vorfahren keine Verbrecher waren, ist er ein guter Mensch. So einfach ist die Welt.
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