Gestern hatte ich kurz überlegt, ob ich etwas zum 17. Juni schreiben sollte. Aber das wäre wenig Neues geworden. Falls Sie eine Erinnerung an diesen Tag in ZR vermißt haben sollten, mögen Sie vielleicht das lesen, was ich vor drei Jahren dazu geschrieben habe.
Jetzt also ein Artikel zu einem anderen Jahrestag: Am kommenden Dienstag jährt sich zum zwanzigsten Mal der sogenannte Hauptstadtbeschluß.
Damals war ich unschlüssig, ob ich für Bonn oder Berlin sein sollte.
Aus meiner Sicht war die Wiedervereinigung das gewesen, was manche herabsetzend "Anschluß" nannten, was ich aber positiv sah: Es war ja nicht aus der Bundesrepublik und der DDR etwas Drittes geworden, sondern die "Neuen Länder" waren der Bundesrepublik beigetreten; sie hatten das nachgeholt, was ihnen 1949 die Sowjets verwehrt hatten.
Das war kein Anlaß, den Regierungssitz zu verlegen. Die Bonner Republik war eine gute Republik. Ihre Institutionen hatten sich bewährt; auch der Regierungssitz in der "Kleinen Residenz am Rhein" paßte zu diesem Deutschland, das Abschied von einstiger Großkotzigkeit genommen hatte. Den formalen Titel einer Hauptstadt für Berlin hätte es ja nicht tangiert, wenn das so geblieben wäre; Bonn war nie Bundeshauptstadt gewesen, sondern immer nur die provisorische Hauptstadt.
Andererseits sah ich damals die Notwendigkeit, die beigetretenen Neuen Länder (offiziell "das Beitrittsgebiet") möglichst schnell und möglichst gut in die Bundesrepublik zu integrieren. Das würde leichter gehen, wenn sozusagen die Bundesrepublik zu ihnen käme, indem sie ihren Regierungssitz nach Berlin verlagerte.
Ob diese Entscheidung richtig war, weiß ich bis heute nicht. Daß sie halbherzig war und zu der absurden Aufteilung der Ministerien in jeweils einen "Erstsitz" und einen "Zweitsitz" führte, mag damals unumgänglich gewesen sein.
Heute gibt es für eine Beibehaltung keine Rechtfertigung mehr. Wohl aber natürlich ein Motiv: Das Beharrungsvermögen der Bürokratie.
Als Parlamentarier/Senator in den USA würde Westerwelles Verhalten den dortigen Gepflogenheiten entsprechen, schließlich kämpft man dort wie ein Löwe für die Interessen des jeweiligen Bundesstaates oder Counties und schert sich kaum um Parteibelange. Ich bin mir nur nicht ganz schlüssig, ob ich das nun für eine einzige große Lobbyisten-Rallye oder die einfach ehrlichere Variante dem Wähler gegenüber halten soll. Davon abgesehen findet der Vorstoß der Julis meine Sympathie, selbst als ausschließlich symbolischer Akt des Sparwillens.
Dass "die elektronische Kommunikation innerhalb der geteilten Ministerien und zwischen ihnen" ein gewaltiger Kostenfaktor ist, halte ich für zweifelhaft. Heutzutage kommuniziere ich auch mit dem Kollegen zwei Büros weiter elektronisch, per email oder Skype. Was meines Wissens nicht mehr kostet, als wenn er 500km entfernt sitzt.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von McCluskeyAls Parlamentarier/Senator in den USA würde Westerwelles Verhalten den dortigen Gepflogenheiten entsprechen, schließlich kämpft man dort wie ein Löwe für die Interessen des jeweiligen Bundesstaates oder Counties und schert sich kaum um Parteibelange.
Als Senator ja, als Abgeordneter des Repräsentantenhauses. Aber auch als Minister?
Der Abgeordnete Westerwelle (Bonn) hat jedes Recht, sich für die Belange Bonns einzusetzen. Aber Westerwelle sprach mit dem Autor Sturm, wenn dieser ihn korrekt zitiert hat, ja im Namen der Bundesregierung.
Zitat von McCluskeyDavon abgesehen findet der Vorstoß der Julis meine Sympathie, selbst als ausschließlich symbolischer Akt des Sparwillens.
Ja, angesichts des Gesamtvolumens des Haushalts sind die knapp 10 Mio Euro natürlich ein Klacks. Aber es ist herausgeworfenes Geld. Und so, wie der Sparwille symbolisch wäre, ist die Perpetuierung der, sagen wir, Doppelspitze ein Symbol für die Arroganz der Macht.
Im Grunde genommen ist dieser Vorgang ja archetypisch. Kein halbwegs klar denkender Mensch bestreitet die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen, allerdings heißt es dann immer schnell "aber bitte nicht bei mir!". Die akrobatischen Verrenkungen zur Begründung könnten zur Belustigung dienen, wenn die Thematik nicht so ernst wäre. Im Grunde genommen ist die Ablehnung einer Status quo-Änderung der Berlin/Bonn-Frage nichts weiter als eine Fortführung der gescheiterten Föderalismus-Reform mit all ihren Nebenschauplätzen. Es wird ja beispielsweise nach wie vor kontrovers diskutiert, ob eine Neustrukturierung der Bundesländer tatsächlich Spareffekte hervorrufen würde oder nicht. Als sächsischer Bürger allerdings hätte ich überhaupt kein Problem, mit Thüringern und/oder Sachsen-Anhaltinern in einem gemeinsamen und eventuell schlagkräftigeren Bundesland zusammenzuwohnen, mag es nun "Mitteldeutschland" oder anders heißen. Aber wie eine grundlegende Überprüfung des gesamten Gemeinwesens auf Effektivität und Nachhaltigkeit politisch durchzusetzen sein soll, wenn sich der Apparat quasi verselbstständigt hat, ist mir auch unklar.
Zitat von McCluskeyAls sächsischer Bürger allerdings hätte ich überhaupt kein Problem, mit Thüringern und/oder Sachsen-Anhaltinern in einem gemeinsamen und eventuell schlagkräftigeren Bundesland zusammenzuwohnen, mag es nun "Mitteldeutschland" oder anders heißen. Aber wie eine grundlegende Überprüfung des gesamten Gemeinwesens auf Effektivität und Nachhaltigkeit politisch durchzusetzen sein soll, wenn sich der Apparat quasi verselbstständigt hat, ist mir auch unklar.
So ist es. Die Idee einer umfassenden Länderreform geht, wenn ich mich recht erinnere, auf die fünfziger oder sechziger Jahre zurück; es gab damals eine "Luther-Kommission", die sie vorbereiten sollte. Es scheiterte immer wieder am Beharrungsvermögen der Bürokratie.
Vorschläge gibt es genug. Mein Favorit:
Bayern, Baden-Württemberg und NRW bleiben unverändert erhalten.
Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern bilden einen Nordstaat. (Sebastian Haffner hat in den siebziger Jahren, als diese Diskussion auch gerade mal wieder lief, dafür den Namen "Hanse" vorgeschlagen; natürlich noch ohne MeckPomm).
Bremen geht in Niedersachsen auf.
Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland bilden ein neues "Rheinland-Hessen".
Berlin und Brandenburg werden "Berlin-Brandenburg". ("Preußen" wäre mir lieber, aber das wäre nicht durchzusetzen).
Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt bilden einen gemeinsamen Bundesstaat. "Mitteldeutschland" fände ich gar nicht schlecht; oder als Doppelname halt "Thüringen-Sachsen".
Die einzige erfolgreiche Länderreform fand bekanntlich einst im Südwesten statt: Baden, Württemberg und Württemberg-Hohenzollern schlossen sich, wie man zunächst sagte, zum "Südweststaat" zusammen. Bei der endgültigen Namensgebung ht man dann nicht "Württemberg-Baden", sondern "Baden-Württemberg" gewählt, um es dem kleineren Baden ein wenig zu versüßen, mit dem viel größeren Württemberg zusammengelegt zu werden.
Man könnte auch noch einen Schritt weitergehen und es nicht beim Zusammenlegen belassen. Ginge es allein nach kulturellen und landsmannschaftlichen Gesichtspunkten, dann gehörte das nördliche Niedersachsen in den Nordstaat; Thüringen käme entlang der Mundart-Grenze teils zu Hessen und teils zu Sachsen; Sachsen-Anhalt teils zu Sachsen und teils zu Berlin-Brandenburg.
Zitat von Zettels RaumJuli-Vorsitzender: "Im Rahmen der Haushaltskonsolidierung und Verwaltungsmodernisierung setzen wir uns dafür ein, die verbliebenen sechs Bundesministerien komplett von Bonn nach Berlin zu verlegen" in Bonn ... sind Verteidigung, Landwirtschaft, Entwicklungshilfe, Umwelt, Gesundheit und Forschung verblieben
Zur Hälfte bin ich dafür. Nämlich die Ministerien in Bonn zu schließen. Aber ich finde, man muss sie in Berlin nicht wieder auf machen.
Radikalen Gruß, Hurz
(Hinweis: Dieser Beitrag ist nur halb scherzhaft gemeint.)
Zitat von Zettels RaumJuli-Vorsitzender: "Im Rahmen der Haushaltskonsolidierung und Verwaltungsmodernisierung setzen wir uns dafür ein, die verbliebenen sechs Bundesministerien komplett von Bonn nach Berlin zu verlegen" in Bonn ... sind Verteidigung, Landwirtschaft, Entwicklungshilfe, Umwelt, Gesundheit und Forschung verblieben
Zur Hälfte bin ich dafür. Nämlich die Ministerien in Bonn zu schließen. Aber ich finde, man muss sie in Berlin nicht wieder auf machen.
Verteidigung können wir gerne wieder aufmachen. Ich bin mir sicher, wir finden dafür zwei Berlin-Ministerien, die wir zumachen können.
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Zitat von ZettelDie Idee einer umfassenden Länderreform geht, wenn ich mich recht erinnere, auf die fünfziger oder sechziger Jahre zurück
Und entsprechend sollte man sie auch behandeln - es ist veralteter Unsinn.
Trotz der vielen politischen Initiativen in dieser Richtung (bis hin zum konkreten Versuch Berlin-Brandenburg) gibt es bis heute nicht eine einzige seriöse Berechnung, ob nun größere Bundesländer wirklich effizienter und kostengünstiger wären als kleine. Natürlich würde man bei Zusammenlegungen Parlamentarier und Regierungsstellen einsparen - die machen aber in den Landeshaushalten nur recht winzige Kostenfaktoren aus. Umgekehrt dagegen wuchern in größeren Bundesländern mehr Mittelbehörden (Regierungspräsidien etc.), weil das Land zu groß ist um direkt von der Landesregierung geführt zu werden. Die konkreten Beispiele bringen wenig - Bremen und das Saarland sind pleite nicht weil sie zu klein wären, sondern weil sie konsequent murksige Landespolitik betrieben haben. Die katastrophale Haushaltslage in NRW zeigt umgekehrt, daß Größe auch teuer sein kann.
Die Erfahrungen aus der Wirtschaft zeigen, daß Fusionen in den meisten Fällen mehr Nach- als Vorteile bringen. Es werden neue Wasserköpfe aufgebaut, die die erhofften "Synergie-Effekte" auffressen. Und bei Firmen gibt es wenigstens noch Skaleneffekte, d.h. größere Firmen können kostengünstiger einkaufen und produzieren oder besser zusätzliche Marktanteile erringen. Das fällt bei Bundesländern weitgehend weg. Lehrer oder Polizisten gibt es nicht mit Mengenrabatt, einen Wettbewerb um Kunden gibt es ohnehin nicht.
Und selbst ein vielleicht am Ende erreichbarer Vorteil wird durch die enormen Umstellungskosten der Fusion selber meist kompensiert. Das würde noch stärker für die Zusammenlegung von Bundesländern gelten - das wäre ein organisatorischer Albtraum, am Ende hätte man im Zweifelsfall die kompletten Strukturen der alten Bundesländern konserviert plus zusätzliche gemeinsame Oberbehörden.
Und eine Bundesrepublik mit gerade mal einem halben Dutzend Bundesländern in der Größenordnung eines Nationalstaats wie Holland wäre nur noch auf dem Papier föderalistisch. Die Stärke des Föderalismus liegt ja darin, daß je nach den Gegebenheiten vor Ort unterschiedliche Entwicklungen möglich sind. Das klappt dann am besten, wenn Entscheidungen sich auf eine möglichst homogene Region beziehen - nicht aber auf ein Sammelsurium strukturell völlig unterschiedlicher Landschaften. Gerade die immer wieder geforderte Zusammenlegung von Großstädten mit ihrem Umland (Berlin, Hamburg, Bremen ...) halte ich deswegen für völlig unsinnig. Gut funktionierende föderalistische Staaten wie die Schweiz oder die USA zeigen, daß eine Vielzahl in Größe und Struktur sehr unterschiedlicher Bundesstaaten eher ein Vorteil als ein Problem ist.
Wenn man überhaupt über Neugliederungen reden will, dann müßte man eher Bundesländer teilen. Eine gut zu verwaltende Größe (auch bei Nationalstaaten!) liegt in der Größenordnung von 1-5 Millionen Einwohnern. Da kann eine Landesregierung ziemlich ortsnah und direkt entscheiden, das Landesgebiet kann strukturell zusammen passen und die Finanzkraft reicht aus, um alle Aufgaben eines Bundeslandes (z. B. die Unterhaltung mindestens einer Hochschule) zu stemmen.
Eine vielleicht vernünftige Maßnahme könnte es daher sein, den völlig unhandlichen Klumpen NRW in seine natürlichen Bestandteile (Rheinland, Ruhrgebiet, Westfalen) aufzuteilen. Das gäbe drei sehr lebensfähige Bundesländer mit sehr unterschiedlichen Profilen. Und da der Münchner Zentralismus m. E. weitgehend zu den nachhaltigen Entwicklungsproblemen im Norden des Bundeslandes beiträgt, hielte ich eine Abtrennung Frankens als eigenständiges Bundesland für sehr sinnvoll. Auch Niedersachsen ist eigentlich zu groß, der Westen um Oldenburg und der Osten um Hannover würden selbständig jeweils besser zurecht kommen.
Zitat von Zettel Die einzige erfolgreiche Länderreform fand bekanntlich einst im Südwesten statt: Baden, Württemberg und Württemberg-Hohenzollern schlossen sich, wie man zunächst sagte, zum "Südweststaat" zusammen. Bei der endgültigen Namensgebung ht man dann nicht "Württemberg-Baden", sondern "Baden-Württemberg" gewählt, um es dem kleineren Baden ein wenig zu versüßen, mit dem viel größeren Württemberg zusammengelegt zu werden.
Ich denke, Ihre Beschreibung trifft nicht ganz die Historie. Wenn ich mich recht erinnere, wurde nach 1945 von den Alliierten das heutige BaWü in Baden, Württemberg-Hohenzollern (beide französische Besatzungszone) und Württemberg-Baden (amerikanische Besatzungszone) aufgeteilt. Vor dem Zusammenschluss wurden dann vier Abstimmungsbezirke eingerichtet (Württemberg-Baden wurde geteilt in Nordwürttemberg und Nordbaden), die so hingetrickst wurden, dass in drei von vier Bezirken der Zusammenschluss eine Mehrheit hatte.
Nicht, dass ich wie die ewiggestrigen Südbadener den Zusammenschluss nicht beführworten würde. Ich halte aber eine Länderreform nicht für zwingend notwendig. Zwingend notwendig wäre hingegen eine Restrukturierung des Länderfinanzausgleichs, um endlich das Prinzip "Wer bestellt, zahlt" wieder zu stärken. Dann werden die Zusammenschlüsse von alleine kommen.
Zitat von Zettel Die einzige erfolgreiche Länderreform fand bekanntlich einst im Südwesten statt: Baden, Württemberg und Württemberg-Hohenzollern schlossen sich, wie man zunächst sagte, zum "Südweststaat" zusammen. Bei der endgültigen Namensgebung ht man dann nicht "Württemberg-Baden", sondern "Baden-Württemberg" gewählt, um es dem kleineren Baden ein wenig zu versüßen, mit dem viel größeren Württemberg zusammengelegt zu werden.
Ich denke, Ihre Beschreibung trifft nicht ganz die Historie. Wenn ich mich recht erinnere, wurde nach 1945 von den Alliierten das heutige BaWü in Baden, Württemberg-Hohenzollern (beide französische Besatzungszone) und Württemberg-Baden (amerikanische Besatzungszone) aufgeteilt. Vor dem Zusammenschluss wurden dann vier Abstimmungsbezirke eingerichtet (Württemberg-Baden wurde geteilt in Nordwürttemberg und Nordbaden), die so hingetrickst wurden, dass in drei von vier Bezirken der Zusammenschluss eine Mehrheit hatte.
Ricihtig, der amerikanische Teil hieß nicht Württemberg, sondern Württemberg-Baden. Ansonsten Danke für die Ergänzungen.
Übrigens hat sich die Zusammensetzung des Landes Baden-Württemberg aus Teilen der amerikanischen und der franzsösischen Besatzungszone in mancherlei Seltsamkeiten niedergeschlagen:
Dort, wo die Franzosen besetzt hatten, war auf den Gymansien (außer den Humanistischen) Französisch die erste Fremdsprache, andernorts Englisch.
Und der Sender "Südwestfunk" bediente zwei ganz unterschiedliche Regionen, die allein dies gemeinsam hatten, daß sie zur französischen Besatzungszone gehört hatten, nämlich Südbaden und Rheinland-Pfalz. Die ehemalige amerikanische Besatzungszone in BW hatte ihren eigenen Sender, den Süddeutschen Rundfunk. Diese Kuriosität, daß es in einem einzigen Bundesland zwei ÖR-Sendeanstalten gab, wurde erst vor ein paar Jahren durch den Zusammenschluß zum Südwestdeutschen Rundfunk beseitigt.
Zitat von R.A.Auch Niedersachsen ist eigentlich zu groß, der Westen um Oldenburg und der Osten um Hannover würden selbständig jeweils besser zurecht kommen.
Jawohl. Der Freistaat Oldenburg wurde ja erst durch die britischen Militärregierung im Jahr 1946 zwangsweise in das Land Niedersachsen eingegliedert. Eine gute Idee ihn zu restaurieren und ihn von der Bevormundung durch Hannover zu befreien. Der Oldenburgischer Landtag ist noch prima in Schuss könnte sogleich wieder bezogen werden. Und auch das Oldenburgisches Staatstheater läuft ja immer noch.
Zitat von R.A.Wenn man überhaupt über Neugliederungen reden will, dann müßte man eher Bundesländer teilen.
Jawohl. Dabei sollte man dann endlich einen Freistaat Franken gründen, wobei aus Thüringen zumindest die Stadt Meiningen, aus Baden-Württemberg Tauberfranken und aus Hessen das alte fränkische Zentrum Fulda wieder dazukommen muss.
Zitat von R. A.Wenn man überhaupt über Neugliederungen reden will, dann müßte man eher Bundesländer teilen. Eine gut zu verwaltende Größe (auch bei Nationalstaaten!) liegt in der Größenordnung von 1-5 Millionen Einwohnern.
Bei Nationalstaaten? Ich stelle mir gerade eine EU mit 50 Mitgliedsstaaten vor. Welch ein Graus
Zitat von ZettelDie Idee einer umfassenden Länderreform geht, wenn ich mich recht erinnere, auf die fünfziger oder sechziger Jahre zurück
Und entsprechend sollte man sie auch behandeln - es ist veralteter Unsinn.
Einspruch, Euer Ehren.
Gewiß gilt nicht big is successful; aber auch eben nicht small is successful. Ein Einheitsstaat funktioniert nicht gut (Frankreich hat sich deshalb vor etlichen Jahrenzu zu einer, wenn auch noch bescheidenen, Regionalisierung entschlossen); eine Republik aus lauter Staaten von der Größe Bremens und des Saarlands wäre vermutlich auch nicht besonders effizient. Es ist also trivialerweise ein Optimierungsproblem.
Welche Parameter?
Größere Länder haben einen besseren Mix, was die Steuerkraft angeht. Weil sie nicht von bestimmten Industrien abhängen wie Bremen; weil die Steuerbürger nicht in den Speckgürtel abwandern können wie in Hamburg; weil sie nicht so randständig sind wie das Saarland. Sie können vernünftiger, weil großflächiger planen; das war ja einer der Hauptgründe für den versuchten Zusammenschluß von Berlin und Brandenburg, der ausgerechnet an der SED scheiterte, die bekanntlich in der DDR die gesamte föderale Struktur beseitigt hatte.
Kleinere Länder sind oft flexibler, können bürgernäher entscheiden, besser auf regionale Besonderheiten Rücksicht nehmen.
Wo liegt das Optimum? Empirisch ist nur festzustellen, daß die am besten funktionierenden Länder Bayern und Baden-Württemberg große Länder sind; und die am schlechtesten funktionierenden Bremen und Saarland kleine Länder.
Natürlich spielen viele andere Faktoren eine Rolle; nicht zuletzt, ob ein Land SPD-regiert oder unionsregiert war und ist (das Zettel'sche Gesetz ), auch natürlich die industrielle Vergangenheit. Aber die Erfahrung besagt doch, daß eine Größenordnung wie die von Bayern und BW jedenfalls nicht ungünstig ist und daß keines der kleinen Bundesländer (übrigens auch das bevölkerungsmäßig kleine Schleswig-Holstein) zu den erfolgreichen Bundesländern gehört.
Zitat von R.A.Die konkreten Beispiele bringen wenig - Bremen und das Saarland sind pleite nicht weil sie zu klein wären, sondern weil sie konsequent murksige Landespolitik betrieben haben. Die katastrophale Haushaltslage in NRW zeigt umgekehrt, daß Größe auch teuer sein kann.
Daß andere Faktoren auch eine Rolle spielen, spricht nicht dagegen, daß auch die Größe von Bedeutung ist.
Zitat von R.A.Und eine Bundesrepublik mit gerade mal einem halben Dutzend Bundesländern in der Größenordnung eines Nationalstaats wie Holland wäre nur noch auf dem Papier föderalistisch.
Das sehe ich überhaupt nicht, lieber R.A. Im Gegenteil - eine Länderreform könnte mit einer Stärkung der Rechte (und des Steueranteils) der Länder einhergehen. Der Idealfall wäre, daß nicht nur der Länderfinanzausgleich abgeschafft wird, sondern auch die Bundeszuschüsse.
Ich bin ein überzeugter Föderalist und werde es immer mehr, je mehr Rechte die EU an sich reißt. Die Nationalstaaten werden an Bedeutung verlieren; aber parallel dazu werden die Regionen an Bedeutung gewinnen. Fast überall in Europa ist dieser Trend zu beobachten.
Aber Franken oder Oldenburg, lieber R.A., (oder Württemberg-Hohenzollern, Schaumburg-Lippe, Hessen-Nassau usf.) wären keine Regionen.
Zitat von ZettelAber Franken oder Oldenburg ... wären keine Regionen.
Wie definieren Sie den Begriff 'Region'? 'Oldenburg' könnte man in diesem Kontext sinnvoll durch 'Weser-Ems-Region' ersetzen.
Zitat von ZettelDie Nationalstaaten werden an Bedeutung verlieren; aber parallel dazu werden die Regionen an Bedeutung gewinnen. Fast überall in Europa ist dieser Trend zu beobachten.
Ja. Und zwar gerade auch über Ländergrenzen hinweg. Ein schönes Beispiel dafür gibt es in der Oberrheinischen Tiefebene (pdf-Datei).
Das Thema ist nun doch eher marginal. Die jährlichen Summe, die Sie im Artikel nennen, verbrennt der deutsche Steuerzahler aktuell wahrscheinlich jeden Tag in Griechenland (wenn wir denn mal so optimistisch sein wollen, dass es schon an Naivität grenzt). Es ist meiner Meinung nach auch relativ unwichtig, wo unsere Bundesministerien sitzen, wenn sie denn funktionsfähig sind. Wenn man sich einen Artikel des SPIEGEL über das Verteidiungsministerium ansieht, muss man das zumindest für diesen Fall wohl bezweifeln.
Die Empirie bringt uns da nicht unbedingt weiter. Wir haben einfach eine zu kleine Fallzahl um valide zu beurteilen, wo die optimale Bundesland-Größe liegt.
Sie haben recht, dass es sich da um ein Optimierungsproblem handelt.
Der Vorteil kleiner Bundesländer ist es, Problemlösungen genauer auf die Situation vor Ort abstimmen zu können. Man kann diesen Vorteil nicht sehr gut in Euro ausdrücken. Es ist eher ein qualitativer Vorteil für den Bürger, dass ihm seine Regierung räumlich und kulturell näher steht.
Der Nachteil kleiner Bundesländer kann ggf. der höhere Aufwand sein. Diverse Zentral-Kosten müssen auf eine kleinere Anzahl Bürger umgelegt werden. Nun zeigt allerdings die europaweite Empirie hier durchaus kein klares Bild. Es gibt viele kleine Nationalstaaten mit vergleichsweise sehr schlanken Strukturen. Die Schweiz ist sicher ein Musterbeispiel (1 Zentralregierung und 26 Kantons-Regierungen für 7 Mio. Einwohner). Aber auch Länder wie Dänemark, Estland, Finnland scheinen nicht zu klein für eine gute und effiziente Führung zu sein.6
Und R.A. hat recht: Die großen Bundesländer wie Bayern und NRW mussten mit den Regierungsbezirken eine komplett zusätzliche Ebene einführen, die sich Bundesländer bis ca. 5 Mio. Einwohner sparen können.
Einen Effizienz-Vorteil kann ich jenseits einer gewissen Mindestgröße von vielleicht 5 Mio. Einwohnern daher nicht mehr erkennen.
Ganz abgesehen davon geht bei zu wenig Bundesländern auch die föderale Balance verloren. Das Extrembeispiel ist da sicher Belgien. Wenn die Regionen im Verhältnis zum Nationalstaat zu groß werden, dann wächst jeder einzelnen Region eine Macht zu, die die Überlebensfähigkeit des Zentralstaat gefährden kann.
Dass größere Bundesländer dann so "mächtig" sind, dass ein Finanzausgleich nicht mehr nötig ist, halte ich auch für einen frommen Wunsch. Es gibt dann immer noch gute oder schlechte Standortpolitik. Langfristig wirkende Strukturentwicklungen, etc. (Der von Ihnen skizzierte "Hanse-Staat" hätte z.B. gegenüber Bayern weiterh bestehende strukturelle Nachteile, die durch die Landesgröße nicht erkennbar kompensiert werden.) Die Interessenkonflikte zwischen den Bundesländern werden nur extremer, je größer sie sind. Bei vielen kleinen Ländern gibt es in einzelnen Sachfragen immer wieder unterschiedliche Interessen-Koalitionen, die Konflikten unter den Ländern die Schärfe nehemn können. Man stelle sich aber nur einmal vor, es gäbe im Extremfall in Deutschland noch 2 Bundesländer: "West" und "Ost". Einem solchen Konstrukt würde ich keine guten Überlebens-Chancen einräumen. Siehe auch hier das Beispiel Belgien.
Eine ordentliche Länderreform würde m.E. nur im europäischen Rahmen Sinn machen. Die USA bestehen aus 50 Staaten und das scheint gut zu klappen. Große sind vorhanden (Kalifornien, New York, Texas, Illinois), aber sie dominieren nicht wie in der EU Deutschland und Frankreich. Die 27 Staaten der EU sind zu ungleich. D,F, UK, I und E sind zu groß. Malta, Zypern, Slowenien, Litauen oder Luxemburg sind zu klein. Um auf etwa 50 Staaten zu kommen, sollten diese etwa 10-20 Mill. Einwohner haben. Konkret gesagt, wäre es sinnvoll, dann die großen Staaten in etwa 4-6 Regionen zu zerschlagen und kleinere Staaten zusammenzuschließen.
Deutschland: Es gab fünf Stammesherzogtümer/entspricht den Dialekten Alemannen-Schwaben, Lothringen (Rheingebiet), Baiern (Altbayern+Österreich+Südtirol), Franken (mit Hessen), "Altsachsen" Niedersachsen-Westfalen; dazu käme als sechste Region das Neusiedlungsgebiet (also in etwa die neuen Bundesländer).
Umgekehrt wäre es sinnvoll, Flandern und die Niederlande zu vereinigen, die nordischen Länder, die baltischen Länder, Tschechien und die Slowakei sowie Slowenien und die Beitrittsländer Kroatien und Bosnien (ohne das serbische Gebiet) zusammenzuschließen.
In den Vereinigten Staaten sind die Bundesstaaten recht stark und autonom...und Washington ist in innenpolitischen Dingen recht schwach.
Brüssel könnte wie Washington D.C. ein Bundesbezirk werden und damit wäre auch das Belgien-Problem gelöst.
Zitat von GorgasalVerteidigung können wir gerne wieder aufmachen. Ich bin mir sicher, wir finden dafür zwei Berlin-Ministerien, die wir zumachen können.
Je mehr ich aus dem Bereich mitbekomme, desto mehr glaube ich, daß ohne das zugehörige Ministerium die Verteidigung eher besser als schlechter liefe.
Zitat von energistJe mehr ich aus dem Bereich mitbekomme, desto mehr glaube ich, daß ohne das zugehörige Ministerium die Verteidigung eher besser als schlechter liefe.
Man könnte in der Tat auf diesen Gedanken kommen, lieber Energist.
Beim gedruckten "Spiegel" gibt es eine Redakteurin, die für das Verteidigungsministerium zuständig ist, Ulrike Demmer. Sie kennt sich in dessen Interna offenbar bestens aus und hat im April dazu eine ausgezeichnete Story geschrieben: Die Ritter der Drachenburg. Unbedingt lesenswert. Textprobe:
Zitat Es gab mal die Idee, alle Regeln, die für den Einsatz in Afghanistan gelten, in einem Handbuch zusammenzufassen. Die Idee wurde verworfen. Die Soldaten hätten kein Handbuch, sondern eine ganze Bibliothek einpacken müssen. Einzeln betrachtet mögen die meisten der Regeln im Haus 208 sinnvoll sein. Zusammengenommen legen sie das Ministerium lahm.
Demmer schildert folgenden Fall aus dem Afghanistan-Krieg: Soldaten bitten darum,
Zitat ein Fernmeldegerät provisorisch in ihren geschützten Fahrzeugen so einbauen zu dürfen, dass sie es während der Fahrt nutzen können. Bislang liegt das Gerät immer hinten im Stauraum. Wenn sie es einschalten wollen, müssen sie anhalten, aussteigen und das Gerät nach vorn holen. Das Aussteigen aus geschützten Fahrzeugen ist nicht ganz ungefährlich in Afghanistan.
Was passiert? Am 16. Januar trifft die Bitte um eine Ausnahmegenehmigung im Ministerium ein. Am 18. Februar entscheidet der zuständige Referatsleiter, daß das Problem gelöst werden muß. "Er schaltet den Führungsstab der Streitkräfte, den Führungsstab des Heeres, den Bevollmächtigten des Hauptabteilungsleiters Rüstung beim Einsatzführungsstab, das Streitkräfteunterstützungskommando, die Zentrale Militärkraftfahrtstelle, das Logistikamt der Bundeswehr und die Rechtsabteilung des Ministeriums ein". Später kommen noch das Streitkräfteunterstützungskommando und die Wehrtechnische Dienststelle 91 Geschäftsfeld Ergonomie hinzu.
Jede dieser Stellen trägt schriftlich ihre Einwände vor; die letzte am 27. Mai der Führungsstab der Streitkräfte. Dort werde eine Ausnahmegenehmigung "nicht mitgetragen", und zwar wegen "Gefahr für Leib und Leben" der Soldaten. Zuvor hatte nämlich das Logistikamt der Bundeswehr die Befürchtung aktenkundig gemacht, ein im Fahrerraum untergebrachtes Funkgerät könne, so Demmer, "'durch Sekundärwirkung' wie etwa eine Detonation durch den Innenraum geschleudert werden".
Wie geht die Sache aus? Ulrike Demmer:
Zitat Die Verantwortung will keiner übernehmen. Am 9. Juni schließlich, fünf Monate später, trifft der Leiter des Einsatzführungsstabs eine einsame Entscheidung. Er ordnet an, dass die Soldaten in Afghanistan ihr Fernmeldegerät provisorisch einbauen dürfen. Ohne Ausnahmegenehmigung.
Zitat von Zettel Zitat von energistJe mehr ich aus dem Bereich mitbekomme, desto mehr glaube ich, daß ohne das zugehörige Ministerium die Verteidigung eher besser als schlechter liefe.
Man könnte in der Tat auf diesen Gedanken kommen, lieber Energist.
Am besten gefällt mir dazu dies Pressemitteiliung (hier via SpON)
Nach mehreren Anschlägen von Afghanen auf verbündete ausländische Soldaten werden die Sicherheitsvorkehrungen in den Bundeswehrlagern am Hindukusch verschärft. [...]Im Februar waren in der nordafghanischen Provinz Baghlan drei Bundeswehrsoldaten von einem Afghanen getötet worden, der in einem Vorposten um sich schoss.
Jetzt sollen von zivilen Hilfsarbeitern in den Lagern biometrische Daten gespeichert werden - Fingerabdrücke und Iris-Merkmale -, um eine bessere Sicherheitsüberprüfung zu gewährleisten. Die US-Streitkräfte führen solche Maßnahmen schon seit Jahren durch, auch bei der afghanischen Armee und Polizei sind sie üblich. Die Bundeswehr verzichtete bisher wegen datenschutzrechtlicher Bedenken darauf.
Zitat von dirkAm besten gefällt mir dazu dies Pressemitteiliung (hier via SpON)
Nach mehreren Anschlägen von Afghanen auf verbündete ausländische Soldaten werden die Sicherheitsvorkehrungen in den Bundeswehrlagern am Hindukusch verschärft. [...]Im Februar waren in der nordafghanischen Provinz Baghlan drei Bundeswehrsoldaten von einem Afghanen getötet worden, der in einem Vorposten um sich schoss.
Jetzt sollen von zivilen Hilfsarbeitern in den Lagern biometrische Daten gespeichert werden - Fingerabdrücke und Iris-Merkmale -, um eine bessere Sicherheitsüberprüfung zu gewährleisten. Die US-Streitkräfte führen solche Maßnahmen schon seit Jahren durch, auch bei der afghanischen Armee und Polizei sind sie üblich. Die Bundeswehr verzichtete bisher wegen datenschutzrechtlicher Bedenken darauf.
Aber in diesem Fall hätte es nichts geholfen: Die Gesinnung und die Mordpläne eines afghanischen Soldaten kann man nicht im biometrischen Passbild erkennen und auch nicht mit dem Fingerabdruckscanner erfassen. Irgendwann muss man den Soldaten aus Afghanistan vertrauen, sonst können wir die Bundeswehr ja nie zurückziehen.
Zitat von ZettelGewiß gilt nicht big is successful; aber auch eben nicht small is successful. ... Es ist also trivialerweise ein Optimierungsproblem.
Da sind wir uns nun völlig einig. Und ich weise noch einmal darauf hin: Obwohl seit Jahrzehnten über Länderfusionen geredet wird, immer unter der impliziten Annahme, "big" wäre "succesful", gibt es bis heute keine seriöse Berechnung dazu. Das ist schon grotesk bis fahrlässig wenn man bedenkt, daß ja schon ganz konkret Berlin-Brandenburg zur Abstimmung stand!
Ich würde ja sagen, beim Optimum müßte gelten: So klein wie möglich (weil dann Problemnähere Entscheidungen möglich sind) und so groß wie nötig (um alle Aufgaben eines Landes erledigen zu können). Und für das "so groß wie nötig" gibt es klare Anhaltspunkte: Die größte Aufgabe, die ein deutsches Bundesland stemmen können muß, ist die Unterhaltung einer eigenen Universität, um seiner Bevölkerung das komplette Bildungsangebot garantieren zu können. Und das gelingt ab etwa einer halben Million Einwohner problemlos, da sind zur Abrundung auch noch ein bis zwei Fachhochschulen o. ä. drin. Alle übrigen Bundeslands-Aufgaben würden auch mit deutlich kleineren Einheiten gehen - man sieht das ganz gut an den Schweizer Kantonen. Die haben deutlich mehr Kompetenzen als ein deutsches Bundesland, und auch Kantone kleiner als ein deutscher Landkreis bekommen das gut geregelt.
Insofern sehe ich bei Ländern wie Bremen oder dem Saarland überhaupt kein grundsätzliches Problem. Gerade Bremen hätte hervorragende strukturelle Voraussetzungen, ein wirtschaftlich erfolgreiches Bundesland zu sein - das wird durch jahrzehntelange linke Murks-Politik verhindert. Und diese falsche Politik ist auch schuld daran, daß über eine "Speckgürtel"-Problematik geredet wird. Die Leute ziehen doch nicht freiwillig in irgendwelche Dörfer der niedersächsischen Pampa, sondern sie sind als mittel- bis gutverdienende Arbeitnehmer in Bremen schlicht nicht willkommen. Die Politik dort (wie in diversen SPD-dominierten Kommunen) zielt fast ausschließlich auf die Förderung von Milieus, die der Stadt nur Kosten, aber keine Einnahmen bringen. Und das kann sich Bremen leisten, weil es die Folgen dieser verfehlten Politik nicht selber ausbaden muß, sondern über den Finanzausgleich anderen Bundesländern aufbürden darf.
Zitat Wo liegt das Optimum? Empirisch ist nur festzustellen, daß die am besten funktionierenden Länder Bayern und Baden-Württemberg große Länder sind; und die am schlechtesten funktionierenden Bremen und Saarland kleine Länder.
Wie schon Florian darstellte: Diese Fallzahl ist viel zu klein, um seriöse Schlüsse zu ziehen. Insbesondere weil der politische Einfluß den strukturellen deutlich überlagert. Der Fall Bayern ist aber instruktiv: Die Landespolitik ist über Jahrzehnte ziemlich gut gewesen - und das überdeckt, daß Bayern strukturell eigentlich eine Fehlkonstruktion ist. Bayern lebt wirtschaftlich in erster Linie vom weit überdurchschnittlichen Erfolg der Region München/Oberbayern (die eben auch nah an der Entscheidungszentrale liegt). Die entfernteren Regionen leiden deutlich unter der strikt zentralistischen Leitung aus München, haben enorme Entwicklungsprobleme und liegen in weiten Bereichen unter dem deutschen Schnitt! Deswegen halte ich ein eigenständiges Bundesland Franken für nicht nur lebensfähig, sondern für absolut notwendig, um diese Region (immerhin mehr als vier Millionen Einwohner) endlich auf Erfolgskurs zu bringen.
Ähnlich liegt der Fall NRW, wo die drei Hauptregionen so unterschiedlich sind, daß sie eben nicht gut gemeinsam von einer Zentrale regiert werden können. Man sieht das besonders am Ruhrgebiet, das weiterhin enorme Strukturprobleme hat und zu keiner vernünftigen Regionalplanung kommt.
Aber natürlich heißt es umgekehrt auch nicht, daß man beliebig unterteilen sollte. Auch sehr große Regionen können gut als Bundesland funktionieren, wenn sie von der Verkehrs- und Wirtschaftsstruktur eine Einheit bilden. Auch historisch gewachsene Bezüge sollte man dabei nicht unterschätzen. Ich sehe daher wenig Sinn, Baden-Württemberg zu unterteilen - alleine schon, weil Baden ein so wenig funktionaler Staat wäre.
Überhaupt sollte es überhaupt kein Ziel sein, am grünen Tisch möglichst gleich große Bundesländer zu konstruieren. Die beiden am besten funktionierenden föderalistischen Staaten (nämlich die USA und die Schweiz) zeigen, daß auch ganz krasse Unterschiede überhaupt kein Problem sind. Die Unterschiede zwischen Texas und Rhode Island oder zwischen Zürich und Uri sind größer als zwischen NRW und Bremen - aber das läuft problemlos.
Zitat Aber Franken oder Oldenburg, lieber R.A., (oder Württemberg-Hohenzollern, Schaumburg-Lippe, Hessen-Nassau usf.) wären keine Regionen.
Da würde mich ja wirklich interessieren, wie Ihre Definition von "Region" ist. Nach meiner Auffassung wären alle diese Gebiete Regionen. Einige davon wären auch als Bundesland lebensfähig (Schaumburg-Lippe eher nicht). Und bei anderen (z. B. Hessen-Nassau) wäre die Abtrennung als eigenes Land unsinnig, weil man zu viele wichtige Beziehungen zu Nachbargebieten (Rhein-Main) abschneiden würde.
Interessant ist der Fall Oldenburg. Das wäre ein von Struktur, Größe und historischer Bedeutung her ein völlig sinnvolles und lebensfähiges Bundesland. Und es gab 1975 in einer Volksabstimmung eine klare Mehrheit der Bevölkerung für die Wiederherstellung des Landes Oldenburgs. Daß der Bundestag anschließend den zwangsweisen Verbleib bei Niedersachsen beschloß ist eigentlich mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar und m. E. ein Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wobei ich eher ein etwas größeres Bundesland incl. Ostfriesland und Emsland empfehlen würde, damit diese Gebiete nicht als von Hannover weit entfernte Randgebiete abgeschnitten werden. Aber da müßte man halt die Leute vor Ort fragen, was ihnen lieber wäre.
Zitat von R.A.Alle übrigen Bundeslands-Aufgaben würden auch mit deutlich kleineren Einheiten gehen - man sieht das ganz gut an den Schweizer Kantonen. Die haben deutlich mehr Kompetenzen als ein deutsches Bundesland, und auch Kantone kleiner als ein deutscher Landkreis bekommen das gut geregelt.
Es ist Sonntag, Zeit für völlig überflüssige Informationen. Bitte schön:
Der kleinste deutsche Landkreis ist Lüchow-Dannenberg mit 49.699 Einwohnern am 31.12.2009.
Er schlägt damit die folgenden Schweizer Kantone: Appenzell Innerrhoden (15.681 Einwohner), Obwalden (35.032 Einwohner), Uri (35.335 Einwohner), Glarus (38.479 Einwohner) und Nidwalden (40.794 Einwohner). Appenzell Ausserrhoden ist mit 53.043 Einwohnern nur unwesentlich größer. Diese Kantone haben zwar alle keine Universität (kann man ja auch outsourcen), aber besser regiert als die meisten deutschen Bundesländer sind sie allemal.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
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