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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 30 Antworten
und wurde 3.220 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.07.2011 12:26
Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Berlin hat Charme, gewiß. Aber eine vitale Stadt ist es nicht; also ist es die Hauptstadt, die wir verdienen.

Zu meinen politischen Irrtümern gehört die Erwartung, die ich um 1990 herum für die Entwicklung Berlins hatte. Nicht mehr die Insel, deren Insulaner bis 1989 gehofft hatten, daß sie "wieder'n schönet Festland wird", sondern nun eine Großstadt mitten in Europa. Mit der Dynamik der Hauptstadt des größten Landes Europas. So hatte ich mir Berlin vorgestellt.

Statt der Dynamik kam eine Regierung aus Sozialdemokraten und Kommunisten. Berlin ist heute dem Wien des Jahres 1911 ähnlicher als dem London oder Paris des Jahres 2011. Und Deutschland auf dem Weg zu einem zweiten Kakanien.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.07.2011 13:08
#2 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf. Seitdem ich ins Umland gezogen bin, hat mir die Selbstbezogenheit, gerade der Berliner Popanzen, die sich in einer Tour über die Touristen aufregen, häufige Besuche zum Vergnügen, verleidet.

Friedrich ( gelöscht )
Beiträge:

04.07.2011 13:18
#3 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Darf man schreiben "Subventionen bei der Arbeit" oder aber : "Finanzausgleich = Synonym für 'nicht sich selbst anstrengen' (müssen)". Oder ganz profan ist da jemand am schmarotzen? Ein Schmarotzer muß sich nur dann anpassen wenn sein Wirt Abwehrstrategien entwickelt. Darf man fragen ob hier die Milliarden zurückgefahen wurden? Oder ist Berlin einfach nur "große" Teile Deutschlands in klein?

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

04.07.2011 14:48
#4 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Dochdoch, Subventionen wurden nach der Wende zurückgefahren, was etwa der gesamten Textilindutrie den Garaus gemacht hat. Aber das ist, denke ich, nicght das Entscheidende: Es ist so eine Art Bunkermentalität, die sich auch eher unter den Zugereisten bemerkbar macht. Die wollen in Ruhe gelassen werden, keiner vergleichenden Konkurrenz unterliegen und sind mit dem zufrieden, was sie ergattert haben. Die Eingeborenen sind da ganz anders - die haben sich über das Ende der Reisebehinderungen gefreut, zumindest, die wenigen, die ich kenne. Ich habe mich früher über die Kietzbewohner lustig gemacht, die angeblich, wenn sie von Neukölln nach Spandau fuhren, die Koffer packten. Aber dann habe ich gemerkt, daß die Badenser, die Schwaben usw selber von sich sagten, sie würden "im Dorf" wohnen. Gerade die, die sich am fortschrittlichsten dünkten, grenzten sich massiv ab, Spießer halt.

Herzlich, Thomas

Florian Offline



Beiträge: 3.136

04.07.2011 15:08
#5 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Dass Berlin natürlich ein skandalös schlecht gemanagtes Subventionsgrab ist, darüber brauchen wir glaube ich gar nicht zu diskutieren. Natürlich kann das "Modell Berlin" daher weder Vorbildcharakter haben noch ist es, wie man so schön sagt, "nachhaltig".
Es kann nur überleben, weil es ständig Suventionszufluss von Außen hat.

Insbesondere ist folgendes erschütternd:
Berlin hat im Vergleich zum Landesdurchschnitt eine unterdurchschnittliche Wirtschaftsleistung und niedrige Mieten (was ein Indikator für fehlende Dynamik ist). Nochmal: im Landesvergleich unterdurchschnittliches Mietniveau! Berlin dürfte weltweit die einzige Hauptstadt sein, auf die das zutrifft.


Aber dennoch:
Ich hätte eigentlich schon den Eindruck gehabt, dass Berlin zu den dynamischeren europäischen Großstädten zählt.
Dass da mehr im Fluss ist, mehr Experimentierfreude als in Paris oder London oder Rom.
Dass dies insbesondere auch für eine junge, kreative Avantgarde anziehend wirkt.
Vielleicht sogar gerade WEGEN der insgesamt schwachen Wirtschaft und den damit einhergehenden niedrigen Preis- und Mietniveau.
(Ähnlich wie der New Yorker Meatpacking-Disctrict eine höhere Dynamik hat als die arrivierte Upper West Side).

Stimmt dieser Eindruck denn nicht?

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

04.07.2011 15:22
#6 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Ich glaube, ich kenne nicht einen wirklich gebürtigen Berliner. Mir fällt jedenfalls momentan keiner ein.

Bei den ganzen Zugezogenen wäre es ja mal interessant herauszufinden, warum sie ausgerechnet nach Berlin gezogen sind, und wie sie jetzt dort ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es können ja nicht nur die Subventionen sein, die die Leute dort hinziehen und noch immer ernähren.

Ansonsten hat Berlin, finde ich, ein bissl was von einem Luftballon. Sieht schön, prall und bunt aus ... aber wenn die Aufmerksamkeitsindustrie (Politik und Medien) ihn nicht immer in der Luft halten würden, und wenn er nicht durch Subventionen ständig aufgeblasen werden würde. - Er könnte schnell ein vergessenes Runzelding in der Ecke werden.

Ansonsten ist die Stadt schon nicht so verkehrt. Eine Glitzermetropole wäre deutlich langweiliger.

Nachtrag: Doch, ich kannte mal einen Eingeborenen. Der war Straßenbahnfahrer, also kein Job für den man da hin zieht.

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

04.07.2011 17:22
#7 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Florian
Dass Berlin natürlich ein skandalös schlecht gemanagtes Subventionsgrab ist, darüber brauchen wir glaube ich gar nicht zu diskutieren.


Volle Zustimmung.

Zitat
Ich hätte eigentlich schon den Eindruck gehabt, dass Berlin zu den dynamischeren europäischen Großstädten zählt.
Dass da mehr im Fluss ist, mehr Experimentierfreude als in Paris oder London oder Rom.
Dass dies insbesondere auch für eine junge, kreative Avantgarde anziehend wirkt.
Vielleicht sogar gerade WEGEN der insgesamt schwachen Wirtschaft und den damit einhergehenden niedrigen Preis- und Mietniveau.


Auch hier Zustimmung.
Berlin hat die klassischen Wirtschaftsbereiche fast komplett verloren und füttert (auf Kosten anderer Länder) ganze Stadtviertel durch, in denen Wirtschaftsleistung fast ein Fremdwort ist.

Aber es hat wohl einige sehr lebendige Regionen mit Kultur und Party (Übergang fließend). Es gibt einen sehr großen Tourismus-Zustrom (der durchaus Geld bringt), weil Berlin in diesem Bereich interessanter zu sein scheint als jede andere Stadt in Europa.

Über zwei konkrete Touristengruppen weiß ich etwas Bescheid.

Zum Einen ist bei den Briten Kurzurlaub in Berlin der Hit geworden. Z. B. bei Junggesellenabschiedsfeiern. Auf der Insel gibt es keinen gemeinsamen Polterabend, da ist es üblich, daß die Braut mit ihren Freundinnen und der Bräutigam mit seinen Freunden in getrennten Trupps durch die Lokale ziehen und feiern. Und da fliegen die locker mal mit 20 Leuten nach Berlin und machen ein Wochenende durch.

Zum Anderen die Israelis. Für die ist Berlin das Hauptreiseziel in Europa. Ein Freund von mir ist eigentlich Journalist, arbeitet derzeit aber als Deutsch-Lehrer in Israel. Weil es dort eine Riesennachfrage gibt von jungen Leuten, die etwas Deutsch können wollen um dann eine gewisse Zeit in Berlin auf Kultur und Party zu machen.

Daß der Touristenzustrom inzwischen zu intoleranten Reaktionen der (aus Schwaben zugereisten) Berliner Grünen führt wurde ja schon diskutiert ...

Insgesamt ist dieser Tourismus aber natürlich nicht ausreichend, um die Defizite der restlichen Stadt zu kompensieren.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

04.07.2011 17:48
#8 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat

Zum Einen ist bei den Briten Kurzurlaub in Berlin der Hit geworden. Z. B. bei Junggesellenabschiedsfeiern. Auf der Insel gibt es keinen gemeinsamen Polterabend, da ist es üblich, daß die Braut mit ihren Freundinnen und der Bräutigam mit seinen Freunden in getrennten Trupps durch die Lokale ziehen und feiern. Und da fliegen die locker mal mit 20 Leuten nach Berlin und machen ein Wochenende durch.



Hierzu auch etwas anekdotisches Wissen von mir:

Die Stadt Berlin bewirbt sich als Tourist-Destination in England m.W. ausdrücklich mit dem Preis-Argument.

Und das mit guten Argumenten.
Es gibt wahrscheinlich keine Großstadt in der Welt, in der man als Tourist mehr fürs Geld bekommt als in Berlin.
Egal ob westliche Metropole oder Großstadt in einem Entwicklungsland: kaum eine Stadt dürfte die Berliner Hotel-, Einzelhandels- und Gastronomie-Preise unterbieten.
Ich war zuletzt im Januar in Berlin, während der "Bread&Butter" (einer großen Fashion-Messe). Ich habe ganz kurzfristig ein Zimmer gebucht in einem guten Hotel neben dem Ku'damm - und das zu einem Preis, wie man ich ihn in der bayrischen Provinz eher nicht bekäme (wohlgemerkt: kurzfristig gebucht während einer großen Messe. Es waren theoretisch also Messe-Preise).

Dass man als Engländer da ein Wochenende "cheap fun" haben kann, glaube ich gerne.


Nachtrag:

Zitat
Insgesamt ist dieser Tourismus aber natürlich nicht ausreichend, um die Defizite der restlichen Stadt zu kompensieren.



Wie gesagt: vermutlich gibt es diesen Tourismus ja auch gerade deshalb, WEIL es die geannten Defizite gibt.
Nur aufgrund dieser Defizite ist Berlin ja so billig.
Nur weil es so billig ist, kann sich eine Kunst- und Kulturszene halten, die bei höherem Preis- und Mietniveau sofort die Segel streichen müsste.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

04.07.2011 17:49
#9 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat
Zum Anderen die Israelis. Für die ist Berlin das Hauptreiseziel in Europa. Ein Freund von mir ist eigentlich Journalist, arbeitet derzeit aber als Deutsch-Lehrer in Israel. Weil es dort eine Riesennachfrage gibt von jungen Leuten, die etwas Deutsch können wollen um dann eine gewisse Zeit in Berlin auf Kultur und Party zu machen.



Kann ich bestätigen. Beim Schüleraustausch mit Tel Aviv ist Berlin ein MUSS von Seiten der Israelis.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

04.07.2011 17:54
#10 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Florian
Dass man als Engländer da ein Wochenende "cheap fun" haben kann, glaube ich gerne.


Vor allem, weil die oft auf die Übernachtung verzichten und ihr Geld ausschließlich in der Gastronomie lassen.
Ich möchte ja nicht wissen, in welchem Zustand die dann den Rückflug antreten ...

Das ist wohl das eine Extrem des Berlin-Tourismus, die eher Kultur-interessierten langen Aufenthalte der Israelis sind vielleicht das andere Extrem.
Dazwischen ist noch viel Platz für andere Nationen ;-)

Es ist aber insgesamt eher Billig-Tourismus und bringt keine Riesenmargen. Der letzte Trost für eine Metropole im Niedergang ...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.07.2011 18:09
#11 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von R.A.
Insgesamt ist dieser Tourismus aber natürlich nicht ausreichend, um die Defizite der restlichen Stadt zu kompensieren.

Und ist es nicht eher ein Merkmal von Ländern wie der Dominikanischen Republik, daß ihre Hauptstadt vor allem vom Tourismus lebt?

Mir hat einmal ein Nordiitaliener erklärt, wie demütigend es für die Einwohner der einstigen mediterranen Vormacht Venedig sei, daß ihre damals so stolze Stadt heute nur noch als Touristenattraktion von Bedeutung ist.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.07.2011 18:17
#12 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Florian
Ich hätte eigentlich schon den Eindruck gehabt, dass Berlin zu den dynamischeren europäischen Großstädten zählt.
Dass da mehr im Fluss ist, mehr Experimentierfreude als in Paris oder London oder Rom.
Dass dies insbesondere auch für eine junge, kreative Avantgarde anziehend wirkt.

Für gewisse Sparten des Kulturbetriebs mag das gelten; so war es ja auch im Wien des fin de siècle und in Paris in den Jahren der Vierten Republik, als das Land darniederlag.

"Morbiden Charme" nennt man das wohl. Arm, aber sexy. Berlin hat schon den Regierenden, den es verdient (in der humaneren Variante, danach kommt ja vielleicht die Oberlehrerin).

Herzlich, Zettel

Florian Offline



Beiträge: 3.136

04.07.2011 18:39
#13 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat

Und ist es nicht eher ein Merkmal von Ländern wie der Dominikanischen Republik, daß ihre Hauptstadt vor allem vom Tourismus lebt?




Ich empfinde es erst einmal nicht als ein Zeichen der Schwäche, wenn eine Stadt viele Touristen anzieht.

Paris würde - nur mal so als Gedankenspiel - nichts von seinem Metropolen-Charakter verlieren, wenn es doppelt so viele Touristen hätte.

Das Problem von Berlin ist, dass es eine recht große Stadt ist, der die privatwirtschaftliche Basis fehlt.

Bei "kleinen Hauptstädten" wie z.B. Bonn oder Washington D.C. ist das nicht weiter tragisch. Die können gut davon leben, dass sie sich auf die Dienstleistung "Bundes-Administration" spezialisieren.
Aber eine ordentliche Millionenstadt bräuchte auch ein privatwirtschaftliches Fundament, wie es große Hauptstädte ja üblicherweise auch anziehen (einfach deshalb, weil sie eben die Hauptstadt sind und weil es für viele Unternehmen vorteilhaft ist, in der Nähe der Entscheidungsträger zu sitzen).
Nicht so Berlin:
Kein einziges DAX-Unternehmen (und auch kaum ein MDAX-Unternehmen) sitzt in Berlin.
In kaum einer Branche sitzen die größten Unternehmen in Berlin. Nicht einmal in "Politik-nahen" Branchen, wie etwa dem Journalismus.
Es gibt wohl keine andere bedeutende Hautstadt, in der keine einzige überregionale Zeitung oder Fernsehsender ihren Sitz hat.

Aber die Misere geht ja noch tiefer:
In Deutschland ist ja der Mittelstand relativ wichtig. Nicht einmal den gibt es in Berlin. (Ich habe kürzlich einmal zusammen mit einem Dutzend mittelständischen Branchenkollegen eine Studienreise nach Berlin gemacht. In unserer Branche gibt es deutschlandweit über 1000 Mittelständler. Und irgendawann ist uns aufgefallen, dass KEIN EINZIGER davon seinen Sitz in Berlin hat).


Nota bene:
Das ist nicht allein die Schuld der amtierenden Landesregierung. Es ist halt nicht einfach, z.B. einen DAX-Konzern anzusiedeln.
Aber man hat eben auch nicht den Eindruck, dass die geschilderten Defizite für Wowereit eine hohe Priorität darstellen.

Schwaeioufel Offline



Beiträge: 27

04.07.2011 18:47
#14 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Und die Oberlehrerin hat auch schon klare Vorstellungen vom Wissenschaftsstandort: Ansonsten regte Künast an, dass sich die Akteure der Wissenschaft und Wirtschaft häufiger als bisher an einen Tisch setzen, um den Standort Berlin voranzubringen. Ihre Herangehensweise dabei fasste Künast so zusammen: „Wir müssen eine Idee entwickeln. Daraus wird sich dann eine Hausaufgabe ergeben.“

http://www.tagesspiegel.de/wissen/alles-...of/4289018.html

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.07.2011 18:56
#15 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Schwaeioufel
Und die Oberlehrerin hat auch schon klare Vorstellungen vom Wissenschaftsstandort: Ansonsten regte Künast an, dass sich die Akteure der Wissenschaft und Wirtschaft häufiger als bisher an einen Tisch setzen, um den Standort Berlin voranzubringen. Ihre Herangehensweise dabei fasste Künast so zusammen: „Wir müssen eine Idee entwickeln. Daraus wird sich dann eine Hausaufgabe ergeben.“

http://www.tagesspiegel.de/wissen/alles-...of/4289018.html

Na, das paßt ja.
Zwar ist sie keine Lehrerin, aber gelernte Sozialarbeiterin, und hat als solche einige Jahre in einer JVA gearbeitet.

Herzlich, Zettel

PS: Willkommen im kleinen Zimmer!

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

04.07.2011 19:14
#16 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Herrlich, so richtig hat sie ja keine Ahnung was sie da will, aber eins weiß sie:

Zitat von TSP
Auf Nachfragen, was sie da konkret anders machen würde oder wo sie Versäumnisse des Senats sehe, erklärte sie, Berlin müsse in Brüssel für mehr Geld aus dem neuen EU-Haushalt kämpfen.


Bravo, Frau Künast!

Nachtrag: (Weil die Eigenwerbung gerade so schön dazu passt) Rumpelkammer productions präsentiert: Grün schafft Jobs

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Popeye Offline



Beiträge: 207

04.07.2011 21:41
#17 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Sarrazin zur Lage Berlins im „LETTRE INTERNATIONAL“

Zitat
Es brauchte Zeit, bis das aufbrach. Diese subventionsverwöhnte Politikerklasse war noch am Ruder, als 1991 die Subventionen rapide einbrachen. Das Bundesfinanzministerium hat entschieden, die Berlinförderung zusammenzustreichen; die 13 Milliarden pro Jahr für Berlin brauchte die ehemalige DDR dringender. Natürlich auch Ostberlin – aber das Geld wurde umgeschichtet. Die Berliner verstanden die Zeichen der Zeit nicht und haben weitergewirtschaftet wie zuvor. So sind sie von einem Schuldenstand, der niedriger war als der in Bayern, in zehn Jahren auf einen Weltrekordschuldenstand geraten, weil die Umsteuerung in den ersten Jahren gar nicht, ab 1995 nur halbherzig und erst ab Januar 2002 richtig stattfand.
In diesen Jahren nach 1989 lebte man im Wolkenkuckucksheim. Es wurde ein riesiges Wohnungsbauprogramm aufgezogen, weil man meinte, Berlin würde 1 bis 2 Millionen neue Bewohner bekommen. 1939 hatte Berlin 4,3 Millionen Einwohner, Charlottenburg hatte in den dreißiger Jahren doppelt so viele wie heute. Man ging also von einem hohen Bevölkerungswachstum aus. 1989 hatte der Westen etwa 1,9 Millionen, der Osten 1,3 Millionen Einwohner. Heute sind es zusammen 3,3 Millionen. Wir erreichen nicht einmal die Vorkriegszahlen und werden schon gar nicht die phantastischen 5 Millionen bekommen, die damals prognostiziert wurden.
Man schaute in die Ferne und hat alles, was vor Ort wichtig war, vernachlässigt. Der Ausbau des internationalen Flughafens Schönefeld hätte schon vor zehn Jahren stattfinden können. Die „Drehscheibe zwischen Ost und West“ war die große Formel, aber substantiell geschah gar nichts. Die Industrie in Ostberlin ging zugrunde, sie ging in Westberlin zugrunde, wir haben jetzt noch 95 000 Industriearbeitsplätze. In den neunziger Jahren waren die Handelsbeziehungen zwischen Polen und Baden-Württemberg enger als die zwischen Polen und Berlin, denn die Baden-Württemberger hatten, was die Polen brauchten: Maschinen – die Berliner nicht. Bei uns waren die Beziehungen insoweit eng, als jeder bessere Berliner Haushalt einen Polen beschäftigte, der ihm für acht Mark Stundenlohn die Wände strich oder die Wohnung putzte. Man hat den Kopf in die Wolken gesteckt, reichlich öffentliches Geld genossen und lebte nicht auf dem Boden der Tatsachen.


http://eppinger.files.wordpress.com/2009...statt-masse.pdf

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.07.2011 10:23
#18 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Zettel
Und ist es nicht eher ein Merkmal von Ländern wie der Dominikanischen Republik, daß ihre Hauptstadt vor allem vom Tourismus lebt?


Das würde ich so pauschal nicht sagen. Rom lebt eigentlich auch nur von Tourismus und eben der Hauptstadtfunktion. Während der Tourismus in der Dominikanischen Republik ja wenig mit der Hauptstadt zu tun hat - da geht es wohl um schlichten Strandtourismus.

Zitat
Mir hat einmal ein Nordiitaliener erklärt, wie demütigend es für die Einwohner der einstigen mediterranen Vormacht Venedig sei, daß ihre damals so stolze Stadt heute nur noch als Touristenattraktion von Bedeutung ist.


Die sollten sich inzwischen daran gewöhnt haben - Venedig bezieht doch schon über zwei Jahrhunderte lang seine Bedeutung nur noch aus dem Tourismus, viel länger als jede andere vergleichbare Stadt.
Es gibt sehr, sehr viele ehemals stolze Städte - die meisten davon könnten froh sein, wenn sie wenigstens für die Touristen noch eine Bedeutung hätten ...

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.07.2011 10:28
#19 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Florian
Das ist nicht allein die Schuld der amtierenden Landesregierung.


Richtig.
Im wesentlichen ist es Folge der deutschen Teilung.
Nach dem Krieg sind viele wichtige Unternehmen aus der geteilten Stadt abgezogen (Siemens wäre wohl das prominenteste Beispiel), die wichtigen Neugründungen sind natürlich auch alle in Westdeutschland entstanden - Berlin war als Stadtort einfach zu ungünstig.

Und auch nach der Wiedervereinigung ist Berlin nicht sonderlich attraktiv, weil es ziemlich abseits liegt und sein ehemals großes Hinterland im Osten weggefallen ist.

Selbst eine sehr gute Landespolitik hätte es da schwer gehabt, eine der Stadtgröße angemessene Wirtschaftsstruktur zu etablieren.
Und von einer solchen guten Politik war Berlin natürlich immer weit entfernt. Man denke da nur an die grotesken Vorgänge um die Flughäfen, das hätte nach 1990 die erste und dringendste Sache sein müssen, um die Stadt nach vorne zu bringen.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

05.07.2011 11:15
#20 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

@ R.A.:

Ich halte die historische Komponente auch für wichtig (und daran ist keine Landesregierung schuld).

Aber:
Die Wiedervereinigung ist jetzt auch schon 21 Jahre her.
Da wäre schon auch Zeit genug gewesen, eine neue Unternehmens-Struktur zu etablieren.
Denn immerhin sind in dieser Zeit ja auch viele neue Produkte entstanden und sogar komplett neue Branchen (Internet, Telekommunikation, Biotechnologie, Finanzdienstleitungen ...).
So ganz abwägig wäre es ja nicht, wenn da in der Hauptstadt Arbeitsplätze entstehen würden. Wenigstens proportional zu ihrer Einwohnerzahl im Verhältnis zur gesamtdeutschen Bevölkerung sollte man das erwarten dürfen. Aber nicht einmal das scheint passiert zu sein.



Übrigens:
Im Osten ist doch kein Hinterland weggefallen.
Im Gegenteil: die Grenzen nach Osteuropa sind so offen wie nie. (Auch viel offener als zu Ostblock-Zeiten).
Und Deutschland hat ein sehr großes Osteuropa-Geschäft.
Rein theoretisch könnte Berlin die perfekte Ost-West-Drehscheibe sein.
(Wien zum Beispiel scheint diese Funktion ganz gut auszufüllen).

Oder habe ich Ihren Bezug auf "Hinterland" falsch verstanden?
Sofern damit West- und Ostpreußen gemeint sein sollte:
Das moderne Polen ist als Handelspartner doch vermutlich wichtiger, als es Ostpreußen jemals war. Zu Kaisers Zeiten war Ost- und Westpreußen eine landwirtschaftliche Region ohne Industrie. Heutzutage ist das anders. (Und der Warenaustausch hat nicht mehr Beschränkungen als der Binnenhandel zu Kaisers Zeiten).

Elmar Offline



Beiträge: 282

05.07.2011 11:21
#21 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Zettel
Na, das paßt ja.
Zwar ist sie keine Lehrerin, aber gelernte Sozialarbeiterin, und hat als solche einige Jahre in einer JVA gearbeitet.


Finde ich auch. Die Resozialisierung ehemals Inhaftierter kann ja auch mal länger dauern. Die Berliner (West) saßen ja 28 Jahre ein, da hilft es vielleicht wenn Politiker Berufserfahrung haben

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2011 11:36
#22 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von R.A.
Es gibt sehr, sehr viele ehemals stolze Städte - die meisten davon könnten froh sein, wenn sie wenigstens für die Touristen noch eine Bedeutung hätten ...

Wohl wahr - aber ein Trost für Berlin??

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

05.07.2011 13:24
#23 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Inzwischen ist im TSP eine Entgegnung zu Boyes erschienen, in der der Autor seine biedermeierische Spießigkeit allerdings mit der Frage "Und was wäre eigentlich so schlimm daran, aus der deutschen Hauptstadt eine nordkoreanische Fahrradstadt zu machen?" krönt.

Schauderhaft,

Thomas

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.07.2011 15:54
#24 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat von Florian
Die Wiedervereinigung ist jetzt auch schon 21 Jahre her.


Die Wiedervereinigung hat aber erst einmal für Berlin viele Nachteile bedeutet - in beiden Teilen ist die hohe Subventionierung durch die Zentrale weggefallen. Die war m. W. deutlich höher als die heutigen Zuschüsse über den Länderfinanzausgleich.

Zitat
Da wäre schon auch Zeit genug gewesen, eine neue Unternehmens-Struktur zu etablieren.


Einiges ist ja auch neu gekommen. Ist ja nicht so, daß Berlin völlig bei Null wäre. Aber es hat halt nicht gereicht, die Verluste zu kompensieren.

Zitat
Denn immerhin sind in dieser Zeit ja auch viele neue Produkte entstanden und sogar komplett neue Branchen (Internet, Telekommunikation, Biotechnologie, Finanzdienstleitungen ...).


Die meisten davon docken aber an bestehende Strukturen an. Entweder an Großfirmen der "alten" Industrien oder aber an Unis oder Forschungseinrichtungen. Und da war Berlin eher schlecht aufgestellt, die wissenschaftlichen Schwerpunkte lagen eben nicht bei den Fachbereichen, aus denen Neugründungen entstehen.

Zitat
So ganz abwägig wäre es ja nicht, wenn da in der Hauptstadt Arbeitsplätze entstehen würden.


Abwegig natürlich nicht. Wie schon gesagt, es sind ja auch neue Arbeitsplätze entstanden.
Aber wenn man nicht sowieso schon in Berlin wohnt - wieso sollte man ausgerechnet dorthin gehen für eine Firmengründung? Die einzige Stärke der Stadt sind viele und preiswerte freie Gewerbeflächen. Aber die neuen Industrien brauchen gerade die fast nicht.

Zitat
Im Osten ist doch kein Hinterland weggefallen.


Das Hinterland ist natürlich noch da - aber es orientiert sich nicht mehr nach Berlin. Insbesondere für Schlesien ist jetzt natürlich Warschau die Metropole, auf die man sich ausrichtet.

Zitat
Und Deutschland hat ein sehr großes Osteuropa-Geschäft.
Rein theoretisch könnte Berlin die perfekte Ost-West-Drehscheibe sein.


Das Osteuropa-Geschäft läßt sich ganz wunderbar auch von Frankfurt, Köln, Hamburg oder München aus betreiben!

Vor dem Krieg waren die Eisenbahnverbindungen maßgeblich. Und da landete de facto der ganze Osten, wenn er "nach Europa" wollte, zuerst einmal in Berlin. Mit dem Flugzeug dagegen ist es dagegen egal in welche deutsche Stadt man reist. Bzw. da ist Berlin schlechter - das Versagen bei der Flughafenplanung war der größte Fehler nach 1990.

Eigentlich ist die geographische Lage Berlins ziemlich bescheuert. Es liegt so weit im Osten, daß es von den meisten deutschen Städten aus nur mühsam per Auto/Bahn zu erreichen ist. Und dann ist man immer noch nicht wirklich im Osten - nach Warschau sind es weitere sieben Stunden Autofahrt.
Und wenn man dann fliegt, kann man auch gleich direkt nach Warschau etc. reisen, Berlin wird da nicht gebraucht.

Zitat
Wien zum Beispiel scheint diese Funktion ganz gut auszufüllen.


Wien liegt günstiger! Es liegt nicht am Rand des Ostens, sondern mittendrin.
In einer Stunde ist man in Preßburg, in zwei Stunden in Budapest, in vier Stunden in Laibach, Zagreb oder Prag.
Und die Drehscheibenfunktion Wiens wurde schon zur Zeiten des Kalten Kriegs begründet. Da konnte Österreich von seiner Neutralität profitieren. Und auch heute können die Osteuropäer in Wien viel eher "auf Augenhöhe" agieren und fühlen sich ernst genommen. Während von Berlin aus nur die Russen zählen ...

Zitat
Das moderne Polen ist als Handelspartner doch vermutlich wichtiger, als es Ostpreußen jemals war.


Sicher. Aber das moderne Polen braucht Berlin nicht. Nicht um dort zu studieren, nicht um dort politische Entscheidungen abzuholen, nicht um dort die Kultur abzuholen, die in der Provinz fehlt.

Hias Offline



Beiträge: 138

05.07.2011 16:10
#25 RE: Zitat des Tages: Ein Brite über Berlin Antworten

Zitat
Die Wiedervereinigung ist jetzt auch schon 21 Jahre her.
Da wäre schon auch Zeit genug gewesen, eine neue Unternehmens-Struktur zu etablieren.
Denn immerhin sind in dieser Zeit ja auch viele neue Produkte entstanden und sogar komplett neue Branchen (Internet, Telekommunikation, Biotechnologie, Finanzdienstleitungen ...).
So ganz abwägig wäre es ja nicht, wenn da in der Hauptstadt Arbeitsplätze entstehen würden. Wenigstens proportional zu ihrer Einwohnerzahl im Verhältnis zur gesamtdeutschen Bevölkerung sollte man das erwarten dürfen. Aber nicht einmal das scheint passiert zu sein.



Naja, 21 Jahre ist nicht gerade viel, wenn man bedenkt wie die Stadt nach dem zweiten Weltkrieg wirtschaftlich ausblutete. Und warum sollte sich ein Telekommunikationsunternehmen oder ein Biotechnologieunternehmen in Berlin niederlassen? Die Stadt mag gute Unis haben, aber die hat München bspw. plus eine schon funktionierende und eingespielte Wirtschaftsförderung. Hinzu kommt in Fall Münchens bspw. eine hohe Konzentration an Forschungsinstituten, die in Berlin erst nach und nach aufgebaut und mit den Unis vernetzt werden konnten.

Ausserdem gibt es inzwischen sehr wohl Versuche, für eine industrielle Basis zu sorgen:
http://de.wikipedia.org/wiki/WISTA

Übrigens scheint Wikipedia der Meinung zu sein, dass in Berlin sehr wohl was wächst:
http://de.wikipedia.org/wiki/Berlin#Wirtschaft

Ist halt schwierig von Null aus anzufangen.

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