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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 27 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.07.2011 08:37
Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Diese Marginalie gehört zu den Artikeln, bei denen es mir weniger darum geht, eine Meinung zu formulieren, als ein Problem darzulegen.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2011 09:36
#2 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Diese Marginalie gehört zu den Artikeln, bei denen es mir weniger darum geht, eine Meinung zu formulieren, als ein Problem darzulegen.



Ich kann mich erinnern, dass dieses Thema auch im legendären Blog von »Statler und Waldorf« schon diskutiert wurde. Es wird uns wohl noch Jahrzehnte verfolgen.

Gerade in Bezug auf Sexualstraftäter gibt es ja ein extrem weites Meinungsspektrum: von »Todesstrafe für Kinderschänder« bis zur »Tolerierung« bestimmter Sexualdelikte.

Im Grunde müsste man einen völlig neuen Weg beschreiten: eine Zwischenlösung zwischen Freiheitsentzug und Freiheit. Dazu müsste man eine Art umgrenzte Wohnkolonie schaffen, in der Wohnungen, Arbeitsgelegenheiten und Zugang zur Kommunikation bereitstehen, die aber nach außen hermetisch abgeschlossen ist. Alle Verstöße gegen die Regeln, insbesondere Ausbruchsversuche, müssten natürlich mit erneuter Haft sanktioniert werden.

Es ist klar, dass die Gesellschaft für diese neue Art der Unterbringung einen gewissen Preis zahlen muss. Aber auch Straftäter haben ihre Persönlichkeitsrechte und wenn die Strafe verbüßt ist, kann man sie nicht ewig einsperren.

Mit den Arbeitsmöglichkeiten wären sie im gewissen Maße resozialisiert, würden einen Nutzen ihrer Arbeit erkennen und könnten zumindest den materiellen Schaden wiedergutmachen. Es spricht auch nichts dagegen, dass sie untereinander Beziehungen aufbauen. Eventuell können sogar Menschen von außerhalb freiwillig in eine solche Kolonie ziehen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.07.2011 09:53
#3 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Diese Marginalie gehört zu den Artikeln, bei denen es mir weniger darum geht, eine Meinung zu formulieren, als ein Problem darzulegen.


Lieber Zettel, das Problem liegt m.E. in dem Anspruch des Staates resozialisieren zu können und zu dürfen. Der Staat als Erzieher. Die Bürger, Schutzbefohlene. Es ist die Verschränkung des Sozialstaatsprinzps mit dem des Rechtsstaats die dazu führen kann, dass Bürger den Schutz vor körperlicher Unversehrtheit, den sie durch den Staat gewährleistet sehen wollen, nicht erhalten, weil eine lebenslange, im Sinne des Wortes, Freiheitsstrafe, nicht durch die Justiz, sondern durch Psychologen entschieden wird. Eine Wissenschaft zumal, die sich dem Falsifizierungsprinzip entzieht. Strafe ist im weitesten Sinne auch Rache, es gibt den Opfern Genugtuung und soll sie vor Wiederholung schützen. Dafür stattet der Bürger den Staat mit dem Gewaltmonopol aus. Die Strafe soll den Täter nicht zu einem besseren Menschen machen, sondern ihn durch Abschreckung von einer Wiederholung abhalten. Menschen die ihren Trieb zu einem schwersten Verbrechen nicht kontrollieren können, und dieser Beweis ist bei einer Wiederholung erbracht, müssen für immer auf ihre Freiheit verzichten. M.E. wäre das fair.
Viele Grüße Erling Plaethe

Vogelfrei ( gelöscht )
Beiträge:

15.07.2011 10:49
#4 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Man hatte offenbar gedacht, er sei nicht mehr so gefährlich. Er hatte offenbar nur gewartet, bis man das denkt.


Ich glaube, Sie unterschätzen hier das Element des Triebes. Sexualstraftaten sind i. d. R. maßgeblich durch einen unbändigen Trieb motiviert - Ausnahmen sind z. B. Vergewaltigungen zum Zwecke von Dominanz und Unterwerfung (wie man es aus den Berichten von Zwangsprostituierten leider zu Genüge kennt). Von daher glaube ich nicht, daß der Wolf sich in böswilliger Absicht als Lamm präsentierte. Trieb und Gelegenheit führen nunmal oft zur Tat.

Das zeigt aber auch, daß alle Maßnahmen zur Resozialisation von Triebtätern zum Scheitern verurteilt sind. Man muß den Trieb ausschalten. Hierfür bieten sich zwei erprobte Wege an: Medikamente und Kastration. Letzerer hat den Nachteil, daß bei voll ausgewachsenen Männern dennoch ein Resttrieb erhalten bleibt (wie sich das bei Frauen auswirkt, ist mir nicht bekannt). Die Schwierigkeit bei der Medikation, den Delinquenten zur regelmäßigen und dauerhaften Einnahme zu motivieren, dürfte durch die Beimischung stark süchtigmachender Substanzen umgangen werden können.

Zum Thema Sicherheitsverwahrung: Zumindest bei Mord sollte sich die Frage nicht stellen. Wer mordet, hat sein Leben in der Gesellschaft verwirkt - endgültig. Solange der Mörder lebt, bleibt seine Tat, zumindest bei den Angehörigen der Opfer, präsent und ungesühnt.

Grüße

~~~
Die zunehmende Armut, welche allenthalben beklagt wird, scheint mir zuvörderst geistiger Natur.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.07.2011 11:36
#5 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von stefanolix
Mit den Arbeitsmöglichkeiten wären sie im gewissen Maße resozialisiert, würden einen Nutzen ihrer Arbeit erkennen und könnten zumindest den materiellen Schaden wiedergutmachen. Es spricht auch nichts dagegen, dass sie untereinander Beziehungen aufbauen. Eventuell können sogar Menschen von außerhalb freiwillig in eine solche Kolonie ziehen.

So etwas gab es ja in der Tat einmal, sogar in großem Stil - die Briten schickten ihre convicts nach Australien, die Franzosen ihre criminels nach Französisch-Guyana (siehe "Papillon"), die Russen ihre Verbrecher (und viele Politische) nach Sibirien. Teils lebte man dort sehr schlecht, teils aber auch unter Bedingungen, wie Sie sie skizzieren.

Nebenbei gesagt: Daß die Australier heute nicht auffällig krimineller sind als andere, ist aus meiner Sicht ein starkes Argument gegen die These, daß es bei der Neigung zur Kriminalität eine starke genetische Komponente gebe.

Im Prinzip denke ich in dieselbe Richtung wie Sie, lieber Stefanolix: Man muß den Schutz der Gesellschaft und das "empfindliche Übel" (so nennen es die Juristen wohl), das die Strafe sein soll, entkoppeln. Vielleicht mit der Option für den Betreffenden, sich kastrieren zu lassen und dafür freizukommen. Man könnte auch an Medikation denken, die nicht umgangen werden kann, etwa durch eine tägliche Spritze, für die der Betreffende ins Krankenhaus oder eine Praxis muß. Mit elektronischer Fußfessel kombiniert.

Natürlich ist das alles nicht schön für ihn. Aber wenn er auch seine Strafe abgesessen hat, so haftet er doch sozusagen weiter für seine Anlage, auch wenn er dafür nichts kann. So ist die Welt nun einmal. Niemand kann sich seine Gene aussuchen, und alle müssen mit den Nachteilen leben, die sie mit sich bringen können.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.07.2011 11:47
#6 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Vogelfrei

Zitat von Zettel
Man hatte offenbar gedacht, er sei nicht mehr so gefährlich. Er hatte offenbar nur gewartet, bis man das denkt.


Ich glaube, Sie unterschätzen hier das Element des Triebes. Sexualstraftaten sind i. d. R. maßgeblich durch einen unbändigen Trieb motiviert - Ausnahmen sind z. B. Vergewaltigungen zum Zwecke von Dominanz und Unterwerfung (wie man es aus den Berichten von Zwangsprostituierten leider zu Genüge kennt). Von daher glaube ich nicht, daß der Wolf sich in böswilliger Absicht als Lamm präsentierte. Trieb und Gelegenheit führen nunmal oft zur Tat.


Es gibt wohl beides. Es gibt denjenigen, der sich mehr Stärke zutraut, als er hat. Es gibt denjenigen, der von vornherein kaltblütig darauf hinarbeitet, wieder Taten begehen zu können. Und es gibt ein großes Spektrum dazwischen.

Zitat von Vogelfrei
Das zeigt aber auch, daß alle Maßnahmen zur Resozialisation von Triebtätern zum Scheitern verurteilt sind.

So apodiktisch formuliert würde ich dem nicht zustimmen. Pädophilie als eine Perversion (für die der Betreffende selbst nichts kann; so wenig, wie man für jede andere Spielart seiner Sexualität kann) ist weit verbreitet; das beweist zum Beispiel die starke Nachfrage nach einschlägiger Pornografie im Internet. Aber die meisten dieser Pädophilen beherrschen ihren Trieb so weit, daß sie ihn nur in der Phantasie (eben oft mit Hilfe von Pornografie) ausleben, aber nicht in Form von sexuellen Übergriffen. Oder so sublimiert, wie das zum Beispiel bei Lewis Carroll der Fall war.

Auch da gibt es ein breites Spektrum. Es gibt auch harmlose Varianten der Phädophilie, wie Beispiele wie Lewis Carroll zeigen.

Zitat von Vogelfrei
Man muß den Trieb ausschalten. Hierfür bieten sich zwei erprobte Wege an: Medikamente und Kastration. Letzerer hat den Nachteil, daß bei voll ausgewachsenen Männern dennoch ein Resttrieb erhalten bleibt (wie sich das bei Frauen auswirkt, ist mir nicht bekannt). Die Schwierigkeit bei der Medikation, den Delinquenten zur regelmäßigen und dauerhaften Einnahme zu motivieren, dürfte durch die Beimischung stark süchtigmachender Substanzen umgangen werden können.

Diese letztere Idee lese ich jetzt zum ersten Mal. Ich würde mich dafür ineressieren, Näheres zu erfahren. Gibt es schon derartige Programme in bestimmten Ländern?

Ansonsten halte ich diesen Weg für gangbar, aber nur unter strikter Freiwilligkeit, als frei zu wählende Alternative zur weiteren Unterbringung; ich habe dazu gerade in meiner Antwort an Stefanolix etwas geschrieben. Eine zwangsweise Kastration wäre mit einem liberalen Rechtsstaat unvereinbar; ebenso natürlich ein zwangsweises Süchtigmachen.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

15.07.2011 11:57
#7 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Niemand kann sich seine Gene aussuchen, und alle müssen mit den Nachteilen leben, die sie mit sich bringen können.


Außer natürlich, es geht um X- und Y-Chromosomen und Unisex-Tarife bei Versicherungen.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

15.07.2011 11:59
#8 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Pädophilie als eine Perversion (für die der Betreffende selbst nichts kann; so wenig, wie man für jede andere Spielart seiner Sexualität kann) ist weit verbreitet; das beweist zum Beispiel die starke Nachfrage nach einschlägiger Pornografie im Internet.


Ist die Nachfrage so stark verbreitet? Ich könnte mich jetzt nicht entsinnen, dass unsere einschlägigen Politiker oder andere dazu belastbare Zahlen vorgelegt hätten.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.07.2011 12:08
#9 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Lieber Zettel, das Problem liegt m.E. in dem Anspruch des Staates resozialisieren zu können und zu dürfen. Der Staat als Erzieher. Die Bürger, Schutzbefohlene. Es ist die Verschränkung des Sozialstaatsprinzps mit dem des Rechtsstaats die dazu führen kann, dass Bürger den Schutz vor körperlicher Unversehrtheit, den sie durch den Staat gewährleistet sehen wollen, nicht erhalten, weil eine lebenslange, im Sinne des Wortes, Freiheitsstrafe, nicht durch die Justiz, sondern durch Psychologen entschieden wird. Eine Wissenschaft zumal, die sich dem Falsifizierungsprinzip entzieht. Strafe ist im weitesten Sinne auch Rache, es gibt den Opfern Genugtuung und soll sie vor Wiederholung schützen. Dafür stattet der Bürger den Staat mit dem Gewaltmonopol aus. Die Strafe soll den Täter nicht zu einem besseren Menschen machen, sondern ihn durch Abschreckung von einer Wiederholung abhalten. Menschen die ihren Trieb zu einem schwersten Verbrechen nicht kontrollieren können, und dieser Beweis ist bei einer Wiederholung erbracht, müssen für immer auf ihre Freiheit verzichten. M.E. wäre das fair.

So sehr ich Ihre liberalen Überzeugungen teile, lieber Erling Plaethe - in diesem Bereich stimme ich Ihnen nur teilweise zu.

Ich bin wie Sie der Meinung, daß der Staat kein Recht hat, seine Bürger zu erziehen, und daß auch der primäre Zweck einer Strafe nicht die Erziehung sein kann. Ich sehe auch die Gefahr, daß die Psychologen an die Stelle der Richter treten könnten. Überhaupt kann und darf man die Strafe nicht von der Schuld ablösen. Sie muß in ihrer Schwere der Schwere der Schuld korrespondieren und nicht dem Aufwand, den es braucht, um einen Erziehungszweck zu erreichen.

Ginge es nur um Resozialisation, dann brauchte man NS-Täter und ihre Zwillinge im Sozialismus überhaupt nicht zu bestrafen, denn sie werden in einem demokratischen Rechtsstaat derartige Taten gar nicht wieder begehen können. Aber es gibt eben auch - und vorrangig - den Gesichtspunkt der Sühne, der Genugtuung für die Opfer.

Soweit also gehen wir konform. Dann schreiben Sie aber:

Zitat
Die Strafe soll den Täter nicht zu einem besseren Menschen machen, sondern ihn durch Abschreckung von einer Wiederholung abhalten. Menschen die ihren Trieb zu einem schwersten Verbrechen nicht kontrollieren können, und dieser Beweis ist bei einer Wiederholung erbracht, müssen für immer auf ihre Freiheit verzichten. M.E. wäre das fair.

Hierzu möchte ich zwei Anmerkungen machen:

- Je mehr Genetik und Hirnforschung voranschreiten, umso deutlicher wird, daß schwerkriminelles Verhalten sehr oft eine organische Grundlage hat. Es finden sich bei den Tätern Auffälligkeiten im Gehirn (beispielsweise abweichende Muster im fMRI-Scan) und manchmal auch genetisch. Dafür kann niemand etwas; so wenig, wie für eine verkorkste Kindheit. Fair erscheint es mir deshalb nicht, jemanden über die verhängte Strafe hinaus zu inhaftieren. Die Sühne ist ja mit dieser bereits geleistet.

- Wichtiger ist aus meiner Sicht der zweite Punkt: Resozialisierung liegt im Interesse der Gesellschaft selbst. Jemanden wirklich bis zu seinem Lebensende gefangen zu halten ist nicht nur eine extreme Strafe, sondern auch sehr teuer. Man kann übrigens an der Kriminalitätsrate in den USA sehen, wie teuer der weitgehende Verzicht auf Resozialisationsmaßnahmen (Rösch erwähnt das) die Gesellschaft zu stehen kommt: Wenn man nur einsperrt und die Leute ansonsten sich selbst überläßt, dann werden die Haftanstalten zu Brutstätten der Kriminalität. Man hätte dann im Grunde nur noch die Wahl, alle lebenslänglich einzusperren, was zum einen rechtsstaatlich nicht geht, zum anderen Unsummen kosten würde.

Auf Resozialisation und ggf. Therapie kann die Gesellschaft aus ihrem eigenen Interesse nicht verzichten; aber dies darf aus meiner Sicht - da sind wir uns einig - nie der primäre Zweck der Strafe sein. Strafe dient primär der Sühne und dem Schutz der Gesellschaft, auch in Gestalt der Generalprävention.

Herzlich, Zettel

Zazaz Offline



Beiträge: 52

15.07.2011 13:23
#10 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Meines Erachtens wird die Resozialisierung und Therapie überschätzt. In der Öffentlichkeit wird Therapie diskutiert als ob man ein Auto reparieren würde. Da ist jemand der was schlimmes gemacht hat, der muss kaputt sein, wird also therapiert und resozialisiert (=repariert) und alles ist gut.

Man vergißt das, wenn solche Menschen schwere Straftaten begehen, diese Verhaltensmuster, d.h. das rücksichtslose Übergehen der Rechte ihrer Mitmenschen um des eigenen Vorteils willen, schon sehr tief drinstecken. Es gibt einen gewissen Anteil gefährlicher Menschen die dissozial und nicht behandelbar sind. Vor denen muss man die Mitmenschen schützen.

Die Strafen für schwere Gewalttaten in Deutschland sind ohnehin teils sehr niedrig, gerade im Bereich Tötungsdelikte. Sechs Jahre für das vorsätzliche Töten eines Menschen sind nicht selten, und wenn dann noch der Täter nach 2/3, sprich vier Jahren, rauskommt, wird es nach meinem Empfinden schon grob unangemessen.

PS: Ich bin seit mehreren Jahren in der Justiz, Strafsachen, und gelegentlich auch mit Sicherungsverwahrten befaßt.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.07.2011 13:35
#11 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Lieber Zettel!
Kann eine verkorkste Kindheit der Grund für ein Absprechen der Eigenverantwortung sein? Darf jemandem der freie Wille entzogen, darf er entmündigt werden, aufgrund einer medizinischen Vermutung? Wer ist "die Gesellschaft"? Die Mehrheit? Ich sag nein, sie sagen vielleicht ja, wer ist autorisiert im Namen der Gesellschaft zu sprechen und zu artikulieren was diese will, ohne Rücksicht auf die Vielfalt der Abweichung?

There are individual men and women, and there are families. And no government can do anything except through people, and people must look to themselves first. It's our duty to look after ourselves and then, also to look after our neighbour. People have got the entitlements too much in mind, without the obligations. There's no such thing as entitlement, unless someone has first met an obligation."
Margaret Thatcher

Viele Grüße
Erling Plaethe

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.07.2011 13:56
#12 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Kann eine verkorkste Kindheit der Grund für ein Absprechen der Eigenverantwortung sein? Darf jemandem der freie Wille entzogen, darf er entmündigt werden, aufgrund einer medizinischen Vermutung? Wer ist "die Gesellschaft"? Die Mehrheit? Ich sag nein, sie sagen vielleicht ja,

Neinein, ich sage auch nein, lieber Erling Plaethe. Ich bin ja ausdrücklich wie Sie der Meinung, daß der Kriminelle für seine Taten verantwortlich ist und auch zur Rechenschaft gezogen werden soll; es sei denn, er ist schuldunfähig oder eingeschränkt schuldfähig.

Der Kriminelle darf eben gerade nicht entmündigt werden, indem man ihn als Opfer der Gesellschaft darstellt. Er allein entscheidet, was er tut und was er nicht tut.

Zitat von Erling Plaethe
wer ist autorisiert im Namen der Gesellschaft zu sprechen und zu artikulieren was diese will, ohne Rücksicht auf die Vielfalt der Abweichung?

Das scheint mir einfach zu beantworten zu sein: Autorisiert ist die Rechtsprechung. Eine Abweichung ist dann zu bestrafen, wenn sie verboten ist und das Gesetz eben eine Strafe vorsieht. Für eine Diktatur würde ich die Frage nicht so beantworten, aber für den demokratischen Rechtsstaat gilt es.

Herzlich, Zettel

Vogelfrei ( gelöscht )
Beiträge:

15.07.2011 15:19
#13 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Diese letztere Idee lese ich jetzt zum ersten Mal. Ich würde mich dafür ineressieren, Näheres zu erfahren. Gibt es schon derartige Programme in bestimmten Ländern?

Meines Wissens nach gibt es das bisher lediglich auf freiwilliger Basis. Wer befürchtet, seiner Triebe nicht Herr zu werden, hat die Möglichkeit sich in Behandlung zu begeben. Die Berliner Charité hat z. B. ein entsprechendes Programm im Angebot. Einzig aus Polen ist mir bekannt, daß da auch mal eine zwangsweise Medikation diskutiert wurde, allerdings weiß ich nicht was daraus wurde...

Zitat von Zettel
Eine zwangsweise Kastration wäre mit einem liberalen Rechtsstaat unvereinbar; ebenso natürlich ein zwangsweises Süchtigmachen.

Das sehe ich prinzipiell genauso. Aufgrund seiner Straftat hat der Delinquent einen Teil seines Selbstbesitzes verwirkt, weswegen man ihn ja auch inhaftieren kann. Mir schwebte das auch eher als Alternative zur sehr kostenintensiven Sicherheitsverwahrung sowie end- und wirkungslosen Resozialisierungsprogrammen vor.

Zitat von Zettel
Pädophilie als eine Perversion (für die der Betreffende selbst nichts kann; so wenig, wie man für jede andere Spielart seiner Sexualität kann)

Erneut d’accord. Weswegen die Vermischung von Pädophilen und Triebtätern schlicht nicht zulässig ist. Das Jungen, Mädchen und alte Frauen zum vornehmlichen Ziel von Triebtätern werden, liegt an deren vergleichsweisen schwachen Konstitution.

~~~
Die zunehmende Armut, welche allenthalben beklagt wird, scheint mir zuvörderst geistiger Natur.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.07.2011 16:05
#14 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Diese Marginalie gehört zu den Artikeln, bei denen es mir weniger darum geht, eine Meinung zu formulieren, als ein Problem darzulegen.

Seit einer Stunde steht bei "Spiegel-Online" ein ausführlicher Bericht über den Fall.

Danach handelt es sich offenbar um einen sehr typischen Fall: Der Täter Heinrich K. mußte wegen des Urteils des EGMR im September trotz schlechter Prognos aus Werl entlassen werden. Er zog in die Dortmunder Nordstadt. Die Polizei versprach der besorgten Bevölkerung, man werde alles tun, um potentielle Opfer vor ihm zu schützen. Er machte dann aber einen so guten Eindruck, daß die mit dem Fall Befaßten diese Rund-um-die-Uhr-Bewachung aufhoben und er nur noch ein Spezialhandy tragen mußte, daß seine Ortung erlauben sollte.

Das war im Dezember 2010. Bereits im Janaur 2011 beging er die Tat. Danach versicherte er treuherzig, er achte jetzt die Gesetze; das war im März.

Von Reue ist da nichts zu erkennen. Was jetzt bekannt ist, spricht dafür, daß der Mann gezielt die Behörden getäuscht hat, bis er sie so weit hatte, daß sie ihm den erforderlichen Spielraum für eine erneute Tat ließen.

Übrigens erinnere ich mich aus Berichten von Therapeuten, daß manche Sexualstraftäter die lange Zeit in der Haft - der jetzige Täter hatte 20 Jahre gesessen - damit verbringen, sich auszumalen, welche Taten sie begehen werden, wenn sie wieder in Freiheit sind. Zugleich bauen sie die Fassade des gebesserten Sünders auf, um herauszukommen.

Das muß im jetzigen Fall nicht so sein, aber es sieht so aus, als passe er dazu. Laut Polizei galt Heinrich K. als ein "Musterbeispiel einer gelungenen Resozialisierung". Er hat diese Rolle offenbar gut gespielt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.07.2011 16:14
#15 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zazaz
Meines Erachtens wird die Resozialisierung und Therapie überschätzt. In der Öffentlichkeit wird Therapie diskutiert als ob man ein Auto reparieren würde. Da ist jemand der was schlimmes gemacht hat, der muss kaputt sein, wird also therapiert und resozialisiert (=repariert) und alles ist gut.

Man vergißt das, wenn solche Menschen schwere Straftaten begehen, diese Verhaltensmuster, d.h. das rücksichtslose Übergehen der Rechte ihrer Mitmenschen um des eigenen Vorteils willen, schon sehr tief drinstecken. Es gibt einen gewissen Anteil gefährlicher Menschen die dissozial und nicht behandelbar sind. Vor denen muss man die Mitmenschen schützen.

Ich stimme Ihnen vollständig zu.

Über die Chancen von Therapien bestehen oft unrealistische Vorstellungen. Tatsächlich gibt es keine wissenschaftlich gesicherten Verfahren, um die Persönlichkeit von Menschen, die schwere Straftaten begangen haben, so zu ändern, daß man sie als "geheilt" bezeichnen könnte; was immer das heißen würde. Die Möglichkeit der Psychotherapie, Perönlichkeiten nachhaltig zu ändern, sind ohnehin sehr gering. Mit welcher Art von Therapie sollte das denn überhaupt versucht werden?

Man kann nach meiner Kenntnis auf gewisse Erfolge hoffen, wenn der Betreffende einsichtig ist und von sich aus eine Therapie will. Diese kann möglicherweise seine Selbstkontrolle verbessern; die Rational-Emotive Therapie (RET) zum Beispiel. Mehr ist selten zu erreichen.

Viel wichtiger als eine Psychotherapie ist nach meinem Eindruck a) eine bessere Diagnostik, um zu klären, ob jemand überhaupt resozialisationswillig ist (Lügendetektoren könnten dabei durchaus hilfreich sein) und b) praktische Hilfe dann, wenn ein solcher Wille vorliegt - Berufsausbildung, Hilfe bei der Wohnungs- und Jobsuche nach der Entlassung.

Die Persönlichkeit wird man selten ändern können. Aber man kann versuchen, Umstände zu schaffen, in denen der Betreffende nicht wieder straffällig wird.

Herzlich, Zettel

Hausmann Offline



Beiträge: 710

15.07.2011 16:47
#16 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von Zettel
Aber man kann versuchen, Umstände zu schaffen, in denen der Betreffende nicht wieder straffällig wird.


Das kann man.

Freundliche Grüße!

Llarian Online



Beiträge: 7.127

15.07.2011 22:11
#17 Gewaltmonopol Antworten

Wenn diese Debatte geführt wird, dann meistens aus zwei Perspektiven. Täter und Staat. Man diskutiert über die Persönlichkeitsrechte, Menschenrechte und Freiheitsrechte des Täters und über die Rechte des Staates einen Täter zu erziehen oder die Allgemeinheit zu schützen. Was mir dabei untergeht ist ein etwas anderer Gesichtspunkt: Der der Gesellschaft und des abgetretenen Gewaltmonpols.
Als Gesellschaft haben wir das Gewaltmonopol an den Staat abgetreten, es steht ihm keinesfalls natürlich zu, es ist ein Gesellschaftsvertrag, der dem Staat die Gewalt zuspricht, wofür er im Gegensatz aber auch für Sicherheit und Gerechtigkeit sorgen muss. Wenn solche Dinge wie der hier vorliegende Fall geschehen, dann versagt der Staat und sein juristisches System auf ganzer Linie. Und das stellt im Endeffekt auch den Staat in Frage. Mitte der siebziger Jahre rückte die Idee der Resozialisierung stärker in den Vordergrund der Justiz, wo es früher um Vergeltung und Schutz der Allgemeinheit ging (was es in vielen Staaten noch heute tut), rückte der Täter weiter in den Vordergrund. Als Idee war das sicher legitim, aber ebenso legitim ist es, zu erkennen, dass diese Idee bei Gewaltverbrechern voll in die Binsen gegangen ist. Über Ursachenforschung kann man jetzt lange streiten, nur bei der falschen Idee zu bleiben unterminiert deutlich auch unseren Rechtsstaat.

Verbrechen passieren. Gewaltverbrechen auch. Man kann niemandem in den Kopf schauen (dem Himmel sei dank). Ersttaten wird man vermutlich nie verhindern können. Aber Wiederholungstäter sind ein Zeichen einer versagenden Justiz. Kopf-ab-Justiz ist sicher mit Menschenrechten nicht vereinbar, keine Frage, auch wenn sie funktioniert. Aber die Kuschel-Justiz, die wir derzeit erleben mag mit Menschenrechten voll vereinbar sein, aber funktionieren tut sie nicht. Es wäre mal an der Zeit, dass die Juristen in sich gehen und sich mal etwas überlegen, das funktioniert, statt ewig weiter an einem gescheiterten System zu doktern. Wenn ein Ersttäter ein Verbrechen begeht, darf man sich fragen, warum der so malle im Kopf ist. Wenn ein Wiederholungstäter eine Tat begeht, darf man zurecht fragen, wieso das System so malle ist.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2011 23:07
#18 RE: Gewaltmonopol Antworten

Zitat von Llarian
(…) Verbrechen passieren. Gewaltverbrechen auch. Man kann niemandem in den Kopf schauen (dem Himmel sei dank). Ersttaten wird man vermutlich nie verhindern können. Aber Wiederholungstäter sind ein Zeichen einer versagenden Justiz. Kopf-ab-Justiz ist sicher mit Menschenrechten nicht vereinbar, keine Frage, auch wenn sie funktioniert. Aber die Kuschel-Justiz, die wir derzeit erleben mag mit Menschenrechten voll vereinbar sein, aber funktionieren tut sie nicht. Es wäre mal an der Zeit, dass die Juristen in sich gehen und sich mal etwas überlegen, das funktioniert, statt ewig weiter an einem gescheiterten System zu doktern. Wenn ein Ersttäter ein Verbrechen begeht, darf man sich fragen, warum der so malle im Kopf ist. Wenn ein Wiederholungstäter eine Tat begeht, darf man zurecht fragen, wieso das System so malle ist.



Die »Kuscheljustiz«, die wir jetzt erleben, ist eben im Grunde nicht mit den Menschenrechten vereinbar, weil sie die Menschenrechte der (überlebenden) Opfer, der Hinterbliebenen und der potentiellen Opfer negiert. Es fehlen im Rechtssystem zwei Strafen:

(a) die ausdrücklich ultimative Haft ohne Begnadigungsmöglichkeit für besonders schwere Verbrechen,
(b) eine humane ultimative Sicherungsverwahrung nach befristeten Strafen, die weder Haft noch Psychatrie ist.

Man müsste für (b) wirklich die Idee einer solchen Kolonie zu Ende denken, eventuell auf einer Insel oder einer künstlichen Insel. Die Wahrscheinlichkeit einer Flucht kann man minimieren. Die Lebensbedingungen kann man nach bestimmten Kriterien optimieren. Natürlich werden Ressourcen benötigt …

Ich halte gar nichts von der Idee einer freiwilligen oder erzwungenen Kastration, weil man damit den Trieb zur Gewaltausübung gegen Schwächere eben nicht ausschalten kann. Die körperliche Überlegenheit des potentiellen Täters gegenüber potentiellen Opfern bleibt erhalten.

Ich finde es aber auch unmenschlich, jemanden nach abgesessenen zehn Jahren Haft weiterhin quasi auf ewig in Haft zu halten. In solchen Fällen muss man eine Balance zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und den Rechten der Täter finden. Deshalb sollte eine definitiv endgültige und gleichzeitig humanere Lösung (als bisher) gefunden werden.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

15.07.2011 23:12
#19 RE: Gewaltmonopol Antworten

Zitat von Llarian
Man kann niemandem in den Kopf schauen (dem Himmel sei dank). ... Wenn ein Wiederholungstäter eine Tat begeht, darf man zurecht fragen, wieso das System so malle ist.


Wenn man niemandem in den Kopf schauen kann, wie unterscheiden wir dann Wiederholungstäter von Nicht-Wiederholungstätern (und zwar bevor die Wiederholungstäter wiederholt tätern, und ebenso bevor wir Nicht-Wiederholungstäter 60 Jahre lang einsperren, nach denen sie trivialerweise Nicht-Wiederholungstäter sind)?

Ganz so einfach ist das dann doch nicht.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

dentix07 Offline



Beiträge: 47

16.07.2011 02:34
#20 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Ich will ja nicht kleinlich sein, aber Du schreibst: "....Schutz vor körperlicher Unversehrtheit....".
Sollte das nicht heißen "Schutz der körperlichen Unversehrtheit"?

Und: "...dass Bürger den Schutz der [korrigiert!] körperlicher Unversehrtheit, den sie durch den Staat gewährleistet sehen wollen, nicht erhalten,...."
Kann der Staat denn körperliche Unversehrheit gewährleisten und ist das seine Aufgabe?
Ich meine es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit [kU im Folgenden] und dem Anspruch darauf! (gab mal einen - wie ich meine guten - Beitrag auf lawblog dazu)
Beim Recht darauf, ist die Verletzung der kU strafbar und der Staat/die Justiz haben die Aufgabe einen Verstoß strafrechtlich zu verfolgen. Beim Anspruch auf kU müsste "der Staat" alles tun um meine kU zu gewährleisten; z.B. Küchenmesser, Leitern, Autos, Fahrräder etc, kurz alles was meine kU gefährden könnte, zu verbieten/zu unterbinden!
So zumindest habe ich die Diskussion von Juristen dazu verstanden!
Was das für die individuelle Freiheit bedeuten würde kann man sich leicht ausmalen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

16.07.2011 10:43
#21 RE: Marginalie: Sicherungsverwahrung und Sexualtäter Antworten

Zitat von dentix07
Ich will ja nicht kleinlich sein, aber Du schreibst: "....Schutz vor körperlicher Unversehrtheit....".
Sollte das nicht heißen "Schutz der körperlichen Unversehrtheit"?

Und: "...dass Bürger den Schutz der [korrigiert!] körperlicher Unversehrtheit, den sie durch den Staat gewährleistet sehen wollen, nicht erhalten,...."
Kann der Staat denn körperliche Unversehrheit gewährleisten und ist das seine Aufgabe?
Ich meine es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit [kU im Folgenden] und dem Anspruch darauf! (gab mal einen - wie ich meine guten - Beitrag auf lawblog dazu)
Beim Recht darauf, ist die Verletzung der kU strafbar und der Staat/die Justiz haben die Aufgabe einen Verstoß strafrechtlich zu verfolgen. Beim Anspruch auf kU müsste "der Staat" alles tun um meine kU zu gewährleisten; z.B. Küchenmesser, Leitern, Autos, Fahrräder etc, kurz alles was meine kU gefährden könnte, zu verbieten/zu unterbinden!
So zumindest habe ich die Diskussion von Juristen dazu verstanden!
Was das für die individuelle Freiheit bedeuten würde kann man sich leicht ausmalen.


Lieber dentix07!
Das stimmt natürlich, "Schutz der körperlichen Unversehrtheit" muss es heissen, und "Recht" anstatt "Schutz". Es sollte auf die Abgabe des Gewaltmonopols vom Bürger auf den Staat abzielen.
Danke für den Hinweis, ich hatte auch das Gefühl, dass diese Passage etwas hastig und unkorrekt formuliert war.
Grüße Erling Plaethe

Llarian Online



Beiträge: 7.127

16.07.2011 11:22
#22 RE: Gewaltmonopol Antworten

Die Idee der Kolonie klingt auf den ersten Blick ganz gut, sie ist nur nicht mit der derzeitigen, deutschen Justiz vereinbar. Wie man es auch dreht und wendet ist eine solche Kolonie ein Gefängnis. Ein großes Gefängnis vielleicht, ein sehr angenehmes, ein humanes, aber immernoch ein Gefängnis. Das Verfassungsgericht hat aber in seiner unendlichen Weisheit bestimmt, dass eine Strafe, die ein ewiges Einsperren vorsieht, gegen die Menschenwürde verstösst (völlig ungeachtet, dass das weltweit gänzlich anders gesehen wird). Und mit diesem Urteil sitzen wir erst einmal fest.

Zunächst mal muss die deutsche Justiz feststellen, dass das ein Fehlurteil war (das wird sie vermutlich leider schon nicht schaffen). Wenn es aufgehoben wäre, dann könnte man über solche Modelle nachdenken. Das Problem ist, dass das einer Revolution der Justiz gleichkommt, die sich ja selber offensichtlich gar nicht bewusst darüber ist, wie sie wahrgenommen wird, und wie sehr sie den Staat gefährdet.

Llarian Online



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16.07.2011 11:41
#23 RE: Gewaltmonopol Antworten

Zitat von Gorgasal
Wenn man niemandem in den Kopf schauen kann, wie unterscheiden wir dann Wiederholungstäter von Nicht-Wiederholungstätern (und zwar bevor die Wiederholungstäter wiederholt tätern, und ebenso bevor wir Nicht-Wiederholungstäter 60 Jahre lang einsperren, nach denen sie trivialerweise Nicht-Wiederholungstäter sind)?


Das müssen wir gar nicht, es handelt sich um kein Klassifikationsproblem. Wenn wir einen Täter erwischen, dann ist es Aufgabe der Justiz dafür zu sorgen, dass der das nicht wieder tut. Das kann unterschiedlich erreicht werden, die Amerikaner beispielsweise sind der Meinung, dass ewiges Wegsperren eine gute Idee ist. Primitivere Strafrechte haben noch Körperstrafen dafür vorgesehen. Und die deutsche Justiz setzte dagegen das Modell der Resozialisierung. Die im Unterschied aber nicht funktioniert, wie wir ja nun erleben. Ich habe nichts gegen neue Modelle, aber funktionieren müssen sie schon, wogegen ich was habe ist die Verfolgung eines Modells, dass nicht funktioniert, weil Juristen das nicht zugeben wollen.

Wenn ich ihre Anmerkung richtig verstehe, geht es darum, woran wir erkennen können, ob ein Täter wiederholen wird oder ob er nicht zu denen gehört, die vielleicht dann keine neuen Taten begehen. Und diesem Täter wollen wir ja kein "Unrecht" tun. Ich meine das kann man. Ich meine das Gewaltverbrecher ihre Rechte erst einmal verwirken. Es ist eine bewusste Entscheidung ein Gewaltverbrechen zu begehen. Es ist eine bewusste Entscheidung die eigene Lust/Trieb/Befriedigung über das Wohlergehen eines anderen Menschen zu stellen. Es ist eine bewusste Entscheidung Gewalt zu begehen. Es ist ein bewusstes Überschreiten der Schwelle, die man nicht überschreiten darf.

Und wer all dies bewusst begeht, bei dem habe ich keine grossen Probleme ihn auch für immer von unserer Gesellschaft zu abzutrennen. Der normale Bürger hat immer das Recht des Zweifels, dass seine Schwelle funktioniert, der Gewalttäter hat diese nicht mehr.

Llarian Online



Beiträge: 7.127

16.07.2011 13:13
#24 Kurzer Exkurs zu "Rückfallquoten" Antworten

Im Rahmen der oben geführten Diskussion, habe ich, nach dem Hinweis auf den Klassifikator, mal versucht herauszufinden, über was für Zahlen man eigentlich redet. Was man dabei findet ist nach meiner Meinung ziemlich erschütternd. Fast noch schlimmer als die Zahlen ist die Zahl der Verharmloser, die man findet, wenn man nach einschlägigen Begriffen sucht. Wenn man gerade die amtlichen Statistiken durch hat, die Zahlen etwa kennt und dann einer der professionellen Verharmloser völlig unbegründet gänzlich andere Werte streut, kann man sich schon ärgern.

Die besten Daten findet man, oh wunder, beim Bundesministerium für Justiz. Sehr aussagekräftig ist nach meinem Dafürhalten die Rückfallstatistik Legalbewährung:
http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/D...bewaehrung.html

Hier wird untersucht, ob und in welchm Maße, Personen, die in einem Referenzjahr (in diesem Fall 1994) verurteilt wurden in einem der vier Folgejahre wieder strafrechtlich in Erscheinung traten und zu welchen Höhen sie verurteilt wurden. Das Dokument ist zu Anfang etwas verharmlosend ("es werden nur 1/3 aller Täter rückfällig", viele Geldstrafen, etc.), aber die Zahlen stecken schon drin. Für die hier geführte Diskussion steckt die beste Information auf Seite 72. Dort wird aufgeschlüsselt, wieviele einschlägig vorbestrafte Sexualstraftäter (Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung) in den folgenden vier Jahren noch einmal verurteilt wurden. Es sind 45%, wovon 30 Prozent auf Freiheitsstrafen, von denen knapp 20% ohne Bewährung ausging. Das heisst nichts anderes, dass von den 1994 entlassenen Sexualstraftätern nahezu ein Drittel innerhalb von vier Jahren rückfällig wurde, denn wir können davon ausgehen, dass Freiheitsstrafen nicht fürs Schwarzfahren vergeben werden. Ein Drittel in vier Jahren ! Und das sind nur die Verurteilten, die Dunkeldstraftaten oder schwebenden Verfahren sind da nicht einmal enthalten.

Aber machen wir auch die Gegenprobe. Ener weiteren Statistik des Bundesministeriums (bischen anderes Jahr, aber besser geht es halt nicht):
http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/D...eutschland.html
Laut Seite 28 kommt es in Deutschland pro Jahr auf etwa 7500 Verurteilungen wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Wenn wir jetzt mal Kinder, Frauen und Alte aussen vor lassen (wenn wir keine Haare spalten wollen), haben wir in Deutschland vielleicht 25-30 Millionen erwachsene Männer, die potentiell eine solche Straftat begehen können. D.h. im weiteren Schluss die Wahrscheinlichkeit, dass ein bis dahin unauffälliger Bürger eine solche Tat begeht, liegt bei etwa 3500:1. Auf vier Jahre gerechnet sind es dann über den Daumen 1:1000. Beim verurteilten Sexualstraftäter 1:2.

Als Marginalie am Rand bemerkt: Bei Raub ist es übrigens noch schlimmer.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

16.07.2011 13:48
#25 RE: Gewaltmonopol Antworten

Zitat von Llarian

Zitat von Gorgasal
Wenn man niemandem in den Kopf schauen kann, wie unterscheiden wir dann Wiederholungstäter von Nicht-Wiederholungstätern (und zwar bevor die Wiederholungstäter wiederholt tätern, und ebenso bevor wir Nicht-Wiederholungstäter 60 Jahre lang einsperren, nach denen sie trivialerweise Nicht-Wiederholungstäter sind)?


Das müssen wir gar nicht, es handelt sich um kein Klassifikationsproblem. Wenn wir einen Täter erwischen, dann ist es Aufgabe der Justiz dafür zu sorgen, dass der das nicht wieder tut. Das kann unterschiedlich erreicht werden, die Amerikaner beispielsweise sind der Meinung, dass ewiges Wegsperren eine gute Idee ist. Primitivere Strafrechte haben noch Körperstrafen dafür vorgesehen.



Gucken Sie mal, ich habe noch eine bessere Idee. Warum sollen wir warten, bis das erste Verbrechen begangen wurde, und dann erst auf den Wiederholungsfall abstellen? Fast alle Vergewaltigungen werden von Männern zwischen 15 und 50 Jahren durchgeführt. Sperren wir also alle diese Leute ein, und schon haben wir keine Vergewaltigungen mehr.

Zitat von Llarian
Und die deutsche Justiz setzte dagegen das Modell der Resozialisierung. Die im Unterschied aber nicht funktioniert, wie wir ja nun erleben.


"Nicht funktioniert", aha. Aus einem Fall eines fälschlich als resozialisiert bezeichneten Täters, der wieder ein Verbrechen begangen hat, folgern Sie messerscharf, dass Resozialisierung nicht funktioniert. Folgern Sie auch aus einem einzigen Motorschaden, dass das Auto als solches nicht funktioniert? Haben Sie irgendwelche Zahlen, wieviele Täter wie gut resozialisiert werden?

Zitat von Llarian
Ich habe nichts gegen neue Modelle, aber funktionieren müssen sie schon, wogegen ich was habe ist die Verfolgung eines Modells, dass nicht funktioniert, weil Juristen das nicht zugeben wollen.


Sie meinen, wir verfolgen die Resozialisierung nur deswegen, weil Juristen nicht zugeben wollen, dass sie nicht funktioniert? Könnten Sie sich prinzipiell auch vorstellen, dass Ihr obiger Syllogismus nicht ganz so überzeugend sein mag, wie Sie es anscheinend sehen?

Zitat von Llarian
Wenn ich ihre Anmerkung richtig verstehe, geht es darum, woran wir erkennen können, ob ein Täter wiederholen wird oder ob er nicht zu denen gehört, die vielleicht dann keine neuen Taten begehen. Und diesem Täter wollen wir ja kein "Unrecht" tun. Ich meine das kann man. Ich meine das Gewaltverbrecher ihre Rechte erst einmal verwirken. Es ist eine bewusste Entscheidung ein Gewaltverbrechen zu begehen. Es ist eine bewusste Entscheidung die eigene Lust/Trieb/Befriedigung über das Wohlergehen eines anderen Menschen zu stellen. Es ist eine bewusste Entscheidung Gewalt zu begehen. Es ist ein bewusstes Überschreiten der Schwelle, die man nicht überschreiten darf.

Und wer all dies bewusst begeht, bei dem habe ich keine grossen Probleme ihn auch für immer von unserer Gesellschaft zu abzutrennen. Der normale Bürger hat immer das Recht des Zweifels, dass seine Schwelle funktioniert, der Gewalttäter hat diese nicht mehr.


Prima. Aber warum schränken Sie Ihr Konzept auf Gewalttäter ein? Auch Diebe treffen die bewusste Entscheidung, einem anderen Menschen etwas wegzunehmen. Und Schwarzfahrer treffen auch die bewusste Entscheidung, im Zug nicht zu bezahlen. Vielleicht sperren wir die besser auch alle weg und trennen sie von der Gesellschaft ab?

Ist das nur mein persönlicher Eindruck, oder hat die Qualität der Diskussion hier in letzter Zeit merklich abgenommen? Ist das die Hitze?

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

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