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Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 47 Antworten
und wurde 3.235 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

10.08.2011 09:09
#26 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von Rayson


Es gibt für diese miese Übersetzung zwei Erklärungen. Die eine läuft auf eine Verschwörungstheorie hinaus. Die andere nimmt an, dass der öffentlich-rechtliche Qualitäts-Wirtschaftsjournalismus aus Volltrotteln besteht. Und ich habe gelernt, dass Verschwörungstheorien meistens falsch sind.



Meiner Ansicht nach sind Volltrottel-Theorien die intellektuellen Verwandten der Verschwörungstheorien und erfreuen sich einer ähnlich flächendeckenden Verbreitung. Bei beiden stellt sich ein Ohnmachtsgefühl ein, aber nur erstere vermag dies mit einem Überlegenheitsgefühl zu koppeln.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.08.2011 11:03
#27 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von Rayson
Wirklich? Ich bin einigermaßen entsetzt. Ehrlich.


Ehrlich?
Dann bist Du vom akademischen Elfenbeinturm verwöhnt ;-)

Ich hatte ja ein Beispiel verlinkt. Ein solches Rundschreiben wird von einigen Dutzend Fachleuten Korrektur gelesen und spiegelt m. E. ganz gut wieder, welchen Sprachgebrauch die gewöhnt sind.
Die wissen schon, daß "securities" in erster Linie mit "Wertpapiere" übersetzt werden muß. Aber im täglichen Sprachgebrauch mit ständigen Wechsel zwischen Englisch und Deutsch wird eben auch "Sicherheiten" benutzt. Ich habe noch weitere Beispiele dazu, aber das sind interne Papiere, die kann ich hier nicht bringen.

Friedrich ( gelöscht )
Beiträge:

10.08.2011 11:56
#28 RE: über die Sterilisierung wird dagegen nie gesprochen Antworten

Zitat von Grabner

An der - eh nicht vorhandenen - Inflation haben die paar Käufe keinen Anteil.




Etwas über 2,5 % ist bei Ihnen also "nicht vorhanden". Bitte überweisen Sie mir ab heute jedes Jahr diese nicht vorhandenen 2.x % von Ihrem Vermögen. Für Sie ist es ja "nichts".....

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.08.2011 15:07
#29 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von R.A.
Ich hatte ja ein Beispiel verlinkt. Ein solches Rundschreiben wird von einigen Dutzend Fachleuten Korrektur gelesen und spiegelt m. E. ganz gut wieder, welchen Sprachgebrauch die gewöhnt sind.

Die wissen schon, daß "securities" in erster Linie mit "Wertpapiere" übersetzt werden muß. Aber im täglichen Sprachgebrauch mit ständigen Wechsel zwischen Englisch und Deutsch wird eben auch "Sicherheiten" benutzt. Ich habe noch weiterh ae Beispiele dazu, aber das sind interne Papiere, die kann ich hier nicht bringen.

Lieber R.A., ich hatte ja schon geschrieben, daß mir das einleuchtet; denn es erleichtert die Rückübersetzung ins Englische.

Aber warum eigentlich nicht gleich Englisch? Ich habe das auch in der Wissenschaft nie verstanden, warum man zB Konferenzen nicht generell auf Englisch abhält. In meinem Bereich tat man das dann, wenn es bei kleinen Treffen mindestens einen Teilnehmer gab, der nur englischsprachig war. Ansonsten passierte es aber oft, daß jemand zB einen Vortrag mit der ganzen Powerpoint-Präsentation fertig auf Englisch hatte, aber zu den englischen Folien dann Deutsch vortrug, oft um die richtige Übersetzung der Fachbegriffe ringend. Warum?

Wer kein working knowledge des Englischen hat, der hat in der Wissenschaft so wenig etwas verloren wie jemand auf dem Bau, der nicht weiß, was ein Senklot oder Senkblei ist. An der Börse ist es doch vermutlich genauso, oder irre ich mich da?

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

11.08.2011 00:10
#30 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von F.Alfonzo
Was waere die Verschwoerungstheorie?



Dass bewusst "Sicherheiten" übersetzt wurde, um die Aussage in ein positiveres Licht zu stellen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

11.08.2011 00:11
#31 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Bei beiden stellt sich ein Ohnmachtsgefühl ein, aber nur erstere vermag dies mit einem Überlegenheitsgefühl zu koppeln.



Für den, der so ein Überlegenheitsgefühl braucht, mag das nützlich sein. Andere finden es nur schrecklich.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.08.2011 09:59
#32 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von Zettel
Aber warum eigentlich nicht gleich Englisch?


Da gibt es zwei Antworten.
Erst einmal ist es schlicht gesetzlich vorgeschrieben, gewisse Dokumente auf Deutsch zu veröffentlichen. Veträge zwischen Firmen werden auch in Deutschland oft auf Englisch abgeschlossen - aber öffentlich regulierte Einrichtungen (wie eine Börse) müssen ihren Kunden alle nötigen Details auf Deutsch zur Verfügung stellen, das ist die rechtlich verbindliche Originalversion.

Die zweite Antwort ist, daß sich auch viele Leute, die im Prinzip ordentlich Englisch können, bei der Diskussion komplexerer Sachverhalte lieber in ihrer Muttersprache bewegen.
Grundsätzlich ist richtig, daß jeder in der Finanzbranche Englisch können muß. Im schriftlichen Verkehr ist das auch kein Problem - ist halt nicht immer ein schönes Englisch. Wer aber nicht öfters mit englischen Muttersprachlern zu tun hat (und das ist immer noch die Mehrzahl), dem fällt es meist schwer, einen komplizierten Sachverhalt auf Englisch frei vorzutragen. Und noch schwerer ist es, einen solchen Sachverhalt auf Englisch erklärt zu bekommen und in den Details zu verstehen.

Am schlimmsten ist es, wenn ein Engländer (Amis sind leichter zu verstehen) vorträgt und in der wunderbar humorvollen Art der Angelsachsen einige Fachbegriffe mit etwas Slang und lustigen Anspielungen mischt. Eigentlich liebe ich diese Art Vortrag. Ich kann auch (zertifiziert) sehr gut Englisch, bei den Historikern ist auch so ein Vortrag kein Problem. Aber ein kompliziertes Finanzinstrument so erklärt zu bekommen ist schrecklich schwierig und ich habe schon Vorträge umgebucht, nur um einen deutschsprachigen Vortrag zu bekommen.

Das hat vielleicht auch damit zu tun, daß komplizierte Sachverhalte im Deutschen besser und präziser darzustellen sind. Englisch ist schon eine etwas schlampige Sprache. Um exakte Bezüge herzustellen muß man einigen Aufwand betreiben, weil die Grammatik das nicht direkt hergibt.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

11.08.2011 13:22
#33 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von Rayson

Zitat von Erling Plaethe
Bei beiden stellt sich ein Ohnmachtsgefühl ein, aber nur erstere vermag dies mit einem Überlegenheitsgefühl zu koppeln.



Für den, der so ein Überlegenheitsgefühl braucht, mag das nützlich sein. Andere finden es nur schrecklich.




Das kann ich gut nachvollziehen. Ich finde es auch unangenehm wenn man täglich die euphemistischen Meldungen der GEZ- Medien erträgt, die eine permanent drohende Verunsicherung der Nutznießer des Bildungsauftrags zu vermeiden suchen. Und die Mutmaßung, es könnte sich auch um eine bewusste Schönfärberei und keinen Übersetzungsfehler handeln (Frank Schäffler hat die sogenannten Sicherheiten "verkappte Eurobonds" genannt), dann als Verschwörungstheorie abgetan wird.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.08.2011 14:01
#34 Zu kompliziert für das Englische? Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Zettel
Aber warum eigentlich nicht gleich Englisch?


Da gibt es zwei Antworten.


Danke für die Erläuterung; jetzt verstehe ich das besser.

Aber aus meiner Sicht muß, wenn es so ist, etwas dagegen getan werden. Jeder Mensch ist in der Lage, mehrere Sprachen zu beherrschen. In der Wissenschaft, im internationalen Geschäftsleben usw. ist nun einmal Englisch die Umgangssprache. Wer dort arbeiten will, der muß eben pauken und/oder mal ein paar Jahre im Ausland verbringen, bis er im Wortsinn mitreden kann.

Wenn man in diesen Berufen das Englische nicht beherrscht, dann ist man wie ein Taxifahrer, der keinen Führerschein hat. Dann soll er halt nicht Taxi fahren.

Zitat von R.A.
Das hat vielleicht auch damit zu tun, daß komplizierte Sachverhalte im Deutschen besser und präziser darzustellen sind. Englisch ist schon eine etwas schlampige Sprache. Um exakte Bezüge herzustellen muß man einigen Aufwand betreiben, weil die Grammatik das nicht direkt hergibt.

Das ist ein interessanter Gedanke, den ich jetzt zum ersten Mal lese.

Ist das wirklich so, lieber R.A.? Oder ist es nicht eher so, daß wir im Deutschen dazu neigen - ob es nun an der Sprache liegt oder unserer kulturellen Tradition - , Einfaches kompliziert darzustellen?



Als ich als hoffnungsvoller Jungwissenschaftler begann, damals noch in einem ganz deutsch gefärbten Umfeld (die meisten Professoren konnten kaum Englisch lesen, geschweige denn sprechen), da war bei Vorträgen usw. mein Bestreben, nur ja nicht zu einfach zu sprechen. Die Hörer könnten ja denken, daß ich ein schlichtes Gemüt bin.

Dann habe ich diese angloamerikanische Lockerheit kennengelernt. Statt bei einem Vortrag erst einmal die Forschungsgeschichte ab 1865 zusammenzufassen, begann der Kollege, sagen wir, mit: "Thank you for inviting me. You are really lucky, 'cause I am going to present some brand-new data, fresh from my lab. You will be surprised".

Und schon war man gefangen und freute sich auf das, was kommen würde. Diesen Stil habe ich dann so allmählich gelernt. Daß ein Gedanke zu kompliziert war, um ihn auf Englisch auszudrücken, habe ich nie erlebt.

Herzlich, Zettel

Hagen Offline



Beiträge: 21

11.08.2011 16:19
#35 RE: Zu kompliziert für das Englische? Antworten

Zitat
In der Wissenschaft, im internationalen Geschäftsleben usw. ist nun einmal Englisch die Umgangssprache. Wer dort arbeiten will, der muß eben pauken und/oder mal ein paar Jahre im Ausland verbringen, bis er im Wortsinn mitreden kann.



Meiner Auffassung nach ist das jetzt schon der Fall bzw. im Prozess. Masterstudiengänge werden hauptsächlich in Englisch gehalten, als junger Absolvent, benötigt man laut Stellenausschreibung auf nahezu jede Stelle mindestens gute Englischkenntnisse (was genau gute Kenntnisse sind, ist natürlich Definitionssache) und jeder Absolvent hat inzwischen auch ausreichend gute Kenntnisse. Generell wird jeder junge Mensch auf Englisch getrimmt.
Probleme mit Englisch hat ja hauptsächlich die ältere Belegschaft.

Jedoch halte ich es für nicht so essentiell perfekte Sprachkenntnisse zu besitzen. Irgendwie verständigt man sich schon. Fachkenntnisse sind dabei deutlich wichtiger als Sprachkenntnisse (sofern sie zumindest rudimentär vorhanden sind). Es hilft und wäre vielleicht ein wünschenswerter Zustand, aber ist keine Notwendigkeit.
Möglicherweise ist es in der Praxis im Maschinenbausektor auch nicht so wichtig, wie in der Finanzbranche.

Zitat
Jeder Mensch ist in der Lage, mehrere Sprachen zu beherrschen



Das sehe ich nicht so.
Ich zum Beispiel bin kein Sprachtalent und hatte dementsprechend starke Mühe mir ein einigermaßen passables Englisch anzueignen.
Daher würde ich mich bei komplexen Sachverhalten lieber in der Muttersprache unterhalten, was doch nur natürlich ist (egal, wie gut man eine Sprache beherrscht, in der Muttersprache hat man es leichter).

Rapsack Offline



Beiträge: 169

11.08.2011 16:26
#36 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Aus meinem Alltag kann ich nur sagen Englisch ist auch als Schriftsprache nicht gleich Englisch.

Nicht alle Rechtsbegriffe haben überall die gleiche Bedeutung. So können sich schon bei einem in schottisch geprägten English verfassten Vertrag gelesen durch einen Londoner inhaltlich kleine und gemeine Unterschiede ergeben. Um dies zu vermeiden wird in meiner Praxis versucht bei internationalen Vertägen als "leading language" Deutsch zu nehmen. Auch wenn vorher und nacher in Englisch alles verhandelt wurde. Die Gefahr der Bedeutungsprobleme in den verschiedenen englischsprachigen Rechtstraditionen ist zu groß.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.08.2011 16:41
#37 RE: Zu kompliziert für das Englische? Antworten

Zitat von Zettel
Aber aus meiner Sicht muß, wenn es so ist, etwas dagegen getan werden.


Ich sehe da keinen Handlungsbedarf.
Die Fremdsprachenkenntnisse der Kollegen sind gut genug, um alle Geschäftsvorgänge in der nötigen Präzision auf Englisch abzuwickeln (Literaturnobelpreis ist nicht "in scope"), vor allem schriftlich, aber auch mal beim Telephonat. Aber bei den meisten Tätigkeiten beschränkt sich der Auslandskontakt auf Dokumente und Emails. Sehr oft gibt es über Jahre keine längeren Gespräche mit Engländern/Amerikanern. Und da rostet halt die mündliche Sprachkenntnis etwas ein.

Es wäre m. E. schon überrissen, wenn jeder Beschäftigte a) durch längeren Auslandsaufenthalt die Eloquenz eines Muttersprachlers erreichen und b) durch regelmäßige Praxis dieses Niveau erhalten müßte. Das wird schlicht nicht benötigt.

Zitat

Zitat von R.A.
Das hat vielleicht auch damit zu tun, daß komplizierte Sachverhalte im Deutschen besser und präziser darzustellen sind. Englisch ist schon eine etwas schlampige Sprache. Um exakte Bezüge herzustellen muß man einigen Aufwand betreiben, weil die Grammatik das nicht direkt hergibt.

Das ist ein interessanter Gedanke, den ich jetzt zum ersten Mal lese.
Ist das wirklich so, lieber R.A.?



Es ist erst einmal eine Vermutung.
Vor Jahren hat mir mal ein sehr erfahrener Dolmetscher erzählt, diverse hochkomplexe philosophische Texte könne man eigentlich nicht ins Englische übersetzen, da müsse man mit Hilfskonstruktionen arbeiten (insbesondere der Übernahme und Erläuterung deutscher Begriffe, die sich so im Englischen nicht bauen lassen, so etwa "das Sein" vs. "das Seiende").
Wahrscheinlich läßt sich wohl in jeder Sprache alles irgendwie darstellen. Aber die z. B. geben Kasus-Endungen wie im Deutschen einen direkten Bezug dazu, wer was mit wem macht. Während Sprachen wie das Englische das eher umschreiben müssen mit viel "of" und "to".

Wie gesagt, es ist nur eine Vermutung. Ich hatte im letzten Jahr einige Gespräch auf englisch zur Berechnung von Sicherheiten. Die werden mehrstufig berechnet. Da wird erstmal ein Prozentsatz des zu sichernden Kapitals in Sicherheiten (also Wertpapiere, Gold, Devisen ...) hinterlegt. Und dann noch einmal ein prozentualer Betrag gegen Wertschwankungen beim Kapital (wegen Währungsschwankungen). Und dann abhängig von der Art der Sicherheit noch eine Zusatz-Sicherheit für die Schwankungen der Sicherheit. Und dann noch für die Abdeckung des Lieferzeitraums und diverser kleinerer Risiken.
Da ist es in jeder Sprache schwierig nachzuvollziehen, wovon nun jetzt schon wieder ein Prozentsatz berechnet werden soll. Aber trotz guter Englischkenntnisse hatte ich bei englischen Erläuterungen dazu immer das Gefühl, daß sie den Bezug jetzt gar nicht mehr vernünftig formulieren können und es in deutsch klar gewesen wäre. War aber immer nur ein Gefühl, weil ich immer so mit dem Sachverständnis ausgelastet war und keine sprachliche Feinvergleiche ziehen konnte.

Zitat
Oder ist es nicht eher so, daß wir im Deutschen dazu neigen - ob es nun an der Sprache liegt oder unserer kulturellen Tradition - , Einfaches kompliziert darzustellen?


Den Effekt gibt es natürlich auch.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.08.2011 16:51
#38 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von Rapsack
Die Gefahr der Bedeutungsprobleme in den verschiedenen englischsprachigen Rechtstraditionen ist zu groß.


Richtig.
Aber das ist wohl nicht in erster Linie ein sprachliches Problem, sondern dem angelsächsischem Rechtssystem geschuldet.

Im spätrömisch geprägtem deutschen Rechtssystem sind eine große Anzahl von Begriffen als Basis klar definiert. Was alleine im BGB an Grundlagen für alle möglichen Arten von Rechtsgeschäften beschrieben ist, das ist schon sehr praktisch:
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/

Zum Beispiel die Definitionen für Sachen und Tiere ab §90, die Termine und Fristen ab §186 - da ist schon so viel geklärt, bevor es wirklich zu reinen Rechtskonstruktionen wie Schulden oder Mietverträgen kommt.

Im angelsächsischen Raum braucht man statt dessen diese Monsterverträge, wo alles irgendwie vielleicht Benötigte in seitenlangen Anhängen definiert wird.

DrNick Offline




Beiträge: 809

11.08.2011 17:24
#39 RE: Zu kompliziert für das Englische? Antworten

Zitat von R.A.
Vor Jahren hat mir mal ein sehr erfahrener Dolmetscher erzählt, diverse hochkomplexe philosophische Texte könne man eigentlich nicht ins Englische übersetzen, da müsse man mit Hilfskonstruktionen arbeiten (insbesondere der Übernahme und Erläuterung deutscher Begriffe, die sich so im Englischen nicht bauen lassen, so etwa "das Sein" vs. "das Seiende").



Das ist in der Tat sehr schwer zu übersetzen - wie schwer, kann man sich z.B. in der aktuellen englischen Übersetzung von Heideggers "Sein und Zeit" anschauen. Da wird "das Sein" durch "Being" (mit großen "B") wiedergegeben, "Seiendes" aber durch "entitities" (und den bei Heidegger zentralen Ausdruck "Dasein" läßt man einfach im Original stehen). Dadurch sind natürlich viele terminologische Querverbindungen überhaupt nicht mehr erkennbar und der im Original ohnehin nicht leichte Text wird in der Übersetzung völlig unverständlich. (Das sollte eigentlich jeden, der des Deutschen nicht mächtig ist, davon abhalten, über Heidegger zu schreiben. Etliche angelsächsische Philosophen tun es leider trotzdem.)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.08.2011 17:34
#40 Nichtübersetzbare Philosophen Antworten

Zitat von DrNick
Das ist in der Tat sehr schwer zu übersetzen - wie schwer, kann man sich z.B. in der aktuellen englischen Übersetzung von Heideggers "Sein und Zeit" anschauen. Da wird "das Sein" durch "Being" (mit großen "B") wiedergegeben, "Seiendes" aber durch "entitities" (und den bei Heidegger zentralen Ausdruck "Dasein" läßt man einfach im Original stehen). Dadurch sind natürlich viele terminologische Querverbindungen überhaupt nicht mehr erkennbar und der im Original ohnehin nicht leichte Text wird in der Übersetzung völlig unverständlich. (Das sollte eigentlich jeden, der des Deutschen nicht mächtig ist, davon abhalten, über Heidegger zu schreiben. Etliche angelsächsische Philosophen tun es leider trotzdem.)

Aus meiner Sicht, lieber DrNick, sollte man fragen, ob das, was nicht übersetzbar ist, nicht vielleicht Geschwafel ist.

Die Sprache drückt kognitive Strukturen aus. Das, was man klar kognitiv repräsentieren kann, das kann man in jeder beliebigen Sprache wiedergeben.

Heidegger spielt, nein raunt mit der deutschen Sprache; wie es auch Hegel getan hat. Beide betören ihre Leser, statt sie zum Denken anzuregen. Sie wecken Assoziationen, statt klare und widerlegbare Argumente vorzutragen.

Weder Hegel noch Heidegger kann man adäquat ins Englische oder Französische übersetzen. Das ist meines Erachtens ein vernichtendes Urteil. Descartes und Condillac, Locke und Hume kann man ohne Schwierigkeiten ins Deutsche übersetzen.

Herzlich, Zettel

DrNick Offline




Beiträge: 809

11.08.2011 18:07
#41 RE: Nichtübersetzbare Philosophen Antworten

Zitat von Zettel
Aus meiner Sicht, lieber DrNick, sollte man fragen, ob das, was nicht übersetzbar ist, nicht vielleicht Geschwafel ist.



Ich glaube nicht, lieber Zettel, daß die Nicht-Übersetzbarkeit ein gutes Kriterium für Geschwafel ist. Sprachen bieten doch ganz unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten. Z.B. kann ich (auf der Ebene des Vokabulars) den Soziolekt eines deutschen Designers, der hunderte unterschiedliche Farbbezeichnungen kennt, nicht in eine primitive Sprache übersetzen, die nur über die drei "Farb"-Begriffe hell, dunkel und rot verfügt. (Solche Sprachen gibt es ja tatsächlich.) Natürlich kann ich die primitive Sprache um neue Ausdrücke erweitern, aber bis das geschehen ist, habe ich ein Übersetzungsproblem, ohne daß dadurch der deutsche Ausdruck "ocker" sinnlos würde.

Zitat von Zettel
Heidegger spielt, nein raunt mit der deutschen Sprache; wie es auch Hegel getan hat. Beide betören ihre Leser, statt sie zum Denken anzuregen. Sie wecken Assoziationen, statt klare und widerlegbare Argumente vorzutragen.



Sie haben sicher recht, daß Heidegger für seine Thesen nicht gerade klare Argumente vorlegt, aber das gilt auch für einige andere Philosophen, von denen ich durchaus etwas halte, z.B. für Wittgenstein. Es scheint mir auch grundsätzlich legitim, daß man in einem philosophischen Text eine bestimmte Sichtweise zunächst einmal nur darstellt und die genaue Ausarbeitung der Theorie mit präzisen Begriffen und klaren Argumenten dann anderen überläßt.

Meine nicht ganz so negative (wenn auch nicht eben positive) Sicht auf Heidegger bezieht sich übrigens auch nur auf "Sein und Zeit" und einige Arbeiten im Umfeld. Die ganzen Texte, die Heidegger nach dem Weltkrieg veröffentlicht hat, würde ich ohne große Skrupel als Blödsinn einstufen. In "Sein und Zeit" hingegen wird versucht, eine ontologische Frage ("Was heißt 'Sein'?") zu beantworten, die ich nicht so ohne weiteres als ein Scheinproblem abtun würde.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.08.2011 18:08
#42 RE: Nichtübersetzbare Philosophen Antworten

Zitat von Zettel
Aus meiner Sicht, lieber DrNick, sollte man fragen, ob das, was nicht übersetzbar ist, nicht vielleicht Geschwafel ist.


Beim konkreten Beispiel Heidegger ist das natürlich möglich - ich kann das jedenfalls überhaupt nicht beurteilen.
Aber ihrer Grundaussage würde ich völlig widersprechen.

Es ist überhaupt nicht garantiert, daß jede Sprache dieselbe Leistung bringen kann. Jedenfalls nicht mit einem vernünftigen und verständlichen Aufwand - durch beliebig komplizierte Umschreibungen kann man wohl Defizite ausgleichen, aber das schüfe dann neue Probleme.

Beispiel: Es gibt Sprachen, bei denen fehlen eine ganze Reihe der bei uns üblichen Farbworte. Man kann natürlich jede dieser Farben in einem Text erklärend übersetzen, also "Farbe zwischen gelb und rot" schreiben, wenn man kein "Orange" als Vokabel hat. Das kann aber einen Text ziemlich unbrauchbar machen.

Weitergehendes Beispiel: Es ist problemlos eine Sprache denkbar, die grundsätzlich keine Grammatikkonstruktionen für die Zeiten hat. Weil gewöhnlich nur Sprachsituationen im Präsens gebraucht werden und einfache Zukunft und Vergangenheit mit Umschreibungen leicht konstruiert werden können. Durchaus eine brauchbare Sprache für den normalen Alltag. Aber man wird viele Texte nicht brauchbar übersetzen können. Das macht dann die Texte nicht zum Geschwafel, sondern ist Defiziten dieser Sprache geschuldet.

Übrigens meine ich mich zu erinnern, daß das Arabische im Prinzip keinen Konjunktiv kennt. Es gibt wohl eine Hilfskonstruktion dazu, die sich aber vom Indikativ selten unterscheidet. Und das wäre der Grund, daß gerade in der politischen Rhetorik in arabischen Staaten Wunsch und Realität ziemlich verschwimmen würden ...

Zitat
Weder Hegel noch Heidegger kann man adäquat ins Englische oder Französische übersetzen. Das ist meines Erachtens ein vernichtendes Urteil.


Das kann auch ein vernichtendes Urteil für diese Sprachen sein ...
Denn wenn eine Sprache "Raunen" oder "Betören" nicht entsprechend ausdrücken kann, ist das ja auch ein Defizit.

Zitat
Descartes und Condillac, Locke und Hume kann man ohne Schwierigkeiten ins Deutsche übersetzen.


Wenn es stimmt, daß man im Deutschen mehr formulieren kann als im Englischen oder Französischen, dann ist diese Übersetzbarkeit aber kein Wunder und sagt auch nichts über diese Autoren.

Es ist vielleicht eher so, daß die Sprache das Denken und die Denkstrukturen prägt. Die angelsächischen Philosophen neigen zu pragmatischen und direkt formulierbaren Werken. Während die griechischen und deutschen Philosophen ja eher als tiefgründig gelten (und entsprechend respektiert und gefürchtet werden ...). Deutsch und Griechisch sind Sprachen mit ausgefeilter Grammatik, da kann man halt viel mehr ausdenken und formulieren. Und davon wird dann auch Gebrauch gemacht, auch wenn das für andere Nationen nicht naheliegend ist, über so abstrakte Themen überhaupt zu philosophieren.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.08.2011 18:22
#43 Heidegger Antworten

Zitat von DrNick
Meine nicht ganz so negative (wenn auch nicht eben positive) Sicht auf Heidegger bezieht sich übrigens auch nur auf "Sein und Zeit" und einige Arbeiten im Umfeld. Die ganzen Texte, die Heidegger nach dem Weltkrieg veröffentlicht hat, würde ich ohne große Skrupel als Blödsinn einstufen. In "Sein und Zeit" hingegen wird versucht, eine ontologische Frage ("Was heißt 'Sein'?") zu beantworten, die ich nicht so ohne weiteres als ein Scheinproblem abtun würde.

Es gibt, lieber DrNick, Autoren, die ich immer wieder zu lesen versuche und an denen ich immer wieder scheitere.

Die "Phänomenologie des Geistes" habe ich xfach angefangen und nicht verstanden. Es gibt dazu eine Handreichung von Ernst Bloch, die noch opaker ist als der Text selbst. Null Hilfe.

Beim xten Mal habe ich mir gedacht: Vielleicht meint der Bursche ja Trivialitäten? Daß wir es zunächst nur mit Empfindungen zu tun haben, daraus eine Welt konstruieren usw.? Und siehe da: Da habe ich ihn verstanden oder vielmehr durchschaut, den Scharlatan.

Mit "Sein und Zeit" ist es mir ähnlich gegangen. Auch das habe ich immer wieder zu lesen versucht. Der Anfang ist spannend. Ja, das sind gute Fragen. Aber statt Antworten kommen nur Spitzfindigkeiten.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

11.08.2011 19:01
#44 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Zitat von R.A.
Im angelsächsischen Raum braucht man statt dessen diese Monsterverträge, wo alles irgendwie vielleicht Benötigte in seitenlangen Anhängen definiert wird.



Auch gerne mal das wirklich Wichtige...

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 1.997

11.08.2011 21:41
#45 RE: Zu kompliziert für das Englische? Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von R.A.
Das hat vielleicht auch damit zu tun, daß komplizierte Sachverhalte im Deutschen besser und präziser darzustellen sind. Englisch ist schon eine etwas schlampige Sprache. Um exakte Bezüge herzustellen muß man einigen Aufwand betreiben, weil die Grammatik das nicht direkt hergibt.

Das ist ein interessanter Gedanke, den ich jetzt zum ersten Mal lese.

Ist das wirklich so, lieber R.A.? Oder ist es nicht eher so, daß wir im Deutschen dazu neigen - ob es nun an der Sprache liegt oder unserer kulturellen Tradition - , Einfaches kompliziert darzustellen?




Hängt sicherlich von der Thematik bzw. dem Fach ab... für die VWL kann ich das bestätigen. Um ein Beispiel zu bringen:
Erste Vorlesung, Mikroökonomik. Hab mir 2 Lehrbücher angesehen, ein Deutsches und ein amerikanisches.
Das Amerikanische hatte 400 Seiten und exakt die gleiche Thematik abgedeckt wie das Deutsche mit knapp 800 Seiten, darüberhinaus auch auf wesentlich eingängigere Art und Weise. Das haben selbst Kommilitonen so gesehen, die mit der englischen Sprache ihre Mühe hatten.

Ich glaube das liegt an der unterschiedlichen Auffassung von Lehre in beiden Ländern: Der Ami Ṕrof will seinen Schülern was beibringen, der Deutsche Prof seine Überlegenheit demonstrieren und seinen Intellekt zur Schau stellen und drückt sich deshalb so kompliziert wie möglich aus.

Grüße,
Alfonzo

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.253

11.08.2011 22:07
#46 RE: Nichtübersetzbare Philosophen Antworten

Zitat von R.A.
Weitergehendes Beispiel: Es ist problemlos eine Sprache denkbar, die grundsätzlich keine Grammatikkonstruktionen für die Zeiten hat. Weil gewöhnlich nur Sprachsituationen im Präsens gebraucht werden und einfache Zukunft und Vergangenheit mit Umschreibungen leicht konstruiert werden können. Durchaus eine brauchbare Sprache für den normalen Alltag. Aber man wird viele Texte nicht brauchbar übersetzen können. Das macht dann die Texte nicht zum Geschwafel, sondern ist Defiziten dieser Sprache geschuldet.

Sie liegen richtig. In einem früheren Post bezogen Sie sich ausdrücklich auf die einfache Grammatik im Englischen.

Je einfacher die Grammatik, desto genauer muss man formulieren, oder zusätzliche Informationen einflechten, um sich präzise auszudrücken – tendentiell, nicht absolut.
Dafür kann man in so einer Sprache prima Wortspielereien betreiben.

Wenn man davon ausgeht, dass man hauptsächlich sprachlich denkt, beziehungsweise die Sprache die Basis des Denkens darstellt, macht es einen gewaltigen Unterschied, in welcher Sprache man denkt.

Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung.

 
Mit freundlichem Gruß

--
„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

12.08.2011 11:22
#47 RE: Zu kompliziert für das Englische? Antworten

Zitat von F.Alfonzo


Ich glaube das liegt an der unterschiedlichen Auffassung von Lehre in beiden Ländern: Der Ami á¹”rof will seinen Schülern was beibringen, der Deutsche Prof seine Überlegenheit demonstrieren und seinen Intellekt zur Schau stellen und drückt sich deshalb so kompliziert wie möglich aus.



Dem kann ich nur zustimmen, es deckt sich mit meiner Erfahrung während einer amerikanischen Ausbildung. Kompliziertheit wird in Deutschland mit Tiefe gleichgestellt und Einfachheit mit Oberflächlichkeit. Deswegen haben wir Kultur und die Amerikaner nicht. Die haben Zivilisation; seit den Betrachtungen eines Unpolitischen (Thomas Mann), der Kultur nicht ebenbürtig.

DrNick Offline




Beiträge: 809

01.09.2011 20:40
#48 RE: Die EZB kauft Sicherheiten Antworten

Noch einen kleinen Nachtrag, falls sich jemand für die übliche Verwendungsweise des Ausdrucks "securities" interessiert. Mir ist er beim Ansehen der offiziellen griechischen FAQ zur geplanten Umtauschaktion mehrfach aufgefallen. Die Anleihen werden dort entweder spezifisch als "GGBs" (Greek Government Bonds) oder auch einfach als "securities" bezeichnet:

Zitat
On 25 August 2011, the Hellenic Republic approached Ministers of Finance in various
jurisdictions to request their assistance in compiling aggregate ownership information, by
jurisdiction, of Greece’s outstanding securities maturing through 31 December 2020 in each
case held by regulated institutions within their jurisdictions as of 30 June 2011.

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