Zitat von LlarianLieber Loki, so vollständig ist die Übereinstimmung nicht. Ich denke wir haben einen weit stärkeren Dissenz als ich mit Zettel
Lieber Llarian, ich hatte Ihren vorhergehenden Äußerungen weitestgehend zugestimmt. Daß wir hinsichtlich dessen, was ich dann schrieb, auf einer Linie liegen, hatte ich nicht behaupten wollen.
Mir geht es allerdings nicht um eine unbedingte Verteidigung von WikiLeaks, sondern darum, daß die Argumente, die WikiLeaks als verbrecherisch kennzeichnen sollen, m.E. nicht tragfähig sind. Dementsprechend behaupte ich auch weder, daß es nicht doch ein plausibles Demarkationskriterium geben kann, das gestattet, WikiLeaks nicht als Presseerzeugnis zu betrachten - ich kenne bloß keines - noch behaupte ich, daß die Veröffentlichung der Depeschen in der Form, wie sie stattfand, einem Presseerzeugnis in jedem Fall zu gestatten sei (wobei allerdings der zweite Absatz meines ersten Beitrags einen anderen Eindruck erwecken mag. Später schränke ich dann allerdings explizit durch "wahrscheinlich" ein). Aber auch da wüßte ich noch nicht, auf welcher Grundlage eine entsprechende Einschränkung zu rechtfertigen wäre; sollte der Staat der Presse vorschreiben dürfen, was wichtig genug zum Veröffentlichen ist und was nicht?
Insgesamt ging es mir also weniger um die Ergebnisse als um die Basis, auf der sie fußen.
Sie vergleichen Rechtsbrüche in Rechtsstaaten mit denen in Unrechtsstaaten. Das wirkt sich relativierend aus. Ein Rechtsstaat gründet sich aber nicht auf der ethischen Auslegung der Gesetze durch seine Bürger. Sie werden legitimiert durch die Verabschiedung einer frei gewählten Legislative. Einem Unrechtsstaat fehlt diese Legitimierung, wodurch sich das Recht zum Wiederstand entwickelt.
Ein Informant der Presse hat dann einen Rechtsbruch begangen, wenn er angeklagt wird und ihm dieser auch nachgewiesen werden kann. Dass dies häufig nicht geschieht, liegt daran, dass der aufgedeckte Rechtsbruch gravierender ist als der, der zu seiner Aufdeckung führte. Es findet sich schlicht kein Kläger, der den Informanten anklagt.
Bloß weil ein Rechtsbruch nicht angeklagt wird, ist er noch lange nicht legalisiert. Der Diebstahl von Daten ist deshalb so illegal wie der Diebstahl von Kreditkartendaten. Das er dennoch dem Recht dienen kann, macht ihn nicht rechtens, sondern im Vergleich lediglich zu einem minder schweren Fall von Diebstahl.
Datenerhebungen und ihr Speichern unterliegen rechtsstaatlichen Gesetzen. Diese Gesetze in Frage zu stellen, stellt m.E. den Rechtsstaat insgesamt in Frage. Ethisches Handeln gründet sich nicht auf einer selbst erwählten Moral sondern einer die den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann.
Zitat von LokiZettel hat WikiLeaks den journalistischen Status in einer früheren Diskussion 'aberkannt' aufgrund des Umstandes, daß Daten nur verbreitet, aber keine 'echte' journalistische Arbeit geleistet werde. Es ist klar, daß dieses Demarkationskriterium nicht weit tragen kann: Einerseits dürfte es WikiLeaks keinerlei Mühe bereiten, jede Datenveröffentlichung mit einem journalistischen Beitrag als Feigenblatt zu versehen. Andererseits hat Wikileaks journalistische Arbeit geleistet, indem die Daten redigiert wurden.
Ich kenne, liebe(r) Loki, die einschlägige Rechtsprechung nicht, weder in den USA noch bei uns. Vermutlich gibt es ja dazu eine umfangreiche Rechtsprechung und auch juristische Literatur.
Als Laie kann ich nicht erkennen, daß WikiLeaks irgendein Merkmal eines Presseorgans trägt. Es erscheint nicht regelmäßig, kann nicht abonniert werden, bietet auch nicht - wie eine Nachrichtenagentur - Presseorganen einen Nachrichtenservice an. Es werden dort keine Artikel geschrieben, es werden keine Videos hergestellt oder sonst eine journalistische Leistung erbracht. Jede Oma, die einmal im Jahr in ihrem Blog etwas über ihre Blumen publiziert, ist einem Presseorgan näher, als Wikileaks das ist.
Allein gestohlene Texte ins Netz zu stellen, bei denen man das eine oder andere gelöscht hat - wenn das Journalismus ist, liebe(r) Loki, dann ist das Verticken eines gestohlenen Autos, bei dem man die Seriennummer weggefeilt hat, eine Tätigkeit in der Automobilproduktion.
So sehe ich es als juristischer Laie. Falls die Gesetzeslage und die Rechtsprechung anders sind, dann würde es mich interessieren, das zu erfahren. Vielleicht irre ich mich ja.
Zitat von Zettel Vielleicht verstehe ich Sie besser, lieber Llarian, wenn Sie mir sagen, welche dieser Gesetzesbrüche Sie für richtig halten, welche nicht, und warum?
Von den genannten gar keinen, aber die Liste ist ja nun auch reichlich vergiftet. Und ich denke diese "Beweislastumkehr" bringt uns auch nicht weiter.
Es sind konkrete Beispiele dafür, daß Menschen die Gesetze brechen und das mit ethischen Motiven rechtfertigen. Wenn Sie generell der Meinung sind, daß man das darf - warum billigen Sie es diesen Menschen nicht zu? Halten Sie denn Ihre eigene Ethik für höherwertig als diejenige derer, die solche Dinge tun; aus deren Ethik als Lebensschützer, als Naturschützer, als Fromme heraus? In allen aufgeführten Fällen sind die Betreffenden überzeugt, ethisch zu handeln.
Ich denke, wir sind da beim Knackpunkt; jedenfalls so, wie ich ihn sehe: Was man sich selbst zubilligt, muß man auch anderen zubilligen. Wenn Sie meinen, die Gesetze brechen zu dürfen, wenn dies Ihrer eigenen Ethik entspricht, dann müssen Sie das auch jedem anderen zubilligen, der dasselbe für sich in Anspruch nimmt. Auch wenn er ein Nazi, Kommunist oder Islamist ist.
Zitat von LlarianSie haben geschrieben, dass alle Gesetze zu befolgen sind. Und das es keinen Fall gibt, wo der Gesetzbruch vertretbar ist. Ich habe umgekehrt keinesfalls behauptet ein jeder Gesetzbruch wäre vertretbar. Insofern wäre es sicher sinnvoller, Sie würden sich zu den von mir genannten Beispiele äussern. Ich habe nur eine Existenz-Aussage getroffen, Sie haben den Universaloperator verwendet. Dann muss ich nicht zu allem ja sagen, Sie nur zu allem nein. Sagen Sie nein zu Fluchthelfern ? Sagen Sie nein zu denen, die Watergate aufdeckten ?
Meine Position dazu ist mit der von Erling Plaethe identisch: In einem demokratischen Rechtsstaat haben sich alle an die Gesetze zu halten; es sei denn, es liegt eine extreme Ausnahmesituation vor (siehe unten). In einer Diktatur ist es ethisch nicht begründbar, sich an deren Unrechtsgesetze zu halten.
Zitat von LlarianWenn wir wirklich ein vernichtendes, konkretes Beispiel nennen wollen, dann können wir das Massaker von My Lai diskutieren. Eine ausgesprochen abscheuliche Lektion in Sachen Schweinerei. Mein Punkt wäre an dieser Stelle die Rolle des Hubschrauberpiloten Thompson, der androhte auf seine eigenen Leute zu feuern. Weswegen man ihn später auch vor Gericht stellen wollte. Was der Mann tat war mit aller Sicherheit nicht im Sinne der Gesetze.
Das ist, lieber Llarian, eben ein solcher Extremfall. Wenn Gesetzesbrüche extremen Ausmaßes aufgedeckt werden und zu diesem Zweck Gesetze minderen Rangs (etwa die Geheimhaltung betreffend) gebrochen werden, dann ist das aus meiner Sicht erlaubt. Man muß dann eine Güterabwägung vornehmen. Und sich den strafrechtlichen Folgen stellen, die man durch seinen Gesetzesbruch auf sich nimmt.
Ich habe, glaube ich, kürzlich den fiktiven Fall einer Krankenschwester genannt, die sieht, wie ein Patient stirbt, wenn er nicht sofort eine Injektion erhält, die aber nur ein Arzt vornehmen darf. Es ist aber kein Arzt frei, den sie erreichen kann. Sie rettet den Mann und nimmt in Kauf, ihre Dienstpflichten verletzt zu haben.
So etwas ist immer möglich. Aber die Hürde muß sehr hoch liegen. Es muß um die konkrete Rettung von Menschenleben gehen, wie etwa auch im Fall Gäfgen/Daschner. Oder etwas Vergleichbares.
Zitat von Llarian
Zitat Es gibt in einem demokratischen Rechtsstaat kein ethisches Recht, das für alle geltende Strafrecht und bürgerliche Recht zu brechen.
Und ich halte dem entgegen das der demokratische Rechtsstaat eine Idealvorstellung ist. Von der die BRD, nebenbei bemerkt, recht weit entfernt ist. Deutlich weiter als beispielsweise vor 30 Jahren. Nur weil es weltweit deutlich schlimmer aussieht und es in der deutschen Vergangenheit schlimmere Regime gab, heisst das nicht, dass unser Staat nun das Absolute ist. DER demokratische Rechtsstaat. Es passiert eine Menge Unrecht in unserem Rechtsstaat, vieles davon in staatlicher Deckung. Und es wird derzeit nicht besser. Ab wann gilt für Sie das Prinzip der Absolutbefolgung denn nicht mehr ? Nennen Sie mir das Maß, ab wann man sich wehren darf !
Unser Staat ist ein demokratischer Rechtsstaat mit allen seinen Merkmalen - eine unabhängige Justiz, Parteienpluralismus, Abwählbarkeit der Regierung, eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit, Pressefreiheit, Richtervorbehalt usw.
Muß ich das wirklich aufzählen, lieber Llarian? Und darauf hinweisen, daß in ausnahmslos jeder Diktatur alle diese Merkmale fehlen?
"Es gibt so wenig ein bißchen Demokratie, wie man ein bißchen schwanger sein kann". Diesen Satz habe ich als Schülervertreter in den fünfziger Jahren auf einem Seminar der Bundeszentrale für Heimatdienst (so hieß sie damals noch) gehört; und gesagt hat das ein Widerstandskämpfer aus der DDR, dem die Flucht in die Bundesrepublik gelungen war.
Zitat Wenn Sie meinen, die Gesetze brechen zu dürfen, wenn dies Ihrer eigenen Ethik entspricht, dann müssen Sie das auch jedem anderen zubilligen, der dasselbe für sich in Anspruch nimmt. Auch wenn er ein Nazi, Kommunist oder Islamist ist.
Lieber Zettel, es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Ihren Beispielen und den von Llarian angeführten. In den von Llarian aufgeführten Beispielen werden Verbrechen aufgedeckt, die nach allgemeiner Auffassung und den geltenden Gesetzen illegal sind. In den von Ihnen aufgeführten Beispielen ist es lediglich die Auffassung der Aktivisten, die den Rechtsbruch zu legitimieren versucht. In Llarians Beispielen geht es darum geltende Gesetze durchzusetzen, in ihren darum die Rechtswirklichkeit zu verändern. Das ist ein qualitativer Unterschied und ist als Entscheidungsmerkmal so eindeutig, dass eine Slippery Slope hin zur Anarchie, wie Sie es befürchten, ausgeschlossen werden kann.
Zitat Wenn Sie meinen, die Gesetze brechen zu dürfen, wenn dies Ihrer eigenen Ethik entspricht, dann müssen Sie das auch jedem anderen zubilligen, der dasselbe für sich in Anspruch nimmt. Auch wenn er ein Nazi, Kommunist oder Islamist ist.
Lieber Zettel, es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Ihren Beispielen und den von Llarian angeführten. In den von Llarian aufgeführten Beispielen werden Verbrechen aufgedeckt, die nach allgemeiner Auffassung und den geltenden Gesetzen illegal sind. In den von Ihnen aufgeführten Beispielen ist es lediglich die Auffassung der Aktivisten, die den Rechtsbruch zu legitimieren versucht. In Llarians Beispielen geht es darum geltende Gesetze durchzusetzen, in ihren darum die Rechtswirklichkeit zu verändern. Das ist ein qualitativer Unterschied und ist als Entscheidungsmerkmal so eindeutig, dass eine Slippery Slope hin zur Anarchie, wie Sie es befürchten, ausgeschlossen werden kann.
Hm, lieber Michel, so habe ich Llarian nicht verstanden; auch nicht, nachdem ich diese Diskussion jetzt noch einmal nachgelesen habe. Nur zwei Beispiele aus dem, was er geschrieben hat:
Zitat Was kriminell ist oder nicht, wird auf zwei Arten entschieden. Zum einen aus staatlicher Sicht, zum anderen aus bürgerlicher oder meinetwegen ethischer Sicht. Das ist keinesfalls immer identisch, und viele Staatsverbrechen sind aus staatlicher Sicht eben auch keine Verbrechen, so war der Schiessbefehl der DDR Grenzer ja ein ganz normaler Rechtsvorgang. Kriminell war er dennoch, aber eben aus bürgerlicher Sicht.
Und:
Zitat Wenn sich vor 80 Jahren mehr Leute geweigert hätten Gesetzen zu folgen, dann wären heute vielleicht einige Dutzend Millionen Menschen mehr auf der Welt. Blindes Folgen von Gesetzen ist nichts weiter als Kadavergehorsam. Das Rechtsprinzip, dass das Gesetz für alle gibt, ist sicher eine wichtige kulturelle Grundlage für Rechtsstaatlichkeit. Es sagt nur nicht das geringste darüber aus, ob Gesetze auch richtig sind. Ob sie ethisch sind oder ob sie gerecht sind. Sie können gerne für sich in Anspruch nehmen auch ungerechten Gesetzen zu folgen. Ich werde das sicher auch tun, wenn auch aus der Motivation heraus dafür nicht sanktioniert werden zu wollen. Aber sie können sich darauf verlassen, das passiert rein da, wo man erwischt werden kann.
Aber das kann Llarian ja selbst klären.
Wir sind von WikiLeaks ausgegangen. Stimmen Sie mir zu, daß es bei der Veröffentlichung der Depeschen amerikanischer Botschaften nicht darum ging, geltende Gesetze durchzusetzen?
Zitat von Loki Dementsprechend behaupte ich auch weder, daß es nicht doch ein plausibles Demarkationskriterium geben kann, das gestattet, WikiLeaks nicht als Presseerzeugnis zu betrachten - ich kenne bloß keines -
Dem kann ich mich anschließen, es mag eins geben oder auch nicht, ich halte es nur in diesem Zusammenhang für nicht unbedingt erstrangig, weil ich das, was Wikileaks tut, auch dann für verwerflich halten würde, wenn es ein Presseerzeugnis darstellt.
Zitat sollte der Staat der Presse vorschreiben dürfen, was wichtig genug zum Veröffentlichen ist und was nicht?
Zur Zeit ist das zumindest so. Wenn beispielsweise ein Paparazzi ein Foto eines Prominenten aus einem halben Kilometer Entfernung durch seine Wohnzimmerscheibe schiesst, die den Betreffenden nackt zeigt, wie er aus der Dusche kommt, dann wird die Veröffentlichung in aller Regel in Deutschland verboten sein. Und die Wenigsten werden dieses Verbot im grundsätzlichen bestreiten. Weil hier in die Intimsphäre eines Menschen eingegriffen wird und sein Persönlichkeitsrecht hier den Vorzug bekommt. Ebenso gibt es "Intimität" von Geschäftsgeheimnissen. Oder ein Gebot auch die Persönlichkeitsrechte von Straftätern zu schützen. Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, was Presse alles nicht darf, die Bunte kann ein Lied davon singen.
Zusammengefasst: Ja, ich meine schon, dass sich auch die Presse für das verantworten muss, was sie tut. Ich sehe auch keinen Grund ihr einen Freibrief auszustellen. Was wichtig ist, ist, dass diese Eingriffe verhältnismäßig bleiben und im Zweifelsfalls zu unterlassen sind.
Und nehmen wir das Beispiel Wikileaks und die diplomatischen Depeschen. Ich kann nicht sehen, dass deren Veröffentlichung wichtiger ist als das Recht auf Geheimhaltung. Wenn ein Mensch in seinem privaten Tagebuch aufschreibt, was er im einzelnen von seinen Mitmenschen hält, dann interessieren sich natürlich auch diese Menschen dafür. Und dennoch wäre die Veröffentlichung dieses Tagebuchs extrem daneben. Es dient einzig dazu der betroffenen Person zu schaden.
Zitat von Erling PlaetheSie vergleichen Rechtsbrüche in Rechtsstaaten mit denen in Unrechtsstaaten.
Lieber Herr Plaethe, ich wusste das dieses Argument kommen würde. Es ist auch sicher in seinem Extrem richtig, das dritte Reich ist nur schwerlich mit der BRD zu vergleichen. Deshalb habe ich versucht auch Beispiele aus Rechtsstaaten dazuzusetzen, siehe Watergate, siehe das Massaker in Vietnam. Was mir aber wichtiger ist: Rechtstaat und Unrechtsstaat ist kein binärer Unterschied. Es gibt genausowenig "den Unrechtsstaat" wie es "den Rechtsstaat" gibt. Wer sich ein bischen mit Polizeibrutalität in Deutschland beschäftigt, der wird den Begriff Rechtsstaat ganz schnell in einem anderen Licht sehen als in dem oben genannten, binären. Wir leben nicht in dem immer postulierten Ideal. Und wenn ich mir die politischen Entwicklungen, gerade auf europäischer Ebene, ansehe, dann entfernen wir uns sogar in großen Schritten von diesem Ideal. Ob das jetzt das Recht zum Widerstand einschliesst wird im Zweifelsfall der einzelne für sich entscheiden. Was ich sage ist, dass es eben eine Reihe von Menschen gibt, die sich vom hehren Rechtstaat nicht mehr überzeugen lassen.
Zitat Ein Rechtsstaat gründet sich aber nicht auf der ethischen Auslegung der Gesetze durch seine Bürger. Sie werden legitimiert durch die Verabschiedung einer frei gewählten Legislative.
Dann haben wir in Europa aber schon verloren, die allermeisten unserer Gesetze entstehen derzeit nicht auf diese Weise.
Ich denke auch der Ansatz ist nicht richtig. Parlamente können viel beschliessen. Das nützt ihnen nichts, wenn der Bürger die Gesetze nicht nachvollziehen kann. Sie werden dann schlicht nicht befolgt. Für den Juristen ist eine demokratische Legitimation was schönes. Denn sie ist danach in Stein gemeisselt. Das ignoriert aber die Wirklichkeit des Bürgers.
Zitat Einem Unrechtsstaat fehlt diese Legitimierung, wodurch sich das Recht zum Wiederstand entwickelt.
Dann definieren Sie mal wo der Unrechtsstaat anfängt.
Zitat Bloß weil ein Rechtsbruch nicht angeklagt wird, ist er noch lange nicht legalisiert. Der Diebstahl von Daten ist deshalb so illegal wie der Diebstahl von Kreditkartendaten. Das er dennoch dem Recht dienen kann, macht ihn nicht rechtens, sondern im Vergleich lediglich zu einem minder schweren Fall von Diebstahl.
Auch das ist eine juristische Argumentation. Die Diskussion begann aber mit Ethik.
Zitat Ethisches Handeln gründet sich nicht auf einer selbst erwählten Moral sondern einer die den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann.
Ich werde das später an Zettel noch tiefer ausführen, aber nahezu jede "selbst erwählte Moral" hat in der Regel den Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Zitat von LlarianWas mir aber wichtiger ist: Rechtstaat und Unrechtsstaat ist kein binärer Unterschied. Es gibt genausowenig "den Unrechtsstaat" wie es "den Rechtsstaat" gibt. Wer sich ein bischen mit Polizeibrutalität in Deutschland beschäftigt, der wird den Begriff Rechtsstaat ganz schnell in einem anderen Licht sehen als in dem oben genannten, binären.
Lieber Llarian, in einem Rechtsstaat ordnet sich der Staat dem Recht unter, so wie jeder Bürger auch. Da gibt es m.E. keine fliessenden Übergänge. Auch Rechtsbrüche des Rechtsstaates ändern daran nichts. Diese kommen zweifellos vor und werden auch verhandelt. Auch ich habe manchmal eine andere Auffassung zu einer höchstrichterlichen Entscheidung, z.B. zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Ankauf der gestohlenen Bankdaten durch den BND. Aber ich respektiere diese Entscheidung, wie ich mich auch Gesetzen beuge, die nicht meine Zustimmung finden. Polizeibrutalität würde ich keinesfalls verallgemeinern.
Zitat Dann haben wir in Europa aber schon verloren, die allermeisten unserer Gesetze entstehen derzeit nicht auf diese Weise.
Ich denke auch der Ansatz ist nicht richtig. Parlamente können viel beschliessen. Das nützt ihnen nichts, wenn der Bürger die Gesetze nicht nachvollziehen kann. Sie werden dann schlicht nicht befolgt. Für den Juristen ist eine demokratische Legitimation was schönes. Denn sie ist danach in Stein gemeisselt. Das ignoriert aber die Wirklichkeit des Bürgers.
Auch die europäischen Gesetze werden im europäischen Parlament verabschiedet. Dass es dort erhebliche Mängel bei der Gewaltenteilung gibt sehe ich auch, dass kann aber nicht bedeuten ein bewährtes System in Frage zu stellen, weil es in der EU nicht konsequent umgesetzt wird. Die demokratische Legitimation nutzt nicht nur dem Juristen sondern auch mir, weil sie Rechtssicherheit schafft und mich vor Willkür schützt, selbst wenn diese auch in einem Rechtsstaat nicht vollständig ausgeschlossen werden kann.
Zitat Dann definieren Sie mal wo der Unrechtsstaat anfängt.
Bei der fehlenden Gewaltenteilung, ohne diese ist die Existenz eines Rechtsstaats nicht möglich.
Zitat Auch das ist eine juristische Argumentation. Die Diskussion begann aber mit Ethik.
Eine Ethik findet sich in Gesetzen wieder, sie hat aber nicht den Rang eines Gesetzes. Das sollte sie auch keinesfalls, will man nicht den Weg in eine Diktatur beschreiten.
Mir ist klar, dass es eine Reihe von Menschen gibt die am Rechtsstaat zweifeln oder ihn sogar ablehnen; trotzdem geniessen auch sie seinen Schutz. Aber niemand sollte m.E. anderen Menschen seinen Willen aufzwingen den er sich durch die Bildung einer selbstgewählten Moral abgeleitet hat.
Ich bin auch nur Laie und gebe nicht vor, die richtige Antwort auf die sich stellenden Fragen schon zu kennen. Ich behaupte nur, daß Sie es sich mit der Beantwortung dieser Fragen bisher zu einfach gemacht haben.
Zitat von ZettelAls Laie kann ich nicht erkennen, daß WikiLeaks irgendein Merkmal eines Presseorgans trägt. Es erscheint nicht regelmäßig, kann nicht abonniert werden, bietet auch nicht - wie eine Nachrichtenagentur - Presseorganen einen Nachrichtenservice an. Es werden dort keine Artikel geschrieben, es werden keine Videos hergestellt oder sonst eine journalistische Leistung erbracht. Jede Oma, die einmal im Jahr in ihrem Blog etwas über ihre Blumen publiziert, ist einem Presseorgan näher, als Wikileaks das ist.
Was davon würden Sie als notwendige Eigenschaft eines Presseorgans setzen? So, daß Sie kein ungutes Gefühl hätten, wenn es in einer Urteilsbegründung maßgeblich wäre? Regelmäßiges Erscheinen scheint bei einem Spezialdienst wie WikiLeaks, der nur dann aktiv werden kann, wenn tatsächlich Informationen verfügbar werden, ein unsinniges Kriterium zu sein. Wenn man sich z.B. ein Blatt vorstellte, das Strafrechtsänderungen dokumentiert und kommentiert, könnte dieses auch nicht regelmäßig erscheinen. Wäre das ein Grund, ihm den Pressestatus abzuerkennen? Abonnierbarkeit will bei einer frei zugänglichen Publikation ebenfalls nicht einleuchten. Daß kein Nachrichtenservice angeboten werde, trifft nur bei einer sehr engen Auslegung des Begriffs überhaupt zu. Daß keine Artikel oder sonstiges erscheinen, wäre leicht zu ändern, wenn es darum gehen sollte.
Zitat von ZettelAllein gestohlene Texte ins Netz zu stellen, bei denen man das eine oder andere gelöscht hat - wenn das Journalismus ist, liebe(r) Loki, dann ist das Verticken eines gestohlenen Autos, bei dem man die Seriennummer weggefeilt hat, eine Tätigkeit in der Automobilproduktion.
Damit fordern Sie eben einen Unterschied ein zwischen dem Verfügbarmachen (immerhin redigierter) Rohdaten und dem Verfügbarmachen in solchen Rohdaten enthaltener Informationen. Das kann man ja machen; wie man es begründet, wäre dann die Frage. Warum soll der Leser die Informationen zwar haben dürfen, aber nicht unbearbeitet und, vielleicht -verfälscht? Alternativ - und viele Ihrer Äußerungen schienen mir diese Konsequenz nach sich zu ziehen - geht es nicht allein um die Veröffentlichung der Rohdaten, sondern um die Veröffentlichung der Informationen allgemein. Dann wäre die Frage, ob auch die NYT sich dieser Art der Hehlerei schuldig gemacht hat und juristisch belangt werden können sollte.
Zitat von ZettelSo sehe ich es als juristischer Laie. Falls die Gesetzeslage und die Rechtsprechung anders sind, dann würde es mich interessieren, das zu erfahren. Vielleicht irre ich mich ja.
Die Gesetzlage stammt größtenteils noch aus der Zeit der Papierpresse. WikiLeaks als ein Internet-Phänomen ordnet sich da natürlich nicht nahtlos ein, und Rechtsprechung dazu dürfte schlichtweg noch nicht existieren. Was ich meine ist, daß man auf die Rechtsprechung jedenfalls gespannt sein darf. Absolut klare Antworten sehe ich da nicht in Reichweite.
Bisher ist mir allerdings von entsprechenden Anklagen gegen Assange nichts bekannt geworden. Der Artikel, den ich oben verlinkt habe, spricht dafür, daß man in den USA die Chancen auf eine Verurteilung wohl nicht besonders gut einschätzt.
Eine Einschätzung von RA Udo Vetter findet man übrigens hier. Beispiele für Gegenmeinungen von Juristen würden mich interessieren.
Sie und Herr Plaethe haben den Standpunkt, daß für die in der Diskussion betreffenden Ländern USA und Deutschland die folgende Situation vorhanden ist:
· Es gibt in beiden Ländern eine demokratisch begründete Staatsform (in etwas anderer Ausführung jeweils) die auch demokratisch, rechtlich richtig, gelebt wird. · Die in diesen Staatsformen gewählten Vertreter des Volkes, sprich Parlamentarier, handeln im Ergebnis, bei vernachlässigbaren moralischen Unzulänglichkeiten einzelner, doch richtig! · Gesetze, die in diesen Ländern unter Einhaltung der Regeln beschlossen worden sind, sind richtig und auf jeden Fall einzuhalten! · Sollte jemand doch der Ansicht sein, ein Gesetz sei nicht richtig, so steht ihm der Rechtsweg offen. · Sollte der Rechtsweg nicht fruchten, besteht dann immer noch die Möglichkeit, eine eigene Partei zu gründen und das Gesetz, wenn man denn genügend Mitstreiter findet, wieder im parlamentarischen Weg aufzuheben. · Ist man auf diesem Weg nicht erfolgreich, so ist dies der Nachweis, daß das beanstandete Gesetz eben doch richtig ist. · Dies ist die Beschreibung der aktuellen Situation so wie sie ist und wie sie sich nicht ändern kann und wird!
An den letzen Punkt möchte ich einhaken und fragen, ob und warum Sie da so sicher sind??
Es ist ja wie schon von meinem Vorredner gesagt nicht so, daß ich am Abend in einem Rechtsstaat einschlafe und am nächsten Morgen in einem Unrechtsstaat aufwache. Es ist doch eher so, daß einerseits der Weg in einen Unrechtsstaat so langsam ist, daß man dies im normalen Leben gar nicht so richtig mitbekommt, andererseits aber doch so schnell, daß die oben genanten Eingriffsmöglichkeiten eher nicht greifen.
Muß also erst das Kind in der Brunnen gefallen sein, bevor ich da was machen kann?
Zitat von SF-LeserEs ist ja wie schon von meinem Vorredner gesagt nicht so, daß ich am Abend in einem Rechtsstaat einschlafe und am nächsten Morgen in einem Unrechtsstaat aufwache. Es ist doch eher so, daß einerseits der Weg in einen Unrechtsstaat so langsam ist, daß man dies im normalen Leben gar nicht so richtig mitbekommt, andererseits aber doch so schnell, daß die oben genanten Eingriffsmöglichkeiten eher nicht greifen.
Ja, diese Gefahr besteht grundsätzlich. Aber nicht gegenwärtig in Deutschland; jedenfalls sehe ich dafür keine Anzeichen.
In Rußland hat sich das so abgespielt. Es gab nach dem Ende der UdSSR eine Präsidialverfassung, die den Verfassungen Frankreichs und der USA nachgebildet war. Einige Jahre lang funktionierte das auch schlecht und recht. Sobald Putin an die Macht gekommen war, begann er mit der Demontage des demokratischen Rechtsstaats.
Ein entscheidender Schritt war die Entmachtung der demokratischen Opposition durch die Verhaftung und Verurteilung Chodorkowskis, die Gründung einer Staatspartei, die Gründung von Schein-Oppositionsparteien, die ebenso vom Kreml gesteuert werden wie die Staatspartei. Dann die Errichtung der totalitären Gesellschaft durch die Gründung einer Staatsjugend, die Einschüchterung der Presse mittels Morden an unliebsamen Journalisten. Die Korrumpierung der Justiz, wie man sie am Urteil gegen Chodorkowski sieht. Die Neuerrichtung eines zentralistischen Staats dadurch, daß die Gouverneure nicht gewählt, sondern vom Kreml ernannt werden. Die Wiedererrichtung der Macht des KGB. Und so fort.
In Deutschland war so etwas vielleicht nach 1949 denkbar; da hätten die alten Nazis auch versuchen können, die junge Demokratie zu demontieren. Sie haben es nicht versucht. Seither leben wir in einem stabilen demokratischen Rechtsstaat.
Wachsamkeit ist immer gut, lieber SF. Sollte es den Kommunisten gelingen, wieder einen Teil der Macht zu erhalten, dann werden sie das tun, was Gesine Lötzsch unumwunden angekündigt hat - den "zweiten Sozialismusversuch". Dann wäre unsere Demokratie in höchster Gefahr; und dann müßte man über Widerstand nachdenken. Ebenso, falls die NPD in die Nähe der Macht kommen sollte, was freilich nur eine hypothetische Möglichkeit ist.
Gegen den Kommunismus müssen wir unsere Freiheit verteidigen; nicht gegen die demokratischen Parteien. Der Antikommunismus ist nach wie vor das Gebot der Stunde. Möglicherweise wird ja das Wahlergebnis in MV dazu führen, daß die Kommunisten dort wieder einen Fuß in die Tür bekommen.
Zitat von LokiIch bin auch nur Laie und gebe nicht vor, die richtige Antwort auf die sich stellenden Fragen schon zu kennen. Ich behaupte nur, daß Sie es sich mit der Beantwortung dieser Fragen bisher zu einfach gemacht haben.
Tja, lieber Loki, ich bin halt einfach gestrickt.
Falls Sie oder jemand anders herausfinden/herausfindet, nach welchen Kriterien jemand in Deutschland die Privilegien eines Journalisten (Informantenschutz usw.) für sich in Anspruch nehmen kann, dann würde mich das freuen. Ebenso Informationen über die Rechtslage in den USA, wo es ja vielleicht gar nicht um die Frage geht, ob die Aktivitäten von Wikileaks Journalismus sind, sondern ob sie unter das First Amendment fallen.
Zitat von LokiIch bin auch nur Laie und gebe nicht vor, die richtige Antwort auf die sich stellenden Fragen schon zu kennen. Ich behaupte nur, daß Sie es sich mit der Beantwortung dieser Fragen bisher zu einfach gemacht haben.
Tja, lieber Loki, ich bin halt einfach gestrickt.
Nicht doch. Zwischen einzelnen Äußerungen und Positionen und persönlichen Wesensmerkmalen sollten wir schon noch unterscheiden. Und was die Bewertung jener betrifft können Sie mich ja davon überzeugen, daß ich im Unrecht bin.
Zitat von ZettelEbenso Informationen über die Rechtslage in den USA, wo es ja vielleicht gar nicht um die Frage geht, ob die Aktivitäten von Wikileaks Journalismus sind, sondern ob sie unter das First Amendment fallen.
Das wäre in der Tat interessant, aber wenn dies der Fall wäre spräche das doch noch mehr gegen Ihre Position, oder? Wenn man nicht nur gewöhnliche Gesetze sondern gleich die Verfassung auf seiner Seite hat, dann ist das doch was.
Zitat von ZettelFalls Sie oder jemand anders herausfinden/herausfindet, nach welchen Kriterien jemand in Deutschland die Privilegien eines Journalisten (Informantenschutz usw.) für sich in Anspruch nehmen kann, dann würde mich das freuen.
Bin kein Fachmann auf der Strecke, hier nur die Meinungsäußerung eines interessierten Laien „Polizist“ oder „Gasklempner“ sind Berufe, deren Tätigkeitsfeld ganz gut abgegrenzt ist hinsichtlich Qualifizierung, Rechten und Pflichten. Bei „Journalist“ oder „Künstler“ ist das nicht der Fall. Irgendwie reden, schreiben oder malen kann jeder. Und die Qualität liegt im Auge des Betrachters. Auf www.presseausweise.com lesen wir, dass der Besitz eines Presseausweises die Privilegien begründet
Zitat von www.presseausweise.comBesondere Erwähnung verdienen das Zeugnisverweigerungsrecht, der Auskunftsanspruch gegenüber den Behörden, Durchsuchungsverbote, Beschlagnahme-Verbote und insbesondere der Informantenschutz. Der Presseausweis dient dem Ausweisinhaber dafür, sich im Hinblick auf seine journalistische Berufsausübung zu legitimieren.
Bis dahin recht klar. Die Sache ist nur die, dass eigentlich jeder einen Presseausweis kriegen kann, wenn er es nur wirklich will.
Heribert Kempen hat den Rechtsstaat in seiner vollen Schönheit ausgekostet; so weit, dass er beim besten Willen nicht mehr sagen kann, was der Unterschied zwischen der Bundesrepublik und einem Unrechtsstaat ist. Er kämpft wie ein Löwe um sein Recht, hat alle Rechtswege abgeschritten und geht die Runde (es sind neue Beweismittel aufgetaucht) nun zum zweiten Mal. Gleichzeitig versucht er (bislang erfolgslos) über die Öffentlichkeit Druck auszuüben. Um in diesem Revier ungestört zu arbeiten, hat er sich einen Presseausweis von Reuters besorgt. Ich gönne ihm den. Aber ein Journalist ist er, nu ja, nur bei sehr weiter Auslegung des Begriffs.
Eigentlich unbegreiflich, warum Assange sich noch keinen Presseausweis besorgt hat. Dann wäre er rechtlich nahezu unangreifbar.
Zitat von ZettelEs sind konkrete Beispiele dafür, daß Menschen die Gesetze brechen und das mit ethischen Motiven rechtfertigen. Wenn Sie generell der Meinung sind, daß man das darf - warum billigen Sie es diesen Menschen nicht zu?
Jetzt legen Sie mir doch nix in den Mund, was ich nicht gesagt habe. Die Meinung ethischen Handeln ist keine Begründung, das ethische Handeln selbst ist es. Anders Breivik geht auch davon aus, ethische zu handeln, wie die meisten Mörder der RAF auch. Das heisst nicht, dass sie es auch tun.
Zitat Ich denke, wir sind da beim Knackpunkt; jedenfalls so, wie ich ihn sehe: Was man sich selbst zubilligt, muß man auch anderen zubilligen. Wenn Sie meinen, die Gesetze brechen zu dürfen, wenn dies Ihrer eigenen Ethik entspricht, dann müssen Sie das auch jedem anderen zubilligen, der dasselbe für sich in Anspruch nimmt. Auch wenn er ein Nazi, Kommunist oder Islamist ist.
Schlichtes Nö. Das stimmt nicht. Und ist auch undramatisch. Ich nehme für mich problemlos in Anspruch Gesetze zu brechen, wenn Sie Unrecht bewirken. D.h. nicht, dass ich damit jedem Gesetzbruch zustimme, nur weil ihn irgendjemand für richtig hält. Entscheidend ist, wer am Ende Recht hat und das Richtige bewirkt hat. Wenn ich eine Fehleinschätzung begehe und Schaden anrichte, werde ich mit den Konsequenzen eben auch leben. Genauso übrigens wie Sie mit dem Schaden leben müssen, im Zweifelsfall nicht gehandelt zu haben.
Zitat Wenn Gesetzesbrüche extremen Ausmaßes aufgedeckt werden und zu diesem Zweck Gesetze minderen Rangs (etwa die Geheimhaltung betreffend) gebrochen werden, dann ist das aus meiner Sicht erlaubt. Man muß dann eine Güterabwägung vornehmen.
Warum sagen Sie dann vorher das Gegenteil, lieber Zettel ? Dann müssten wir uns doch nicht streiten. Sie schrieben "Es gibt keine, wirklich keine Entschuldigung dafür, sich fremde Daten anzueignen." Keine ist für mich keine. Jetzt relativieren Sie es. Und schon sind wir ziemlich einig.
Zitat So etwas ist immer möglich. Aber die Hürde muß sehr hoch liegen. Es muß um die konkrete Rettung von Menschenleben gehen, wie etwa auch im Fall Gäfgen/Daschner. Oder etwas Vergleichbares.
Wenn es also nur um die Gesundheit einer Million Menschen oder oder um ein paar veruntreute Milliarden geht, dann ist die Hürde nicht erreicht ? Ich stimme Ihnen zu, es muss eine Güterabwägung stattfinden, aber diese direkt auf Menschenleben einzuschränken baut dann wieder das Prinzip zu.
Zitat Unser Staat ist ein demokratischer Rechtsstaat mit allen seinen Merkmalen - eine unabhängige Justiz, Parteienpluralismus, Abwählbarkeit der Regierung, eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit, Pressefreiheit, Richtervorbehalt usw. Muß ich das wirklich aufzählen, lieber Llarian?
Ja, das müssen Sie in der Tat, lieber Zettel, denn das meiste ist eben nicht richtig. Unsere Justiz ist eben nicht unabhängig. Oder wer ernennt denn Richter ? Sicher nicht das Volk, jedenfalls nicht in Deutschland. Parteienpluralismus ? Fünf Prozent Hürde gefällig ? Unabhängige Verwaltungsgerichtbarkeit fällt schon mit der nicht unabhängigen Justiz zusammen. Pressefreiheit, nun die ist tatsächlich frei. Sie ist einseitig, aber formal frei. Aber dann kommen wir zum Richtervorbehalt. Wen juckt der eigentlich noch ? Ich emfehle Ihnen mal einige Monate das Lawblog mitzuverfolgen, dann werden Sie sehen was dieser tatsächlich heute bedeutet. Nein, lieber Zettel, genau da liegt ein Problem, der deutsche Rechtsstaat ist bei weitem hinter seinen Idealen zurück. Er glänzt vor allem deshalb, weil es Dikaturen gibt. Aber unter den Ansprüchen Rechtsstaat glänzt er nicht allzusehr. Vergleichen Sie mal den Rechtsstaat Deutschland mit dem Rechtsstaat USA. Da liegen Welten zwischen. Und dann vergleichen Sie die Demokratie in Deutschland mit der ind er Schweiz. Auch hier liegen Welten zwischen. Wenn, wie Sie später schreiben "ein bischen Demokratie (ich erweitere das mal auf ein bischen Rechtsstaat)" nicht existieren kann, wie kann es solche Unterschiede dann geben ?
Zitat Und darauf hinweisen, daß in ausnahmslos jeder Diktatur alle diese Merkmale fehlen?
Es fehlen bei uns schon eine ganze Menge davon. Ab wann ist ein Land denn kein Rechtsstaat mehr ? Wenn alle weg sind, einige oder nur eins ? Ist ne ehrliche Frage.
Zitat "Es gibt so wenig ein bißchen Demokratie, wie man ein bißchen schwanger sein kann". Diesen Satz habe ich als Schülervertreter in den fünfziger Jahren auf einem Seminar der Bundeszentrale für Heimatdienst (so hieß sie damals noch) gehört; und gesagt hat das ein Widerstandskämpfer aus der DDR, dem die Flucht in die Bundesrepublik gelungen war.
Dennoch ist er falsch. Meines Erachtens nach sind Demokratien unterschiedlich wie Dikaturen, es gibt blutige Diktaturen (wie beispielsweise Nordkorea) bis zu sehr harmlosen (beispielsweise Monacco), entsprechend gibt es auch Demokratien in einem breiten Spektrum.
Zitat von ZettelEs sind konkrete Beispiele dafür, daß Menschen die Gesetze brechen und das mit ethischen Motiven rechtfertigen. Wenn Sie generell der Meinung sind, daß man das darf - warum billigen Sie es diesen Menschen nicht zu?
Jetzt legen Sie mir doch nix in den Mund, was ich nicht gesagt habe. Die Meinung ethischen Handeln ist keine Begründung, das ethische Handeln selbst ist es.
Können Sie bitte den Unterschied erläutern, lieber Llarian? Ich verstehe ihn nicht. Wenn ein Tierschützer sagt, daß er Labors zerstört, weil dies das weitaus geringere Übel im Vergleich mit dem Leid der Tiere ist - ist das ethisches Handeln oder nur die Meinung ethischen Handelns? Dasselbe, wenn jemand Abtreibungsärzte terrorisiert, weil er damit den Tod vieler ungeborener Kinder verhindern will? Wenn er in den Dschihad geht, weil der Koran den Dschihad befiehlt? Oder, um auf eine andere Ebene zu gehen, wenn jemand sich weigert, seine Kinder in die Schule zu schicken, weil er davon überzeugt ist, daß sie dort moralisch verdorben werden?
Mir scheint - aber vielleicht liege ich da falsch, ich will Ihnen keineswegs etwas in den Mund legen, das Sie nicht meinen- , daß Sie zwei Arten von Ethik unterscheiden: Ihre eigene, die es Ihnen - wenn ich Sie nicht falsch verstehe - erlaubt, sich über Gesetze hinwegzusetzen und diejenige Anderer, denen Sie das, wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, nicht zubilligen; es sei denn, sie stimmten mit Ihrer eigenen Ethik überein.
Ich glaube, lieber Llarian, wir können erst weiterdiskutieren, wenn ich weiß, ob ich Sie jetzt richtig verstanden habe. Falls nicht, könnten Sie mir bitte noch einmal erklären, so daß ich es verstehe: Wem Sie es unter welchen Bedingungen zubilligen, gegen die Gesetze zu verstoßen und wem unter welchen Bedingungen nicht.
Im Augenblick weiß ich noch nicht so recht, ob wir im Grunde ähnliche Positionen haben, aber einander nicht verständlich machen, oder ob wir fundamental verschiedener Auffassung sind.
Um, damit auch Sie mich meinerseits verstehen, meine Position noch einmal zu nennen: In einem demokratischen Rechtsstaat gibt es keine ethische Berechtigung dafür, gegen die Gesetze zu verstoßen; es sei denn, es besteht eine der seltenen Situationen, in denen durch den Rechtsverstoß ein weitaus schlimmeres Übel abgewehrt wird oder werden soll und es kein anderes Mittel gibt. Fall Gäfgen/Daschner als mein Standard-Beispiel.
Habe ich Sie richtig verstanden, daß wir aus Ihrer Sicht im Deutschland des Jahres 2011 aber gar nicht in einem demokratischen Rechtsstaat leben? Das müßte dann getrennt diskutiert werden; es ist ja ein ganz anderes Thema. Und ein nun wirklich schwerwiegendes.
Zitat Wenn Gesetzesbrüche extremen Ausmaßes aufgedeckt werden und zu diesem Zweck Gesetze minderen Rangs (etwa die Geheimhaltung betreffend) gebrochen werden, dann ist das aus meiner Sicht erlaubt. Man muß dann eine Güterabwägung vornehmen.
Warum sagen Sie dann vorher das Gegenteil, lieber Zettel ? Dann müssten wir uns doch nicht streiten. Sie schrieben "Es gibt keine, wirklich keine Entschuldigung dafür, sich fremde Daten anzueignen." Keine ist für mich keine. Jetzt relativieren Sie es. Und schon sind wir ziemlich einig.
Ich habe jetzt nachgesehen, in welchem Kontext ich das so apodiktisch formuliert hatte. Es war in diesem Beitrag:
Zitat
Zitat von SF-Leserdarf ich fragen, ob Sie denn die Aktivitäten von Wikileaks grundsätzlich ablehnen und für verwerflich halten?
Eindeutig ja, lieber SF-Leser.
Es gibt keine, wirklich keine Entschuldigung dafür, sich fremde Daten anzueignen. In den USA gibt es bekanntlich den Freedom of Information Act, der sehr weitgehenden Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsdokumenten erlaubt. Damit kann sich jeder legal die Informationen beschaffen, die er haben will.
Aber keine Regierung, überhaupt keine Institution kann arbeiten, wenn sie nicht auch einen Bereich mit geheimen Daten hat. Wer in diesen Bereich einbricht, der ist aus meiner Sicht ein Krimineller.
Das bezog sich also auf die Aktivitäten von WikiLeaks. Das hätte ich deutlicher machen sollen. WikiLeaks veröffentlicht wahllos Daten, ohne daß es eine Notsituation gibt, die das rechtfertigen würde.
Wenn, sagen wir, das FBI einen Putsch gegen den demokratischen Rechtsstaat plante, jemand davon erführe und das dann unautorisiert an die Öffentlichkeit brächte, dann wäre das aus meiner Sicht gerechtfertigt. Der Gesetzesbruch ist so, wie ich es sehe, immer die ultima ratio, nur in einem Extremfall ethisch zulässig, in dem es kein anderes Mittel gibt, ein außerordentlich großes Übel abzuwehren.
Es ist meine Schuld, daß ich das nicht klarer formuliert hatte. Vielleicht führte das dazu, daß wir teilweise aneinander vorbeidiskutiert haben.
Zitat von hubersnich unterstelle mal, dass Sie den Fall "Climategate" nicht wirklich verfolgt haben, sonst würden Sie kaum eine solch uninformierte Aussage treffen. Ich empfehle Ihnen dringend, sich die entsprechende Literatur und die Blogs durchzulesen. Es ist hochinteressant, wie wenig wert z.B. die FoI-Rechte sind. Und ich fürchte, Ihr Idealbild der Wissenschaft würde auch erhebliche Kratzer davontragen.
Ich habe, lieber Hubersn, den Fall ziemlich genau vefolgt und mich durch viele Mails gequält.
Ich habe damals auch den Bericht der Kommission gelesen. Es gab ein paar flapsige Bemerkungen in den Mails. Daten wurden nicht hinreichend gesichert. Daß irgendwer betrogen hat, ist nicht bewiesen und noch nicht eimmal wahrscheinlich gemacht.
Hmmmm. "Betrug" ist ein starkes Wort, aber was sagen Sie zu den folgenden Climategate-Themenkomplexen: * Hide the Decline * Mike's Nature trick * delete your emails and correspondence * obstruct FoI requests * keep sceptic papers out of peer-reviewed magazines * the sceptics will never get the CRU data - I will delete it rather than handing it over * Yamal vs. Polar Urals update * non-availability/confidentiality of country temperature data
(Sorry für das viele Englisch, aber ich denke so lassen sich die Punkte leichter zuordnen.)
Gerade wenn Sie die Machenschaften der Untersuchungskommission (ich beziehe mich hier auf die Russell-Kommission, es wird ja wahrscheinlich noch weitere geben) gelesen haben, müssten Sie doch stutzig geworden sein - besonders die Begründung, warum Phil Jones nicht auf den "Delete-Request" angesprochen wurde.
Wenn Sie das alles unter die Rubrik "flapsige Bemerkung" einordnen wollen - das fände ich dann doch sehr merkwürdig.
Zitat von ZettelKönnen Sie bitte den Unterschied erläutern, lieber Llarian?
Ich werde es versuchen. Auch meine (persönliche) Ethik ist mit Sicherheit nicht frei von Fehlern, auch unterliege ich mit Sicherheit falschen Schlussfolgerungen und Beobachtungen. Und dennoch versuche ich das zu tun, was ich für richtig und geboten halte. Das nimmt der radikale Tierschützer genauso für sich in Anspruch und an dem Punkt unterscheiden wir uns auch nicht. Wo wir uns vielleicht unterscheiden sind die Folgen unseren Handelns. Wenn ich etwas für unbedingt geboten halte, dass gegen Gesetze verstösst, dann werde ich genauso mit den Konsequenzen leben, wie der Tierschützer oder der Taliban, wir alle werden an den Ergebnissen unseres Handelns bemessen. Nur sehe ich das "Verbrechen" nicht in dem Verstoss gegen Gesetze sondern im Ergebnis dessen. Vielleicht etwas anders ausgedrückt: Ich finde einen Mord nicht verwerflich weil der Staat ihn verbietet, sondern weil es zutiefst verwerflich ist, einen Menschen zu töten. Der Mord wäre nicht ein bischen besser, wenn er nicht verboten wäre.
Auf ihre Vergleiche angewandt bedeutet das, dass ich mich vom Taliban nicht darin unterscheide, dass ich es in bestimmten Situationen für geboten halte, die Regeln zu brechen. Ich unterscheide mich darin, dass ich keine Menschen ermorde. Ich werfe dem Taliban nicht vor, woran er glaubt, ich werfe ihm vor, dass er dafür mordet. Entscheidend ist immer das Ergebnis unseres Handelns: Ist die Welt danach ein besserer oder ein schlechterer Ort ?
Zitat Wem Sie es unter welchen Bedingungen zubilligen, gegen die Gesetze zu verstoßen und wem unter welchen Bedingungen nicht.
Ich kann nicht die ganze Ethik in einem Satz unterbringen, daran sind schon weit grössere Geister als der meine gescheitert. Ein recht gutes Merkaml wurde hier bereits genannt: Ein Gesetz kann gebrochen werden um ein grösseres Unrecht zu verhindern. Ebenso kann das Gesetz gebrochen werden, um einen anderen Menschen zu retten. Andere Motive sind denkbar. Ich stimme mit Ihnen überein, dass es gewisser Extremata bedarf, vor allem habe ich mich ja gegen die Absolutheitsaussage gewehrt.
Zitat In einem demokratischen Rechtsstaat gibt es keine ethische Berechtigung dafür, gegen die Gesetze zu verstoßen; es sei denn, es besteht eine der seltenen Situationen, in denen durch den Rechtsverstoß ein weitaus schlimmeres Übel abgewehrt wird oder werden soll und es kein anderes Mittel gibt. Fall Gäfgen/Daschner als mein Standard-Beispiel.
Ich deutete ja schon an, darauf kann man sich durchaus einigen. Auch das Beispiel ist gut gewählt.
Zitat Habe ich Sie richtig verstanden, daß wir aus Ihrer Sicht im Deutschland des Jahres 2011 aber gar nicht in einem demokratischen Rechtsstaat leben? Das müßte dann getrennt diskutiert werden; es ist ja ein ganz anderes Thema. Und ein nun wirklich schwerwiegendes.
Es ist in der Tat ein anderes Thema. Aber wir haben es so weit angerissen, dass ich mich zumindest ein bischen erkären möchte: Für mich ist die Frage ob man in einem demokratischen Rechtsstaat lebt keine binäre Entscheidung, es ist eher eine Strecke zwischen zwei Extremwerten. Und jeder Staat wird zwangsnotwendig irgendwo dazwischen liegen und sich ab und an ein bischen bewegen. Deutschland ist nach meinem Dafürhalten in zu vielen Beziehungen vom Ideal entfernt um wirklich noch als "demokratischer Rechtsstaat" durchzugehen, zumindest wenn man das Ideal vor Augen hat. Unser Staat hat einige demokratische Defizite und ebenso einige deutliche Defizite in Sachen Rechtsstaat. Und zumindest zu meinen Lebzeiten ist das nicht besser geworden, eher schlechter. Natürlich trennen uns von Diktaturen immernoch Welten. Aber es trennt uns inzwischen auch einiges von einem demokratischen Rechtsstaat, wenn auch deutlich weniger als von der Diktatur, wenn Ihnen dieser Unterschied am Herzen liegt. Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, dann werden meine Kinder nicht mehr in einem demokratischen Rechtsstaat leben, sondern in einer Ökodiktatur fragwürdiger Legitimation, basierend auf Dummheit und kombiniert mit einem Rechtsstaat der Grundrechte mit den Füssen tritt. Das macht mir ganz ehrlich Sorgen.
Zitat von hubersnHmmmm. "Betrug" ist ein starkes Wort, aber was sagen Sie zu den folgenden Climategate-Themenkomplexen: * Hide the Decline * Mike's Nature trick * delete your emails and correspondence * obstruct FoI requests * keep sceptic papers out of peer-reviewed magazines * the sceptics will never get the CRU data - I will delete it rather than handing it over * Yamal vs. Polar Urals update * non-availability/confidentiality of country temperature data
Ich habe mich, wie gesagt, damals durch dieses Konvolut von Emails gequält. Die Einzelheiten sind mir nicht mehr präsent, aber in jedem Fall ergab sich für mich eine harmlose Aufklärung.
Gut möglich, daß ich das nicht objektiv sehe. Ich habe jahrzehntelang wissenschaftliche Forschung betrieben, in einer ähnlichen Funktion wie Phil Jones.
Ich stelle mir vor, wie es gewesen wäre, wenn mich jemand, der selbst überhaupt nicht auf meinem Gebiet forscht, der noch nie eine wissenschaftliche Arbeit publiziert hat, mit Anfragen bombardiert, die meine Daten betreffen. Er darf das in GB, weil es dort das FoI gibt.
Ich hätte mich über den Betreffenden zunehmend geärgert, ihm das unbedingt Erforderliche mitgeteilt und versucht, möglichst wenig meiner Arbeitszeit und derjenigen meiner Mitarbeiter mit der Beantwortung solcher Anfragen zu verschwenden.
Wenn jemand an meiner wissenschaftlichen Arbeit etwas zu bemängeln hat, dann soll er selbst forschen, seine Ergebnisse in einer peer-reviewed Fachzeitschrift publizieren; dann können wir diskutieren. Aber keiner derer, die Phil Jones behelligt haben, war wissenschaftlich ausgewiesen; jedenfalls, soweit mir das bekannt ist.
Das ist das eine. Dann gibt es diese Äußerungen über Tricks usw. To do the trick ist eine gängige Redensart; es heißt ungefähr: die Sache hinkriegen. To hide the decline - wenn man eine Theorie hat, dann versucht man halt, die Daten so zu interpretieren, daß sie dazu passen.
Die Vorstellung, daß Phil Jones damit sagt, daß er betrügen wollte, halte ich für abwegig. Denn jeder Fachkollege hätte das doch erkennen können. Die Wissenschaftler sind doch keine Bande von Betrügern, sondern Leute, die eine diebische Freude daran haben, jeden Irrtum aufzudecken.
Ich bin da engagiert, lieber Hubersn. Es herrscht in der Öffentlichkeit eine Vorstellung von Wissenschaft, die mit deren Praxis keine Ähnlichkeit hat.
Es kommt immer wieder vor, daß eine falsche Theorie sich hält; das ist wahr.
Bis Galilei glaubten die meisten Physiker, daß ein in Bewegung befindlicher Körper allmählich langsamer wird, weil seine Energie sich erschöpft.
Man glaubte später an den Äther. Als Einstein die Idee der Photonen entwickelte, hielten die meisten Physiker das für abwegig, denn man hatte doch harte Beweise für die Wellennatur des Lichts. Der genetische Anteil an der Varianz der Intelligenz wurde Jahrzehnte geleugnet, weil das nicht pc war. Und so fort.
So könnte es auch jetzt mit ACC sein. Vielleicht erweist sich diese herrschende Theorie als falsch. Dann werden die Wissenchaftler, wenn die Belege da sind, das einsehen; so, wie Thomas Kuhn das beschrieben hat. Betrug spielt dabei keine Rolle.
lassen Sie mich meine Position auf eine einfach Formel bringen: Wenn jeder von uns gemäß seiner eigenen Ethik handelt, dann zerfällt die Gesellschaft. Es geht einfach nicht.
Weil das so ist, sind Kulturen immer wesentlich Rechtssysteme gewesen. Von Hammurabi über die biblischen Propheten bis Solon kann man verfolgen, wie alles darum kreiste, daß die jeweilige Kultur sich auf für alle verbindliche Gesetze verständigte.
Jeder von uns wird manches Gesetz falsch finden; vielleicht empörend. Er muß sich daran halten. Er sollte es nicht nur aus Angst vor Strafe tun, sondern aus der Einsicht heraus, daß man seine eigene Ethik den Gesetzen unterordnen muß.
Es gibt zwei Ausnahmen: Wenn die Gesetze offenkundig ungerecht sind, wie in einer Tyrannis, dann gibt es keinen Grund, sich an sie zu halten. Und auch in einem demokratischen Rechtsstaat kann es zu einer der seltenen Ausnahmesituationen kommen, in denen man ein Gesetz brechen muß, um Menschenleben zu retten oder sonst einem übergeordenten Wert zu folgen.
Ich fürchte, lieber Llarian, besser kann ich es nicht sagen. Wahrscheinlich teilen Sie meine Position nicht. Aber wir sind halt auf einer Ebene, wo man seine Haltung nicht weiter begründen kann. Ich jedenfalls kann das nicht.
Zitat von ZettelJede von uns wird manches Gesetz falsch finden; vielleicht empörend. Er muß sich daran halten. Er sollte es nicht nur aus Angst vor Strafe tun, sondern aus der Einsicht heraus, daß man seine eigene Ethik den Gesetzen unterordnen muß.
Sie schrieben kürzlich davon, daß Heinrich von Brentanos Lebenswandel aller Wahrscheinlichkeit nach gesetzwidrig gewesen sei, daß das eigentlich ein offenes Geheimnis gewesen sei, Adenauer aber egal. Ich verstand diese Darstellung durchaus als Zeitenlob.
Damit hatte und habe ich so weit kein Problem, weil ich das betreffende Gesetz niemals als rechtmäßig anerkennen würde, egal ob es in einer Diktatur oder in einem Rechtsstaat verabschiedet wurde und angewandt wird. Aber wie läßt es sich im Rahmen Ihrer Auffassung denn rechtfertigen, einen Gesetzesbrecher im Kabinett zu belassen, wie läßt es sich rechtfertigen, daß das dem Kanzler ist? Dadurch, daß es keine gerichtsfesten Beweise gibt? Obwohl Sie ja fest davon ausgehen, daß der betreffende Tatbestand dennoch vorlag? Die ethische Dimension des Strafrechts, von der Sie schreiben, kann doch kaum davon abhängen, ob man erwischt wird. Der Umstand, daß von Brentano nicht erwischt wurde, sollte dann doch zumindest kein Anlaß für ein Lob der Umstände im Vergleich zu den heutigen sein.
Ja, ich stelle meine eigene Urteilskraft und Ethik im Zweifel höher an, als das StGB - was mir auch kein Gesetz verbietet. Nur wenn ich tatsächlich gegen ein Gesetz verstieße, dann müßte ich, wie Llarian schrieb, natürlich bereit sein, die strafrechtlichen Konsequenzen zu tragen.
Zitat von ZettelJede von uns wird manches Gesetz falsch finden; vielleicht empörend. Er muß sich daran halten. Er sollte es nicht nur aus Angst vor Strafe tun, sondern aus der Einsicht heraus, daß man seine eigene Ethik den Gesetzen unterordnen muß.
Sie schrieben kürzlich davon, daß Heinrich von Brentanos Lebenswandel aller Wahrscheinlichkeit nach gesetzwidrig gewesen sei. daß das eigentlich ein offenes Geheimnis gewesen sei, Adenauer aber egal. Ich verstand diese Darstellung durchaus als Zeitenlob.
Homosexuell zu sein war auch in der Adenauerzeit nicht strafbar; es wahren homosexuelle Handlungen. Ob v. Brentano gegen den damaligen Paragraphen 175 verstoßen hat, weiß ich nicht. Wenn ja, dann wäre es rechtens gewesen, ihn dafür zu verurteilen. Allerdings wurde von diesem Paragraphen meines Wissens nur sehr selten Gebrauch gemacht.
Zitat von LokiDamit hatte und habe ich so weit kein Problem, weil ich das betreffende Gesetz niemals als rechtmäßig anerkennen würde, egal ob es in einer Diktatur oder in einem Rechtsstaat verabschiedet wurde und angewandt wird.
Ja, dann müssen Sie halt dafür eintreten, es zu ändern, liebe(r) Loki. Das ist ja dann zu Glück auch im Fall des Paragraphen 175 geschehen.
Der demokratische Rechtsstaat sieht das vor, daß Gesetze geändert werden können. Aber solange sie gelten, hat niemand ein Recht, sie zu brechen. Von den Ausnahmen abgesehen, die ich erläutert habe.
Er kann sich natürlich entscheiden, sich rechtswidrig zu verhalten. Das ist seine Sache.
Zitat von ZettelHomosexuell zu sein war auch in der Adenauerzeit nicht strafbar; es wahren homosexuelle Handlungen. Ob v. Brentano gegen den damaligen Paragraphen 175 verstoßen hat, weiß ich nicht.
Danke, das ist natürlich ein Unterschied, den ich nicht bedacht hatte.
Zitat von ZettelJa, dann müssen Sie halt dafür eintreten, es zu ändern, liebe(r) Loki. Das ist ja dann zu Glück auch im Fall des Paragraphen 175 geschehen.
Das Gegenteil habe ich ja nie behauptet oder gefordert.
Zitat von ZettelDer demokratische Rechtsstaat sieht das vor, daß Gesetze geändert werden können. Aber solange sie gelten, hat niemand ein Recht, sie zu brechen. Von den Ausnahmen abgesehen, die ich erläutert habe.
Er kann sich natürlich entscheiden, sich rechtswidrig zu verhalten. Das ist seine Sache.
Ja, freilich wird ein Gesetz (theoretisch) angewendet, so lange es besteht, und ein Recht, sich rechtswidrig zu verhalten, kann es natürlich nicht geben, wenn der Rechtbegriff rein juristisch gefaßt ist. Es geht (mir, und ich denke auch Llarian) nicht darum, daß der Staat von Strafverfolgung absehen sollte, wenn ein Gesetz aus Gewissensgründen gebrochen wurde, sondern darum, daß das Gewissen nicht völlig mit dem Recht übereinstimmen muß.
Die von Ihnen genannten Ausnahmen etwa sind Extrembeispiele, bei denen der vermeintliche Rechtsbruch i.d.R. auch nicht geahndet würde, weil er von einem Gericht als gerechtfertigt angesehen würde. Es wird Abstufungen geben, bei denen dem Handelnden nicht mehr völlig klar sein kann, ob sein Rechtsbruch als solche Ausnahme anzusehen ist. Dann muß er sich entscheiden, sich möglicherweise rechtswidrig zu verhalten, und diese Entscheidung kann ihm das Recht nicht mehr abnehmen, weil das Recht keine eindeutige Antwort mehr gibt.
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