Erstmals veranstalten die französischen Sozialisten in diesem Jahr "offene" Vorwahlen, an denen nicht nur Parteimitglieder teilnehmen dürfen, sondern jeder, der sich zu den (sehr, sehr weitgefaßten) "Werten der Linken" bekennt.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird François Hollande gewinnen - und damit ausgezeichnete Chancen haben, der nächste Präsident Frankreichs zu werden.
Zitat von ZettelAller Wahrscheinlichkeit nach wird François Hollande gewinnen - und damit ausgezeichnete Chancen haben, der nächste Präsident Frankreichs zu werden.
Falls es interessiert - hier kann man die Auszählung fortlaufend verfolgen.
Bisher steht noch überall eine Null.
Ich wundere mich aber a bisserl, daß dieses Thema in Deutschland so geringen Widerhall findet. Frankreich ist unser wichtigstes Partnerland. Wenn dort demnächst die Linke regiert - was stets auch bedeutet, daß die Kommunisten mitregieren -, dann wird das Europa verändern.
Sollte auch noch Berlusconi fallen, dann werden auch in Italien die Kommunisten mitregieren.
Der Kommunismus ist ja nicht tot. In der demnächst mächtigsten Nation der Welt herrschen die Kommunisten. In Vietnam herrschen sie, das den Weg Chinas geht. Ein kommunistischer Aufschwung auch in Europa als Folge der jetzigen Finanzkrise ist eine wahrscheinliche Möglichkeit.
Sieht momentan nach dem aus, was du prophezeit hast. Hollande vor Aubry, mit folgender Stichwahl. Der sich abzeichnende Achtungserfolg von Globalisierungsgegner Montebourg deutet allerdings daraufhin, dass diese Stichwahl spannend werden könnte.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von RaysonSieht momentan nach dem aus, was du prophezeit hast. Hollande vor Aubry, mit folgender Stichwahl. Der sich abzeichnende Achtungserfolg von Globalisierungsgegner Montebourg deutet allerdings daraufhin, dass diese Stichwahl spannend werden könnte.
Die Sozialisten wären nicht Sozialisten, wenn sie zügig auszählen würden. Auch jetzt - um fünf Uhr morgens - gibt es noch kein Ergebnis.
Aber der Trend ist so, wie du schreibst: Holllande bekommt zwischen 30 und 40 Prozent, Martine Aubry rund 10 Prozentpunkte weniger. Montebourg liegt bei ungefähr 17 Prozent. Ségolène Royal, die Jeanne d'Arc von vor fünf Jahren, hat buchstäblich geweint. Sie hat gerade einmal 7 Prozent errungen.
Dabei ist sie bestimmt nicht schlechter als ihr einstiger Lebensgefährte Hollande. Nur eben eine Verliererin. So funktioniert halt Politik.
Und noch ein Bonbon für dich als Frankophonen, lieber Rayson. Wie findest du diesen Satz, der im Augenblick beim Nouvel Observateur steht?:
Zitat Egalement sur place, la députée Aurélie Filippetti va à peine plus loin : "Ils vont s'en doute se parler, mais il n'y aura pas de tractations."
Die franzöische Bildung ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.
Zitat Ich wundere mich aber a bisserl, daß dieses Thema in Deutschland so geringen Widerhall findet. Frankreich ist unser wichtigstes Partnerland. Wenn dort demnächst die Linke regiert - was stets auch bedeutet, daß die Kommunisten mitregieren -, dann wird das Europa verändern.
Hmm, na ja, es sind halt nur Vorwahlen!
Erstaunlich finde ich dagegen, daß die richtigen Wahlen in Polen mit deren Richtungsentscheidung für Herrn Tusk nur recht wenig Beachtung fanden. Auch daß es dort eine neue junge Partei, die in Teilen wohl mit den Piraten zu vergleichen sind, mit mehr als 10% gegeben hat. U.a. eben auch hier!
Zum letzen Satz: Mitterand war doch wohl auch Sozialist, hat sich deshalb viel in Europa geändert?
Zitat von ZettelEine starke Kandidatin wird Marine Le Pen sein, die für den rechtsextremen Front National antritt. Aber wenn nicht noch etwas sehr Überraschendes passiert, dann wird siegen, wer für die Sozialisten kandidiert.
Zitat von ZettelIch wundere mich aber a bisserl, daß dieses Thema in Deutschland so geringen Widerhall findet. Frankreich ist unser wichtigstes Partnerland. Wenn dort demnächst die Linke regiert - was stets auch bedeutet, daß die Kommunisten mitregieren -, dann wird das Europa verändern.
Sie prognostizieren einen sozialistischen Präsidenten und erwarten ferner, daß die Stichwahl zwischen dem sozialistischen Kandidaten und Marine Le Pen stattfinden wird. Das drängt die Frage auf, ob man nicht, wenn denn dies die einzigen Alternativen sind, auf eine Präsidentin Le Pen hoffen müßte. Das werden Sie sicher nicht unterschreiben, da Sie den FN als rechtsextrem bezeichnen. Es würde mich sehr interessieren, wenn Sie - als Frankreichkenner, der ich mangels hinreichender Sprachkenntnisse leider nicht sein kann - in ganz knapper Form erläutern könnten, was gegenwärtig, 2011, das rechtsextreme am FN ausmacht und weshalb eine Präsidentin Le Pen für Frankreich und für Europa die jedenfalls schlechtere Wahl auch gegenüber einem Sozialisten wäre.
Auch scheinen Sie die Wähler der bürgerlichen Parteien in Frankreich so einzuschätzen, daß sie in der genannten Stichwahl zumindest mehrheitlich einen Sozialisten wählen würden, um Le Pen zu verhindern. Worauf stützt sich diese Einschätzung? Was wäre, wenn diese Wähler weder Hollande noch Le Pen unterstützen wollen und schlicht zuhause bleiben? Ist die Auffassung, daß ein Präsident aus den Reihen des FN um jeden Preis verhindert werden müsse, unter bürgerlich-konservativen Wählern in Frankreich flächendeckend gegeben?
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Zitat von SF-LeserMitterand war doch wohl auch Sozialist, hat sich deshalb viel in Europa geändert?
Ja! Wenn ich mich recht erinnere, ging es damals Frankreich wirtschaftlich schlecht genug, dass eine Abwertung des Francs kaum zu verhindern war. Da war der Wunsch, an Deutschlands damaliger Stärke zu partizipieren, nur natürlich.
Zitat von RaysonIch bin zwar nach all den Jahren viel weniger frankophon als -phil, aber natürlich erkenne ich auf den ersten Blick, dass es "son doute" heißen muss
Setzen, sechs. Es muß cent doute heißen.
Übrigens ist das, lieber Rayson, ein Beispiel für die Besonderheit des Französischen bei der Zuordnung von Phonemen zu Graphemen; anders als im Deutschen und anders als im Englischen.
Im Deutschen kann man es in der Regel einem Wort "ansehen", wie es ausgesprochen wird, und man kann meist auch, wenn man die Regeln kennt, sagen, wie ein gesprochenes Wort geschrieben wird - auch wenn man dieses Wort noch nie gehört hat. Hier ist die Zuordnung also ein-eindeutig.
Im Englischen ist sie mehr-mehrdeutig. Niemand kann dem gschriebenen Wort women ansehen, wie es ausgesprochen. George Bernard Shaw hat ja den Witz gemacht, daß man fish auch ghoti schreiben könnte - gh wie in laugh, o wie in women, ti wie in mention.
Im Französischen ist aber die Zuordnung ein-mehrdeutig. Man weiß, wenn man ein Wort sieht, wie es ausgesprochen wird. Man kann aber von der Aussprache überhaupt nicht auf die Schreibung schließen.
In unserem jetzigen Fall kommen sans, sang, cent, sent, sens, s'en in Frage.
Richtig schreiben kann ein Franzose nur, wenn er grammatisches Versändnis hat. Es gab einmal einen berühmten Kriminalfall, wo angeblich das Opfer, eine Lehrerin, den Namen ihres Mörders mit ihrem eigenen Blut an die Wand geschrieben hat: "C'est Kassem qui m'a tuer".
Auch nah dem Tod macht eine Lehrerin einen solchen Fehler nicht, wurde argumentiert.
Zitat von ZettelDie Sozialisten wären nicht Sozialisten, wenn sie zügig auszählen würden. Auch jetzt - um fünf Uhr morgens - gibt es noch kein Ergebnis.
Und zwölf Stunden später immer noch nicht.
Im Augenblick sind, mühsam nährt sich das Eichhörnchen, 85 Prozent der Stimmen ausgezählt. Hollande liegt bei 39, Aubry bei 31 Prozent. Royal hält ihre 7 Prozent, Montebourg seine starken 17 Prozent.
Im zweiten Wahlgang könnte Aubry noch gewinnen, wenn sie ein Bündnis schmiedet. Als wahracheinlich wird das aber nicht angesehen.
Zitat von FAB.Sie prognostizieren einen sozialistischen Präsidenten und erwarten ferner, daß die Stichwahl zwischen dem sozialistischen Kandidaten und Marine Le Pen stattfinden wird.
Das erste ja, das zweite nicht. Sie kann auch zwischen einem Sozialisten und Sarkozy stattfinden.
Zitat von FAB.Das drängt die Frage auf, ob man nicht, wenn denn dies die einzigen Alternativen sind, auf eine Präsidentin Le Pen hoffen müßte. Das werden Sie sicher nicht unterschreiben, da Sie den FN als rechtsextrem bezeichnen. Es würde mich sehr interessieren, wenn Sie - als Frankreichkenner, der ich mangels hinreichender Sprachkenntnisse leider nicht sein kann - in ganz knapper Form erläutern könnten, was gegenwärtig, 2011, das rechtsextreme am FN ausmacht und weshalb eine Präsidentin Le Pen für Frankreich und für Europa die jedenfalls schlechtere Wahl auch gegenüber einem Sozialisten wäre.
Es gibt in Frankreich feststehende und allgemein verwendete Bezeichnungen für die politischen Strömungen. Da wird nun einmal der FN der extrème droite zugeordnet. (Die Kommunisten übrigens der gauche und nicht der extrème gauche; dort waren einst die Maoisten und sind heute die Trotzkisten zu finden).
Was die Wahl von Marine le Pen bedeuten würde, weiß ich nicht, lieber FAB. Sie wird jedenfalls nicht stattfinden. Auch ihr Vater war ja einmal in der Stichwahl gegen Chirac. Das Ergebnis war, daß alle Nicht-Anhänger des FN, bis hin zu den Kommunisten, für Chirac gestimmt haben.
Zitat von FAB.Auch scheinen Sie die Wähler der bürgerlichen Parteien in Frankreich so einzuschätzen, daß sie in der genannten Stichwahl zumindest mehrheitlich einen Sozialisten wählen würden, um Le Pen zu verhindern. Worauf stützt sich diese Einschätzung? Was wäre, wenn diese Wähler weder Hollande noch Le Pen unterstützen wollen und schlicht zuhause bleiben? Ist die Auffassung, daß ein Präsident aus den Reihen des FN um jeden Preis verhindert werden müsse, unter bürgerlich-konservativen Wählern in Frankreich flächendeckend gegeben?
Ja, so ist es; wie erläutert.
Das geht zurück auf die Zeit der deutschen Besatzung. Der FN wird von allen, die ihm nicht anhängen, Vichy zugeordnet. Auch der konservativste Konservative, der sich als Republikaner versteht, will damit nichts zu tun haben.
Marine Le Pen ist eine sympathische und intelligente Frau, die sich auch recht kräftig von ihrem Vater emanzipiert hat. Eine Mehrheit der Franzosen wird sie aber nicht hinter sich bekommen.
Zitat von ZettelEs gibt in Frankreich feststehende und allgemein verwendete Bezeichnungen für die politischen Strömungen. Da wird nun einmal der FN der extrème droite zugeordnet.
Hat das in Frankreich mehr inhaltliche Aussagekraft als hier in Deutschland, wo diese Bezeichnung de facto nichts weiter besagt, als daß der Bezeichnete weder Regierungsanhänger noch ausgewiesener Linker ist?
Zitat von ZettelWas die Wahl von Marine le Pen bedeuten würde, weiß ich nicht, lieber FAB. Sie wird jedenfalls nicht stattfinden. Auch ihr Vater war ja einmal in der Stichwahl gegen Chirac. Das Ergebnis war, daß alle Nicht-Anhänger des FN, bis hin zu den Kommunisten, für Chirac gestimmt haben.
Ja, damals, die Linken, gegen Le Pen senior. Würden die Bürgerlichen heute, zehn Jahre später, aktiv einen Sozialisten gegen Le Pen junior unterstützen?
Zitat von ZettelJa, so ist es; wie erläutert. Das geht zurück auf die Zeit der deutschen Besatzung. Der FN wird von allen, die ihm nicht anhängen, Vichy zugeordnet. Auch der konservativste Konservative, der sich als Republikaner versteht, will damit nichts zu tun haben.
Zumindest das vormalige Nachrichtenmagazin meint, das habe sich zwischenzeitlich geändert:
Zitat von SPIEGEL 27/2011Le Pen trat auf wie ein Wüterich, ein Ungetüm aus einer anderen Zeit, ein Mann, der auf seine Gegner auch schon mal brüllend losrannte. Seine Anhänger waren Erzkatholische, Rechtsextreme, Vichy-Verehrer - doch vor allem enttäuschte Protestwähler. Auf den größten Erfolg folgte der Abstieg. Der Front national, zerstritten bis zur Spaltung, ging beinahe pleite. Die Partei brauchte ein neues Gesicht und fand es ausgerechnet in der jüngsten Tochter des alten Mannes. Es scheint nun, als habe es nur sie gebraucht, um den FN von einem Bund der Geächteten zu einer Partei wie jeder anderen zu machen. Laut Umfragen sieht ihn die Mehrheit der Franzosen bereits so.
Daß sie zumindest die Stichwahl erreicht, dürfte recht wahrscheinlich sein. Denn die EU- und Eurorettungs-Politik der französischen Regierung ist wohl auch nicht eben beliebt im Volk. Das wird auch in einem halben Jahr noch ein beherrschendes Thema sein, sich eher noch zuspitzen, und Sarkozys Wahlchancen kaum verbessern. Fliegt uns bis dahin der Euro um die Ohren, ist sowieso alles möglich.
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Zitat von FAB.Würden die Bürgerlichen heute, zehn Jahre später, aktiv einen Sozialisten gegen Le Pen junior unterstützen?
Eindeutig ja.
Marin Le Pen liegt in den Umfragen bei ungefähr zwanzig Prozent. Sie kann es damit in den zweiten Wahlgang schaffen oder auch nicht. Daß sie Präsidentin wird, ist ungefähr so wahrscheinlich, wie daß Oskar Lafontaine Bundeskanzler wird.
Das, was man in Frankreich die republikanische Solidarität nennt, steht nach wie vor. Eher verbündet sich ein Konservativer mit enem Kommunisten als mit Le Pen.
Zitat von ZettelIch wundere mich aber a bisserl, daß dieses Thema in Deutschland so geringen Widerhall findet. Frankreich ist unser wichtigstes Partnerland. Wenn dort demnächst die Linke regiert - was stets auch bedeutet, daß die Kommunisten mitregieren -, dann wird das Europa verändern.
Wenn das so weiter geht wie im Moment, brauchen sie die Kommunisten am Ende gar nicht mehr einbeziehen.
Zitat von ZettelSollte auch noch Berlusconi fallen, dann werden auch in Italien die Kommunisten mitregieren.
Und hier bin ich mir noch weniger sicher, ob man dort auf die Kommunisten angewiesen sein wird, zumal sich ja der PD zumindest bei seiner Gründung ausdrücklich von den Kommunisten abgesetzt hat.
Einen mehrheitsfähigen centrosinistra geschaffen zu haben, wird als dauerhaftes historisches Vermächtnis des Cavaliere in die Geschichtsbücher eingehen.
Zitat von ZettelIch wundere mich aber a bisserl, daß dieses Thema in Deutschland so geringen Widerhall findet. Frankreich ist unser wichtigstes Partnerland. Wenn dort demnächst die Linke regiert - was stets auch bedeutet, daß die Kommunisten mitregieren -, dann wird das Europa verändern.
Wenn das so weiter geht wie im Moment, brauchen sie die Kommunisten am Ende gar nicht mehr einbeziehen.
Das sehe ich nicht so, lieber FTT.
Wegen der Stärke des FN wird es viele sogenannte triangulaires geben, also Wahlbezirke, bei denen nach dem ersten Wahlgang drei starke Kandidaten übrigbleiben. Der Linke wird dann in der Regel nur gewinnen können, wenn er im zweiten Wahlgang die Unterstützung der gesamten Linken hat - also der PC, der unter Mithilfe von Oskar Lafontaine gegründeten La Gauche und der Trotzkisten.
Zitat von FTT_2.0
Zitat von ZettelSollte auch noch Berlusconi fallen, dann werden auch in Italien die Kommunisten mitregieren.
Und hier bin ich mir noch weniger sicher, ob man dort auf die Kommunisten angewiesen sein wird, zumal sich ja der PD zumindest bei seiner Gründung ausdrücklich von den Kommunisten abgesetzt hat.
Ich habe die Entwicklung in Italien nicht so verfolgt wie die in Frankreich. Aber es gibt dort ja mehrere kommunistische Parteien - die Rifondazione Comunista, die mit unserer Gysi-Bisky-Partei verschwistert ist, die Comunisti Italiani und andere. Ich sehe nicht, wie eine Linke ohne sie regieren will.
Es ist ja mehrfach mit diesen Revoluzzern versucht worden. Jede dieser Linksregierungen ist gescheitert, weil man nicht zugleich regieren und Revolution machen kann.
Zitat von ZettelEs ist ja mehrfach mit diesen Revoluzzern versucht worden. Jede dieser Linksregierungen ist gescheitert, weil man nicht zugleich regieren und Revolution machen kann.
Da fällt mir mühelos »Der Revolutzer« von Erich Mühsam aus dem Hirn.
Zitat von ZettelIm Augenblick sind, mühsam nährt sich das Eichhörnchen, 85 Prozent der Stimmen ausgezählt. Hollande liegt bei 39, Aubry bei 31 Prozent. Royal hält ihre 7 Prozent, Montebourg seine starken 17 Prozent.
Zitat von ZettelÜbrigens ist das, lieber Rayson, ein Beispiel für die Besonderheit des Französischen bei der Zuordnung von Phonemen zu Graphemen; anders als im Deutschen und anders als im Englischen.
Vielen Dank, lieber Zettel, für diesen Exkurs. Bei der Charakterisierung der französischen Sprache werde ich dir ganz sicher nicht widersprechen. Aber die Zuordnungen im Deutschen sind auch nicht so ganz ein-eindeutig, oder vielleicht muss man sagen: Sie waren es nicht. Es war ja gerade eins der Attentate der Neuen Rechtschreibung auf die Deutsche Sprache, dass diese Ein-Eindeutigkeit hergestellt wurde (z.B. "gräulich" statt "greulich"). Aber so häufig wie im Französischen treten/traten diese Fälle wohl nicht auf.
Gibt es eigentlich eine Sprache mit wirklich durch und durch ein-eindeutiger Zuordnung in diesem Sinn? Beim Ungarischen kann ich es schon mal ausschließen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von RaysonEs war ja gerade eins der Attentate der Neuen Rechtschreibung auf die Deutsche Sprache, dass diese Ein-Eindeutigkeit hergestellt wurde (z.B. "gräulich" statt "greulich").
Das ist ja gerade nicht ein-eindeutig - das Phonem "oi" kann mal "äu" ("gräulich"), mal "eu" ("Leute") geschrieben werden. Man muss eben auch noch wissen, dass "gräulich" etwas mit dem Morphem "grau" zu tun hat.
Zitat von RaysonGibt es eigentlich eine Sprache mit wirklich durch und durch ein-eindeutiger Zuordnung in diesem Sinn?
Theoretisch würde ich das bei vielen Sprachen annehmen - Latein in klassischer Aussprache, Russisch, Sanskrit, Georgisch... Das Problem ist dann immer, ob in der Praxis Konsonanten tatsächlich in der Aussprache unterschieden werden. Beispielsweise weist das Sanskrit vier verschiedene "n" auf, die bedeutungsunterscheidend sind, theoretisch auch unterschiedlich ausgesprochen werden - nämlich an unterschiedlichen Stellen im Mund artikuliert werden, von vorn nach hinten dental, retroflex, palatal oder velar - aber inwieweit das im täglichen Sprachgebrauch tatsächlich unterschieden wird oder wurde, naja...
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von RaysonGibt es eigentlich eine Sprache mit wirklich durch und durch ein-eindeutiger Zuordnung in diesem Sinn?
Türkisch und Spanisch fallen mir da ein - beides Sprachen, wo die Schrift vor nicht allzu langer Zeit (Anfang letztes Jahrhundert) durch eine große Reform mit der Aussprache in Einklang gebracht wurde.
Zitat von RaysonGibt es eigentlich eine Sprache mit wirklich durch und durch ein-eindeutiger Zuordnung in diesem Sinn?
Türkisch und Spanisch fallen mir da ein - beides Sprachen, wo die Schrift vor nicht allzu langer Zeit (Anfang letztes Jahrhundert) durch eine große Reform mit der Aussprache in Einklang gebracht wurde.
Für das Spanische hatte ich das gar nicht gewußt; danke! Beim Türkischen war es zwangsläufig, weil ja die arabische durch die lateinische Schrift ersetzt wurde.
Ich glaube, Sie sprechen den entscheidenden Punkt an, lieber R.A.: Ob eine Sprache orthographically deep oder orthographically shallow ist, hängt wesentlich davon ab, aus welcher Zeit die Rechtschreibung stammt.
Oft ist das die jeweilige Klassik - die Shakespeare-Zeit im Englischen, die von Racine und Molière im Französischen, die deutsche Klassik. (Noch Goethes Mutter, die Frau Rath Goethe, schrieb bekanntlich ein schauderhaftes Deutsch).
Und beim Spanischen hätte ich auf Cervantes getippt und mich dabei nach dem, was Sie schreiben, fürchterlich vertan.
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