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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 15 Antworten
und wurde 1.689 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.10.2011 06:41
Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

George Friedman befaßt sich mit der Politik wie ein Wissenschaftler - kühl, analytisch, sine ira et studio. Was er hier über Europa schreibt, trifft aus meiner Sicht den Kern des Problems.

In Griechenland konnte man sich immer durchwurschteln und wird es auch weiter können. Dort deutsche Mentalität zu erzwingen ist maßlos, ist arrogant und ist zum Scheitern verurteilt.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

11.10.2011 07:45
#2 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Lieber Zettel,

man muss die Komplexität der europäischen Situation nicht unbedingt im Detail verstehen, es genügt erst mal, dass man sich der Komplexität bewusst ist und nicht ignoranterweise gegen sie politische Ziele durchsetzt. Konkret heißt das, dass beispielsweise Verträge nur dann Sinn machen, wenn eine Kontrolle in gutem Umfang möglich ist. Die Euro-Zone krankt von Anfang an daran, dass die Kontrolle der politischen Agenda hintenangestellt wurde. Und man hat, wie ich in der letzten Zeit lernen durfte, Lücken oder Hintertüren zugelassen, die den jeweiligen nationalen Souverän aushebeln (z.B. Target 2, Freiheitsgrade für nationale Notenbanken).

Das Management unterschiedlicher nationaler Eigenheiten ist für multinationale Konzerne Alltag. Diese schaffen es aber, ihre Grundregeln international zu etablieren und in internen Audits deren Einhaltung sicherzustellen, ohne sich allzu sehr in nationale Besonderheiten einzumischen, bzw. diese im Detail zu verstehen. Lasche Umsetzung rächt sich immer.

Griechenland kann noch so eine aus deutscher Sicht chaotische Wirtschaftsstruktur haben, solange die Regeln auf währungspolitischer Seite klar, die statistische Auswertung kritischer Parameter unabhängig bestätigt, und die Rahmenbedingungen ohne politischen Einfluss sind. Dann hat auch die Kreditwirtschaft klare Rahmenbedingungen und muss ihre Riskien und auch die Folgen daran orientieren. Es geht aber nicht, dass Hintertürchen existieren, die vielleicht sogar bewusst offengehalten wurden, deren Existenz wenigen Finanzleuten bekannt ist, und die diese voll in ihr Kalkül einbezogen haben. Bevor weiterer Schaden angerichtet wird müssen diese Lücken geschlossen sein - auch wenn es erst mal teuer ist.

Ohne klare Regeln und unabhängiger Verantwortung hat man sonst die Situation die gestern vom Management der Dexia vorgetragen wurde: Man wurde von politischer Seite gedrängt, griechische Staatsanleihen zu halten. Das hegt nur, wenn dem ein politsiches Committment gegenübersteht. Das ist fatal.

Gruß, Martin

123 Offline



Beiträge: 287

11.10.2011 09:08
#3 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Schuldenursache - darüber wird weder diskutiert noch von den Medien berichtet, sind die Sozialtransfers und Ausgaben für Staatsbedienstete.

Und das nicht nur in Griechenland, sondern auch in der BRD. Und hier wie dort sind diese weit höher als die Steuereinnahmen. Ja sogar höher als
die Produktivität selbst eines Landes wie der BRD es zulässt ohne sich permanente und ständig steigende Neuverschuldungen aufzuerlegen.

Man redet und schreibt von den Schulden als wären sie vom Himmel gefallen. Nicht aber darüber, wer denn all dieses Schuldgeld bekommt.
In der BRD ist der Sozialbereich und die Kosten für staatlich Bedienstete, ob nun angestellt oder beamtet, sowie solche Angestellten die direkt abhängig sind von staatliche Finanzierung, der höchste Ausgabenblock.

Man tut so, als fehle es in der EU an gemeinsamer Wirtschafspolitik, an geleichgeschalteten Verwaltungsstrukturen ect. Als wäre die Lösung einzig in noch mehr zentralstaatlicher Kontrolle gelegen. Das ist grundfalsch, weil damit die Ursache der Verschuldung nicht im Ansatz behoben, ja nicht einmal benannt wird.

Diese ist letztlich der Turbosozialstaat - in Analogie zum linken Kampfbegriff des Turbokapitalismus, welcher aber eher fiktives Feindbild ist, während der Turbosozialstaat bittere direkt in den Bankrott führende Realität ist und zur Armut für alle führt, also dem genauen Gegenteil dessen was er verspricht.

In keinem Medium wird analysiert, daß die einzige Ursache der Schuldenkrise lautet: Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben als man erwirtschaftet. Denn damit wird DAS Tabu unserer heutigen Zeit in finanziellen Fragen berührt. Der Unantastbarkeit des Glaubens an einen Sozialstaat der gemäß Rechtsansprüchen Geld verteilt, aber vollkommen die Finanzierbarkeit ignoriert.

Egal wie die wirtschaftlichen oder verwaltenden Strukturen in Griechenland sind im Kontrast zur BRD. Die BRD hat das selbe Problem: Ausgaben die viel höher liegen als sie erwirtschaftbar sind.


Alle "Rettungsmaßnahmen" schieben die Problemlösung nur auf !!!

Denn wenn Griechenland seinen Schuldernerlaß (haircut) bekommen hat, die Banken rekapitalisiert wurden, ist schon einen Tag später wieder ein neuer astronomisch hoher Schuldenberg entstanden durch viel zu hohe Staatsausgaben.

Gelöst ist die Schuldenkrise erst dann, wenn der Staat nur noch das ausgibt was er einnimmt. Und wenn diese Einnahmen zugleich so niedrig sind, daß die Produktivität der Wirtschaft nicht leidet.

Doch genau diesen Zusammenhang finden wir nie erörtert in den Medien, und schon garnicht in der Politik. Denn staatliche Geldtransfers an die Begünstigten ist die Basis zur Machterlangung der Politiker. Wähler und Politiker befinden sich hier in einer symbiotischen Abhängigkeit. Wähler wählen im Regelfall diejenigen zur ihren Regenten (Staatsmanagern), die ihnen die schönsten Versprechungen machen. Politiker stellen sich auf diese Präverenz der Wählermehrheiten ein, verstärken sie aber zugleich aufgrund der Wettbewerbssituation in einer Demokratie, indem sie die Illusion der unbegrenzten Finanzierbarkeit der Sozial-, Renten-, Pensions- und Gesundheitssysteme aufrecht erhalten und sogar permanent verstärken. Mehr Geld zum verteilen bedeutet für Politiker mehr Machtfülle, mehr Abhängige von ihren Gnaden. Diese Abhängigen wählen dann wieder die Politiker die ihre Abhängigkeit von Staatsgeld am ehensten befriedigen.


Aktuell hat sich die Politik darauf geeinigt, daß die unfinanzierbar hohen Sozialtransfers und Beschäftigungsgrade im öffentlichen Sektor durch enorme Geldmengenausweitungen, sprich Neuverschuldungen finanziert werden. Sobald deren Rückzahlungen fällig werden, wird man diese durch noch mehr Neuverschuldungen ablösen. Man muß hierfür Geld ja nicht einmal mehr drucken, sondern es genügt ein Mausklik am Computer um den Geldumlauf zu erhöhen.

Natürlich stehen den rasant steigenden Geldmengen keine vergleichbar steigenden Gütermengen und Dienstleistungen gegenüber, so daß diese im Preis steigen müssen. Das nennt man Inflation. Deren Folge ist die Entwertung der Sparvermögen, und letztlich eine Verarmung der Bevölkerungen Europas, aber auch in anderen Teilen der Welt aufgrund steigender Rohstoffpreise.



Banken als Sündenbock

Viel ist zu lesen von den bösen Banken. Sicher, diese streichen die Gewinne ein aus ihren Anleihen der Club-Med-Länder (welche dann aber wiederum versteuert werden) und lassen sich nun rekapitalisieren von den Staaten. Dennoch ist dieses Bashing unehrlich. Denn eigentlich müsste man den Banken vorwerfen, daß sie überhaupt Ländern wie Griechenland, ja sogar Frankreich, ihre Schuldtitel abnehmen, weil diese Länder alle drastisch über ihre Verhältnisse leben und noch weniger als die BRD zur Rückzahlung aller Anleihen fähig sind. Verhielten sich die Banken also vorsichtig anstatt "profitgierig" würde man ihnen auch dies vorwerfen, weil sie Finanzierung der ach so schönen Sozialsysteme dieser Länder verweigern.

Völlig verschwiegen wird zudem, daß die Banken (und Lebensversicherer) auch im Auftrag ihrer Kunden agieren, und diese wollen Rendite. Die Spekulanten sind längst nicht nur die Aktiven an den Finanzmärkten, sondern letztlich auch jeder Kleinsparer. Auch dieser Umstand wird nie benannt.



Lösung


kann nur sein anzustreben, die staatlichen Ausgaben stets auf Basis der Einnahmen vorzunehmen ohne Neuverschuldungen. Im Prinzip ein Währungsgefüge wie es beim Goldstandard der Fall wäre. Banken könnten dann nur verleihen, was sie zuvor an Einlagen von Kunden bekommen haben, anstatt sich selbst Geld zu leihen (bei den Notenbanken) um es zu verleihen zu höheren Zinssätzen. Folge wäre aber auch eine viel langsamere Wohlstandsmehrung, weil eben nicht mehr zu solch hohem Anteil auf Kreditwachstum basiert. Dafür würden Ersparnisse jedoch nicht in dem Maße, ggf. sogar garnicht entwertet. Auch könnten Preise sinken wenn die Produktivität zunimmt, weil bei stabiler Geldmenge eine gleichzeitige Ausweitung der Gütermengen diese verbilligt.


Doch der keynesianistische Zeitgeist lässt noch nicht einmal eine Analyse der wirklichen Ursache der Schuldenkrise zu. Darum wird die Verschuldungsspirale eine Runde weiter gedreht, der Kollaps der Verschuldungswirtschaft noch einmal in die Zukunft verlagert, aber mit jeder Neuverschuldung wird die Rechnung höher sein die wir irgendwann in der Zukunft bezahlen müssen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.10.2011 12:37
#4 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat von Martin
Griechenland kann noch so eine aus deutscher Sicht chaotische Wirtschaftsstruktur haben, solange die Regeln auf währungspolitischer Seite klar, die statistische Auswertung kritischer Parameter unabhängig bestätigt, und die Rahmenbedingungen ohne politischen Einfluss sind. Dann hat auch die Kreditwirtschaft klare Rahmenbedingungen und muss ihre Riskien und auch die Folgen daran orientieren.

Aber wie, lieber Martin, bekommt man die Rohdaten?

George Friedman, der ein eminent kluger Mann ist und die Fähigkeit hat, das Offensichtliche zu sehen, das niemand sonst sieht, weist darauf hin: Was wissen wir denn überhaupt von der Wirtschaft Griechenlands? Wer erhebt denn die Rohdaten? Vermutlich Beamte, die überhaupt nicht auf den Gedanken kommen, daß Daten stimmen müssen.

Ich habe das glaube ich schon einmal geschrieben:

In der Großstadt in unserer Nähe gab es drei Griechen, bei denen wir gelegentlich gegessen haben - einen Imbiß; eine vom deutschen Wirt übernommene Kneipe; ein Edelgrieche, der eines der besten Restaurants in der Stadt führte.

Alle drei Wirte waren plötzlich weg; wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis. Der Edelgrieche ging pleite; in den beiden anderen Fällen führte die Frau das Geschäft weiter.

Das waren alles nette, sympathische Leute. Sie hatten kein Schuldbewußtsein, als sie die Steuern hinterzogen. Der Lehrer in Griechenland, der Krankenhausarzt, der sich bestechen läßt, haben kein Schuldbewußtsein.

Wenn jetzt die Deutschen kommen und preußische Ordnung einführen wollen, dann werden sie zu Recht als Eindringlinge betrachtet. Wir können doch in Griechenland keine Kolonialverwaltung errichten.

Herzlich, Zettel

Westfale Offline



Beiträge: 45

11.10.2011 13:31
#5 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Erinnert mich irgendwie an Leon de Winters Essay "zurück zur EWG": http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,695157,00.html .

"Dem Norden Europas, wo härter gearbeitet wird, mehr gespart wird, Tannen wachsen und es öder ist und die Bürger im Allgemeinen ein von Verantwortung geprägtes Verhältnis zum Staat haben, steht der Süden gegenüber, wo man Siesta hält, sich erst nach zehn Uhr abends zum Essen setzt, Stiere durch die Straßen getrieben werden und es ein Volkssport ist, die Behörden übers Ohr zu hauen."

Gruß, der Westfale

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.10.2011 13:47
#6 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat von Westfale
Erinnert mich irgendwie an Leon de Winters Essay "zurück zur EWG": http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,695157,00.html .

"Dem Norden Europas, wo härter gearbeitet wird, mehr gespart wird, Tannen wachsen und es öder ist und die Bürger im Allgemeinen ein von Verantwortung geprägtes Verhältnis zum Staat haben, steht der Süden gegenüber, wo man Siesta hält, sich erst nach zehn Uhr abends zum Essen setzt, Stiere durch die Straßen getrieben werden und es ein Volkssport ist, die Behörden übers Ohr zu hauen."

Schönes Zitat.

Ja, es sind verschiedene Kulturen. Der Riß geht mitten durch zwei Länder; Frankreich und Italien. Nordfrankreich und Norditalien gehören zum einen, Südfrankreich und Süditalien zum anderen Kulturkreis.

Den mediterranen mögen wir ja, die meisten von uns jedenfalls. Diese griechische Gastfreundschaft, die Boule spielenden Südfranzosen, diese herrliche Schlamperei in Napoli! Dolce far niente!

Es sind ja auch Gesellschaften, die auf ihre Art funktionieren. Man arrangiert sich eben. Eine Hand wäscht die andere. Mit Lachen und Menschlichkeit, wenn nicht vorn-, dann hintenherum wird alles irgendwie geregelt.

Und jetzt kommen diese Deutschen und wollen ein preußisches Regime einführen! Kein Bakschisch mehr, keine falschen Zahlen; sondern alles ganz korrekt.

Ich verstehe absolut, daß die Griechen sich dagegen empören. Ich kann nicht sehen, wie das gut gehen soll; außer, daß eben wirklich Griechenland unter deutsche Kolonialverwaltung gestellt wird.

Herzlich, Zettel

archipelagos Offline



Beiträge: 4

11.10.2011 14:49
#7 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Diese Analyse ist unschlagbar! Leider, oder auch bezeichnenderweise erinnert sie in ihrer Präzision und Tiefenschärfe an einen Flugzeug-Absturz-Bericht.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

11.10.2011 14:59
#8 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat von Zettel

Ja, es sind verschiedene Kulturen. Der Riß geht mitten durch zwei Länder; Frankreich und Italien. Nordfrankreich und Norditalien gehören zum einen, Südfrankreich und Süditalien zum anderen Kulturkreis.

Den mediterranen mögen wir ja, die meisten von uns jedenfalls. Diese griechische Gastfreundschaft, die Boule spielenden Südfranzosen, diese herrliche Schlamperei in Napoli! Dolce far niente!

Es sind ja auch Gesellschaften, die auf ihre Art funktionieren. Man arrangiert sich eben. Eine Hand wäscht die andere. Mit Lachen und Menschlichkeit, wenn nicht vorn-, dann hintenherum wird alles irgendwie geregelt.

Und jetzt kommen diese Deutschen und wollen ein preußisches Regime einführen! Kein Bakschisch mehr, keine falschen Zahlen; sondern alles ganz korrekt.

Ich verstehe absolut, daß die Griechen sich dagegen empören. Ich kann nicht sehen, wie das gut gehen soll; außer, daß eben wirklich Griechenland unter deutsche Kolonialverwaltung gestellt wird.

Herzlich, Zettel



Und das Beste beider Kulturen vereinigt sich in Bayern.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

11.10.2011 16:03
#9 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat
Ich verstehe absolut, daß die Griechen sich dagegen empören. Ich kann nicht sehen, wie das gut gehen soll; außer, daß eben wirklich Griechenland unter deutsche Kolonialverwaltung gestellt wird.




Ich verstehe auch, dass sich die Griechen empören.

Und das ist ja eben der Denkfehler der ganzen Euro-Retter.
"Wenn der Euro scheitert, scheitert die europäische Einigung":
Das Gegenteil ist richtig.

Wenn man den Euro nur retten kann, indem man in irgendeiner Form "deutsche" Prinzipien in ganz Europa einführt (d.h. eines der vage formulierten Konzepte von "Europäischer Wirtschaftsregierung", "Vereinigten Staaten von Euroa", "Europäischen Finanzminister, o.ä.), dann geht das faktisch nur durch irgendeine Form von "Kolonialverwaltung".
"Bundesprotektorat Boötien und Makedonien" hat das neulich mal jemand in diesem Forum genannt.

Dies ist aber gerade KEIN Mittel, um die Einheit Europas zu befördern.
Sondern ein Mittel, dass zu Verbitterung und Hass führen wird.

Ich habe bis heute nicht begriffen, warum man den Griechen nicht ihren "way of life" lassen kann. Gebt den Griechen ihre eigene Währung wieder, damit Gestaltungsspielraum für ihr eigenes Schicksal und damit auch ihre Selbstachtung!

Florian Offline



Beiträge: 3.180

11.10.2011 16:10
#10 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat
Und das Beste beider Kulturen vereinigt sich in Bayern.




Ganz recht!

"Laptop und Lederhosen" hat das Stoiber einmal genannt.
Eine m.E. extrem passende Beschreibung.
Bayern ist eben beides:
Montgelas und bairische Tradition.

Über 100 Jahre lang waren diese beiden bayerischen Entwicklungslinien innig verfeindet.
Es ist die ganz große Leistung der CSU, diese beiden Richtungen in einer Partei gebündelt zu haben - und auch die Grundlage für ihre jahrzehntelangen absoluten Mehrheiten.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.10.2011 19:01
#11 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat von archipelagos
Diese Analyse ist unschlagbar! Leider, oder auch bezeichnenderweise erinnert sie in ihrer Präzision und Tiefenschärfe an einen Flugzeug-Absturz-Bericht.

Darf man auch noch erfahren, welche Analyse Sie meinen, lieber archipelagos?

Und willkommen im kleinen Zimmer!

Herzlich, Zettel

Urlauber ( gelöscht )
Beiträge:

11.10.2011 19:48
#12 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat von Zettel
Aber wie, lieber Martin, bekommt man die Rohdaten?

Nicht mal Rohdaten gibt es? Das ist interessant.
Die haben also ohne einen Hauch von Sachkenntnis beschlossen, dass Griechenland EU-tauglich ist.
Und dann haben die ohne einen Hauch von Sachkenntnis beschlossen, Griechenland (ich weiß, zeitlich gestreckt über den Bürgschafts-Trick) 211.000.000.000€ zu schenken.

Vorgestern wurde über Fachleute und Narren gesprochen. Das ist wohl nicht mehr nötig.

Urlauber ( gelöscht )
Beiträge:

11.10.2011 19:56
#13 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat von 123
Diese ist letztlich der Turbosozialstaat - in Analogie zum linken Kampfbegriff des Turbokapitalismus, welcher aber eher fiktives Feindbild ist, während der Turbosozialstaat bittere direkt in den Bankrott führende Realität ist und zur Armut für alle führt, also dem genauen Gegenteil dessen was er verspricht.
[…]
Egal wie die wirtschaftlichen oder verwaltenden Strukturen in Griechenland sind im Kontrast zur BRD. Die BRD hat das selbe Problem: Ausgaben die viel höher liegen als sie erwirtschaftbar sind.

2007 hat es rumpelt, ein Jahr später richtig gekracht.
Mit wie viel Milliarden Verlust erfahren wir nicht, aber es sieht so aus als wenn wir noch mal knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt wären.
Ich habe damals auf ein reinigendes Gewitter gehofft. Wenn der Staat mit ach und krach und Schattenhaushalten und Bad Banks und sonst was für Hokuspokus eine Billion Miese aus der Welt schaffen muss, dann ist das doch ein wake up call, der endlich zum Umdenken führen wird.
Pustekuchen!
Kaum war die Katastrophe unter den Teppich gekehrt, ging es weiter wie gehabt.
Neue Umverteilungsideen in den Ring geworfen, neue Umverteilungstatbestände beschlossen, neue Versorgungsposten „geschaffen“, der Massenimport ausländischer Unterschichten forciert.

Das war es dann wohl.
Oder weiß jemand wie ein System funktionieren kann, in dem immer weniger Arbeitende immer mehr Arbeitsverweigerer mästen?
Die Narren haben keine Antwort. Und die Fachleute auch nicht. Aber beide „wissen“, dass es so weitergehen muss.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

11.10.2011 21:41
#14 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Zitat von Zettel

In der Großstadt in unserer Nähe gab es drei Griechen, bei denen wir gelegentlich gegessen haben - einen Imbiß; eine vom deutschen Wirt übernommene Kneipe; ein Edelgrieche, der eines der besten Restaurants in der Stadt führte.

Alle drei Wirte waren plötzlich weg; wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis. Der Edelgrieche ging pleite; in den beiden anderen Fällen führte die Frau das Geschäft weiter.

Das waren alles nette, sympathische Leute. Sie hatten kein Schuldbewußtsein, als sie die Steuern hinterzogen. Der Lehrer in Griechenland, der Krankenhausarzt, der sich bestechen läßt, haben kein Schuldbewußtsein.

Wenn jetzt die Deutschen kommen und preußische Ordnung einführen wollen, dann werden sie zu Recht als Eindringlinge betrachtet. Wir können doch in Griechenland keine Kolonialverwaltung errichten.

Herzlich, Zettel



Lieber Zettel,

gehen Sie davon aus, dass ähnlich Zustände vor 30-40 Jahren auch in Deutschland existierten. Der Wirt, der mit 300.000 DM im Koffer an der Grenze nach Frankreich ertappt wurde, usw.. Schäuble verhandelte ja gerade mit der Schweiz, wo doch einige Milliardenbeträge vermutet werden, die in der Vergangenheit am Fiskus vorbei exportiert worden sind.

In Deutschland sind die Kontrollmöglichkeiten in der Zwischenzeit deutlich verbessert worden, bilaterale Verträge tun ein Übriges. Das hat nichts mit 'preussisch' zu tun, sondern mit einem engen Überwachungsapparat und entsprechenden Datenzugriffen.

Trotzdem dürften die vom Finanzministerium publizierten Statistiken die dort erfassten Daten korrekt wiedergegeben haben. Es gab dann eben Schätzungen über den Umfang der Schwarzarbeit (ich glaube vor etwas über 10 Jahren waren das noch geschätzte 600 Mrd. DM).

Zur Beurteilung dessen, was die griechische Regierung an Einnahmen und Ausgaben hat muss ich nur deren Konten kontrollieren, und das ist überschaubar. Was dort nicht eintrifft existiert für die Behörde nicht. Das wäre ja zumindest ein Anfang.

Ansonsten muss jede Bank, die einen Kredit vergibt, die Kreditwürdigkeit des Schuldners selbst beurteilen. Notfalls müssen die Eigenkapitalregeln so angepasst werden, dass ein ausreichender Puffer dafür existiert, dass die Kreditwürdigkeit in der Regel schwer nachprüfbar ist.

Ich denke, es gibt wenige effektive Hilfsmittel, mit einer griechischen Situation umzugehen, ohne preussische Methoden einführen zu müssen.

Gruß, Martin

archipelagos Offline



Beiträge: 4

12.10.2011 12:07
#15 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Lieber Zettel,

Entschuldigen Sie, daß ich es nicht eigens erwähnte: überzeugt hat mich Friedmans Analyse der europäischen Krise.
Vor einigen Jahren sah ich an einem Werktag etliche Männer eines kleinen griechischen Bergdorfes in weissen, frisch gebügelten Hemden auf einen Reisebus zusteuern, der am Rande des Dorfes geparkt hatte. Auf meine Nachfrage hin wurde mir erklärt, daß all diese Herren einen Gerichtstermin in der Kreisstadt wahzunehmen hätten. Sie alle hatten bei der EU landwirtschaftliche Subentionen eingefordert. In der Summe hatte sich eine Agrarfläche ergeben, die die Größe der mittelgriechischen, gebirgigenRegion bei weitem übertraf, nun rief man die "Bauern" zu Gericht, und es waren in einem einzigen kleinen Dorf so viele, daß es sich lohnte, einen Reisebus zu mieten. Nachmittags tauchte ein Teil der Angeklagten wieder auf und lies sich erleichtert an den Tischen des Kaffeehauses nieder. Man habe nur die "dicken Fische" bei Gericht dabehalten, alle Akten mit Streitwert unter 6.000 € habe man dagegen geschlossen. Nur eine weitere griechische Anekdote, aber eine sehr schöne, wie ich finde.
Vielen Dank übrigens für die vielen Anregungen aus Ihrer "Zettelwirtschaft"!

Frank Offline




Beiträge: 187

13.10.2011 17:56
#16 RE: Stratfors Analysen:Wohin geht Europa? Antworten

Unterdessen in Brüssel:

Mit der neuen EU-Spielzeug-Richtlinie haben auch die bunten Luftballons ihre Unschuld verloren. In einer Erläuterung zu dem ab dem 20. Juli 2011 in Deutschland geltenden Regelwerk wird aufgeführt, dass „an Latex-Luftballons ein Warnhinweis angebracht werden muss, der auf die Pflicht einer Benutzung nur unter Aufsicht für Kinder unter acht Jahre und eine Entsorgung von beschädigten Ballons hinweist.“ Vorbei die unbeschwerten Kindergeburtstage, an denen Kinder im Garten mit Luftballons herumtollten, während Mutti in der Küche den Kuchen backte. Adieu, elterliche Ruhepause, während das Kleinkind unbeschwert im eigenen Zimmer spielte. Ab sofort gehören unsere Kinder unter lückenlose Überwachung. Alternativ dazu verbringen sie eine Kindheit im spielzeuglosen Reinraum. Ginge es nach den Sicherheitsphantasien von EU-Bürokraten, wäre die Kindheit in der Gummizelle der Idealzustand, vorausgesetzt die Auspolsterung der Wände ist mit Materialien gefertigt, die keine krebserregenden oder endokrin wirkenden Stoffe enthalten.

http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/t...es/index_en.htm
Erläuterung
“For latex balloons there must be a warning that children under 8 years must be supervised and broken balloons should be discarded.”, S. 36, Toy Safety Directive 2009/48/EC – An explanatory guidance document

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Sit intra te concordia et publica felicitas

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