Zitat von Frank Böhmert Ich verfolge, da ich mich schon lange sehr für Graswurzelbewegungen interessiere, diese Occupy-Geschichte so ziemlich vom ersten Besetzungstag an -- hauptsächlich direkt über deren Kommunikationsschienen: http://storify.com/adbusters
Mein Eindruck ist, dass das -- in den USA wohlgemerkt -- ebenso wenig eine homogene stramm linke Truppe ist wie die Tea-Party-Bewegung eine homogene stramm rechte.
[...]
Der ist nun allerdings schon etwas älter. EDIT: Aber meine Wahrnehmung dieser Geschichte auch; in den letzten vier, fünf Tagen bin ich dazu nicht mehr gekommen.
Heute früh nehme ich mir die Zeit mal wieder, und bei der Gelegenheit will ich gleich mal ungeordnet zitieren, was sich zwischen den -- natürlich zahlreichen -- linken Sprüchen noch so findet, bezogen auf Demonstrationen in den USA wohlgemerkt:
Aussagen wie diese sind im vergangenen Monat immer wieder auf die Occupy-Seite gespiegelt worden: "#occupy is not fighting against capitalism so much as against financial rape by banks (who are acting outside of free mkt. capitalism)." (maxkeiser auf Twitter)
Auch verhält man sich gegenüber der Polizei anders, als wir es von deutschen Linksradikalen kennen. Kein Wort von "pigs", "Bullenschweine", stattdessen immer wieder solche Aussagen: "Protesters cheering from the sidewalk "Cops are the 99%"" (OccupyCincy auf Twitter) Wenn die örtliche Polizei oder einzelne Polizisten freundlich reagieren, wird das regelmäßig positiv hervorgehoben. Es scheint seitens der Demonstranten keine feste Front in diese Richtung zu geben.
Auch jeden Tag zu finden sind Bezüge auf Bürgerrechtler: "What If Martin Luther King listened every time the police told him he couldn't lead a march? We wouldn't have gotten very far would we?" (OccupyChicago auf Twitter) (King war kein Marxist.)
Zum Umgangston dort überhaupt findet sich auch immer wieder was: "A reporter just said "Everyone here has been so respectful. I want to meet their mothers!"" (OccupyWallStNYC auf Twitter)
Über die "Lächerlichkeit" der dortigen Rituale wird selbst gespöttelt: Ein Twitpic-Foto zeigt ein Schild, auf dem steht "I hate drum circles, but I hate corporate greed more"
Ein sehr beliebtes youtube-Video (weit über zwei Millionen Klicks) zeigt einen US-Marine, der auf Polizisten einredet: "This is not a war zone. Leave these people alone. There is no honor in this."
"Stay peaceful" ist immer wieder irgendwo zu lesen. Auch, dass "hate speeches" durch das System der "human mikes" immer sehr schnell abgewürgt werden, weil die meisten Leute so etwas nicht weitersagen wollen.
Es wird darüber diskutiert, ob das Ignorieren von polizeilichen Aufforderungen und die Erzwingung von Verhaftungen noch in Ordnung geht: "We are uncertain that this is a peaceful protest" (OccupyVancouver auf Twitter)
Das sind wie gesagt alles Zitate direkt von der offiziellen Sammelseite. Dort tauchten auch schon des öfteren Vorschläge auf, sich doch mit der Tea-Party-Bewegung zu vereinen. (In den letzten zwei Tagen, die ich mir gerade angesehen habe, allerdings nicht, sonst hätte ich das zitiert.)
Es ist eine seltsame, inhomogene, zahlenmäßig recht kleine Bewegung. Aber ich muss gestehen, das schon eher spannend zu finden als lächerlich.*)
Besten Gruß, Bö.
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*) EDIT: Vielleicht, weil ich als Berliner FDP-Wähler ja auch zu einer seltsamen Splittergruppe gehöre.
Merkwürdig, zum Lachen ist mir sogar nicht zumute. Vielmehr verspüre ich einen penetranten Würgreiz. Zwick mich mal einer, damit ich aus diesem Albtraum erwache...
Vor allem kommt der Würgreiz bei Berichten wie diesem über antisemitische Hetze (ein Demonstrant wird zitiert: "The smallest group in America controls the money, media and all other things. The fingerprints belong to the Jewish bankers. I am against Jews who rob America.") http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4135361,00.html
Zitat von Frank Böhmert Das sind wie gesagt alles Zitate direkt von der offiziellen Sammelseite. Dort tauchten auch schon des öfteren Vorschläge auf, sich doch mit der Tea-Party-Bewegung zu vereinen. (In den letzten zwei Tagen, die ich mir gerade angesehen habe, allerdings nicht, sonst hätte ich das zitiert.)
Marc Fisher schreibt dazu in der heutigen Washington Post: For tea party and Occupy Wall Street movements, some common ground
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
Zitat von Wormser ZeitungHerr Löb, seit wann gibt es Occupy Worms?
Occupy Worms gibt es seit dem 15. Oktober. Meine Freundin Anette Altmayer und ich hatten zuvor schon oft über die Bewegung und ihre Ursachen diskutiert. Am Freitag vor dem 15. hat sie sich spontan entschlossen, die Deutsche Bank zu „besetzen“. Sie stand also am Samstag alleine dort – am Abend zuvor haben wir noch auf die Schnelle ein Schild gebastelt. Ich bin dann etwas später hinzugestoßen.
Für Wormser Verhältnisse ist das gigantisch, vermutlich die größte Volksbewegung seit den Nibelungenfestspielen. Ich mal jetzt mir auch ein Schild, eine Freundin von mir will morgen einen Schuhladen "besetzen". Da muss ich doch hinzustoßen.
Zitat von GorgasalGanze zwei Menschen, aber mit einem "Wir sind 99%"-Schild.
Tja, die schweigende Mehrheit ;-)
Ansonsten werben die ja mit "Menschen retten statt Banken". Das ist so schwammig, könnte für 99% reichen (im Prinzip teile ich diese Position ja auch).
Zitat von Frank Böhmert"Occupy Worms" kommt auch gut. Eine so bildgewaltige Umkehrung der Verhältnisse. Sonst bewohnen/besetzen/beanspruchen doch die Würmer uns.
Im englischsprachigen Raum kann man auch mit einer Diskussion des Reichstags zu Worms 1521 Heiterkeit erzeugen. Der heißt nämlich auf Englisch Diet of Worms.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von GorgasalIm englischsprachigen Raum kann man auch mit einer Diskussion des Reichstags zu Worms 1521 Heiterkeit erzeugen.
Ja, die Engländer. Die lachen (oder empören) sich ja auch, wenn man ihnen aus dieser Zeit erzählt: "The emperors election was financed by the Fuggers".
Es ist ein Zeichen des fortgeschrittenen Alterungsprozesses negative Aussagen über die "Jugend von heute" zu machen. Gerald Hörhan hat bereits mit 36 die Midlife Crisis, mindestens.
Zitat von C.Es ist ein Zeichen des fortgeschrittenen Alterungsprozesses negative Aussagen über die "Jugend von heute" zu machen. Gerald Hörhan hat bereits mit 36 die Midlife Crisis, mindestens.
Dazu passend die weisen Worte des genialen Erfinders der paranoisch-kritischen Methode: „Das größte Übel der heutigen Jugend besteht darin, dass man nicht mehr dazugehört.“
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
”Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen." - (Aristoteles)
...eigentlich über die Verfassung der Jugend von damals bzw. über die Zukunftschancen der Jugendlichen von heute aus? Vermutlich gar nichts. Deshalb werden solche antiken Sätze auch vorwiegend als “Diskussionsbeender” eingesetzt, um sich den Fakten (zunehmende Ausbildungsunreife vieler Schulabgänger etc.) erst gar nicht stellen zu müssen...
WasIstLiberal?
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gelöscht
)
Beiträge:
13.11.2011 07:42
#42 RE: Zettels Meckerecke: Die Lächerlichkeit von "Occupy"
Es ist ein Zeichen des fortgeschrittenen Alterungsprozesses negative Aussagen über die "Jugend von heute" zu machen. Gerald Hörhan hat bereits mit 36 die Midlife Crisis, mindestens.
Sieht derzeit so aus, daß unser Jugend morgen unseren Scherbenhaufen wird zusammenkehren müssen. Ich hoffe Sie werden dann wissen wem Sie diesen Schlamassel zu verdanken haben und uns nicht alle steinigen...
Zitat von WasIstLiberal? Sieht derzeit so aus, daß unser Jugend morgen unseren Scherbenhaufen wird zusammenkehren müssen. Ich hoffe Sie werden dann wissen wem Sie diesen Schlamassel zu verdanken haben und uns nicht alle steinigen...
Man sollte die Jugend von morgen keinesfalls für so blöd halten dies zu tun. Die ziehen in dem globalen Dorf einfach um.
Viele Grüße, Erling Plaethe
Calimero
(
gelöscht
)
Beiträge:
29.11.2011 02:53
#44 RE: Zettels Meckerecke: Die Lächerlichkeit von "Occupy"
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
Danke, das ist wirklich gut. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll mit dem Kopfschütteln. "Deutsch-Kamerunische Gesellschaft zur Förderung Solartechnischer Einrichtungen und Spiritueller Selbstheilung". "Wenn Frank ein Rechter ist, müssen wir ihn dann nicht transformieren, statt ihn auszuschließen?" Und die dürfen alle wählen...
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Ja, den Bericht hatte ich neulich auch hier verlinken wollen.
In den USA läuft das Ganze vielerorts ein bisschen anders. Wer sich für die dortige Occupy-Bewegung interessiert, sollte sich einmal den Bericht des amerikanischen Fotografen Kyle Cassidy ("Armed America", "Warpaint") über die Räumung von OccupyPhilly durchlesen: http://kylecassidy.livejournal.com/683826.html Mit Fotos und vielen nachdenklichen Sätzen. Bewegend und erhellend und mit einem ganz wunderbaren Fazit: "Whenever you think people are behaving foolishly for no reason at all, there probably is a reason. You might not agree with it, but you should try and figure out what it is."
Falls noch Zweifel an der ideologischen Unterfütterung zumindest von Teilen der "Okkupanten" bestehen sollten: In Guernica Magazine findet sich ein Interview mit Kalle Lasn: http://www.guernicamag.com/interviews/32..._lazan_12_1_11/ Der entscheidende Kern wird in heutigen Perlentaucher so referiert: "Im Interview mit der Zeitschrift Guernica verteidigt sich Kalle Lasn, der Erfinder der Adbusters und der Occupy Wall Street-Bewegung, gegen den Vorwurf des Antisemitismus. Lasn hatte in einem Artikel im Jahr 2004 gefragt, wer die fünfzig wichtigsten Neocons in der Bush-Regierung seien und dann hinter alle Namen von Juden ein Zeichen gemacht, um zu zeigen, dass sie über die Hälfte der Liste ausmachten. Auch heute noch verteidigt er seine Reflexe: "Im Rückblick hätte ich statt von 'Juden' von Likud-Anhängern, Zionisten und von Leuten sprechen sollen, die nicht nur gegenüber Amerika, sondern auch gegenüber Israel eine besondere Loyalität empfinden. Und über die Tatsache, dass sie eine wichtige Rolle als Kriegstreiber zum Nutzen Israels spielen konnten. Bei Adbusters kämpfen wir nicht nur gegen den Konsumismus, sondern auch gegen Neocons, die stark für Israel und stark gegen die Palästinenser sind, die den Krieg gegen den Irak wollten und die heute Obama in seinem Verhältnis zu Netanyahu angreifen. Neocons sollte man unter das Mikroskop legen um zu untersuchen, was sie der amerikanischen Außenpolitik angetan haben." http://www.perlentaucher.de/magazinrundschau/2011-12-06.html
In einem adventlichen Anfall politischer Theologie (die von ihrer Interpretationsweise ein wenig an rein linkes Pendant zu Donoso Cortes erinnert), ergießt sich der furchtbar linksliberale Jurist wie folgt:
Zitat Vielleicht bräuchten viele Finanz-Analysten den Besuch eines guten Exorzisten, einen Ungeist-Austreiber, einen, der sie heilt. Man kann "Occupy", die Occupy-Bewegung als Exorzismus im erweiterten Sinn verstehen: Als eine "Besetzung" der Finanzplätze mit besseren Geistern - mit dem Geist der Verantwortung und dem Geist der Sorge für das Gemeinwohl. Befreiung heißt ja nicht, von jedem Geist verlassen zu werden, sondern von einem anderen, einem guten Geist erfüllt zu werden. Das können die Finanzplätze brauchen.
Zitat Dieser Tempel ist nämlich nicht allein ein Ort des Gebets. Er ist das Zentrum der Religion, das Zentrum der Politik und Zentrum der Wirtschaft, ein Machtzentrum in jeder Hinsicht also. Er ist zugleich eine riesige Bank, Ort des Tempelschatzes, Depot für die Wertsachen der Reichen, Ort der Geldvermehrung.
edit: Schon interessant, wie sich der sonst ünermüdliche Rufer nach Liberalisierungen in der Kirche ausgerechnet eines ihrer reaktionärsten Rituale aussucht und gutheißt, wenn es nur gegen den richtigen Dämonen geht.
Gruß Petz
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