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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 40 Antworten
und wurde 2.955 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2011 16:11
Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Wer sich aus unseren Medien informiert, der mußte bis vor kurzem den Eindruck gewinnen, daß es in Libyen um einen Kampf zwischen Gut und Böse geht. So, wie dieser Eindruck nach der Invasion von 2003 in Bezug auf den Irakkrieg vermittelt wurde. Nur war damals schwarz, was jetzt weiß ist; und umgekehrt.

Dieser Artikel ist ein kleiner Versuch, in das Denken von Gutmenschen hineinzublicken. Aber zugegeben, das ist nicht einfach.

C.K. Offline



Beiträge: 149

21.10.2011 18:05
#2 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Lieber Zettel,

ich bin auch immer noch baff, wie stark das Narrativ von "Volk gegen Unterdrückung=Demokratie=gut" ist. Auf Tunesien mag das zutreffen, aber alles danach...
Ägypten war ein Militärputsch, ob er erfolgreich war muss man sehen, aber man sollte ihn so nennen.

Von Libyen ganz zu schweigen. Libyen war die dümmste Intervention seit Vietnam. Auf Seiten einer Bürgerkriegspartei einzugreifen, deren Charakter und Zusammensetzung mehr als fraglich ist, ohne den Willen zur Eskalation, also dem Einsatz von Bodentruppen um im Notfall den Saustall aufzuräumen, den man angerichtet hat, ist im besten Sinne blauäugig.
Und die Propaganda vom angeblichen Völkermord war schon zum Zeitpunkt der Intervention als solche erkennbar: http://articles.boston.com/2011-04-14/bo...rebel-positions
An den Schutz der Zivilbevölkerung vor schweren Waffen, musste ich bei der Einnahme von Sirte denken.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2011 18:25
#3 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von C.K.
Und die Propaganda vom angeblichen Völkermord war schon zum Zeitpunkt der Intervention als solche erkennbar:
http://articles.boston.com/2011-04-14/bo...rebel-positions

Danke für den Link! Das hatte ich nicht gewußt.

Hätte man Präsident Bush so etwas nachweisen können, dann hätte es in Deutschland wahrscheinlich jeder politisch Interessierte gewußt.

Zitat von C.K.
An den Schutz der Zivilbevölkerung vor schweren Waffen, musste ich bei der Einnahme von Sirte denken.

Als ich für den Artikel recherchiert habe, ist mir wieder aufgefallen, lieber C.K., wie wenig international thematisiert wird, ob der Einsatz in seiner jetzigen Form eigentlich noch durch die Resolution 1973 gedeckt wird.

Diese sah als Ziel einen Waffenstillstand vor; nicht den Sieg über Gaddafi. Das Mittel sollte die Durchsetzung einer Flugverbotszone sein und sonst nichts.

Schon bei der Einnahme von Tripolis haben sowohl die Luftstreitkräfte der Nato als auch Spezialeinheiten am Boden massiv in die Kämpfe eingegriffen und den Vorstoß auf Tripolis offenbar regelrecht organisiert. Dasselbe scheint jetzt bei der Einnahme von Sirte geschehen zu sein; bis hin zur Lokalisierung von Gaddafi über sein Satellitentelefon und der Verfolgung seines Konvois.

Was das alles mit der Herbeiführung eines Waffenstillstands und der Durchsetzung einer Flugverbotszone zu tun hat, ist mir nicht erkennbar.

Aber wo sind jetzt diejenigen Völkerrechtler, die damals so subtil erörtert haben, ob die Invasion des Irak durch die Resolution 1441 gedeckt war?

Herzlich, Zettel

Joachim Offline



Beiträge: 46

21.10.2011 21:31
#4 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Guten Abend.

Bis vor Kurzem habe ich die deutsche Öffentlichkeit ganz grob eher in naive "Gutmenschen" und linke Zyniker aufgeteilt. Das ist vereinfachend gewesen, war aber normalerweise passend. Meine Faustregel lautete etwa: Aus jeder Meldung, die sich gegen US-Konservative, Liberale, Katholiken, Banken, Atomkraft etc. verwenden lässt, schmiedet die deutsche Journaille eine ihrer Medienkampagnen. Alle anderen Meldungen fallen unter den Tisch.

Man kann dem normalen Bürger keinen Vorwurf machen, wenn er auf die in den Mainstreammedien aufbereiteten Meldungen anspringt - wer hat schon die Zeit, sich jeden Tag allumfassend in alternativen Medien komplett über die Weltlage zu informieren? Schlimmer sind die linken Zyniker, für die Journalismus nur noch Meinungsmache ohne Informationsanspruch geworden ist.

Was jetzt die Ereignisse in der arabischen Welt angeht, kann ich nur vermuten, daß die linken Zyniker einfach kein passendes Schema finden. 1991 war die Welt für solche Leute noch in Ordnung, auch 2003 funktionierten die alten Beißreflexe noch.

Soweit mein erster - eher ratloser - Kommentar hier.

Joachim

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

21.10.2011 23:57
#5 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

"(...)schließlich die spezifisch gutmenschliche Neigung, alles Politische - wie alles im Leben - danach zu bewerten, ob es gut oder böse (bzw. gut oder schlecht) ist."

Das scheint mir der wichtigste Punkt zu sein, zumal diese Überlegung auf ein fundamentaleres Problem der Bundesrepublik verweist, nämlich das nahezu vollständige Unvermögen bzw. der Unwille, das Politische als eigenständige Handlungskategorie zu begreifen oder gar zu akzeptieren. Welche Vertreter der politschen, medialen oder intellektuellen Klasse in der Bundesrepublik können oder wollen das überhaupt? Man zieht sich auf die Moral, die Menschenrechte und dergl. zurück und weigert sich zuzugeben, daß beide allenfalls ein Mittel der Außenpolitik sind, aber nicht ihr Zweck.



Zitat von Zettel
Als ich für den Artikel recherchiert habe, ist mir wieder aufgefallen, lieber C.K., wie wenig international thematisiert wird, ob der Einsatz in seiner jetzigen Form eigentlich noch durch die Resolution 1973 gedeckt wird.
Diese sah als Ziel einen Waffenstillstand vor; nicht den Sieg über Gaddafi. Das Mittel sollte die Durchsetzung einer Flugverbotszone sein und sonst nichts.
Schon bei der Einnahme von Tripolis haben sowohl die Luftstreitkräfte der Nato als auch Spezialeinheiten am Boden massiv in die Kämpfe eingegriffen und den Vorstoß auf Tripolis offenbar regelrecht organisiert. Dasselbe scheint jetzt bei der Einnahme von Sirte geschehen zu sein; bis hin zur Lokalisierung von Gaddafi über sein Satellitentelefon und der Verfolgung seines Konvois.
Was das alles mit der Herbeiführung eines Waffenstillstands und der Durchsetzung einer Flugverbotszone zu tun hat, ist mir nicht erkennbar.



Die Resolution 1973 sieht nicht nur eine Flugverbotszone vor, sondern gestattet gem. Pkt. 4 auch andere Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung mit Ausnahme der Entsendung von "occupation forces" in irgendeiner Form in irgendeinen Teil des Landes. Ferner ist nicht nur ein Waffenstillstand das Ziel der Resolution (Pkt 1), sondern nach Pkt.3 auch die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch das Gaddafi-Regime. Der Einsatz des brit. 22nd SAS Regiment und ähnlicher Kräfte anderer Staaten ist durchaus von der Resolution 1973 gedeckt. Ab einem bestimmten Punkt snd die Grenzen natürlich überschritten, aber wo dieser Punkt ist, darüber wird man sich streiten können. Wenn man will, ist jede Handlung bis hin zur Aufspürung Gs. gedeckt, da letztlich alle Aktionen dem Ziel der Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch G dienen. Schließlich ist er ein brutaler Diktator.

Zitat von Zettel

Aber wo sind jetzt diejenigen Völkerrechtler, die damals so subtil erörtert haben, ob die Invasion des Irak durch die Resolution 1441 gedeckt war?



Die werden Sie nicht finden, denn es gibt keine Völkerrechtler, die darüber streiten, ob die Resolution 1441 die Invasion des Irak deckt. Das habe ich bereits im März 2010 dargelegt:

"Die Res stellt fest, daß der Irak seinen Verpflichtungen gegenüber der UN nicht vollständig und in dem notwendigen Umfang nachgekommen sei. Ihr Inhalt der Res ist - soweit ich das prüfen konnte - weder streitig noch wird sie interpretiert. Streitig ist dagegen, ob die daraus gezogene Schlußfolgerung der USA und des UK, in diesem Fall gelte die Res 678 und jedes einzelne UN-Mitglied dürfe ohne erneute Res des Sicherheitsrats militärische Gewalt anwenden, zulässig ist. Die ganz überwältigende Mehrheit der Völkerrechtler lehnt diese Position ab. Und zwar auch die Mehrheit der Völkerrechtler in den USA und im UK. Ihre These, die Völkerrechtswidrigkeit hänge von der Interpretation der Res 1441 ab, stimmt also nicht. Wenn, hängt sie von der Interpretation und Reichweite der Res 678 ab."

Die USA haben sich im übrigen gegenüber dem UN-Sicherheitsrat ausschließlich und die brit Regierung maßgeblich auf Res 678 und 687 und nicht auf Res 1441 gestützt.


Rein völkerrechtlich ist mE die Problematik der Libyenresolution auch weniger wichtig, weil es nicht um die grundsätzliche Frage von Krieg und Frieden, sondern um Teilaspekte der Reichweite geht.

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2011 00:12
#6 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von JeffDavis
Die werden Sie nicht finden, denn es gibt keine Völkerrechtler, die darüber streiten, ob die Resolution 1441 die Invasion des Irak deckt. Das habe ich bereits im März 2010 dargelegt:

"Die Res stellt fest, daß der Irak seinen Verpflichtungen gegenüber der UN nicht vollständig und in dem notwendigen Umfang nachgekommen sei. Ihr Inhalt der Res ist - soweit ich das prüfen konnte - weder streitig noch wird sie interpretiert. Streitig ist dagegen, ob die daraus gezogene Schlußfolgerung der USA und des UK, in diesem Fall gelte die Res 678 und jedes einzelne UN-Mitglied dürfe ohne erneute Res des Sicherheitsrats militärische Gewalt anwenden, zulässig ist. Die ganz überwältigende Mehrheit der Völkerrechtler lehnt diese Position ab. Und zwar auch die Mehrheit der Völkerrechtler in den USA und im UK. Ihre These, die Völkerrechtswidrigkeit hänge von der Interpretation der Res 1441 ab, stimmt also nicht. Wenn, hängt sie von der Interpretation und Reichweite der Res 678 ab."

Sie argumentieren nicht konsistent, lieber JeffDavis. Sie schreiben einerseits "es gibt keine Völkerrechtler, die darüber streiten" und zitieren dann sich selbst: "Die ganz überwältigende Mehrheit der Völkerrechtler lehnt diese Position ab. Und zwar auch die Mehrheit der Völkerrechtler in den USA und im UK".

"Die Mehrheit" ist ja nun nicht dasselbe wie "alle". Es gibt wie meist eben verschiedene Meinungen, und es gibt eine herrschende Meinung. Daß die letztere einen Verstoß gegen das Völkerrecht sieht, bestreite ich nicht. Daß sich darin alle Völkerrechtler einig sind, ist nicht der Fall. Ich habe damals auf das Rechtsgutachten hingewiesen, auf das sich Tony Blair stützte, bevor er die Beteiligung der Briten an der Invasion genehmigte.

Ich möchte Ihnen, lieber JeffDavis, aber ausdrücklich sagen, daß ich diese damalige Diskussion nicht wieder aufnehmen will. Ich glaube, wir haben das seinerzeit ausdiskutiert, soweit wir beide das können. Mit dem Ergebnis agree to disagree, wenn ich mich recht erinnere. Jedenfalls war das am Ende meine Sicht gewesen.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.10.2011 00:25
#7 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Mir scheint, es gibt einige wesentliche Aspekte, die das Engagement in Libyen von dem im Irak unterscheiden:

- Es gab eine aktive Rebellenbewegung, die man "nur zu unterstützen" brauchte
- Das angeblich drohende Massaker an der Zivilbevölkerung (bei dem es sich vielleicht doch nur um einen Mythos gehandelt hat) war ein Grund, der keinen Aufschub duldet.
- Statt den Amis wollten es die Franzosen.
- Es gibt nur Bilder von kämpfenden "Aufständischen", und keine von kämpfenden NATO-Soldaten (obwohl z.B. westliche Geheimdienste sehr aktiv dabei waren).
- Es gab "Bitten" auch von anderen arabischen Führern, dort einzugreifen.
- Der "arabische Frühling" war gerade "in", von wegen Facebook und Internet und so....

Man kann diese Unterschiede mit guten Gründen als äußerst oberflächlich bzw. ideologisch gefärbt abtun, aber es ist nun mal so: Für viele Menschen reichen sie anscheinend, um zu einer völlig anderen Bewertung zu kommen.

Für den "Gutmenschen" ist übrigens entscheidend, diese Bewertung nicht selbst vorzunehmen, bevor man den Vorgaben derer gelauscht hat, an denen man sich als "Gutmensch" orientieren muss. Man will vor allem als "gut" gelten, weil man für das sein zu feige ist.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.10.2011 00:40
#8 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Zettel
Sie argumentieren nicht konsistent, lieber JeffDavis. Sie schreiben einerseits "es gibt keine Völkerrechtler, die darüber streiten" und zitieren dann sich selbst: "Die ganz überwältigende Mehrheit der Völkerrechtler lehnt diese Position ab. Und zwar auch die Mehrheit der Völkerrechtler in den USA und im UK".

"Die Mehrheit" ist ja nun nicht dasselbe wie "alle". Es gibt wie meist eben verschiedene Meinungen, und es gibt eine herrschende Meinung. Das die letztere einen Verstoß gegen das Völkerrecht sieht, bestreite ich nicht. Daß sich darin alle Völkerrechtler einig sind, ist nicht der Fall. Ich habe damals auf das Rechtsgutachten hingewiesen, auf das sich Tony Blair stützte, bevor er die Beteiligung der Briten an der Invasion genehmigte.




Ich argumentiere schon ganz richtig, das habe ich ebenfalls damals schon dargelegt. Die Interpretation der Res 1441 ist unstrittig, da mit einer Ausnahme niemand behauptet, die Res enthalte eine völkerrechtliche Grundlage für einen bewaffneten Angriff auf den Irak.

Der einzige Jurist, der etwas anders behauptet hat, ist Lord Goldsmith:

"Zuerst zu Ihrem britischen Zeugen: Es handelt sich um Peter Henry Goldsmith, Baron Goldsmith, damals ua. Attorney General for England and Wales. In dieser Eigenschaft hat er die Regierung Blair bezüglich der völkerrechtlichen Probleme eines Angriffs auf den Irak beraten. In seiner ersten Stellungnahme vom 07.03.2003 hatte er noch erhebliche Zweifel geäußert: "A court might well conclude that operative paragraphs 4 and 12 do require a further Council decision in order to revive the authorisation." und "...the argument that resolution 1441 alone has revived the authorisation to use force in resolution 678 will only be sustainable if there are strong factual grounds for concluding that Iraq has failed to take the final opportunity. In other words, we would need to be able to demonstrate hard evidence of non-compliance and non-cooperation.", auch wenn er letztlich die Ansicht vertrat, daß "a reasonable case can be made that resolution 1441 is capable in principle of reviving the authorisation [of the use of force] in Resolution 678 without a further resolution."

In seiner abschließenden Stellungnahme vom 11.03.2003 fehlten die vorher geäußerten Zweifel dann plötzlich. Die erste Stellungnahme gelangte später an die Presse und es gab eine große Kontroverse. Elizabeth Wilmshurst, Deputy Legal Adviser beim Foreign and Commonwealth Office trat am 20.03.2003 zurück, weil sie die offizielle Ansicht der brit. Regierung über die Legalität des Krieges nicht teilte. In ihrem veröffentlichten Rücktrittsschreiben beschuldigte sie Lord Goldsmith, seine Meinung geändert zu haben.

Im November 2008 bemerkte der frühere Lord Chief Justice und Senior Law Lord, Lord Bingham of Cornhill, zu den Begutachtungen von Lord Goldsmith, dessen Rat habe keine handfesten Beweise gegen den Irak enthalten und der Angriff sei "a serious violation of international law and of the rule of law."


Damals konnten Sie keinen anderen Völkerrechtler als Zeugen benennen, woran sich offenbar nichts geändert hat. Goldsmith widerspricht sich selbst, was tödlich ist in einer juristischen Diskussion. Den kann man also abhaken. Mir ist auch kein anderer Völkerrechtler bekannt, der jemals Goldsmiths Position geteilt hätte. Aus gutem Grund haben sich die USA nicht auf Res 1441 gestützt, die Briten werden gegenüber dem Sicherheitsrat Goldsmith wohl angeführt haben.

Mit der "ganz überwältigenden Mehrheit" sind die Völkerrechtler gemeint, die einen Rückgriff auf die anderen beiden Resolutionen für unzulässig halten. Und zwar ist diese Mehrheit so überwältigend, wie das unter Juristen, gerade unter Völkerrechtlern, nur äußerst selten vorkommt.

Wer will, kann sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2005, 2 WD 12.04, zu dieser Frage auf der Internetseite des Gerichts (www.bverwg.de) herunterladen. Das ist Rechtsprechung at it's best. Die Ausführungen zur Völkerrechtswidrigkeit des Angriffs auf den Irak finden sich ab Seite 72ff.

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

Vogelfrei ( gelöscht )
Beiträge:

22.10.2011 01:01
#9 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Zettel
Aber lassen wir das dahingestellt. Daß beide schlimme Dikatoren wie Stalin und Mao waren, liegt auf der Hand.


Darunter geht es wohl nicht? Und wo bleibt eigentlich der ewig Untote aus Braunau?

Sehe ich mir die heutige Situation im Irak, in Afghanistan, oder die blutrünstigen Rebellen in Libyen an, so stellt sich mir die Frage, wie, werter Zettel, wollten Sie solch ungehobeltes Pack regieren? Ich stimme Ihrer Einschätzung der jeweilig vorherigen Machthaber in diesen Staaten zwar insoweit zu, daß sie, nach zivilisierten Maßstäben, rücksichtslose Despoten waren - aber zu Mao, Stalin oder Hitler fehlt ihnen sowohl Quali- als auch Quantität...

Ansonsten: M. E. wird Libyen wohl den Weg Somalias gehen. Vielleicht entschließen sich aber auch die Franzosen - ob massiver innerstaatlicher Probleme - zu einer erneuten Kolonialisierung Nordafrikas. ;)

Grüße

~~~
Die zunehmende Armut, welche allenthalben beklagt wird, scheint mir zuvörderst geistiger Natur.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

22.10.2011 02:22
#10 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Rayson
Mir scheint, es gibt einige wesentliche Aspekte, die das Engagement in Libyen von dem im Irak unterscheiden:

- Es gab eine aktive Rebellenbewegung, die man "nur zu unterstützen" brauchte


Sogar das ist ja strenggenommen ein Mythos. Sogar aktuell ist das allenfalls ein durch den Krieg zusammengeschweißtes Konglomerat dessen beste Leute aus ehemaligen Gadaffi Ministern besteht, die rechtzeitig gemerkt haben, daß Libyen gegen die NATO keine Chance hat und es daher angezeigt ist, die Seiten zu wechseln.
In dem Sinne gab es auch im Irak eine "aktive Rebellenbewegung" mit dem Unterschied, daß diese im Kerker oder in London saß.
Gadaffi war ja nicht zuletzt deshalb als anerkannt brutaler Herrscher verschrieen, weil in den immer noch sehr stammesstrukturiertem Libyen ständig irgend jemand mal für Streß sorgte und entsorgt werden mußte. So war es auch bei dem letzten Aufstand, der ohne diese Intervention auch relativ schnell plattgemacht worden wären.

Zettel
Sie schreiben im Blogbeitrag:

Zitat
Gaddafi hatte, als er jetzt gestürzt wurde, bereits auf seine Massenvernichtungswaffen verzichtet.

Nicht vollständig richtig. Verzichtet und abgeliefert hatte er sein im übrigen eher rudimentäres Atomwaffenarsenal. Er hatte aber noch eine beachtliche Menge Senfgas, die in den Kriegswirren vom Iran für Gaza aufgekauft und im Hafen von Sudan von israelisch/amerikanischen Drohnen vernichtet worden ist (Beleg habe ich nicht zur Hand - sollte es Zweifel dazu geben würde ich es - wohl bei DEBKA - auch finden).
Sowohl bei Saddam wie bei Gadaffi waren die MVWs in erster Linie gegen die eigene Bevölkerung gerichtet (bei Saddam auch gegen den Iran) und gar nicht gegen den Westen.

Im übrigen haben sie in Ihrem Blogbeitrag den wesentlichsten Unterschied (aus Sicht der Gutmenschen)schlicht übersehen. Dem Angriff auf den Irak ging 9/11 voraus (aus Sicht der Gutmenschen "nur" eine Reaktion auf US-amerikanische Bösartigkeiten) während es Gaddaffi angekreidet wurde, daß es so viele tolle Bilder mit westlichen Staatschefs und ihm gab.

Auch wenn ich mit ihnen da voll übereinstimme, haben sie in diesem wesentlichen Punkt die Gedankenwelt der sog Gutmenschen nicht hinreichend verstanden. Wobei das bei der Fülle der Absurditäten in den Hirnen dieser Leute dieser Fehler von Ihnen nur zu verständlich ist.

Blub ( gelöscht )
Beiträge:

22.10.2011 04:20
#11 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Ich denke, Rayson spricht einen guten Punkt an. Obwohl ja nach Eigenmeinung des Gutmenschen angeblich kritisches Denken vorliegen sollte, denkt der Gutmensch nicht, sondern er übernimmt die Vorgabe seiner Vordenker. Ich sehe das besonders stark bei einem Fachkollegen und äußert naiven Gutmenschen (mag den Begriff nicht), der recht erfolgreich damit ist, Fachgurus nachzubeten und mit davon inspirierten Arbeiten Anerkennung zu finden. Die gutmenschliche Vorgehensweise ist also erstmal sozial erfolgreich und erleichtert das soziale Vernetzen. Man folgt den wichtigen Leuten quasi und macht somit nichts falsches. Insofern ist sie, für einen lokal gesehen, erstmal eine sinnvolle Haltung, wenn auch global gesehen alles andere als nachhaltig.

Ich denke auf diese Weise sind auch z.T. die Meinungswechsel zu sehen, die die gleichen Leute oder ähnliche Situationen mal so und mal so sehen. Auch wenn heute alle schon immer gegen Ghaddafi waren, so sagt mir meine Erinnerung etwas anderes.

Und das Nichtselbstbewertgebot könnte auch erklären, warum krasse Unerklärlichkeiten nicht zum Durchsetzen von Theorien führt, die besser erklären. Oder auch einfach nur zum Durchsetzen der Wahrheit.

Man muss den Linken, mit denen die Gutmenschen oft gleich gesetzt werden, zu gute halten, dass dort auch wiederum die einzigen stärkeren Kritiker des Einsatzes gegen Ghaddafi sich gefunden haben.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2011 05:51
#12 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Vogelfrei

Zitat von Zettel
Aber lassen wir das dahingestellt. Daß beide schlimme Dikatoren wie Stalin und Mao waren, liegt auf der Hand.


Darunter geht es wohl nicht? Und wo bleibt eigentlich der ewig Untote aus Braunau?


Es gab einen Grund, lieber Vogelfrei, warum ich die beiden erwähnt habe: Saddam und Gaddafi waren eben nicht irgendwelche Diktatoren, sagen wir wie Batista oder Idi Amin, sondern es waren Diktatoren in der Tradition von Stalin und Mao; also Herrscher eines sozialistischen Unterdrückungsstaats nach sowjetischem Vorbild.

Ich wundere mich immer wieder, daß dieser Aspekt so wenig in der Berichterstattung berücksichtigt wird:

Ben Ali stand einer Partei vor, die nach sowjetischem Vorbild organisiert worden war.

Gaddafi war ein enger Verbündeter der UdSSR gewesen und hatte seinen Islamo-Sozialismus als Synthese aus Sowjetkommunismus und Islam verstanden.

Saddams Vorbild war Stalin, dessen Werke, wenn ich mich recht erinnere, in seinem Arbeitszimmer standen.

Die in Syrien regierende Ba'ath-Partei entstand als sozialistische Partei, die zunächst nur nach dem Vorbild kommunistischer Parteien organisiert wurde. Nachdem sie in Syrien und im Irak an die Macht gekommen war, versuchte sie Wirtschaft und Gesellschaft nach sowjetischem Vorbild umzugestalten.

Also, lieber Vogelfrei: Das war der Hintergrund meines Vergleichs. Daß Stalin und Mao als Verbrecher noch einmal ein anderes Kaliber waren als Saddam und Gaddafi, wollte ich damit gewiß nicht bestreiten.

Danke, daß Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, das klarzustellen.

Herzlich, Zettel

Frank Offline




Beiträge: 187

22.10.2011 09:46
#13 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Lieber Zettel, zur Baath-Partei: Die Partei der arabischen Wiedergeburt ist mit massiver Unterstützung der NATONALSOZIALISTEN entstanden.
Während des Zweiten Weltkrieges versuchte Nazideutschland im französischen Mandatsgebiet Syrien und im Irak Bündnispartner zu finden.

http://www.presseportal.de/pm/9377/53796...-klon-der-nsdap

Ernst nach 1945 begab sich die Baathpartei in Richtung Sowjetunion

1973 unterstützte dann die DDR-Luftwaffe die syrische Baath-Regierung Assad im Angriffskrieg gegen Israel.
Syrien wird weiterhin durch das Veto Russlands und Chinas in der UNO geschützt.

Ben Alis tunesische Statspartei und die Mubarakpartei waren bis Frühjahr 2011 Mitgleider der Sozialistischen Internationale.

Und noch ein Highlight von der LINKE
Freidenker und DDR-Althistoriker Gossweiler trauert um seinen Freund

http://www.freidenker.org/cms/dfv/index....d=1:latest-news

-----
Sit intra te concordia et publica felicitas

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.10.2011 10:40
#14 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von AldiOn
1. So war es auch bei dem letzten Aufstand, der ohne diese Intervention auch relativ schnell plattgemacht worden wären.

2.Er hatte aber noch eine beachtliche Menge Senfgas, die in den Kriegswirren vom Iran für Gaza aufgekauft und im Hafen von Sudan von israelisch/amerikanischen Drohnen vernichtet worden ist (Beleg habe ich nicht zur Hand - sollte es Zweifel dazu geben würde ich es - wohl bei DEBKA - auch finden).



ad 1: Sehr fraglich, da die Leistungsfähigkeit von Gs Streitkräften unter Berücksichtigung des Terrains und der Verkehrswege zu schwach gewesen wäre.

ad 2: Da würden mich allerdings Belege interessieren. Meines Wissens besaß Libyen noch 10t von ursprünglich 25t Senfgas, allerdings nach Einschätzung der USA ohne die Möglichkeit, das Gas zu verschießen. Es hätte also nicht zum Einsatz kommen können, jedenfalls nicht so schnell und nur mit erheblichem technischen Aufwand. Und was ist mit dem Senfgas im sudanesischen Hafen, das durch Drohnen vernichtet worden sein soll????

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.10.2011 11:14
#15 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Frank
Lieber Zettel, zur Baath-Partei: Die Partei der arabischen Wiedergeburt ist mit massiver Unterstützung der NATONALSOZIALISTEN entstanden.
Während des Zweiten Weltkrieges versuchte Nazideutschland im französischen Mandatsgebiet Syrien und im Irak Bündnispartner zu finden.

http://www.presseportal.de/pm/9377/53796...-klon-der-nsdap

Ernst nach 1945 begab sich die Baathpartei in Richtung Sowjetunion




1.Die NSDAP ist eine politische Partei. Die Unterstützung des arabischen Nationalismus erfolgte jedoch durch den deutschen Staat, und zwar aus militärischen Gründen. Das ist ein gewichtiger Unterschied.

2.Nicht die Deutschen haben die Baath-Partei aus der Taufe gehoben, und schon gar nicht die NSDAP, sondern der arabische Nationalismus, besonders in Syrien und im Irak, bestand schon lange vorher. Die Araber haben sich an die Deutschen um Hilfe gewandt, nicht umgekehrt. Nach der Niederschlagung des Aufstandes durch die Briten sind einige arabische Führer nach Deutschland geflohen, von wo aus sie ihren Kampf fortgesetzt haben.

3. Ob die Baath-Partei nun 1940 (wie der tendenziöse deutsche Wiki-Artikel behauptet) oder 1946 (wie das engl Wiki schreibt) gegründet worden ist, kann dahinstehen. Es handelt sich jedenfalls um einen arabischen nationalen Sozialismus, wie er damals nicht nur dort populär war. Wenn Lewis sie als "Klon" der NSDAP bezeichnet, zeigt daß bestenfalls, daß er die Zusammenhänge nicht kennt oder versteht. Lewis ist als Islamwissenschaftler ohnehin nicht der richtige Ansprechpartner. Da sollte man sich lieber bei Historikern informieren, zB. in Geoffrey Warner's Iraq and Syria 1941. Über die Entwicklung des arabischen Nationalismus nach 1919 gibt es ebenfalls einige Literatur.

4. Die ideologische Hinwendung zur UdSSR erfolgte erst nach 1963, als linke Hardliner die Kontrolle übernahmen.

Die engl. Wiki-Artikel zur Baath-Bewegung geben übrigens einen recht guten Überblick über die Entwicklung, als Einstieg sehr zu empfehlen.

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

22.10.2011 19:49
#16 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat
1.Die NSDAP ist eine politische Partei. Die Unterstützung des arabischen Nationalismus erfolgte jedoch durch den deutschen Staat, und zwar aus militärischen Gründen. Das ist ein gewichtiger Unterschied.



Formal sind die NSDAP und der Staat zwei verschiedene Kategorien. Aber de facto sehe ich nicht, wie man seit Aug. 1934 konsistent das NS-Regime und den Staat voneinander getrennt betrachten können sollte.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.10.2011 20:23
#17 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Gansguoter

Zitat
1.Die NSDAP ist eine politische Partei. Die Unterstützung des arabischen Nationalismus erfolgte jedoch durch den deutschen Staat, und zwar aus militärischen Gründen. Das ist ein gewichtiger Unterschied.



Formal sind die NSDAP und der Staat zwei verschiedene Kategorien. Aber de facto sehe ich nicht, wie man seit Aug. 1934 konsistent das NS-Regime und den Staat voneinander getrennt betrachten können sollte.




Das kann man nicht an einem bestimmten Datum festmachen, weil es sich bei der Durchdringung des Staates durch die Partei um einen fließenden Prozeß gehandelt hat, der bis 1945 nicht abgeschlossen war. Den August 1934 kann man auch nur willkürlich herausgreifen. Mit der gleichen Berechtigung könnte man auch andere Daten nehmen, ohne damit richtig zu liegen. Eine Organisationsgeschichte der Partei und ihrer Gliederungen könnte ein brauchbarer Ansatz sein, den Prozeß an konkreten Ereignissen festzumachen, wobei dann aber noch geprüft werden müßte, inwieweit bis Kriegsende tatsächlich die Trennung aufgehoben worden ist.

Im konkreten Beispiel, also der Unterstützung des arabischen Nationalismus bzw. der angeblichen Gründung der Baath-Partei als "Klon" der NSDAP, müßte man mir erst konkret darlegen, worin der Beitrag der NSDAP gelegen haben sollte und in welchen Verhältnis er dann zum staatlichen Beitrag steht.

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.10.2011 20:55
#18 Mal umgedreht Antworten

Man kann, lieber Zettel, die Angelegenheit natürlich auch umdrehen.

Warum akzeptiert jemand den Irak-Kriegsgrund als legitim, nicht aber den des Libyen-Kriegs (nenne ich jetzt einfach mal so - wann sonst finden NATO-Bombardements statt?)?
Warum unterstellt man den Briten zuvörderst Öl-Interessen (und den Franzosen innenpolitische Motive), weist dieselbe Logik aber zurück, wenn es um die Interessen der Amerikaner im Irak geht?
Warum interpretiert man die Reichweite des Sicherheitsrats-Beschlusses in Sachen Libyen eng, die eines vergleichbaren Beschlusses in Sachen Irak aber weit?
Warum bewertet man einen Schauprozess höher als einen Lynchmord?

Du siehst vielleicht, worauf ich hinaus will. Meines Erachtens nach gibt es hier nur zwei konsistente Positionen. Da wäre zum einen die der Neocons, wie sie in diversen Blogs unserer Nachbarschaft zum Ausdruck gebracht wird. Die finden beide Kriege gut und richtig. Und da wäre die der Linken, der Libertären und meine (gibt es eigentlich jemanden, der im Fall Irak die Dinge so sieht wie ich?). Die einen halten beide Kriege für Verbrechen, der andere hält es mehr mit Talleyrand und beide Kriege für Fehler.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.10.2011 21:15
#19 RE: Mal umgedreht Antworten

Zitat von Rayson
der andere hält es mehr mit Talleyrand und beide Kriege für Fehler.



Das kann ich so unterschreiben.

Die völkerrechtliche Situation betrachte ich dabei getrennt. Selbst wenn der Irakkrieg nicht völkerrechtswidrig wäre, bliebe er ein schwerer Fehler.

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

22.10.2011 22:00
#20 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von JeffDavis
Das kann man nicht an einem bestimmten Datum festmachen, weil es sich bei der Durchdringung des Staates durch die Partei um einen fließenden Prozeß gehandelt hat, der bis 1945 nicht abgeschlossen war.



... der aber doch so weit fortgeschritten war, dass man aber auch nicht zwischen Staat und Partei trennen kann.

Zitat von JeffDavis
Den August 1934 kann man auch nur willkürlich herausgreifen. Mit der gleichen Berechtigung könnte man auch andere Daten nehmen,



Einverstanden.

Zitat von JeffDavis
ohne damit richtig zu liegen. Eine Organisationsgeschichte der Partei und ihrer Gliederungen könnte ein brauchbarer Ansatz sein, den Prozeß an konkreten Ereignissen festzumachen, wobei dann aber noch geprüft werden müßte, inwieweit bis Kriegsende tatsächlich die Trennung aufgehoben worden ist.



Möglicherweise sind es zwei Ebenen - die verfassungsrechtliche / juristische Ebene und die praktische Ebene.

Zitat von JeffDavis
Im konkreten Beispiel, also der Unterstützung des arabischen Nationalismus bzw. der angeblichen Gründung der Baath-Partei als "Klon" der NSDAP, müßte man mir erst konkret darlegen, worin der Beitrag der NSDAP gelegen haben sollte



Einverstanden. Eine historische Frage.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.10.2011 22:35
#21 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Gansguoter

Zitat von JeffDavis
Das kann man nicht an einem bestimmten Datum festmachen, weil es sich bei der Durchdringung des Staates durch die Partei um einen fließenden Prozeß gehandelt hat, der bis 1945 nicht abgeschlossen war.



... der aber doch so weit fortgeschritten war, dass man aber auch nicht zwischen Staat und Partei trennen kann.

Zitat von JeffDavis
Den August 1934 kann man auch nur willkürlich herausgreifen. Mit der gleichen Berechtigung könnte man auch andere Daten nehmen,



Einverstanden.

Zitat von JeffDavis
ohne damit richtig zu liegen. Eine Organisationsgeschichte der Partei und ihrer Gliederungen könnte ein brauchbarer Ansatz sein, den Prozeß an konkreten Ereignissen festzumachen, wobei dann aber noch geprüft werden müßte, inwieweit bis Kriegsende tatsächlich die Trennung aufgehoben worden ist.



Möglicherweise sind es zwei Ebenen - die verfassungsrechtliche / juristische Ebene und die praktische Ebene.

Zitat von JeffDavis
Im konkreten Beispiel, also der Unterstützung des arabischen Nationalismus bzw. der angeblichen Gründung der Baath-Partei als "Klon" der NSDAP, müßte man mir erst konkret darlegen, worin der Beitrag der NSDAP gelegen haben sollte



Einverstanden. Eine historische Frage.





Das Thema ist definitiv interessant, aber ich glaube nicht, daß man in einem Forum zu vernünftigen Ergebnissen kommt. Dazu ist der Zeit- und Arbeitsaufwand doch viel zu groß (Ich stimme allerdings mit Ihnen darin überein, daß 1945 die Durchdringung schon erheblich, aber je nach Gebiet unterschiedlich weit fortgeschritten war. Durch die Kriegserfordernisse ist der Prozeß wieder verlangsamt worden (aber nicht überall gleich stark).

Ich habe mal aus beruflich-privatem Interesse das grundlegende Werk von Dieter Rebentisch "Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg. Verfassungsentwicklung und Verwaltungspolitik 1939 - 1945" gelesen, das ua. diesen Durchdringungsprozeß aus der Sicht der staatlichen Verwaltung beschreibt. Allein das ist schon ein unglaublich weites Feld, und die Wehrmacht ist da noch gar nicht behandelt.

Gegen die Texte neuer staatlicher Regelungen liest sich das preußische Exerzierreglement wie das Feuilleton einer liberalen Wochenzeitschrift.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

22.10.2011 22:53
#22 RE: Mal umgedreht Antworten

Zitat von Rayson
Man kann, lieber Zettel, die Angelegenheit natürlich auch umdrehen.

Warum akzeptiert jemand den Irak-Kriegsgrund als legitim, nicht aber den des Libyen-Kriegs (nenne ich jetzt einfach mal so - wann sonst finden NATO-Bombardements statt?)?
Warum unterstellt man den Briten zuvörderst Öl-Interessen (und den Franzosen innenpolitische Motive), weist dieselbe Logik aber zurück, wenn es um die Interessen der Amerikaner im Irak geht?
Warum interpretiert man die Reichweite des Sicherheitsrats-Beschlusses in Sachen Libyen eng, die eines vergleichbaren Beschlusses in Sachen Irak aber weit?
Warum bewertet man einen Schauprozess höher als einen Lynchmord?

Du siehst vielleicht, worauf ich hinaus will. Meines Erachtens nach gibt es hier nur zwei konsistente Positionen. Da wäre zum einen die der Neocons, wie sie in diversen Blogs unserer Nachbarschaft zum Ausdruck gebracht wird. Die finden beide Kriege gut und richtig. Und da wäre die der Linken, der Libertären und meine (gibt es eigentlich jemanden, der im Fall Irak die Dinge so sieht wie ich?). Die einen halten beide Kriege für Verbrechen, der andere hält es mehr mit Talleyrand und beide Kriege für Fehler.


Diese Fragen stell ich mir auch schon seit ein paar Tagen die Diskussion hier in Zettels kleinem Zimmer betreffend. Ich werd damit leben können die Position der Neocons zu teilen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.10.2011 03:11
#23 Irak, Libyen, realistische Analysen Antworten

Zitat von Rayson
Du siehst vielleicht, worauf ich hinaus will. Meines Erachtens nach gibt es hier nur zwei konsistente Positionen. Da wäre zum einen die der Neocons, wie sie in diversen Blogs unserer Nachbarschaft zum Ausdruck gebracht wird. Die finden beide Kriege gut und richtig. Und da wäre die der Linken, der Libertären und meine (gibt es eigentlich jemanden, der im Fall Irak die Dinge so sieht wie ich?). Die einen halten beide Kriege für Verbrechen, der andere hält es mehr mit Talleyrand und beide Kriege für Fehler.

Ich traue mir da kein Urteil zu, lieber Rayson.

Ich habe nie geschrieben, daß ich "für" oder "gegen" den Irakkrieg war. Ich habe allerdings (auch schon bevor es ZR gab) viel dagegen geschrieben, über ihn zu moralisieren und ihn verzerrt darzustellen; insbesondere, was die Motive der US-Regierung und was die tatsächliche Lage im Irak anging.

Ich wollte ein wenig dazu beitragen, die Sachverhalte realistisch zu sehen. Ob dieser Krieg "gut" war oder "böse", weiß ich nicht. Ich kann mit solchen Kategorien in der Geopolitik nichts anfangen.



Wie ist dieser Krieg im Nachhinein zu beurteilen?

Zunächst einmal galt es zu analysieren, was gewesen ist. Das habe ich in der Serie Ketzereien zum Irak zu tun versucht und, glaube ich, ein realistischeres Bild gezeichnet als unsere MSM.

Sodann kann man fragen, ob die USA a) ihre Ziele erreicht haben und ob b) die langfristigen Folgen für den Westen eher positiv oder eher negativ sind.



Was a) angeht, so ist zu konstatieren, daß nach großen Opfern die Ziele weitgehend erreicht waren, als im Januar 2009 Präsident Bush sein Amt an Präsident Obama übergab: Der Irak war keine Gefahr für die USA und die Region mehr. Es war ein leidlich demokratisches System entstanden, von dem man erwarten konnte, daß es auch in die Region hinein als Vorbild wirkt. In seiner Rede in Scharm el-Scheich hat ja Bush den jetzigen "Arabischen Frühling" geradezu prophetisch vorhergesagt.

Obama hat das alles durch seine Abzugspolitik verspielt. Denn alles basierte darauf, daß als Ergebnis des Irakkriegs die USA ein Machtfaktor in der Region bleiben würden. Bush hat und hätte niemals einen bedingungslosen Rückzug angeordnet, wie er jetzt stattfindet.



Zu b): Die langfristigen Folgen eines Kriegs sind selten absehbar. Angenommen, McCain hätte 2008 gewonnen und Bushs Politik fortgesetzt - wie hätte sich dann die Situation entwickelt?

Der Zugriff des Iran auf den Irak hätte jedenfalls nicht stattgefunden. Vielleicht wäre das Regime der Mullahs längst gestürzt; Obama hat sich ja bei der gescheiterten Revolution im Juni 2009 auf die Seite der Mullahs geschlagen (siehe "Der Iran wird das Jahr 2010 beherrschen". Ein Jahr Iran-Politik des Präsidenten Obama; ZR vom 29. 12. 2009).

Wir wissen das nicht. Ich teile deshalb nicht die Auffassung von JeffDavis, daß der Irakkrieg ein Fehler war. Er war ein Krieg, der - wie die meisten Kriege - anders verlief als geplant; der am Ende nach großen Opfern gewonnen wurde; dessen Ergebnis Obama verspielt hat.

Jetzt ist die Lage weit schlechter, als wenn Saddam noch an der Macht wäre; da gebe ich JeffDavis recht. Aber das hat Obama zu verantworten.

Und angenommen, es hätte diesen Krieg nicht gegeben und Saddam wäre jetzt durch eine Revolution gestürzt worden - wäre dann nicht erst recht der Iran der Gewinner?



Was den Libyenkrieg angeht, lieber Rayson: Auch da geht es mir darum, ein realistisches Bild zu entwerfen.

Dazu gehört die Feststellung, daß die humanitären Gründe, die ihn rechtfertigen sollten, offenkundig vorgeschoben waren. (Bush hat übrigens den Irakkrieg nicht mit humanitären Gründen gerechtfertigt). Dazu gehört zweitens die Kritik an der naiven Vorstellung, jetzt würden in Libyen demokratische Verhältnisse Einzug halten.

Dazu gehört ein Aspekt, den ich in den MSM ganz vermisse: Welche Folgen wird das jetzt zu erwartende Chaos in Libyen eigentlich für die illegale Einwanderung nach Europa haben, für die Sicherheit der Schiffahrt entlang der nordafrikanischen Küste? (siehe "Piraten in Sizilien". Liegt ein Sturz Gaddafis eigentlich im Interesse Europas? Libyen und Afrika; ZR vom 7. 3. 2011).

Auch bei diesem Krieg werden wir erst in Jahren wissen, ob er ein Fehler war. Vorerst kann man nur versuchen, ihn realistisch zu analysieren.

Herzlich, Zettel

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

23.10.2011 03:31
#24 RE: Mal umgedreht Antworten

Zitat von Rayson
Du siehst vielleicht, worauf ich hinaus will. Meines Erachtens nach gibt es hier nur zwei konsistente Positionen. Da wäre zum einen die der Neocons, wie sie in diversen Blogs unserer Nachbarschaft zum Ausdruck gebracht wird. Die finden beide Kriege gut und richtig. Und da wäre die der Linken, der Libertären und meine (gibt es eigentlich jemanden, der im Fall Irak die Dinge so sieht wie ich?).



Ja, ich.

Zitat
Die einen halten beide Kriege für Verbrechen, der andere hält es mehr mit Talleyrand und beide Kriege für Fehler.



Nun, ich halte den Irak-Krieg in erster Linie für einen strategischen Fehler. Der Hass auf den Westen und der permanente Versuch, die westlichen Staaten als die moralisch verkommen Kriegstreiber, die für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht werden, zu sehen, ist mir fremd. Um Saddam ist es nicht schade, sein Sturz war nicht moralisch zu beanstanden, die meisten Tote im Irak durch Terroristen verursacht. Das ist zwar eine Folge des strategischen Fehlers der USA, aber moralisch nicht (in erster Linie) dem ach so schlimmen Cowboy anzulasten. Der Irak-Krieg verdient also Kritik, durchaus auch heftige, aber auf dem sachlichen Themengebiet der Frage, was strategisch klug war. Er ist kein Grund für einen moralischen Verdammungsfeldzug gegen die USA und den angeblich intoleranten, den Rest der Welt unterdrückenden Westen.

C. Offline




Beiträge: 2.639

23.10.2011 14:56
#25 RE: Gutmenschliches Schwarzweiß Antworten

Zitat von Techniknörgler
Nun, ich halte den Irak-Krieg in erster Linie für einen strategischen Fehler.



Er war sicherlich ein strategischer Fehler, aber nicht ein strategischer Fehler der USA, denn diese hatte zumindest eine Strategie. Ich halte deshalb den Anlass Massenvernichtungswaffen auch nur für einen Vorwand um eine UNO-Resolution zu bekommen, die Absicht war ganz eindeutig der Regierungswechsel vor der Aufhebung des Embargos.
Es gab einen Fehler in der Einschätzung der westlichen Partner Frankreich und Deutschland, trotzdem sehe ich die Operation Iraqi Freedom als gelungen an, militärisch allemal, verglichen mit dem Krampf der in Libyen vorgeführt wurde.
Natürlich ist viel Spekulation dabei zu behaupten, dass die USA ihr Gefecht gegen die Kaida in den Irak verlegt hat, aber in der Tat ist eine Ablenkung von den USA als Ziel von Anschlägen erfolgt.

Es gehört allerdings auch zum Wesen von Demokratie sich mit Regierungen arrangieren zu müssen, deren Zusammensetzung und Ausrichtung nicht gerade Begeisterung auslöst, wenn sie demokratisch legitimiert sind. Wie die westlichen Ländern damit umgehen, ist eine andere Sache*. Nach soviel "Neocon"-Eingeständnis fällt mir es auch nicht schwer, den Sturz Gaddafis zu begrüßen, wobei ich die Vorgehensweise, im Gegensatz zu der veröffentlichten Meinung, für fragwürdiger halte als bei Saddam Hussein, der von einem offiziellem Gericht verurteilt wurde.

Es ist allerdings keine Neuigkeit, dass sich westliche Bündnisse mit Bürgerkriegsparteien zusammentun, es war im Jugoslawienkrieg so, es war auch im Afghanistankrieg mit der Nordallianz so, es war im Irak mit den kurdischen Verbänden so.

Allerdings fehlt mir die klare Linie. Bei Saddam Hussein gab es im Vorfeld eine einheitliche Ablehnung durch den Westen und eine große Zahl von UN-Resolutionen, Gaddafi hingegen wurde bis zum Ausbruch der ersten Aufstände gehätschelt, weil er in vielerlei Beziehung nützlich war. Diese Anbiederei halte ich für verkommener als die Unterstützung beim Sturz. Wenn das westliche Bündnis glaubwürdig sein will, muss es sich neu justieren, aber dazu fehlt der Wille.

*Ich sehe die Gefahr, dass aus wirtschaftlichen Interessen eben keine Freiheit exportiert, sondern im Gegenteil Unfreiheit importiert wird.

http://www.iceagenow.com/ Cooling is the New Warming

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