Ich glaube nicht, dass die Entscheidung unvernünftig ist. Erster Denkfehler meiner Ansicht nach ist, dass hier über potentiell gesteigerte Arbeitslosenzahlen nachgedacht wird. Das mag richtig sein. Ich glaube nicht, dass dies tragische Auswirkungen haben dürfte. Für die Gesellschaft sind wenig mehr Arbeitslosen irrelevant, wenn der Gesamtwohlstand und das Gesamtglück mit dem Mindestlohn besser sein werden ("Mach 99% glücklich über mach 1 % glücklich"). Es ist ein riesiges Problem in unserer Gesellschaft, dass am unteren Ende (und zunehmend in der Mittelschicht) oft keine geeignete Bezahlung und Arbeitsbedingungen vorgesehen sind und dementsprechend der Hass auf unsere Gesellschaftsordnung massiv am Steigen ist. Es ist kein Wunder, wenn die Leute sich hier entfremden und dem deutschen Staat nicht positiv gegenüberstehen. Wer mit Arbeiten weniger bekommt als Sozialhilfeempfänger, der ist darüber absolut nicht glücklich! Viele teure Städte wie München z.B. haben das Problem, dass Stadtbedienstete dort nicht mehr den Lebensunterhalt bestreiten können, auch wenn das keine Mindestlohnfälle sein sollten.
Ich denke für die CDU/CSU/FDP ist der Mindestlohn das Mindeste, was sie tun können, denn in allem, was sie tun, werden sie als Feinde der Bürger wahrgenommen und man kann gar nicht dagegen argumentieren, denn das ist gar nicht so falsch. Dem Bürger wird genommen, sein Geld landet überall, nur nicht bei ihm. Und man hört auch nicht auf ihm, bei Fragen, wie er hier leben will und wie Deutschland in Zukunft sein soll. Und sich als antibürgerrechtliche Überwachungspartei zu profilieren, ist wohl auch nicht so eine vielversprechende Strategie von zumindest CDU/CSU.
Kurz, hier mal eine Gegenstimme zur Ablehnung und Unvernünftigkeit des Mindestlohns. Es wird trotzdem nicht reichen, Union und FDP werden abgewählt.
Du begehst einen schwerwiegenden Denkfehler. Du betrachtest den Mindestlohn als ein Instrument die Löhne anzuheben, das ist er nicht. Er ist vielmehr ein Arbeitsverbot für Geringverdiener. Werden die Menschen die jetzt die Gesellschaft hassen, weil sie keine geeignete Bezahlung erhalten, sie diese weniger hassen, wenn sie ganz aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden?
Erstaunlich. Ein vorgeschriebener Mindestpreis für ein Gut sorgt also für dessen Verknappung, wenn nicht gar für ein gänzliches Verschwinden des selbigen? Dies ist fürwahr eine Theorie, die mir bei der Lektüre klassischer Liberaler des 18. und 19. Jahrhunderts nie untergekommen ist. Gott sei Dank gibt es heutzutage Menschen, die vermittels empirischer Studien zu solchen Erkenntnissen gelangen...
Ansonsten ist es einfach nur müßig sich Gedanken über einen eventuellen Mindeslohn zu machen. Wir haben ihn (mit all seinen negativen Auswirkungen) längst: ALG II Regelsatz plus Miete - darunter wird höchstens ein Bruchteil der derzeit Arbeitslosen eine reguläre Beschäftigung aufnehmen.
Grüße
~~~ Die zunehmende Armut, welche allenthalben beklagt wird, scheint mir zuvörderst geistiger Natur.
Das Gut auf das du dich beziehst sind Leider nicht, die Arbeitsplätze sondern die Arbeitskräfte. Dann stimmt dein Einwand, der Mindestlohn wird dazu führen, dass Menschen auf den Arbeitsmarkt auftreten, für die Beschäftigung vorher uninteressant war, etwa Schüler, Studenten oder Hausfrauen. Ein Arbeitsloser wird mit denen um die verknappte Anzahl an Arbeitsplätzen konkurrieren müssen. Doppeltschlecht für einen Arbeitslosen.
Zitat von Llarian Mindestlöhne sind eigentlich nichts weiter als billigster Populismus, sie profitieren davon das 3 von 4 Wählern kaum die Preisbildung über Angebot und Nachfrage verstanden haben. Sie sind genau genommen, ganz analog zu Fukushima und dem Atomauststieg, Gesetze die vor allem denen ein Anliegen sind, die nicht die geringste Ahnung von der Materie haben. Da die Bundesregierung (bis auf Ausnahmen ala von der Leyen) nicht ganz blöd ist, gehe ich davon aus, dass die um die Effekte wissen. Nur weiss man eben auch, dass Mindestlöhne entweder schädlich (wenn hoch) oder funktionslos (wenn niedrig) sind. Und vielleicht will man welche setzen, die funktionslos sind, mit denen sich aber dennoch billiger Populismus treiben lässt. Machtpolitisch nachvollziehbar, ethisch ist es ein Ausnutzen von Dummheit beim Wähler.
Was man so weiß, weiß man nicht. Aber im Prinzip stimme ich ihnen zu, obgleich es auch das Argument gibt, dass Lohnerhöhungen über Preiserhöhungen weitergegeben werden können z.B. in abgeschotteten Märkten mit wenig Wettbewerb. Und es gibt noch einen wichtigen Aspekt für die Mindestlohn-Beführworter. Er verhindert die Einführung einer negativen Einkommenssteuer die das ganze System von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen überflüssig machen würde. Ohne diese wäre das Budget von Ursula von der Leyen deutlich niedriger. Und nicht zuletzt dient der Mindestlohn der angeblich nötigen Abwehr von billigen Arbeitskräften aus Osteuropa die nun in Scharen über Deutschland herfallen und für Dumpinglöhne im Pflegebereich sorgen, nachdem nun seit diesem Jahr auch in Deutschland das EU-Freizügigkeitsgesetz in vollem Umfang in Kraft trat.
Zitat von R.A.Die intelligenteren Anhänger des Mindestlohns sehen noch einen dritten Fall, und den halten sie für maßgeblich: Der Mindestlohn liegt zwar unter dem Marktlohn (damit keine negative Beschäftigungswirkung), aber unter den tatsächlich gezahlten Löhnen (deswegen wäre er nötig).
Du meinst wahrscheinlich "über den tatsächlich gezahlten Löhnen".
Zitat von R.A.Nach dieser Position wird die Problematik durch die Hartz-IV-Aufstock-Löhne geschaffen: Der Arbeitgeber zahlt weniger, als nach Ertrag/Markt angebracht wäre - im Vertrauen darauf, daß das Arbeitsamt dann die Differenz zahlt. Und die Beschäftigten machen mit, eben weil sie incl. Aufstockung auf ihren Lohn kommen.
Hinter dieser Argumentation steckt aber ebenso zwingend wie implizit nichts anderes als die Unterstellung eines Monopols oder Kartells. Denn im Wettbewerb müsste die Arbeitsnachfrage immer entlang der Grenzproduktivität verlaufen, egal wie die Angebotskurve zustande kommt.
Zitat von R.A.Aber früher scheint es diese Problematik nicht gegeben zu haben.
Dass sich einfache Tätigkeiten in Deutschland auch für die Anbieter nicht mehr rechnen, ist eine Konsequenz jahrzehntelanger Lohn- und Beschäftigungspolitik.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Politisch hat der Mindestlohn noch einen weiteren großartigen Vorteil für Merkel: Er spaltet die Gegner ihrer Euro-Politik.
Ex-BDI-Chef Hans Olaf Henkel spielt gerade mit der Idee einer neuen Partei, mit seinen Thesen zum Euro könnte er durchaus eine relevante Zahl von Wählern erreichen. Die Mindestlohn-Debatte erinnert alle daran, dass Henkel der ultrakapitalistische Gottseibeiuns ist. Gleiches gilt für den populären FDP-Rebellen Frank Schäffler.
Eine neue eurokritische Bewegung wäre für Merkel dann am gefährlichsten, wenn sich darin ein breites Bündnis von Sozialpopulisten und bürgerlichen Liberalen zusammenfinden würde. Das Thema Mindestlohn verhindert ein derartiges Bündnis zuverlässig.
Ich bin zwar nicht gerade für einen Mindestlohn, aber das wäre für mich der geringste Kritikpunkt an Frau Merkel. Wahrscheinlich ist insgesamt - also unter Berücksichtigung taktischer Gesichtspunkte - gar nicht so schlecht einen einzuführen. Mein Haupteinwand wäre ein liberaler, nämlich dass dies ein Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellt, aber davon haben wir auf dem Arbeitsmarkt schon soviele, dass man ohnehin Prioritäten setzen muss.
Zweitens, ein Midenstlohn kann tatsächlich für die GEsamtheit der Geringverdiener nützlich sein. Man kann sich das leicht klar machen, wenn man sicbh die Welt aus zwei Typen von Arbeitern zusammengesetzt vorstellt. Hochqualifizierte und Geringqualifizierte. Beide stellen jeweils unterschiedliche* Güter her, die sie auf dem Markt tauschen. Und nun schliessen sich die Geringqualifizierten zu einem Kartell zusammen und verlangen einen Mindestpreis. Dadurch fahren sie eine Monopolrendite ein (auch wenn sie weniger ihrer Arbeit verkaufen). Die Hochqualifizierten müssen dafür höhere Preise zahlen. Anders gesagt: Ein Mindestloh wirkt wie eine Umverteilung von Besser zu Geringer qualifizierten Arbeitskräften.
Nun kann man sagen, ja schön und gut, aber wie bei jedem Kartel, wird die Angebotsmenge reduziert, es entsteht also Arbeitslosigkeit, kann man nicht Umverteilung haben, wenn man sie denn möchte, ohne diesen negativen Effekt? Quasi effizienter? Antwort: In der Praxis nicht. Jede Umverteilung ist mit Verzerrungen (zum Beispiel über das Steuersystem) verbunden und damit einher gehen Effizienzverluste. Wenn man also Umverteilung will - und diese Gesellschaft will es zu einem bestimmten Grad- kann der Mindestloh sogar die effizienteste Lösung sein. Wer weiss. Jedenfalls muss man ihn relativ zu anderen Umverteilungsmechanismen sehen, wenn man ihn beurteilen will. Eine solche Studie habe ich aber auch noch nie gesehen.
Drittens kommt er sowieso irgendwann mit einer SPD Regierung. Dann führt man ihn besser jetzt ein und hat die Chance den institutionellen Rahmen günstig zu beeinflussen.
Viertens, das wurde schon erwähnt, nimmt das der Opposition ordentlich Wind aus den Segeln.
(* irgendwelche Ökonomen hier? Hier liegt in den Modellen der Hauptknackpunkt versteckt, ohne dass die meisten es merken. Denn die meisten Modellen gehen davon aus, dass Hoch und Geringqualifizierte Arbeit beliebig substituierbare Inputs einer Produktionsfunktion für insgesamt ein Gut sind )
Es gibt ja schon längst einen Mindestlohn, er nennt sich Hartz IV. Wer weniger verdient, hat Anspruch auf Aufstockung seines Einkommens durch den Staat. Bei vielen Geringverdienern (das betrifft v.a. Alleinverdiener (plus Kinder)) wird dieser Mindestlohn zurzeit von den Arbeitgebern und dem Staat gemeinsam finanziert.
Es stellt sich daher die Frage: Kann der Arbeitgeber seinen Anteil am faktischen Mindestlohn beliebig reduzieren, weil für den verbleibenden Rest ja immer die Allgemeinheit garantiert? Oder anders gefragt: Wie kann sich der steuerzahlende Teil der Gesellschaft davor schützen, dass er immer höhere Zuschüsse zu den Niedriglöhnen der privaten Wirtschaft leisten muss? Oder noch anders formuliert: Müssen die Unternehmen nicht doch zumindest (ggf. auch gezwungenermaßen) einen Mindestanteil an den unteren Einkommen finanzieren, da in diesen Bereichen die Marktwirtschaft (wie hier beschrieben)...
“...Auch wenn man - wie ich - kein Ökonom ist, kann man die Logik hinter diesen Urteilen der Fachleute verstehen: Wenn etwas künstlich verteuert wird, also ein höherer Preis als der Marktpreis erzwungen wird, dann sinkt die Nachfrage. Weniger Arbeitgeber wollen Mitarbeiter zu einem Lohn einstellen, der sich für sie nicht mehr rechnet...”
...schon längst nicht mehr existiert?
Da mich die Argumentationen der Gegner nicht wirklich überzeugen, tendiere ich inzwischen eher zu einem gesamtgesellschaftlich verträglichen Mindestlohn...
Zitat von dirkIn der Praxis nicht. Jede Umverteilung ist mit Verzerrungen (zum Beispiel über das Steuersystem) verbunden und damit einher gehen Effizienzverluste. Wenn man also Umverteilung will - und diese Gesellschaft will es zu einem bestimmten Grad- kann der Mindestloh sogar die effizienteste Lösung sein. Wer weiss.
Kommt es nicht auch ein wenig darauf an, gerade wenn wir über Arbeitsmärkte reden, wo man Mengenanpassungen erwartet und wo Preisanpassungen?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von Blub Es wird trotzdem nicht reichen, Union und FDP werden abgewählt.
FDP ja, CSU ja, CDU nein. Die nächste Regierung wird eine SPD/CDU Koalition mit Kanzlerin Merkel, wenn sie nicht EU-Präsidentin oder Vorstandsvorsitzende von Solar-tec wird. Natürlich ist diese Annahme unter dem Vorbehalt, dass Henkel mit einer neuen Partei ins Rennen geht und den Piraten die Protestwählerstimmen absaugt.
Zitat von NZZHinter den Plänen der CDU-Spitze steht massgeblich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die sich schon seit längerem an vorderster Front für Mindestlöhne starkmacht. Zum Vorstoss hat sie Bemerkenswertes zu sagen. Für sie stellt das, was jetzt geplant ist, eine «marktwirtschaftliche Lösung» dar, wie sie jüngst vor ausländischen Journalisten in Berlin erklärte. Die Mindestlöhne würden ja von den Arbeitgebern und den Gewerkschaften ausgehandelt; damit wären die massgeblich wirtschaftlichen Kräfte eingebunden, die Politik fungiere nur als Erfüllungsgehilfe.
Zitat von NZZHinter den Plänen der CDU-Spitze steht massgeblich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die sich schon seit längerem an vorderster Front für Mindestlöhne starkmacht. Zum Vorstoss hat sie Bemerkenswertes zu sagen. Für sie stellt das, was jetzt geplant ist, eine «marktwirtschaftliche Lösung» dar, wie sie jüngst vor ausländischen Journalisten in Berlin erklärte. Die Mindestlöhne würden ja von den Arbeitgebern und den Gewerkschaften ausgehandelt; damit wären die massgeblich wirtschaftlichen Kräfte eingebunden, die Politik fungiere nur als Erfüllungsgehilfe.
Auch jetzt sind die Tarifpartner selbstverständlich frei, in den jeweiligen Sparten einen Mindestlohn zu vereinbaren; das ist ja auch bereits geschehen.
Die CDU will eindeutig etwas anderes. In dem Artikel zitiere ich die FTD, die wiederum aus dem Papier der Antragskommission für den nächsten CDU-Parteitag zitiert (Hervorhebung von mir):
Zitat "Die CDU Deutschlands hält es für notwendig, eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert"
Zitat von ZettelVon der Leyen hat also Desinformation betrieben.
Aus ihrer Sicht offenbar nicht, denn:
Zitat von NZZDie Mindestlöhne würden ja von den Arbeitgebern und den Gewerkschaften ausgehandelt; damit wären die massgeblich wirtschaftlichen Kräfte eingebunden, die Politik fungiere nur als Erfüllungsgehilfe.
Solange Arbeitgeber und Gewerkschaften mitarbeiten dürfen, ist das nach von der Leyen marktwirtschaftlich. Komisch. Ich kenne das unter einem anderen Begriff. Aber Frau von der Leyen kennt sich da sicher besser aus als ich.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von RaysonDu meinst wahrscheinlich "über den tatsächlich gezahlten Löhnen".
Natürlich, das habe ich jetzt korrigiert. Danke.
Zitat Hinter dieser Argumentation steckt aber ebenso zwingend wie implizit nichts anderes als die Unterstellung eines Monopols oder Kartells.
Richtig. Die Annahme ist, daß es (zumindestens regional) einen großen Überschuß an unqualifizierten Arbeitskräften gibt und nur wenige Unternehmer, die für diese Verwendung finden. Und daß die Nachfrage für diese Verwendung nicht unbedingt steigt, wenn die Preise sinken. Beispiel: Die ansässigen Firmen ordern den nötigen Wachdienst, steigern aber die Bewachung nicht, wenn die Kosten sinken würden.
Nach meinen Erfahrungen gibt es durchaus einzelne Arbeitgeber, für die man das in einzelnen Branchen bzw. Regionen so sagen kann. Und die durchaus in ihrem "Geschäftsmodell" die Bezuschussung der Arbeitskräfte durchs Sozialamt einkalkulieren.
Ich bin recht unsicher, wie man mit solchen Effekten umgehen soll. Die allgemeine ökonomische Argumentation gegen Mindestlöhne ist stichhaltig. Ist aber vielleicht in manchen Fällen nur schwach wirksam. Wieder das Beispiel mit den Wachdiensten: Solange die Kosten durch die Einführung von Mindestlöhnen nur moderat steigen, wäre die Nachfrage nach diesen Arbeitskräften wohl unverändert, weil von Sachanforderungen getrieben.
Falls es sich wirklich nur um seltene Sondersituationen handelt, könnte man natürlich den "Mißbrauch" einfach hinnehmen als geringeres Übel verglichen mit flächendeckenden Mindestlöhnen. Wie gesagt, ich bin da unsicher.
Zitat Dass sich einfache Tätigkeiten in Deutschland auch für die Anbieter nicht mehr rechnen, ist eine Konsequenz jahrzehntelanger Lohn- und Beschäftigungspolitik.
Natürlich. Aber diese Situation haben wir schon länger, das Problem mit dem "Aufstocker-Mißbrauch" ist recht neu.
Zitat von R.A. Richtig. Die Annahme ist, daß es (zumindestens regional) einen großen Überschuß an unqualifizierten Arbeitskräften gibt und nur wenige Unternehmer, die für diese Verwendung finden. Und daß die Nachfrage für diese Verwendung nicht unbedingt steigt, wenn die Preise sinken. Beispiel: Die ansässigen Firmen ordern den nötigen Wachdienst, steigern aber die Bewachung nicht, wenn die Kosten sinken würden.
Aber die Preise für die Dienstleistung könnten evt. niedriger sein, so dass mehr Geld für die Nachfrage nach anderen Dienstleistungen da ist.
Zitat Korporatismus (italienisch: corporativismo) bezeichnet ein politisches und ökonomisches System, in dem die einzelnen Interessengruppen (Korporationen), vornehmlich der Arbeitgeber und Arbeiternehmer, nicht in einem feindschaftlichen, von Streiks und Klassenkämpfen geprägten Verhältnis stehen, sondern Löhne und Arbeitsbedingungen in friedlichem Einvernehmen aushandeln. Das Wort „Korporatismus“ entstammt dem lateinischen Wort „Corporatio“, was so viel wie „Körperschaft“ bedeutet.
Das klingt doch jetzt nicht so schlecht. Ihrem Link vermag ich beim ersten Lesen der Einleitung nicht zu entnehmen, warum das nicht grundsätzlich in freiem Einvernehmen geschehen soll und was daran so schlimm wäre. Erst wenn man weiter liest, merkt man, das ist eine euphemistische Umschreibung:
Zitat Der Korporatismus tauchte erstmals im italienischen Faschismus unter Benito Mussolini auf, wurde dann aber später auch im Austrofaschismus unter Engelbert Dollfuß, im Nationalsozialismus unter dem Namen „Volksgemeinschaft“, von Salazar in Portugal unter dem Namen „Estado Novo“.
Zitat von TechniknörglerDas klingt doch jetzt nicht so schlecht. Ihrem Link vermag ich beim ersten Lesen der Einleitung nicht zu entnehmen, warum das nicht grundsätzlich in freiem Einvernehmen geschehen soll und was daran so schlimm wäre.
Das ist dann schlimm, wenn es zu Lasten Dritter geht. Wenn ein Arbeitgeberverband und eine Gewerkschaft für ihre jeweiligen Mitglieder etwas aushandeln - völlig in Ordnung. Bei beiden ist die Mitgliedschaft freiwillig, wem die Ergebnisse nicht passen, kann ja austreten.
Der Knackpunkt beim Mindestlohn ist dagegen, daß er für Alle gelten soll. Also insbesondere für Arbeitnehmer, die bewußt nicht Gewerkschaftsmitglieder sind, sich aber dann trotzdem an die von den Gewerkschaften ausgehandelten Bedingungen halten müßten.
Die Herkunft des Begriffs ist mir dagegen recht egal. Vielleicht hat ja auch Mussolini mal "Buon Giorno" gesagt, man darf trotzdem noch so grüßen.
Zitat von Erling Plaethe Aber im Prinzip stimme ich ihnen zu, obgleich es auch das Argument gibt, dass Lohnerhöhungen über Preiserhöhungen weitergegeben werden können z.B. in abgeschotteten Märkten mit wenig Wettbewerb.
Das Dumme ist nur, lieber Herr Plaethe, solche Märkte existieren im niedrig qualifizierten Bereichn nahezu gar nicht. Gerade im niedrig qualifizierten Bereich gibt es extremen Wettbewerb, beispielsweise zur Technik. Da möchte ich aber gleich in einer Antwort an Dirk mehr zu schreiben.
Zitat Und nicht zuletzt dient der Mindestlohn der angeblich nötigen Abwehr von billigen Arbeitskräften aus Osteuropa die nun in Scharen über Deutschland herfallen und für Dumpinglöhne im Pflegebereich sorgen, nachdem nun seit diesem Jahr auch in Deutschland das EU-Freizügigkeitsgesetz in vollem Umfang in Kraft trat.
Und genau das wäre zu befürchten. Nur sehe ich das ganz und gar nicht positiv. In Deutschland haben wir ein echten Pflegeproblem. Und es wird grösser. Das dumme ist nur, das Geld wird es nicht. Und wenn in Pflegeheimen Geld fehlt, dann ist es nicht so, dass das von aussen geholt wird, nein, es wird schlicht verzichtet. Jeder ist dazu eingeladen sich mal ein günstiges Pflegeheim anzuschauen und sich zu überlegen, ob es so leben will. Wenn wir nun, weil wir so schön an unsere inländischen Pflegekräfte denken, Mindestlöhne dort einführen, dann passieren genau zwei Dinge: Einige verdienen mehr und einige fallen weg. Das dumme daran ist, dass die die wegfallen, eigentlich gebraucht würden. Und zwar dringend. Die deutsche "Pflegeindustrie" kann eigentlich sehr dankbar sein, dass es diesen Scharen billiger Arbeitskräfte gibt. Denn gäbe es sie nicht, dann wäre die Misere noch deutlich grösser. Gesamtgesellschaftlich sollten wir jeder rumänischen Altenpflegerin DANKBAR sein, dass sie bereit ist das so günstig anzubieten. Denn tut sie das nicht, ist es nicht so, dass dafür schöne viele hochmotivierte, deutsche Altenpflegerinnen ihren Job machen, es ist vielmehr so, dass die Pflegenden schlechter versorgt werden.
Zitat von dirk Zweitens, ein Midenstlohn kann tatsächlich für die GEsamtheit der Geringverdiener nützlich sein. Man kann sich das leicht klar machen, wenn man sicbh die Welt aus zwei Typen von Arbeitern zusammengesetzt vorstellt. Hochqualifizierte und Geringqualifizierte. Beide stellen jeweils unterschiedliche* Güter her, die sie auf dem Markt tauschen. Und nun schliessen sich die Geringqualifizierten zu einem Kartell zusammen und verlangen einen Mindestpreis. Dadurch fahren sie eine Monopolrendite ein (auch wenn sie weniger ihrer Arbeit verkaufen). Die Hochqualifizierten müssen dafür höhere Preise zahlen. Anders gesagt: Ein Mindestloh wirkt wie eine Umverteilung von Besser zu Geringer qualifizierten Arbeitskräften.
Und diese Folgerung ist so nicht richtig. Denn dieses Kartell kann eins nicht monopolisieren und das ist die Automation. Ich arbeite in dem Bereich und ich glaube ich kann ganz gut beurteilen was heute geht und was morgen gehen wird. Und die Zeichen stehen ziemlich schlecht für alles was nicht wenigstens eine Facharbeiterausbildung hat. Wenn nun der einfache Bauarbeiter (kein Ausgebildeter) nicht mehr 15 Euro die Stunde verdient sondern 20 verlangt, dann verteuert sich ein Haus plötzlich um 5-10 Prozent. Und das führt dann dazu, dass Fertighäuser (die viel weniger Arbeitsleistung verlangen, weil der Herstellungsprozess stärker automatisiert ist) im Vergleich günstiger sind und mehr gekauft werden. Überhaupt lohnt es sich plötzlich mehr Produktionsschritte zu automatisieren (siehe contour-crafting, ist aber noch Zukunft). Die Automobilindustrie hat das schon hinter sich und faktisch werden Autos heute von Robotern gebaut. Jede Giesserei verwendet heute grossflächig Roboter. Ein Mindestlohn würde meines Erachtens in einer solchen Betrachtung für einige Monate gut gehen, bis sich der Markt dem anpasst. Und das tut er durch mehr Kapitaleinsatz und noch mehr Maschinen. Und in der Folge hat man Arbeitslosigkeit, die weit über den Schwund an Nachfrage hinausgeht. Im Extremfall wird nahezu jeder Unqualifizierte arbeitslos.
Ach ja, und eins vielleicht noch: Es braucht dafür nicht einmal einen Mindestlohn. Alleine das Reden einer Regierung darüber, reicht schon völlig aus, um solche Effekte zu erzielen. Denn als Produzent plane ich meine Investitionen auch auf 10 Jahre. Wenn ich also heute eine Maschine kaufe, die entweder manuell oder vollautomatisch läuft (letztere natürlich teurer), dann rechne ich auch das Risiko ein, was mich ein solcher Mindestlohn kosten könnte.
Zitat von LlarianIm Extremfall wird nahezu jeder Unqualifizierte arbeitslos.
Und dann tritt die Politik auf den Plan und "bekämpft" das Unwesen, dass Leute einfach so als unqualifiziert bezeichnet werden können. Da kann die staatliche Bildungsmaschinerie bestimmt was drehen, damit es keine "Unqualifizierten" mehr gibt. Zertifikate verteilen zum Beispiel.
Na, oder es muss eine Quote her.
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
Zitat von Llarian Das Dumme ist nur, lieber Herr Plaethe, solche Märkte existieren im niedrig qualifizierten Bereichn nahezu gar nicht. Gerade im niedrig qualifizierten Bereich gibt es extremen Wettbewerb, beispielsweise zur Technik.
Der Wachschutz im weiteren Sinn ist so ein Markt, hinzukommt dass die Einführung eines Mindestlohnes der Abschottung eines Marktes dient. Es ist im Prinzip ein Akt des Protektionismus. So verstehe ich auch ihre folgenden Ausführungen:
Zitat von Llarian Und genau das wäre zu befürchten. Nur sehe ich das ganz und gar nicht positiv. In Deutschland haben wir ein echten Pflegeproblem. Und es wird grösser. Das dumme ist nur, das Geld wird es nicht. Und wenn in Pflegeheimen Geld fehlt, dann ist es nicht so, dass das von aussen geholt wird, nein, es wird schlicht verzichtet. Jeder ist dazu eingeladen sich mal ein günstiges Pflegeheim anzuschauen und sich zu überlegen, ob es so leben will. Wenn wir nun, weil wir so schön an unsere inländischen Pflegekräfte denken, Mindestlöhne dort einführen, dann passieren genau zwei Dinge: Einige verdienen mehr und einige fallen weg. Das dumme daran ist, dass die die wegfallen, eigentlich gebraucht würden. Und zwar dringend. Die deutsche "Pflegeindustrie" kann eigentlich sehr dankbar sein, dass es diesen Scharen billiger Arbeitskräfte gibt. Denn gäbe es sie nicht, dann wäre die Misere noch deutlich grösser. Gesamtgesellschaftlich sollten wir jeder rumänischen Altenpflegerin DANKBAR sein, dass sie bereit ist das so günstig anzubieten. Denn tut sie das nicht, ist es nicht so, dass dafür schöne viele hochmotivierte, deutsche Altenpflegerinnen ihren Job machen, es ist vielmehr so, dass die Pflegenden schlechter versorgt werden.
Lieber Llarian, kann es sein, dass hier ein Missverständnis vorliegt? Ich argumentiere gegen Mindestlöhne! Mir ist das eine oder andere Pflegeheim schon bekannt geworden.
Als ich diesen Thread gerade las, keimte mir die Idee für einen weiteren Grund für den Vorstoß der CDU in Sachen Mindestlohn auf: Kann es nicht sein, dass dies schon ein weiterer Schritt in Richtung Harmonisierung in Europa verstanden werden kann? Nach Merkels Lesart wird es doch zu einer europäischen zentralisierten Wirtschafts- und Finanzpolitik kommen. Da in den meisten Ländern schon ein Mindestlohn exsistiert, ist er nun auch in Deutschland einzuführen.
Zitat von LLarianUnd diese Folgerung ist so nicht richtig. Denn dieses Kartell kann eins nicht monopolisieren und das ist die Automation.
Das ist richtig. Diese Ausweicheffekte sind eine Quelle für Ineffizienz. Aber Ähnliches gilt auch für Umverteilungen über das Steuersystem. Wenn man den Mindestlohn evaluieren möchte, reicht es daher nicht, bloß negative Effekte festzustellen sondern man muss untersuchen ob die negativen Effekte gravierender sind als bei den Alternativen.
Bei vielen kleinen Dienstleistungen (Friseure, Putzfrauen) ist Automation schwierig. Und da wo sie möglich ist, kommt sie vermutlich so oder so (an der Kasse im Supermarkt ( auch wenn ich mich jedes Mal darüber ärger für ein Bier eine Autorisierung einzuholen geschweige denn von einigen anderen kleineren Krankheiten.)
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